I. Eine Person, die unserer Aufmerksamkeit wert ist
1. Ein vielbesprochenes Kapitel aus der Bibel Apostelgeschichte 8 gehört zu den Kapiteln aus der Bibel, die oft behandelt werden. In vielen Evangelisationsveranstaltungen und -verkündigungen sowie bei fast allen Taufhandlungen wird dieses Kapitel der Bibel herangezogen. Meistens fällt dann das volle Licht auf den Kämmerer der Kandace aus Äthiopien, der nach Jerusalem gereist war, um den Tempel zu besuchen und sich auf der Heimreise hinsetzte und laut aus einer Rolle des Propheten Jesaja las. Es ist ein herrlicher Bericht! Aber gerade darin besteht eine Gefahr, daß wir den Besonderheiten des Auftretens des Evangelisten eine etwas geringere Aufmerksamkeit widmen. Die Besonderheiten sind, sozusagen, "hier und dort verstreut" in Apostelgeschichte 8 zu finden. Sie sind besonders wertvoll für jeden, der etwas für den Herrn im allgemeinen tun möchte - und für jeden, der das Evangelium in besonderer Weise predigen möchte.
2. Ein Mann mit einem Auftrag in der Gemeinde Philippus wird in der Bibel zuerst in Apostelgeschichte 6,5 genannt. Dort zeigt es sich, daß diese Christen einen Dienst in der Gemeinde zu Jerusalem empfingen. Sein Name deutet darauf hin, daß er ein Jude war, der nicht in Palästina, sondern in der griechischen Kulturwelt geboren war. Es ist also ziemlich sicher, daß er nicht nur Aramäisch gekannt hat, sondern auch die griechische Sprache beherrschte. Die Kenntnis der griechischen Sprache darf auch bei dem Minister der Königin von Äthiopien vorausgesetzt werden. Nach der Abweichung in Vers 33 unseres aus dem Hebräischen übersetzten Textes in Jesaja 53,7 hat der Äthiopier aus der griechischen Übersetzung des Alten Testamentes der sogenannten "Septuaginta" gelesen. Das Gespräch wird also wohl in griechischer Sprache geführt worden sein.
3. Ein Mann, der das Vertrauen aller genoß
Wir sehen in Apostelgeschichte 6,1-6, daß Uneinigkeit herrschte zwischen zwei Gruppen in der Gemeinde zu Jerusalem, nämlich zwischen den einheimischen Christen, die aus dem Land Kanaan stammten, und den aus dem Ausland gebürtigen Christen, insbesondere aus der griechischen Welt. Obwohl diese beiden Gruppen zur selben Rasse gehörten - beide waren Juden -bestanden gehörige Kulturunterschiede zwischen diesen beiden Gruppen. Aber allzuoft haben auch in späteren Jahrhunderten Kulturunterschiede zwischen Gläubigen Anlaß zu Mißtrauen und Uneinigkeit gegeben. Wir sind nämlich leicht geneigt, unsere eigene Kultur für die beste und christlichste zu halten. Der Unterschied zwischen einem Städter und einem Landbewohner kann manchmal schon Anlaß zu Mißverständnissen unter Gläubigen sein. Bestimmte Dinge - manchmal unbedeutende Äußerlichkeitenf.- werden als Symptome gesehen, und Mißtrauen ist die Folge. Dieses Mißtrauen wird dann zur Wurzel bestimmter Schwierigkeiten. Und wenn die entstehen, hat der Teufel sein Ziel erreicht. In diesem Fall bestand Mißtrauen bei den aus dem Ausland stammenden Gläubigen; sie waren der Meinung, bei den einheimischen Christen hintenangesetzt worden zu sein. Mit großer Weisheit wurde diese Angelegenheit unter der Leitung des Geistes Gottes gelöst. Es wurden sieben Männer ausgewählt. Die Gesinnung der einheimischen Gläubigen wird darin deutlich, daß sie, wie die Namensliste erkennen läßt, ausschließlich griechisch sprechende Brüder vorgeschoben haben! Aber daraus folgt auch hinsichtlich des Philippus eine wichtige Schlußfolgerung: dieser Mann muß das allgemeine Vertrauen genossen haben, und zwar sowohl der Einheimischen als auch der griechisch Sprechenden. Für jemanden, der dem Herrn in einer besonderen Aufgabe dienen möchte, ist es von großer Wichtigkeit, das Vertrauen der Gläubigen am Ort zu genießen.
II. Ein Streiter für den Herrn
1.Die Folgen der Feindschaft Anfänglich stand die gerade erst entstandene Gemeinde zu Jerusalem in der Gunst vieler. Aber Volksgunst ist eine unbeständige Sache! Bald machten sich die Mächte der geistlichen Unterwelt auf, um dieses junge Zeugnis des auferstandenen Herrn zunichte zu machen. Es entstand eine ernste Verfolgung. Einer der Mit-Diakone des Philippus wurde gesteinigt. Ein junger Fanatiker, Saulus von Tarsus, zerstörte die Gemeinde und schleppte Männer und Frauen ins Gefängnis. Ihres Hauses und Herdes beraubt, mußten die Christen aus Jerusalem flüchten. Sie flohen in alle Richtungen; die Bibel sagt: "Die Zerstreuten nun gingen umher....' (Apg. 8,4).
2. Kein Miesmacher Aber bedeutete dies nun das Ende des christlichen Zeugnisses in der Welt? Nicht im Geringsten und im Gegenteil! Anstatt sich zur Ruhe zu setzen und untätig zu sein, taten diese Gläubigen etwas anderes: sie zogen durch das Land und verkündigten das Evangelium.
Unter ihnen war auch Philippus. Obwohl er nun auch seinen Dienst in Jerusalem hatte aufgeben müssen und er erfahren mußte, daß ein Mitarbeiter in diesem Werk im Kampf für den Glauben umgebracht wurde, verhielt er sich nicht still. Im Gegenteil: er stellte sich auf die Seite derjenigen, die die Zerstreuung benutzten als Anlaß, um dem Auftrag zur Verkündigung des Evangeliums Folge zu leisten. Philippus zeigt den kämpferischen Geist, der jeden Christen kennzeichnen muß und der unentbehrlich ist für jeden, der sich für die Sache des Herrn einsetzen will.
III. Kein Traditionalist
Es steht so einfach geschrieben: "Philippus aber ging hinab in eine Stadt Samarias" (Apg. 8,5) - aber ist uns bewußt, was das bedeutet? "Die Juden verkehren nicht mit den Samaritern" sagt uns Joh. 4,9, und in Joh. 8,48 bringen die Juden ihre tiefe Verachtung gegenüber dem Herrn Jesus zum Ausdruck, daß Ihm das Ärgste zugefügt wurde, was für sie in religiöser Hinsicht denkbar war: "Sagen wir nicht recht, daß du ein Samariter bist und einen Dämon hast?" Es ist lehrreich zu sehen, daß Philippus sich nicht durch Traditionen hindern ließ, wenn es um die Ausbreitung des Wortes Gottes ging!
Traditionen sind oft große Hindernisse für die Verbreitung des Evangeliums! Hätte Philippus nach seinem jüdischen Gewissen gehandelt, hätte er keinen Schritt in das Land von Samaria setzen dürfen. Aber wer das Evangelium verbreiten will, wird sich oft vor den Auftrag gestellt sehen, Dinge zu tun, die schnurgerade gegen die Regel verstoßen: "So etwas tut man nicht."
William Booth war Leiter der Methodisten-Kirche in London. Das Entstehen der durch ihn gegründeten "Heilsarmee" ist hauptsächlich der Tatsache zu verdanken, daß er radikal brach mit der herablassenden Wohltätigkeit seiner Gemeinde-Geschwister und er in gut zugerüsteter Weise das Evangelium in den Elendsvierteln Londons verkündigte. Seine Methoden waren nie traditionell und wurden nie durch die Mittelstandskirche, in der er Mitglied war, gewürdigt.
IV. Ein Mann mit Initiative
Philippus war schließlich auch ein Mann mit Initiative. Was andere nicht taten -wahrscheinlich weil sie durch ihre auf Traditionen gestützten Gefühle gehindert wurden - das tat Philippus. Er ergriff die Initiative, in das samaritische Gebiet zu gehen. Wer nach der Regel "wie es immer gewesen ist, ist es gut" - "wir haben es doch immer so getan" usw. lebt, kommt selten zu einer originellen Initiative.
Vor einiger Zeit wurde ein Evangelist irgendwo im Ausland aufgefordert, eine Evangelisation zu halten. Die Zusammenkunft war geplant auf Sonntagabend um 18.30 Uhr. Er fragte die Brüder, wie spät die Kino-Veranstaltungen am Sonntag begännen. Die Antwort lautete: "Das wissen wir nicht." Sie schauten sehr erstaunt drein, als der Evangelist bemerkte, daß jemand, der Unbekehrten das Evangelium bringen möchte, diese Zeit wissen sollte! Schließlich stellte sich nach einigem Nachfragen heraus, daß sowohl die Kino-Veranstaltungen, die Tanzveranstaltungen als auch das Theater in dieser Stadt um 20.00 Uhr zu beginnen pflegten. Und zwar wohl, weil die meisten Menschen gewohnt waren, um 18.00 Uhr zu essen! Anscheinend hat sich in 19 Jahrhunderten bei den Gläubigen noch nichts geändert: "Die Kinder dieser Welt sind in ihrem Geschlecht weiser als die Kinder des Lichts". In der Welt kennt man den nüchternen Grundsatz: "Du mußt fischen, wo der Fisch sitzt". Der Einwand der Gläubigen aber lautete: "Aber der Herr hat diese Stunde damals gesegnet.“ Nach vielem Überlegen kam man dann schließlich doch überein, es zu einer anderen Stunde zu probieren. Zum ersten Mal seit Jahren kam eine Anzahl "Fremde" in den Saal und es bekehrte sich jemand!
Auf die Frage, wie lang es denn her war, daß sich an dieser Evangelisationsversammlungen in dieser an Traditionen gebundenen Stadt jemand bekehrt hatte, stellte sich heraus, daß es zwanzig Jahre her war.
Was Gott gebrauchen möchte sind Menschen mit Initiative! Menschen, die den Mut haben, etwas zu unternehmen oder etwas zu verändern.
Philippus war solch ein Mann!
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