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Bermann, Richard Arnold

Lebensdaten
1883 – 1939
Geburtsort
Wien
Sterbeort
Künstlerkolonie Addo (Saratoga Springs, New York State, USA)
Beruf/Funktion
Journalist ; Reporter ; Reiseschriftsteller ; Schriftsteller ; Publizist ; Drehbuchautor
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 119292254 | OGND | VIAF: 24463521
Namensvarianten

  • Pseudonym: Belial
  • Pseudonym: Merlin, R.
  • Pseudonym: Höllriegel, Arnold
  • Bermann, Richard Arnold
  • Pseudonym: Belial
  • Pseudonym: Merlin, R.
  • Pseudonym: Höllriegel, Arnold
  • Bermann, Richard A.
  • Bermann, A.
  • Bermann, Richard

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Zitierweise

Bermann, Richard Arnold, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119292254.html [02.12.2024].

CC0

  • Bermann, Richard Arnold

    Pseudonyme: Belial; R. Merlin; seit 1910 Arnold Höllriegel

    1883 – 1939

    Journalist, Reporter, Reiseschriftsteller

    Richard Bermann war ein renommierter, linksliberal orientierter Journalist der Zwischenkriegszeit, der v. a. mit seinen unter dem Pseudonym Arnold Höllriegel veröffentlichten Reisereportagen und -romanen Bekanntheit erlangte. Er zählt zu den Mitbegründern des Genres Filmroman, trug zur Popularisierung der Kultur Hollywoods im deutschsprachigen Raum bei und verwies zugleich auf negative Folgen der Globalisierung. Seit 1933 publizistisch gegen den Nationalsozialismus aktiv, emigrierte Bermann 1938 in die USA.

    Lebensdaten

    Geboren am 27. April 1883 in Wien
    Gestorben am 5. September 1939 in Künstlerkolonie Addo (Saratoga Springs, New York State, USA)
    Konfession jüdisch
  • 27. April 1883 - Wien

    1884 - Prag

    Übersiedlung

    1888 - 1897 - Prag

    Schulbesuch

    Volksschule des Piaristen-Ordens; k. u. k. deutsches Staatsgymnasium

    1897 - Juli 1902 - Wien

    Übersiedlung; Schulbesuch (Abschluss: Matura)

    Sophiengymnasium; Erzherzog Rainer-Real-Gymnasium

    1902 - 1903 - Prag

    Studium der Romanistik, Germanistik und Philosophie

    Deutsche Universität

    1903 - 1906 - Wien

    Studium der Romanistik, Germanistik und Philosophie

    Universität

    19.6.1906 - Wien

    Promotion (Dr. phil.)

    Universität

    1906 - 1907 - Mailand; Riviera (Italien); Rom

    Hauslehrer

    1908 - Berlin

    Übersiedlung

    1908 - 1910 - Berlin

    freier Mitarbeiter

    Die Woche; Berliner Lokal-Anzeiger; Vossische Zeitung

    1909 - 1933 - Berlin

    Mitarbeiter

    Berliner Tageblatt

    Juli 1913 - August 1913 - Irland

    Reportage-Reise

    1914 - Wien

    Übersiedlung

    1914 - 1917 - u. a. Isonzo-Front; Südtirol; Balkan; Ostfront

    Kriegsreporter

    k. u. k. Kriegspressequartier

    1919 - St. Germain-en-Laye

    Reporter bei den Versailler Friedensverhandlungen

    Der Neue Tag (Zeitung)

    1923 - 1925 - Palästina; Amazonas; Kanada; Polynesien; Neuseeland

    Reportage-Reisen

    1926 - 1928 - USA

    zwei Reportage-Reisen; mehrmonatige Aufenthalte in Hollywood

    Ende 1928 - 1932 - Ägypten; Sudan; England; Wales; Schottland; Kanada; Alaska; Amazonas

    Reportage-Reisen (mit Unterbrechungen)

    1930 - 1930 - Westküste Afrikas

    Seereise

    1933 - 1933 - Libysche Wüste

    Wüstenexpedition

    1933 - New York City

    Mitinitiator; seit 1937/38 Koordinator für Österreich

    American Guild for German Cultural Freedom

    1935 - 1937 - USA, u. a. New York City; Hollywood

    zwei Reportage-Reisen

    März 1938 - August 1938 - USA

    Flucht über die Tschechoslowakei, Frankreich und London

    1938 - 1939 - New York City

    Direktor

    American Guild for German Cultural Freedom

    Juli 1939 - September 1939 - Saratoga Springs (New York, USA)

    Erholungsaufenthalt

    Künstlerkolonie Yaddo

    5. September 1939 - Künstlerkolonie Addo (Saratoga Springs, New York State, USA)

    Herkunft, Ausbildung und Werdegang bis 1918

    Nach der Matura am Erzherzog Rainer-Real-Gymnasium in Wien studierte Bermann seit 1902 Romanistik, Germanistik und Philosophie an der Deutschen Universität Prag, wo er u. a. bei August Sauer (1855–1926) und Christian von Ehrenfels (1859–1932) hörte. 1903 wechselte Bermann an die Universität Wien, an der er im Juni 1906 bei dem Romanisten Wilhelm Meyer-Lübke (1861–1936) mit der Studie „Die Sprache der Fueros von Navarra“ zum Dr. phil. promoviert wurde.

    1906/07 als Hauslehrer einer italienischen Familie v. a. in Mailand tätig, übersiedelte Bermann 1908 nach Berlin, wo er im folgenden Jahr Mitarbeiter des „Berliner Tageblatts“ wurde, für das er bis April 1933 rund 400 Artikel verfasste. Da ihm ein Vertrag mit der Zeitschrift „Die Woche“ die Arbeit für andere Verlage verbot, zeichnete Bermann seine Texte u. a. mit Belial und R. Merlin, ehe er seit 1910 auf Anregung seines Mentors Siegfried Bryk (1869–1924) das Pseudonym Arnold Höllriegel führte. Weitere liberale Organe, für die Bermann später regelmäßig schrieb, waren die „Frankfurter Zeitung“, die „Vossische Zeitung“ und das „Prager Tagblatt“ sowie in Wien „Der Neue Tag“, „Die Zeit“ und „Die Stunde“.

    Bermanns Metier waren zunächst feuilletonistische Skizzen aus dem Berliner Alltagsleben, die sich durch eine verfremdende Sicht auf vertraute Gegenstände und einen schlagfertig-pointierten Stil auszeichneten. 1914 übersiedelte er nach Wien und war von Beginn des Ersten Weltkriegs bis 1917 als Kriegsreporter im österreichischen Kriegspressequartier tätig. Seine Artikel aus dieser Zeit zeichnen sich u. a. durch Sensibilität für die alltäglichen Sorgen der Soldaten in Galizien und an der Isonzo-Front aus. 1919 berichtete Bermann für die Tageszeitung „Der Neue Tag“ über die Verhandlungen des Versailler Vertrags, deren Verlauf er als demütigend empfand und deren Ergebnis er als gefährlich einschätzte.

    Filmroman und Reisejournalismus

    Bermann gilt als Mitbegründer des Genres Filmroman, in dem der Realitätsgehalt des Erzählten offen bleibt bzw. in dem ein Film, seine Produktion und das dahinterstehende Milieu zum Gegenstand werden. Zu dem von Kurt Pinthus (1886–1975) herausgegebenen „Kinobuch“ (1914), der ersten schriftstellerischen Auseinandersetzung mit dem neuen Populärmedium, steuerte er zwei Filmexposés bei. Bermann, der u. a. mit den Regisseuren Ernst Lubitsch (1892–1947) und Max Reinhardt (1873–1943) sowie mit der Schauspielerin Elisabeth Bergner (1897–1986) engen Austausch pflegte, legte mit „Die Films der Prinzessin Fantoche“ (1913, verfilmt 1921), „Bimini“ (1923) und „Du sollst dir kein Bildnis machen“ (1929) eigene Filmromane vor, die mit der fluiden Grenze zwischen Illusion und Wahrheit spielen und neben ihrer erkenntnistheoretischen Fragestellung als bahnbrechend gelten, da sie auf genauer Kenntnis des Filmgeschäfts beruhten.

    Seit den 1920er Jahren erlangte Bermann v. a. durch seine Reiseberichte aus Europa und Übersee Bekanntheit. Von 1923 bis 1937 unternahm er ausgedehnte Überseereisen, die ihn u. a. nach Nord- und Südamerika, den Nahen Osten, den Pazifikraum und nach Nordafrika führten. Zwischen den Reisen schob er wiederholt Aufenthalte in Europa ein, um über politische und kulturelle Ereignisse zu berichten: So etwa 1926 in Genf, als der Völkerbund über eine Senatsmitgliedschaft des Deutschen Reichs beriet, und 1931 in London zur Premiere des Films „City Lights“ von Charlie Chaplin (1889–1977), mit dem er seit 1928 befreundet war und der ihm exklusive Einblicke in die Entstehungsgeschichte des Werks gab, die Bermann 1931 in Buchform veröffentlichte.

    Bereits seit seiner Indien-Reise 1914 galt Bermanns Augenmerk kulturellen Globalisierungstendenzen, von denen er die Gefahr einer Nivellierung autochthoner, menschlicher Lebensweisen ausgehen sah und die er v. a. auf den Einfluss der Kolonialmacht Großbritannien sowie auf die Wirkungen des Kapitalismus zurückführte. Ihren prominentesten Ausdruck fand Bermanns Kritik des Kolonialismus in der Romanbiografie „Die Derwischtrommel“ (1931) über den als „Mahdi“ bekannt gewordenen sudanesischen Propheten Muhammad Ahmad (1844–1885). Als Autor des Vorworts der englischen Ausgabe des Romans gewann er Winston Churchill (1874–1965), der im Gegensatz zur Einfühlungsästhetik Bermanns die These europäischer Suprematie vertrat. Auf seinen Nordamerika- und Afrikareisen arbeitete Bermann eng mit dem Fotografen Hans Casparius (1900–1986) zusammen, dessen Bilder in ihrer künstlerischen Qualität und Motivauswahl einzigartige zeitgeschichtliche Dokumente darstellen.

    Politisches Engagement und Exil

    Bermann verlieh seit den frühen 1930er Jahren seiner Ablehnung des Nationalsozialismus wiederholt öffentlich Ausdruck und erhielt nach der NS-Machtübernahme Publikationsverbot in Deutschland. In der im Oktober 1935 von der Reichsschrifttumskammer veröffentlichten „Liste 1 des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ wird er mit „sämtlichen Schriften“ angeführt. Als Mitinitiator der American Guild for German Cultural Freedom seit 1935 und deren europäischer Repräsentant seit Anfang 1938 unterstützte Bermann zahlreiche Verfolgte bei ihren Ausreiseanstrengungen aus Österreich, u. a. Alfred Polgar (1873–1955), Walter Mehring (1896–1981) und Joseph Roth (1894–1939). Von 1935 bis 1937 nutzte Bermann zwei Aufenthalte in den USA zur Kontaktpflege mit prominenten Exilierten, darunter Albert Einstein (1879–1955) und Thomas Mann (1875–1955), und warb über Benefizkonzerte prominenter Exil-Musiker, u. a. Otto Klemperer (1885–1973) und Arnold Schönberg (1874–1951), Hilfsgelder ein, die deutschen Künstlern Arbeits- und Erwerbsmöglichkeiten in den USA verschaffen sollten.

    Unmittelbar nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich emigrierte Bermann von März bis August 1938 über Prag, Paris und London nach New York City, wo er 1938/39 als Direktor der American Guild for German Cultural Freedom amtierte. Im Juli 1939 zog er sich in die Künstlerkolonie Yaddo in Saratoga Springs (New York) zurück, wo er wenige Wochen später einem Herzinfarkt erlag. Seine Lebenserinnerungen aus dem US-amerikanischen Exil wurden 1998 von dem Germanisten Hans-Harald Müller (geb. 1943) unter dem Titel „Die Fahrt auf dem Katarakt“ herausgegeben.

    1917 Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens

    Nachlass:

    Die Deutsche Bibliothek, Deutsches Exilarchiv 1933–1945, Frankfurt am Main, EB 78/015. (weiterführende Informationen)

    Der Hofmeister. Geschichte eines Niedergangs, 1911.

    Irland, 1913, engl. 2021.

    Das Seil. Eine Ehegeschichte, 1914.

    Leier und Schreibmaschine, in: Kurt Pinthus (Hg.), Das Kinobuch, 1914, S. 13–18. (als Richard Bermann)

    Galeotto, in: ebd., S. 133–139. (als Arnold Höllriegel)

    Das Antlitz. Roman, 1919.

    Die Films der Prinzessin Fantoche, 1921 [1913], Neuausg. 2003.

    Bimini. Roman, 1923, Neuausg. 2008.

    Arnold Höllriegel/Artur Rundt, Palästina. Ein Reisebuch, 1923.

    Das Urwaldschiff. Ein Buch vom Amazonasstrom, 1927; Neuausg. 1929, 1964.

    Tausend und eine Insel. Ein Reisebuch aus Polynesien und Neuseeland, 1927.

    Die Erben Timurs. Ein asiatischer Roman, 1928.

    Du sollst dir kein Bildnis machen. Ein Roman aus Hollywood, 1929, Neuausg. 2010.

    Der Mann, der viermal lebte, 1929.

    Lichter der Großstadt. Der Film vom Strolch Charlie, dem Millionär und dem blinden Mädchen, 1931.

    Die Derwischtrommel. Das Leben des erwarteten Mahdi, 1931, Neuausg. 2019, engl. 1931 u. d. t. The Mahdi of Allah.

    The Mahdi of Allah. The Story of the Dervish Mohammed Ahmed. Übersetzung v. Robin John, Vorwort v. Winston Churchill, 1931.

    Das Mädchen von Sankt Helena, 1933.

    Zarzura. Die Oase der kleinen Vögel. Die Geschichte einer Expedition in die Libysche Wüste, 1938, Neuausg. 2003.

    Home from the Sea. Robert Louis Stevenson in Samoa. Übersetzung v. Elizabeth Reynolds, 1939.

    Die Fahrt auf dem Katarakt. Eine Autobiographie ohne einen Helden, hg. v. Hans-Harald Müller, 1998.

    In 80 Zeilen um die Welt. Vom neopathetischen Cabaret bis nach Hollywood, hg. v. Christian Jäger, 1998.

    Hollywood – Wien und zurück. Feuilletons und Reportagen, hg. v. Hans-Harald Müller, 1999.

    Kurzgeschichten. Essais 1925–1937, hg. v. Robert Schmitt Scheubel, 2012.

    Amerika-Bilderbuch. Mit Fotographien von Hans Casparius, hg. v. Michael Grisko, 2012.

    Richard A. Bermann alias Arnold Höllriegel, Österreicher – Demokrat – Weltbürger. Eine Ausstellung des Deutschen Exilarchivs 1933–1945, hg. v. Deutschen Exilarchiv, 1995. (P) (Onlineressource)

    Hans-Harald Müller, Ariel, Baptist, Belial, Merlin, Höllriegel – Richard A. Bermann. Der Publizist und Schriftsteller, in: Hartmut Binder (Hg.), Brennpunkt Berlin. Prager Schriftsteller in der deutschen Metropole, 1995, S. 145–175.

    Hans-Harald Müller, Richard A. Bermann alias Arnold Höllriegel. Österreicher – Demokrat – Weltbürger, in: Exil. Forschung, Erkenntnisse, Ergebnisse 15 (1995), H. 2, S. 5–16.

    Andreas Stuhlmann, „Das Jahrhundert der Technik hat seinen Dichter gefunden“. Der österreichische Schriftsteller und Journalist R. A. Bermann (alias Arnold Höllriegel) als Anwalt und Kritiker des Kinos, in: LiLi. Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 27 (1997), H. 3, S. 154–165.

    Anke Hees, Art. „Bermann, Richard Arnold“, in: Deutsches Literatur-Lexikon. Das 20. Jahrhundert, Bd. 2, hg. v. Konrad Feilchenfeldt, 2005, Sp. 415 f.

    Primus-Heinz Kucher, Radio-Literatur und Medienromane im Zeichen der Medienrevolution der 1920er Jahre. Die Radiowelt-Diskussion. A. Höllriegels Hollywood-Feuilleton-Roman und F. Rosenfelds Filmroman Die goldene Galeere, in: Primus-Heinz Kucher/Julia Bertschik (Hg.), „baustelle kultur“. Diskurslagen in der österreichischen Literatur 1918–1933/38, 2011, S. 349–374.

    Florian Krobb, Exotik, Geschichtsrelativismus, Kolonialismuskritik. Arnold Höllriegels Epos Die Derwischtrommel, in: Wirkendes Wort. Deutsche Sprache und Literatur in Forschung und Lehre 67 (2017), H. 2, S. 247–267.

    Florian Krobb, „ein Kodak mit einer wilden Phantasie“. Richard Arnold Bermann / Arnold Höllriegel, in: Österreichische Kultur und Literatur der 20er Jahre – transdisziplinär. Epochenprofil zu Aspekten der Literatur, Kunst und (Alltags)Kultur der österreichischen Zwischenkriegszeit, 2018. (Onlineressource)

    Florian Krobb, Churchill vs Bermann. Memory Politics and the Mahdi Uprising. Arnold Höllriegel’s „Die Derwischtrommel“ (1929) / „The Mahdi of Allah“ (1931/1932), in: Carolin Duttlinger/Kevin Hilliard/Charlie Lough (Hg.), From the Enlightenment to Modernism. Three Centuries of German Literature. Essays for Ritchie Robertson, 2021, S. 151–165.

    Fotografien, Deutsches Exilarchiv 1933–1945, Frankfurt am Main.

  • Autor/in

    Florian Krobb (Dublin)

  • Zitierweise

    Krobb, Florian, „Bermann, Richard Arnold“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2023, URL: https://www.deutsche-biographie.de/119292254.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA