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Zeitschrift-Artikel: "Kauf einen halben Sack Kleiderhaken!" - Wie eine Gemeinde entstand

Zeitschrift: 98 (zur Zeitschrift)
Titel: "Kauf einen halben Sack Kleiderhaken!" - Wie eine Gemeinde entstand
Typ: Artikel
Autor: Wolfgang Bühne
Autor (Anmerkung):

online gelesen: 1572

Titel

"Kauf einen halben Sack Kleiderhaken!" - Wie eine Gemeinde entstand

Vortext

Während unserer Rundreise durch Kasachstan lernten wir u.a. Viktor Spitz kennen, der mit seiner Frau Elena und weiteren jungen Christen abendlich die großen Entfernungen nicht scheute, um der Wortverkündigung zuzuhören. Wie es in Kasachstan üblich ist, saßen wir abends nach der Predigt noch etwas bei Borsch, Brot und Tee zusammen, um einander kennen zu lernen und Erfahrungen auszutauschen. Bei dieser Gelegenheit erzählte mir Viktor, einer der Evangelisten im Land, seine Bekehrungsgeschichte:

Text

„Meine Mutter kam nach dem Tod meines Vaters zum Glauben an den Herrn Jesus und wir Kinder – acht an der Zahl – merkten die große Veränderung in ihrem Leben. Sie redete von Jesus und sie lebte Jesus. Weil ich Tischler war, sagte sie mir eines Tages: „Kauf einen halben Sack Kleiderhaken (also 50 Stück), schlage sie an ein Holzbrett und ich werde beten, dass an jedem Haken zwei Jacken hängen werden.“ Ich lachte: „Wie kommst Du auf diese Idee? Ihr seid doch nur zu Dritt!“ – Eine Schwester und eine Enkeltocher waren inzwischen durch das Zeugnis der Mutter zum Glauben gekommen und versammelten sich in einem kleinen Raum zum Gebet und Bibellesen. „Ich werde beten!“, war ihre Antwort. Eines Tages bat mich Mutter, sie mit dem Auto zu einer Nachbargemeinde zu fahren. Dort angekommen, ging mein Auto kaputt. Aber die Christen dort halfen mir bei der Reparatur und waren so freundlich zu mir, dass ich überwältigt war und schon überlegte, ob ich mich nicht dort taufen lassen sollte. Aber ich hatte keine entsprechende Kleidung dabei und so verwarf ich diesen Gedanken. WIE EINE GEMEINDE ENTSTAND Meine „Karriere“ als Ikonenmaler Bei uns pflegte man zu sagen: „Von unserem Dorf kommen nur drei in den Himmel: Der Totenbestatter, der Totengräber und der Ikonenmaler.“ Der Ikonenmaler war ich! Besonders vor Weihnachten bekam ich viele Aufträge. Und da ich mit der Malerei ein gutes Werk tun wollte, nahm ich als Bezahlung für jedes Bild nur eine Flasche Wodka, die ich anschließend trank. Die Ikonenbilder wurden dann zur Kirche gebracht, mit Weihwasser bespritzt und als „Gott“ in eine Wohnzimmerecke gestellt, um gelegentlich angebetet zu werden. Wenn aber der Wodka getrunken wurde, pflegte man einen kleinen Vorhang vor die Ikone zu ziehen – „Gott“ sollte das nicht unbedingt mit ansehen. Als ich damals von meiner ersten Begegung mit den Christen der Nachbarstadt zurückkehrte, war bei uns „der Teufel los“. Man hatte meinen Kassettenrekorder geklaut und Fedja, der Wahrsager des Dorfes, kam zu mir und sagte: „Male mir eine Ikone und werde dafür sorgen, dass du den Rekorder zurückbekommst.“ Fedja hatte es auf seinem Gebiet schon weit gebracht. Er sagte von sich, dass sein Geist in der Lage sei, seinen Körper zu verlassen. Auf diese Weise hätte er sein Fahrrad wiedergefunden, das man ihm geklaut hatte und er wollte mich in dieser Kunst auch unterweisen. Ich war begeistert und bald kam er mit einem Buch „Lebendige Ethik – das Jogafeuer“, worin auf der ersten Seite zu lesen war: Wer schwach sei, sollte dieses Buch nicht lesen! Aber mit dem Wahrsager kamen auch Ängste in unser Leben. Als meine Frau das Buch sah, rannte sie aus dem Haus. Des Nachts geschahen unheimliche Dinge in unserer Wohnung, wir hörten Klopfzeichen, Schritte usw., – wir hatten Angst! Etwa zu der gleichen Zeit hatten Elena und ich angefangen, im Neuen Testament zu lesen und zwar in der Offenbarung. Da war die Rede von einem Abgrund, der geöffnet wurde und von Menschen, die fünf Monate gequält wurden. Wir bekamen einen großen Schrecken und ich sagte zu meiner Frau: „Lauf Du zuerst und bekehre Dich!“ Doch das geschah erst, als nach einigen Tagen Wahrsager Fedja kam. Sie bekam eine solche Angst, dass sie zur Mutter rannte und sich dort tatsächlich bekehrte. Von da an musste ich mir nicht nur die Predigten meiner Mutter, sondern auch die Elenas anhören. Ein Autounfall mit Totalschaden war der nächste Wink Gottes in meinem Leben. Ich wusste: Gott ruft mich! Ein Albtraum und seine Folgen Kurze Zeit später hatte ich eines Nachts einen Traum vom Weltende. Der Himmel war rot gefärbt und alles war in Bewegung. Die Menschen kamen aus ihren Häusern und fielen auf die Knie. Darunter war tatsächlich auch ein Nachbar von mir, ein gottloser Atheist. Auch er beugte seine Knie vor Gott. Im Traum schämte ich mich vor meinem Nachbarn und auch ich fiel auf meine Knie und rief: „Gott vergib!“ Ich wusste: das Ende aller Zeit ist gekommen! Doch zu meinem Entsetzen hörte ich eine laute, donnernde Stimme: „Zu spät!“ Schweißgebadet wachte ich auf. Gut, dass es nur ein Traum war. Es war also noch nicht zu spät. Jetzt war ich es, der zur Wohnung meiner Mutter lief, um mich zu bekehren. Das war 1994. Natürlich änderte sich danach vieles in meinem Leben. Mit der Ikonenmalerei hörte ich nicht nur auf, sondern ich versuchte auch die von mir gemalten Bilder zurückzukaufen. Aber das klappte nicht. Die Babuschkas sagten: „Nein, das Bild ist in der Kirche geheiligt worden, das ist mein Gott!“ „Aber das habe ich doch gemalt!“ Umsonst! Auch gegen ein höheres Geldangebot waren sie dazu nicht bereit! Einige Monate nach meiner Bekehrung wurde ich lauer. Eine Folge davon war, dass ich mir Ausreisedokumente besorgte, um nach Deutschland auszusiedeln. Obwohl ich Russe bin, wurde meine deutsche Abstammung anerkannt. Als ich dieses Dokument in den Händen hatte, war die Freude groß und ich habe darauf einen getrunken. So weit kann man sinken! „Wer hat an der Uhr gedreht...?“ Ein anderes Mal stand ich schon auf der Leiter, um unseren Stromzähler zurückzuspulen. Zu diesem Zweck benutzte ich eine Bohrmaschine, um mit einem Adapter ein bestimmtes Zahnrad zu manipulieren. Aber man muss dabei vorsichtig sein und nicht zu weit zurückspulen, weil sonst der Betrug auffällt, wenn der Zähler plötzlich weniger Stromverbrauch zeigt als im Vormonat. Als Ungläubiger hatte ich darüber nie ein schlechtes Gewissen gehabt. Der korrupte Staat sollte nicht noch mehr Geld von mir bekommen. Aber als ich jetzt auf der Leiter stand und die Bohrmaschine in Stellung brachte wusste ich: „Gott sieht mich. Das ist nicht in Ordnung!“ Beschämt brach ich die Aktion ab und wusste, Gott hatte mich vor einer Sünde bewahrt. Wir sind dann doch nicht nach Deutschland ausgereist! Der Herr hat uns gezeigt, welch ein großes Aufgabengebiet wir in Kasachstan haben und so darf ich hier in der Umgebung das Evangelium verkündigen und mithelfen, dass die Gemeinde wächst. Inzwischen haben wir bereits ein größeres Gemeindehaus, in dem auch unsere Mutter wohnt. Es kommen so viele Leute in unsere Versammlungen, dass die 50 Kleiderhaken schon lange nicht mehr reichen. Gott hat den Glauben unserer Mutter belohnt!“

Nachtext

Quellenangaben