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Zeitschrift-Artikel: John Paton - Missionar unter den Kannibalen der Neuen Hebriden (2.Folge)

Zeitschrift: 48 (zur Zeitschrift)
Titel: John Paton - Missionar unter den Kannibalen der Neuen Hebriden (2.Folge)
Typ: Artikel
Autor: Wolfgang Bühne
Autor (Anmerkung):

online gelesen: 2874

Titel

John Paton - Missionar unter den Kannibalen der Neuen Hebriden (2.Folge)

Vortext

Text



John Paton (1824 — 1907)
Missionar unter den Kannibalen der Neuen Hebriden

2. Folge



John Paton wuchs in einer kinderreichen Familie im Süden Schottlands auf. Besonders der gottes­fürchtige Vater hatte das Leben des jungen John entscheidend geprägt. Nach einer Ausbildung als Lehrer in Glasgow, wurde er bald als Stadtmissionar eingesetzt und arbeitete in großem Segen in einem Armenviertel. Doch Gott rief ihn bald aus dieser Arbeit heraus und zeigte ihm ein neues Aufgabengebiet: die Kannibalen der Neuen Hebriden. Im April 1858 reiste er mit seiner Frau nach Melbourne ab.

Nach etwa vier Monaten trafen sie wohlbehal­ten in Australien ein und wurden dann unter schwierigen Umständen nach "Tanna" gebracht - eine der vielen kleinen Inseln der Neuen He­briden. Dort wurde ein Stück Land gekauft und mit dem Bau eines Missionshauses begonnen.

Die Tannesen kamen in großen Scharen, um der Arbeit zuzuschauen, bis plötzlich ein großes Durcheinander entstand, jeder zu Waffen und Federschmuck griff und laut schreiend im Wald verschwand.

Als am Nachmittag der Tumult größer wurde, sagte Dr. Inglis, ein Mitarbeiter Patons: "Die Mauern Jerusalems sind in unruhigen Zeiten gebaut worden, warum nicht auch das Mis­sionshaus in Tanna?"

Die beiden Missionare zogen sich dann zurück, um inständig zu beten. Nach und nach wurde der Lärm geringer und spät am Abend kamen die Krieger zurück. Es wurde berichtet, daß sie fünf oder sechs der erschlagenen Feinde ge­braten und gegessen hatten und zwar an der heißen Quelle, die in der Nähe des Missions­hauses sprudelte.

Der "Koch" der Missionare, ein junger Einge­borener, kam abends mit leerem Geschirr von der Quelle und sagte:

"Missi, dies ist ein böses Land. Die Leute tun dunkle Taten. Sie haben ihre Feinde gegessen und haben das Blut in die Quelle laufen lassen. Alles ist rot, ich kann Ihnen heute keinen Tee machen!"

Am nächsten Morgen hörten die Missionare ein furchtbares, lang anhaltendes Geschrei aus den Dörfern schallen. Auf die Frage, was geschehen
sei, wurde ihnen berichtet, daß einer der am Vortag verwundeten Männer gestorben sei und man nun unter verschiedenen Zeremonien seine Witwe erdrosselt habe, damit sie ihm in einer anderen Welt weiter dienen könne wie bisher.

Mit jedem neuen Tag in Tanna bekamen die Missionare weitere Einblicke in die Finsternis dieser Heiden und sehnten sich um somehr, ih­nen das Evangelium verkündigen zu können. Aber zunächst galt es, die Sprache der Tan­nesen zu erforschen.

Besonders litten die Missionare darunter, wie die Tannesen ihre Frauen behandelten. Sie hatten die härtesten Arbeiten zu verrichten und die schwersten Lasten zu tragen, während der Mann mit Flinte, Keule oder Speer hinter ihr herging und sie zur Arbeit antrieb.

Einer der Häuptlinge sagte später zu Paton:

"Tannesische Weiber vertragen Güte nicht! Wenn wir die Frauen nicht schlagen, so ar­beiten sie nicht. Sie gehorchen nur, wenn sie unsere Macht fühlen; wenn nichts helfen will, so schlachten wir zwei oder drei von ihnen, dann halten die übrigen Ruhe!"

Auch der Kannibalismus lastete schwer auf den Herzen der Missionare. Sie erfuhren, daß sich die Gier nach Menschenfleisch so steigern konnte, daß sie - wenn keine anderen Opfer da waren - die Gräber kürzlich Verstorbener öffneten, um sich daran zu sättigen.


Schwere Prüfungen

Drei Monate nach der Ankunft in Tanna wurde die junge Familie Paton - im Februar 1859 hatte Frau Paton einen Jungen geboren - vom Malariafieber heimgesucht und innerhalb von drei Wochen starben die Mutter und auch das Kind.

Paton berichtet über diese schwere Zeit:

"Betäubt von dem entsetzlichen Verlust gleich zu Anfang meiner Laufbahn, immer wieder von Fieber und Malaria niedergeworfen, verlebte ich schwere Zeiten. Aber nie fühlte ich mich ganz verlassen: der ewig gnädige Gott war stets bei mir; Er stärkte mich für die schwere Arbeit, meine Teuren der Erde zu übergeben, die ich ja, obgleich mein Herz fast brach, größtenteils selbst zu verrichten hatte. Ich faßte den Boden und die Wände mit Korallenblöcken ein, wählte die Stelle zum Grabe möglichst nahe dem Hause; und so wurde es in den folgenden Jah­ren, inmitten von Tod und Gefahren, mein Ru­heplatz, an dem ich meinen Gott suchte, wo ich in Gebet und Tränen das Land vom Herrn erbat, in dem ich meine Toten begraben hatte. Ohne Jesus und ohne die Gemeinschaft mit Ihm, wäre ich an jenem einsamen Grabe wohl wahnsinnig geworden.
Ich maße mir nicht an, in das Geheimnis der göttlichen Führung zu blicken, wenn Er dieje­nigen abruft, die in der Fülle der Jugendkraft und Leistungsfähigkeit stehen und die wir hier noch für sehr nötig halten; das aber weiß ich mit Sicherheit aus der Zeit meiner Prüfungen, daß es uns allen gebührt, den Herrn Jesus zu lieben und Ihm zu dienen, damit wir für den Ruf zu Tod und Ewigkeit allezeit bereit sind."


In Todesgefahren

Die Tannesen waren unberechenbar. Mal waren sie leicht zu besänftigen, schlossen Freund­schaft und Frieden, der aber meist nur wenige Tage anhielt. Diebstahl galt als eine Tugend, besonders, wenn man nicht dabei erwischt wurde, so daß den Missionaren nicht viel von ihrem Eigentum verblieb und sie in einer stän­digen Unsicherheit lebten.

Aber Gott schenkte auch Ermunterungen. Sie durften bald erleben, daß einige Häuptlinge bereit waren, das Evangelium zu hören und mit ihren Männern zu den Zusammenkünften er­schienen, die im Missionshaus veranstaltet wurden. Einzelne Eingeborene öffneten ihr Herz dem Herrn und standen dann mit rührender Treue und Hingabe den Missionaren zur Seite.

Immer wieder aber berichtet Paton von wun­derbaren Bewahrungen, die er in Todesgefahren erlebte:

"Eines Morgens zu früher Stunde sah ich das Haus von vielen Bewaffneten umringt; ein An­führer sagte mir kurz und klar, sie seien ge­kommen, um mich zu töten.

Ich sah, daß ich völlig in ihrer Gewalt sei; von einer Abwehr so vieler konnte keine Rede sein. Ich kniete nieder, übergab in heißem Gebet Jesus Leib und Seele, wie ich denken mußte,
auf Erden zum letzten Mal, und trat dann unter die Männer. Ruhig setzte ich ihnen auseinander, wie wenig gut sie an mir handelten und daß ich ihnen allen nie irgend etwas zuleide getan hätte. Auch wies ich auf die Folgen hin, wel­che für sie aus dem Morde entstehen würden, als plötzlich ein Anführer sagte: "Ihr habt Recht! Wir handelten schlecht an euch! Nun aber wollen wir für euch streiten und alle tö­ten, die euch hassen."

Mit Gewalt mußte ich die Hand des Häuptlings halten, bis ich ihm das Versprechen abgenom­men hatte, um meinetwegen niemand zu töten, denn Jesus habe uns gelehrt, auch unsere Feinde zu lieben und ihnen Gutes zu tun. Mehrere schlichen während unserer Unterhal­tungen fort; die, welche blieben, versprachen, uns freundlich gesinnt zu bleiben.

Aber schon wenige Tage später, als viele Ein­geborene bei mir waren, erhob einer seine Axt wütend über meinen Kopf; ein Häuptling der Kaserumini schlug sie ihm aus der Hand und rettete mich vom Tode. Ein Leben unter sol­chen Gefahren ließ mich immer näher und en­ger dem Heiland anschließen; ich wußte ja nie, ob nicht im nächsten Augenblick der Haß wie­der hervorbrechen und mich des Lebens berau­ben würde. Ich lernte täglich meine schwache Hand fester in die einst durchbohrte zu legen, die nun die Welt beherrscht; und Ruhe, Frieden und Ergebung erfüllten meine Seele trotz allem.

Schon am nächsten Tage folgte mir ein Häupt­ling mit seiner Flinte durch fast vier Stunden, bei allen meinen Gängen, meiner Arbeit im Hause und draußen; oft hat er die Waffe zum Schusse erhoben; aber meines Gottes Macht hat die Hand zurückgehalten von der Tat. Ich sprach freundlich mit dem Mann, verrichtete dabei meine Arbeit, als wenn er nicht anwe­send wäre, fest überzeugt, daß mein Gott mir die Aufgabe zugewiesen habe und mich schützen werde, bis ich mein Teil davon erfüllt haben würde.

Die wunderbaren Errettungen stärkten meinen Glauben mächtig und machten mich bereit für kommende Gefahren, die sich oft auf dem Fuße folgten. Ohne die ganz unumstößliche Gewißheit der Gegenwart und der Macht unseres Erlösers würde ich sicher den Verstand verloren haben und elend umgekommen sein. Seine Worte: "Siehe ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende!", wurden eine solche Wirklichkeit für mich, daß es mich kaum erschreckt haben würde, wenn ich den Herrn auf mich herab­schauend gesehen hätte, wie Stephanus. Ich fühlte Christi tragende Liebe wie Paulus und sagte oft mit ihm: "Ich vermag alles durch Christus, durch welchen ich mächtig bin." - Es ist die einfache Wahrheit - und ich erinnere mich dessen jetzt nach mehr als zwanzig Jahren mit Wonne, - daß ich meinen Herrn mir nie so nahe fühlte, wie in den Momenten, wo Keule, Flinte oder Speer auf mich gerichtet waren."

(Fortsetzung folgt)

Nachtext

Quellenangaben