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laut.de-Kritik

Retro-futuristische Psychedelia für ein neues Jahrtausend.

Review von

Am 20. März 2000 erscheint mit "The Noise Made By People" das Debüt-Album der Band Broadcast aus Birmingham. Mit einem Cover-Artwork, das wie ein Sixties-Film-Noir-Thriller-Vorspann aussieht, erscheinen einem auch vom ersten Ton an beim Hören die 1960er Jahre in Form von poppiger Psychedelia, leuchtenden Lava-Lampen und knisterndem Vintage-Vinyl.

Doch dieses Trio mit Sängerin Trish Keenan, Bassist James Cargill und Gitarrist Tim Felton – plus immer wieder wechselndem Drummer – in die Nostalgie-Ecke zu schieben, kam angesichts des experimentellen wie einzigartigen Sounds niemand in den Sinn. Zu charakteristisch der Gesang und Geräuschmix, zu cool der Mix aus Space-Pop, Avantgarde-Pop und Electronica, den Broadcast hier so unverschämt entspannt auf ihrem Erstling ausbreiten.

Dabei war die Entstehung alles andere als easy: Geschlagene drei Jahre arbeiten sie an "The Noise Made By People", um ihren speziellen Sound zu erschaffen, wenden sich von mehreren Produzenten ab und produzieren ihre Songs schließlich selbst. Warp Records ist extrem interessiert und veröffentlich das Album, das trotz innovativer Acts wie Aphex Twin, Boards Of Canada, Autechre u.v.a vielen als das repräsentativste des so renommierten wie wegweisenden Labels gilt.

Der unique Sound von Broadcast ist ein retro-futuristisches Meisterwerk, der Einflüsse von Stereolab hin zu Portishead sowie Ennio Morricone und Steve Reich miteinander zu einem schimmernd somnambulen Organismus verwebt und nichts weniger als Psychedelia für ein neues Jahrtausend bildet. Herausragend sind neben zehn fließend faszinierenden anderen Songs dabei die Tracks "Come On Let's Go", das den Girlgroup-Pop der frühen 60er Jahre neu interpretiert und mit Phil Spectors "Wall Of Sound"-Idee verbindet, sowie "Papercuts", ein nebliger Noir-Jazz-Walzer, der die Hörerinnen und Hörer einlullend hypnotisch wie eine Zauberformel in den Bann zieht.

Welche Musik hätten Trish Keenan und James Cargill (Herz und Hirn der Band) zusammen wohl noch zaubern können, hätte die vom Schicksal gebeutelte Band (Warp Records Mitbegründer Rob Mitchell stirbt 2001, ein Jahr darauf kommt Mary Hansen, Sängerin von Stereolab und eine frühere Förderin, bei einem Fahrradunfall ums Leben) nicht 2011 noch eine endgültige Tragödie hinnehmen müssen: Sängerin Trish Keenan erliegt am 14. Januar 2011 einer Lungenentzündung nachdem sie sich vorher mit dem H1N1-Virus (Schweinegrippevirus) infiziert hatte.

Sie wurde nur 42 Jahre alt. Unsterblich ist hingegen das viel zu kurze Werk von Broadcast mit drei Studioalben, beginnend mit diesem formvollendeten wie fabelhaften Debüt, das wie ein Stern aus dem Weltall auf uns herunterstrahlt.

In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.

Trackliste

  1. 1. Long Was The Year
  2. 2. Unchanging Window
  3. 3. Minus One
  4. 4. Come On Let's Go
  5. 5. Echo's Answer
  6. 6. Tower Of Our Tuning
  7. 7. Papercuts
  8. 8. You Can Fall
  9. 9. Look Outside
  10. 10. Until Then
  11. 11. City In Progress
  12. 12. Dead The Long Year

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