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Zeitschrift-Artikel: Ungewöhnliche Bekehrungen

Zeitschrift: 164 (zur Zeitschrift)
Titel: Ungewöhnliche Bekehrungen
Typ: Artikel
Autor: Wolfgang Bühne
Autor (Anmerkung):

online gelesen: 1724

Titel

Ungewöhnliche Bekehrungen

Vortext

Text

Hugh Latimer, der Schrecken der Übeltäter, das Idol des einfachen Volkes, der ehrlichste Mann in ganz England.“ Hugh kam als Sohn eines einfachen Bauern zur Welt, konnte aber dennoch bereits mit 14 Jahren die Universität in Cambrigde besuchen, um zunächst klassische Studien zu hören und schließlich katholische Theologie zu studieren. Er wurde nach dem Studium zum Priester geweiht, wurde ein begabter und eifriger Priester und ab 1522 sogar Universitätsprediger. Etwa 1525 hielt er vor den Studenten und Professoren der Universität eine lateinische Rede gegen die Reformation, die in Deutschland stattfand und nun auch in England für Unruhe sorgte. Unter den Zuhörern befand sich ein kleinwüchsiger Jurist – „Der kleine Bilney“. Er war zum Glauben gekommen durch das Lesen des NT und scharte Jura-Studenten um sich, um das NT im griechischen Grundtext zu lesen und zu studieren. Dieser Bilney erkannte die Begabung und Aufrichtigkeit Latimers, betete für ihn und überlegte, wie er ihn für Christus gewinnen könnte. Schließlich reifte in ihm ein Plan, den er dann auch ausführte: Nach einer Predigt Latimers lief Bilney zu ihm und bat ihn, die Beichte abzunehmen. Ein „Beichtvater“ bittet sein „Beichtkind“ um Seelsorge … Latimer, der ihn als Irrlehrer kannte, fragte sich erstaunt: „Ein Ketzer will einem Katholiken beichten?“ und hoffte ihn für die römisch-katholische Kirche zu gewinnen. Bilney kniete sich zur „Beichte“ nieder, bekannte ihm dann aber nicht seine Sünden, sondern berichtete mit bewegenden Worten, wie er selbst nach jahrelangen Kämpfen Frieden mit Gott gefunden hatte. Dieses Bekenntnis erschütterte Latimer derart, dass er in Tränen ausbrach, weil er ähnliche Kämpfe hinter sich hatte, von denen keiner etwas ahnte. Latimer kniete vor Bilney nieder und bat sein „Beichtkind“ um Seelsorge und Anleitung. Nun war Bilney überwältigt, zog sein NT aus der Tasche und las ihm die Worte aus 1.Timotheus 1,15 vor: „Das ist gewisslich wahr und ein teuer wertes Wort, dass Jesus Christus in die Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen unter welchen ich der erste bin.“ Der Geist Gottes benutzte diese Worte, um Latimer zu überführen und ihm den rettenden Glauben zu schenken. Nun setzte sich Latimer zu den Füßen Bilneys, studierte mit ihm das NT, verabschiedete sich als Universitätsprediger und wurde ein überaus populärer Volksprediger – aber immer noch als Katholik. Seine große Popularität sorgte dafür, dass Latimer am Hof Heinrichs VIII. bekannt wurde und der König, der eine Vorliebe für originelle Personen hatte, machte ihn im Jahr 1534 zum Prediger am Königshof. Er predigte den Hofleuten sehr derb und so deutlich, dass seine Predigten einerseits mit Begeisterung und andererseits mit Wut quittiert wurden. Ein katholischer Geschichtsschreiber schrieb über ihn: „Seine Beredsamkeit war rücksichtslos und heftig, sie ergoss sich in ungehobelter, beißender Sprache und war mit absonderlich gemeinen Späßen und Possen gewürzt.“ 1535 wurde Latimer von Heinrich VIII. wegen seiner reformatorischen Lehren am Hof entlassen und wurde dann Bischof von Worchester. Er begann dort neben seinen Predigten in der Kirche, auch in Freiversammlungen das Wort Gottes zu verkündigen. Als 1539 die „sechs blutigen Artikel“ des Königs verabschiedet wurden, musste Latimer sein Amt aufgeben. Als der Ketzerjäger Gardiner ihn fragte, warum er sich nicht unter das Gesetz des Königs beuge, antwortete er: „Ich will lieber meinen Leib von wilden Tieren zerreißen lassen als um ein Jota von Gottes Wort abzuweichen!“ Als Heinrich VIII. 1547 starb, wurde Latimer unter Eduard VI. – dem Nachfolger Heinrichs – aus dem Gefängnis befreit und zog zu seinem Freund, dem Erzbischof Cranmer, und half ihm die reformatorischen Lehren im ganzen Land in Wort und Schrift zu verbreiten. Das waren sechs sehr wichtige, segensreiche Jahre für England. Jeden Morgen, Sommer wie Winter, lag er bereits um 2 Uhr morgens auf den Knien um Gottes Wort zu studieren. Als nach sechs Jahren Eduard VI. starb und seine Halbschwester, die „blutige Maria“, an die Macht kam, wurde im selben Jahr Latimer, Cranmer, Ridley und Badford aus Platzgründen in eine Gefängniszelle gesteckt, wo diese Reformatoren das NT studierten. Latimer betete täglich so lange, dass seine Mitgefangenen ihn von den Knien aufheben mussten, weil er nicht alleine aufstehen konnte. 1555 war es soweit: Alle Versuche, Latimer zum Widerruf zu bewegen, scheiterten. „Ich werde Gottes Wahrheit nicht verleugnen und bin bereit sie mit meinem Tod zu besiegeln!“ Seine letzten Worte auf dem brennenden Scheiterhaufen lauteten: „O lieber himmlischer Vater, nimm meinen Geist auf!“ Ein Biograf schrieb von ihm: „Er sah den Flammen entgegen, als wollte er sie umarmen, strich sich noch einmal durch das Gesicht, als die Flammen näher kamen und starb sehr bald ohne lange zu leiden.“.

Nachtext

Quellenangaben