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Zeitschrift-Artikel: Ausgeträumt? Bejing 2008

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Titel: Ausgeträumt? Bejing 2008
Typ: Artikel
Autor: Wolfgang Bühne
Autor (Anmerkung):

online gelesen: 2341

Titel

Ausgeträumt? Bejing 2008

Vortext

Text

Olympic Games 2008: „Eine Welt – ein Traum“

Eine Woche nach der grandiosen Abschlussfeier der Olympischen Spiele in Peking flogen wir nach China, um im Süd-Osten des Landes einige „Untergrund-Gemeinden“ zu besuchen, uns mit Brüdern zu treffen, die in der Evangelisationsund Literaturarbeit tätig sind und uns einen Eindruck von der aktuellen Situation der Christen im Land zu verschaffen. In den Flughäfen und in den Städten begegnete uns auf Schritt und Tritt „Beijing 2008“ – riesige Plakate und Bilder erinnerten an das außergewöhnliche sportliche Ereignis. Die Medien waren voll mit begeisterten Berichten und nur am Rande und recht zögerlich wurde der Milchpulver-Skandal erwähnt, der inzwischen China aus allen Träumen reißt. 2008 sollte „das Jahr Chinas“ werden, die Olympiade sollte der Welt das veränderte Bild des Landes vermitteln: nicht mehr ein Polizei- Staat, vom klassischen Kommunismus geprägt, sondern ein weltoffenes, wirtschaftlich blühendes Land, in dem die Menschenrechte gewahrt werden und die Pressefreiheit garantiert ist. Die bisher teuersten olympischen Spiele kosteten den Staat über 40 Milliarden Dollar, Hunderttausende von Helfern waren im Einsatz, um für Ordnung und Sicherheit während dieser Zeit zu sorgen und mehr als 35.000 Journalisten aus aller Welt hatten Gelegenheit, sich ein Bild von einem „freien“, modernen China zu machen und es dann in den Medien weltweit zu verbreiten.

Die Wirklichkeit

Bei allen enormen und positiven Veränderungen im Land bleibt es aber eine Tatsache, dass nur etwa ein Sechstel der Bevölkerung es geschafft hat, zum Mittelstand der Gesellschaft zu gehören und etwa eine Milliarde Chinesen übrig bleiben, die besonders im Norden und Westen des riesigen Landes oft um das Überleben kämpfen müssen und manchmal nicht mehr als 100 USDollar im Monat verdienen. Aber die Chinesen haben in den letzten Jahrzehnten gelernt, genügsam zu leben, hart zu arbeiten und sich den Herausforderungen zu stellen. Wirklichkeit ist auch, dass die Pressefreiheit weiterhin eingeschränkt ist, bestimmte Internetseiten blockiert werden, öffentliche Kundgebungen – wenn überhaupt – nur sehr schwer möglich sind und der Staat alle Hände voll zu tun hat, das Land vor einem Aufstand der Massen zu bewahren. Jedoch bekommt man für diese Maßnahmen, die im Westen teilweise sehr scharf kritisiert werden, ein gewisses Verständnis, wenn man die Geschichte Chinas vor Augen hat und bedenkt, welch ein Chaos entstehen würde, wenn den vielen Volks- und Religionsgruppen in der gegenwärtigen Situation erlaubt würde, ihre Meinungen und Forderungen uneingeschränkt durchzusetzen. Auch das Beispiel Tibet sollte man nicht oberflächlich und nur von einer Seite betrachten. Je mehr man mit dem Land und den Gegebenheiten in China vertraut wird, bekommt man den Eindruck, dass die jetzige Regierung zumindest versucht, das Land umsichtig zu regieren und schrittweise in eine möglichst geordnete Demokratie zu führen. Tatsache ist aber auch, dass die Erdbebenkatastrophe in Sichuan und auch die olympischen Spiele das Zusammengehörigkeitsgefühl der Chinesen positiv verändert haben. Eine erstaunliche und ungewöhnliche Welle der Hilfsbereitschaft ging durch das Land und irgendwie bekommt man den Eindruck, dass die Freundlichkeit und Höflichkeit der Chinesen hier und da nicht mehr nur eine aufgesetzte Maske ist.

Möglichkeiten der Evangelisation

Natürlich waren wir sehr gespannt, von möglichen evangelistischen Einsätzen während der olympischen Spiele zu erfahren. Zunächst hörten wir nur, dass in einigen Hotels in Peking während der Spiele Bibeln ausgelegt wurden. Aber dann bekamen wir einen erfreulichen Bericht von John Short aus Hongkong, der während der Olympiade in Peking war und aktiv an den evangelistischen Einsätzen teilgenommen hat. Er berichtet, dass trotz aller Polizeipräsenz Millionen von Traktaten, Kalendern, Neuen Testamenten und Broschüren verteilt werden konnten. Darunter auch das bekannte Traktat „Pures Gold“ und die mehr für Christen geschriebene Broschüre von G. Cutting: „Sicherheit, Gewissheit und Genuss“. Zwei Jahre lang hatte man sich auf diese Einsätze vorbereitet, die Schriften gedruckt und an den Austragungsorten versteckt, um sie dann vor oder nach den Veranstaltungen verteilen zu können. Selbst die staatlich kontrollierte „Drei- Selbst-Kirche“ druckte und verteilte eine Menge zweisprachiger Evangelien, auch wenn damit nicht in erster Linie der Mann auf der Straße erreicht wurde. John Short bedankt sich ganz herzlich für alle Fürbitte und bittet darum, dass man nun auch „um Wasser für die ausgestreute Saat“ betet, damit echte Frucht für die Ewigkeit wachsen kann.

„Jesus unser Schicksal“ – beliebt unter chinesischen Studenten

Während der Zeit der olympischen Spiele wurden in Studenten-Veranstaltungen Tausende von frisch gedruckten Exemplaren der chinesischen Übersetzung von „Jesus unser Schicksal“ verteilt. Diese Bücher wurden sehr gerne angenommen, gelesen und zu unserer Freude auch verstanden. Wir sind dankbar, dass dieses Buch offensichtlich auch die Herzen von Chinesen anspricht. Kurioser Weise hatte man allerdings auf der Rückseite des Buches das Bild des Humoristen Wilhelm Busch gedruckt, weil man im Internet keinen anderen Wilhelm Busch fand und wir vor dem Druck keine Möglichkeiten der Kontrolle hatten. Als wir unsere Brüder auf diese Peinlichkeit hinwiesen, waren sie sehr erschrocken. Aber nach drei Tagen war der „echte“ Busch auf der Rückseite zu sehen: In Windeseile hatte man einen selbstklebenden „Busch“ drucken lassen und damit den Restbestand der Bücher überklebt. So etwas geht in China auch unter Christen sehr schnell, unkompliziert und professionell.

Hilfsaktion im Erdbebengebiet

Eine Anzahl „Fest&treu“-Leser hatten uns in den vergangenen Wochen finanzielle Gaben für das Katastrophengebiet anvertraut, die wir an einen uns gut bekannten Freund und Bruder „Thomas“ in China weitergeleitet haben, der diese Hilfe an Ort und Stelle verteilt hat. Am 21. September bekamen wir von ihm folgenden Brief mit einigen Fotos, der einen kleinen Einblick in die gegenwärtige Situation bietet:

Grüße im Namen unseres Herrn! Für eine sichere Reise nach Sichuan vom. 25.- 29.08.2008 war ich dem Herrn sehr dankbar. Ich nahm eure großzügige Gabe mit, um sie den Leitenden unter den Christen dort weiter zu geben. Die Brüder waren so nett, mich im Erdbeben-Gebiet herumzuführen. Unterwegs sahen wir eingestürzte Häuser, Schulen, Fabriken und diverse Gebäude – fast alles nur noch Ruinen. Die Menschen haben Bretter und anderes Material wieder verwendet, um sich notdürftig eine Bleibe zu bauen, bis die Regierung die Übergangswohnungen zur Verfügung stellen kann. Diese bestehen aus Fertigplatten mit Schaum dazwischen. Bis dahin haben die Familien auch für eventuelle weitere Beben Zelte zur Verfügung gestellt bekommen. Ein Gebiet, das sich „Bei Chua“ nennt, ist nun von Zäunen und Stacheldraht umgeben, damit niemand unbefugt hinein kommt. Mehr als 20.000 Menschen wurden dort unter den Trümmern begraben. Überlebende wurden von dort evakuiert und in der Nähe angesiedelt. Ich habe Christen getroffen, welche in die Gegend reisten um zu helfen und dort geblieben sind, um das Evangelium zu verkündigen. Nach dem Erdbeben kam eine große Anzahl an Helfern aus ganz China, aber die meisten sind nur kurze Zeit geblieben. Die Christen aber blieben, um sich um die Alten, Verletzten sowie Witwen/Witwer und Waisen zu kümmern, die das Erdbeben hinterließ. Die Christen, die ich kennen gelernt habe, errichteten ein Hilfszentrum für Schüler, die auf den Wiederaufbau der Schulen warten und kümmerten sich auch um Mütter und Kinder, die sich nicht ausreichend selbst versorgen konnten. Auf Grund dieser Hilfsleistungen hatten sie gute Gelegenheit, den Betroffenen das Evangelium zu bringen. Im Hilfszentrum traf ich einen Studenten, der sich nach dem Erdbeben bekehrt hatte. In den Krankenhäusern trafen wir viele weitere Menschen, um die sich die Christen gekümmert hatten und welche schon die wunderbare Nachricht vom Herrn Jesus gehört hatten. Sie fanden Trost durch das Evangelium in dieser schlimmen Zeit. Bei dieser Katastrophe hat die Regierung sehr gut reagiert, um den Opfern zu helfen. Gemäß Informationen von Betroffenen haben allerdings nur die Menschen in den Großstädten und anderen größeren Städten ausreichende Hilfe erhalten, während in abgelegenen Dörfern viele ganz vergessen wurden. Deshalb haben sich die Geschwister auf diese vernachlässigten Gegenden konzentriert und hatten dort wunderbare Gelegenheiten, diesen Menschen das Evangelium zu bringen. Da der Winter kurz bevorsteht, gibt es einen großen Bedarf an Decken und warmer Kleidung. Eure finanzielle Gabe wird eine große Hilfe in dieser Gegend sein. Herzlichen Dank dafür und für Eure Liebe zu diesen Menschen. Möge Gott, dem wir dienen, Eurer gedenken und nach seinem Reichtum belohnen. Im Dienst für den Herrn, Euer Thomas

Wir sind sehr dankbar, dass wir mit dieser Aktion ein wenig mithelfen konnten, die Not in der Region zu lindern. Es ist uns auch ein wichtiges Anliegen, dass wertvolle Literatur in die Hände dieser betroffenen Menschen kommt. So gut wie alle Bücher, die wir bisher in China gedruckt haben, sind inzwischen verteilt und werden nach Bedarf nachgedruckt. Die Literatur wird dringend benötigt und dankbar angenommen. Um unsere chinesischen Geschwister nicht in Gefahr zu bringen, lassen wir von den Büchern jeweils nur eine relativ kleine Auflage von 5.000 oder 10.000 Exemplare drucken, damit die Lagerung großer Mengen nicht auffällig wird und zu Problemen führt. Unser Gebet und mittelfristiges Ziel ist, in Zukunft diese Bücher mit offizieller Genehmigung herausgeben zu können – entweder in Zusammenarbeit mit einem bestehenden chinesischen Verlag, oder aber durch die Gründung eines eigenen Verlages mit unseren chinesischen Geschwistern. Allen, die mitgeholfen und für die bisherigen Aktionen gebetet haben, auch an dieser Stelle im Namen der chinesischen Geschwister herzlichen Dank!

Nachtext

Quellenangaben