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Mach, Ernst

Lebensdaten
1838 – 1916
Geburtsort
Chirlitz-Turas bei Brünn
Sterbeort
Vaterstetten bei München
Beruf/Funktion
Philosoph ; Physiker ; Hochschullehrer
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118575767 | OGND | VIAF: 12324232
Namensvarianten

  • Mach, Ernst Waldfried Josef Wenzel
  • Mach, Ernst
  • Mach, Ernst Waldfried Josef Wenzel
  • Ma-ho, E.
  • Ma-ho, En-ssu-t'e
  • Mach
  • Mach, E.
  • Mach, E. W.
  • Mach, E. W. J.
  • Mach, E. W. J. W.
  • Mach, Ernest
  • Mach, Ernst W.
  • Mach, Ernst W. J.
  • Mach, Ernst W. J. W.
  • Mach, Ernst Waldfrid J. W.
  • Mach, Ernst Waldfried Josef W.
  • Mach, Ernst Waldfried Joseph Wenzel
  • Mah, E.
  • Mah, Ernst
  • Makh, Ė.
  • Makh, Ėrnst
  • マッハ, エルンスト
  • 马赫, 恩斯特

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Zitierweise

Mach, Ernst, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118575767.html [29.11.2024].

CC0

  • Mach, Ernst

    Physiker und Philosoph, * 18.2.1838 Chirlitz-Turas bei Brünn, 19.2.1916 Vaterstetten bei München. (katholisch)

  • Genealogie

    V Johann (1805–79), Gutsbes. in Sladenegg (Krain), zeitweilig Pflanzenzüchter, S d. Webers u. Musikers Joseph in Liebenau b. Reichenberg u. d. Johanna Hörbe;
    M Josepha (1813–69) T d. erzbischöfl. Rentmeisters Wenzel Lanhauß in Ch. u. d. Theresia Merkl;
    Graz 1867 Luise (1845–1919), T d. Kajetan Marußig, Rechnungsrat d. Staatsbuchhaltung in Graz, u. d. Carolina Walcher;
    4 S, 1 T u. a. Ludwig (1868–1951), Physiker, Felix (1879–1933), Maler, Viktor (1881–1940), Fabr. v. mechan.-math. Instrumenten.

  • Biographie

    M. wuchs auf dem Gut seiner Eltern in Untersiebenbrunn bei Wien auf. Bis zum Alter von 10 Jahren wurde er ausschließlich durch seine Eltern geschult. Gemeinsame Naturbeobachtungen mit dem Vater und die Lektüre klassischer Texte beeinflußten seine intellektuelle Entwicklung maßgeblich. 1848 trat er in das Benediktiner-Gymnasium in Seitenstetten ein. Nach einem Jahr wurde die dortige Ausbildung des als „sehr talentlos“ eingestuften Knaben jedoch wieder abgebrochen, worauf ihn sein freidenkerischer Vater weiterbildete. Außerdem absolvierte M. eine Lehre als Kunsttischler. Nach einer Aufnahmeprüfung kam er 1853 in die 6. Klasse des Piaristen-Gymnasiums in Kremsier (Mähren), wo er zwei Jahre später die Matura ablegte. Im Herbst 1855 nahm er an der Univ. Wien das Studium der Physik, Philosophie und Mathematik auf, das er 1859/60 mit einer Promotion „Über elektrische Entladung und Induktion“ abschloß. 1861 ernannte die Wiener Universität M. zum Privatdozenten ohne Besoldung. Seine Bewerbung um die vakante Professur des erkrankten Doktorvaters, A. v. Ettinghausen, blieb jedoch erfolglos, so daß er 1864 einen Ruf auf den Lehrstuhl für Mathematik in Graz annahm, der 1866 in eine Professur für Physik umgewandelt wurde. 1867 übernahm M. an der Univ. Prag die Professur für Physik. Dort hatte er die Funktionen des Dekans der Philosophischen Fakultät (1872/73) und, nach seiner Ernennung zum Regierungsrat (1876), das Amt des Rektors (1879/80) inne. Nach der Teilung der Prager Universität war M. 1883/84 erster Rektor der Deutschen Universität. 1895 trat er in Wien eine Professur für „Philosophie, insbes. Geschichte und Theorie der induktiven Wissenschaften“ an – seinen Lehrverpflichtungen konnte er allerdings seit 1898 nicht mehr nachkommen, da er nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmt war; 1901 trat er offiziell von seiner Professur zurück. Bis 1913 lebte M. in Wien und zog dann zu seinem ältesten Sohn Ludwig nach Vaterstetten bei München, wo er die letzten Lebensjahre verbrachte.

    Bereits kurz nach Abschluß seiner Promotion widmete sich M. Untersuchungen zur Kontroverse zwischen einem seiner akademischen Lehrer, J. Petzval, und dessen Vorgänger, Chr. Doppler. Durch genaue Bestimmung des Einflusses der Bewegung von Sender und Empfänger akustischer Signale relativ zueinander auf die gemessene Frequenz kam M. zu einem strengen experimentellen Nachweis des damals noch heftig umstrittenen Dopplerschen Gesetzes („Über die Änderung des Tones und der Farbe durch Bewegung“, 1860/62). Gleichzeitig lieferte er eine brillante Analyse der bis dahin vorhandenen Mißverständnisse und Unklarheiten und wies auf die Anwendbarkeit des Dopplerschen Gesetzes zur Bestimmung der Relativgeschwindigkeit von Fixsternen hin. In Graz studierte der junge Privatdozent u. a. Funkenwellen, Gas- und Flüssigkeitsdynamik sowie Effekte der Akustik und Spektroskopie. Seine wichtigsten experimentellen Untersuchungen führten zu den ersten Photographien schnell fliegender Projektile, deren Verdichtungskegel in der Luft er mit der Toeplerschen Schlierenmethode sichtbar machen konnte. Seine Beobachtungen ergaben, daß der Sinus des Öffnungswinkels des Kegels dem reziproken Verhältnis der Projektilgeschwindigkeit (v) zur Schallgeschwindigkeit (vc) gleich ist. Dieser Sachverhalt wurde als „Machsches Gesetz“, das den „Mach-Winkel“ und die „Mach-Zahl“ v/vc verknüpft, bekannt. Die Mach-Zahl wurde im Flugwesen ferner zur Einheit von Geschwindigkeitsangaben für schnellfliegende Objekte.

    Studien zur Momentphotographie führten M. auch zu anderen optischen Experimenten (Beugung von Licht, Newtonsche Ringe, sowie seit 1904, zusammen mit seinem Sohn Ludwig, Interferenzerscheinungen des polarisierten Lichtes und Phasenänderung durch Reflexion). Inwiefern M. noch an den von Ludwig Mach geplanten Untersuchungen über den Einfluß von Masseverteilungen auf die Lichtausbreitung und -geschwindigkeit teilnahm, ist bislang ungeklärt, da eventuell erhaltene Resultate nicht bekannt wurden. Mit dem 1872 erschienenen Buch „Die Geschichte und die Wurzel des Satzes von der Erhaltung der Arbeit“ legte M. seine erste „historisch-kritische“ Studie vor, in der er (ebenso wie später in seiner „Mechanik“, der „Wärmelehre“ und der „Optik“) wissenschaftliche Sachverhalte (wie hier den der Energieerhaltung) durch die zu ihrer Entdeckung führende Geschichte entwickelte und verständlich machte. Im Gegensatz zu zeitgenössischen Lehrbüchern, die den referierten Stand der Forschung als endgültig und unumstößlich interpretierten, verband M. mit seiner Darstellungsform die Vorstellung unaufhörlicher Modifizierbarkeit und Optimierbarkeit des erreichten Forschungsstandes. Dies gab ihm auch die gedankliche Freiheit, die von seinen Zeitgenossen für unkritisierbar gehaltenen Bestimmungen Newtons anzugreifen. Schon in seiner 1868 veröffentlichten, aber damals nicht beachteten Schrift „Über die Definition der Masse“, ausführlicher dann in seiner „Mechanik“ (1883), kritisierte M. die Newtonsche Massendefinition („Die Größe der Materie wird durch ihre Dichtigkeit und ihr Volumen vereint gemessen“) als zirkulär, da die Dichte nichts anderes sei als Masse geteilt durch Volumen, und schlug statt dessen vor, das Massenverhältnis zweier Körper durch die wechselseitig hervorgerufenen Beschleunigungen zu definieren, also nur auf funktionale Zusammenhänge zwischen beobachtbaren Größen (Kraft und Beschleunigung) zu rekurrieren. Ferner kritisierte M. im Abschnitt „Zur Kritik der Newtonschen Aufstellungen“ dessen Hypothese, daß beschleunigte Bewegungen relativ zum absoluten Raum sich durch das Auftreten von Kräften von unbeschleunigten Bewegungen unterscheiden ließen. Wiederum führte ihn sein phänomenalistischer Ausgangspunkt zu der Forderung, Kräftefreiheit von Massen nur auf andere beobachtbare Phänomene zurückzuführen, nämlich auf die Abwesenheit von Beschleunigungen gegenüber den Massen der Fixsterne und nicht auf die Wirkung eines unbeobachtbaren und deshalb „metaphysischen“ absoluten Raumes. Dieses Postulat, daß das Trägheitsverhalten von Massen auf die Massenverteilung des umgebenden Universums zurückzuführen ist, wurde später von Einstein als das „Machsche Prinzip“ bezeichnet. Es war von großer heuristischer Bedeutung bei der Formulierung der Feldgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie Einsteins. Wie dieser 1916 in seinem Nachruf auf M. ausführte, war M., der in seiner „Mechanik“ die durchgängige Relativität aller Bewegung aus sensualistischen Prämissen heraus bereits klar erkannt hatte, nur deswegen nicht selbst zu einer „Allgemeinen Relativitätstheorie“ gekommen, weil es ihm nicht glückte, die dem Trägheitsverhalten von Körpern zugrundeliegende Struktur der Raum-Zeit geradlinige, gleichförmige Ausbreitung) in einen expliziten Zusammenhang mit der Massenverteilung zu bringen. Dies gelang erst Einstein durch die Heranziehung des Tensorkalküls (Ricci, Levi-Civita) und der nichteuklidischen Geometrie (Riemann), deren Bedeutung M. nicht erkannt hatte.

    Die in M.s Werk „Principien der Wärmelehre“ (1896) vorkommenden kritischen Bemerkungen zum Atomismus entsprangen ebenso wie die Kritik an Newton seinem phänomenalistischen Ausgangspunkt. Für M. war die atomare Konstitution der Materie angesichts der damals noch nicht ausreichend vorhandenen direkten experimentellen Belege nicht mehr als eine Arbeitshypothese, deren Nützlichkeit für die Chemie und Physik er niemals bestritt. Die Interpretation der Atome als reale Struktur der Materie, wie sie von den Wiener Physikern J. Stefan und L. Boltzmann vertreten wurde, lehnte er hingegen als unüberprüfbar ab.

    Nach M.s Tod veröffentlichte Ludwig Mach 1921 den 1. Band der „Prinzipien der physikalischen Optik, historisch und erkenntnispsychologisch entwickelt“, in dessen Vorwort sich M., der von seinen Anhängern zu dieser Zeit als Vorläufer der Relativitätstheorie gefeiert wurde, überraschend von einer „immer dogmatischer anmutenden Relativitätslehre“ distanzierte. Jüngste Forschungen zeigen jedoch, daß dieses Vorwort mit großer Wahrscheinlichkeit von seinem Sohn verfaßt worden ist.

    Unter dem Einfluß E. Du Bois-Reymonds und G. Fechners sowie insbesondere des Wiener Physiologen Ernst Wilhelm v. Brücke konzentrierte sich M. in seinen Wiener und Grazer Dozentenjahren auf sinnesphysiologische Studien (Über das Sehen von Lagen und Winkeln durch die Bewegung des Auges, 1861) sowie Untersuchungen zur physiologischen Akustik (1863–65). Seine Forschungen zur Wahrnehmung von Zeitverläufen anhand schwingender Pendelpaare (1863) erbrachten Abweichungen vom Fechnerschen Gesetz, das eine Proportionalität der Empfindungsintensität zum Logarithmus der physikalischen Reizstärke behauptet. Mit diesem Ergebnis gab M. nicht nur den Glauben an die Allgemeingültigkeit des Fechnerschen Gesetzes auf; er verband mit dem nur für mittlere Reizstärken gültigen Gesetz in der Folgezeit auch eine andere Interpretation: „Die Fechnersche psychophysische Fundamentalformel erscheint demnach nicht als etwas Fundamentales, sondern als erklärbares Ergebnis organischer Einrichtungen“. Studien zu räumlich verteilten Lichtreizen (1865 f.) führten ihn zur Verwerfung des seit Helmholtz in der Psychophysik geltenden Prinzips der eindeutigen Zuordnung von lokal definierten Reizen zu entsprechenden Empfindungen. Eine wichtige, später mit dem Terminus „Mach-Bänder“ bezeichnete Beobachtung betraf die Hemmung bzw. Verstärkung der Wahrnehmung von Lokalreizen durch Umgebungsreize: bei schnell rotierenden weißen Scheiben, auf denen zum Zentrum hin sich verjüngende, aber mit Knickstellen versehene schwarze Keile aufgemalt waren, traten für den Beobachter statt der zu erwartenden stetigen Abstufung von Grautönen diskontinuierliche kreisförmige Streifen auf. In Prag durchgeführte Studien M.s zum Gleichgewichtssinn und zu den Bewegungsempfindungen, ergaben, daß Testpersonen mit verbundenen Augen bei einer Drehbewegung lediglich die Zu- oder Abnahme der Rotationsgeschwindigkeit als Bewegung registrierten, während gleichförmige Rotation für sie vom Zustand der Ruhe nicht zu unterscheiden war. Das hierfür verantwortliche Organ lokalisierte M. in den Bogengängen des Innenohres (diese Entdeckung machten, unabhängig von ihm, auch J. Breuer und C. Brown).

    Die 1886 erschienene Schrift „Beiträge zur Analyse der Empfindungen“ (Neudr. mit Vorwort von G. Wolters, 1985) bildete den Abschluß seiner physiologischen Studien. Die dabei gewonnene Einsicht, daß nur wahrnehmbaren Entitäten Existenz zuzuschreiben ist („Phänomenalismus“) führte M. zu seinem, in Abgrenzung von Idealismus und Realismus sich behauptenden, „neutralen Monismus“. Dessen Grundlage sind nicht subjektive Wahrnehmungen oder objektive Gegenstände, sondern zunächst „neutrale Elemente“, die in den verschiedenen Wissenschaften nur in jeweils andere funktionale Zusammenhänge gebracht werden. Die Aufgabe von Erkenntnis im allgemeinen und von Wissenschaft als systematisierter Präzisierung des Alltagswissens erschöpfte sich für M. in dieser durch sie geschaffenen Orientierungsmöglichkeit und verbesserten Voraussagefähigkeit durch komplexitätsreduzierende Beschreibungen und Angabe funktionaler Relationen zwischen Elementenkomplexen („Pragmatismus“). Eine weitergehende Interpretation von Naturgesetzen als Aufweis real bestehender Kausalzusammenhänge zwischen Objekten lehnte M. ebenso ab wie jeden Versuch, in wissenschaftlichen Theorien mehr als nur provisorisch bleibende Beschreibungsversuche sehen zu wollen („Theorieninstrumentalismus“).

    Bereits 1882 war M.s These von der „ökonomischen Natur der physikalischen Forschung“ publiziert worden, die er in Graz unter dem Einfluß des Nationalökonomen E. Herrmann entwickelt hatte und derzufolge wissenschaftliche Begriffe ihre Rechtfertigung nur durch die jeweils erreichte Einheitlichkeit und Ökonomie der Beschreibung des Tatsächlichen erhalten („Denkökonomie“).

    Aus seinen einzelwissenschaftlichen und wissenschaftshistorischen Studien entwickelte M. eine oft als „Positivismus“ bezeichnete philosophische Position, in der

    – empiristische Grundhaltung

    – Orientierung an den Ergebnissen und Problemen naturwissenschaftlicher Forschung

    – Konzentration auf Fragen der Meßbarkeit und der operationalen Definition

    – Bestreben nach Eliminierung „überflüssiger, metaphysischer“ Konzepte und Scheinprobleme aus der von diesen „Rückständen“ zu reinigenden Naturwissenschaft

    – Zweifel an einer von den Ergebnissen der Einzelwissenschaften unabhängigen oder gar aprioristisch diesen Vorschreibungen machenden Philosophie

    zusammengeführt wurden, ohne daß damit der traditionelle Systemanspruch der Philosophie erhoben wurde.

    Von M.s frühem „Compendium der Physik für Mediziner“ (1863) über seine „Einleitung in die Helmholtzsche Musiktheorie, Populär für Musiker dargestellt“ (1866) bis zu seinen „Populärwissenschaftlichen Vorlesungen“ (1896 gesammelt erschienen), durchziehen M.s Werk Veröffentlichungen, in denen Ergebnisse neuerer Forschung allgemeinverständlich einem größeren Publikum nahegebracht wurden. Bevorzugte Darstellungsmittel hierbei waren zum einen die „Versinnlichung“ durch Demonstrationsapparate, welche oft von ihm selbst, zusammen mit seinem Mechaniker Franz Hajek, konstruiert wurden; zum anderen die historische Darlegung der Entwicklung des Wissensstandes. Anfangs waren M.s populäre Vorträge seine Haupt-Einnahmequelle, später verselbständigte sich das darin investierte pädagogische Engagement und wurde zum Vorbild für volksbildende, wissenschaftsvermittelnde Aktivitäten in Wien wie z. B. im „Verein Ernst Mach“ oder in den Anfängen der Volkshochschulbewegung.

    Wichtiger als einzelne, heuristisch für die spätere wissenschaftliche Entwicklung fruchtbare oder unfruchtbare Thesen M.s war die durch seine Schriften eingeleitete Begriffs- und Grundlagenkritik in den Naturwissenschaften um die Jahrhundertwende, die „Befreiung aus einem dogmatischen Schlummer“ (Einstein, 1916). Eine positivistische Grundhaltung war charakteristisch für die Wissenschaftstheorie des frühen 20. Jh. M.s Wiener Lehrstuhl, den nach ihm u. a. A. Stöhr und M. Schlick innehatten, wurde zum institutionellen Angelpunkt für den „logischen Empirismus“ des „Wiener Kreises“ (Schlick, Neurath, Carnap, Waismann), der sich ebenso wie der verwandte „Berliner Kreis“ (Reichenbach, Petzoldt) und der „Operationalismus“ (Dingler, Bridgman) vom älteren Positivismus durch stärkere Berücksichtigung der Mittel formaler Logik und moderner Mathematik absetzte („Neopositivismus“). Mit seinem Streben nach methodologischer Einheit der Wissenschaft trotz disziplinärer Vielfalt prägte M. ein Fernziel, das bis zu den Bemühungen des logischen Empirismus um die Einheitswissenschaft weiterwirkte. Der weite Blickwinkel, unter dem M. in „Erkenntnis und Irrtum, Skizzen zu einer Psychologie der Forschung“ (1905) das faktische Vorgehen des Wissenschaftlers beim Erschließen neuer Gesetzmäßigkeiten beschrieb, verengte sich im Übergang von seiner Forschungspsychologie zur Forschungslogik Carnaps und Poppers und wurde in seiner Tragweite immer wieder gewürdigt.

    Die Reaktionen auf M.s philosophische Thesen reichten allein im Rahmen des Materialismus von polemischer Kritik des „Empiriokritizismus“ durch Lenin (1909) bis zu emphatischer Zustimmung seitens Friedrich Adlers (1918). Zu Lebzeiten M.s war sein schärfster Kritiker der Physiker Max Planck, der ihm 1910 Unterschätzung der Bedeutung des theoretischen Teils der Wissenschaft, Überschätzung und Ambiguität der „Denkökonomie“ sowie grundsätzliche Verkennung des Zieles naturwissenschaftlicher Forschung vorwarf, das Planck als die Beschreibung „realer, von den menschlichen Sinnen unabhängiger“ Naturvorgänge umschrieb. Spätere Diskussionen um die Übertragbarkeit der M.schen Grundhaltung auf andere Wissenszweige (u. a. Soziologie, Psychologie) führten zu einer Verflachung des Terminus „Positivismus“ zum pejorativen Schlagwort. Plancks Kritik zum Trotz hat sich in der|durch Bohr und Heisenberg begründeten Kopenhagener Interpretation der Quantenmechanik die Konzeption M.s durchgesetzt, wonach die Aufgabe physikalischer Theorien in der Voraussage von Beobachtungen und in der Herstellung funktionaler Relationen zwischen diesen besteht.

    M.s Kritik des Ichbegriffs, der sich für ihn in einen Knotenpunkt im Netz der Elemente auflöste, war von großem Einfluß auf den Wiener Impressionismus (Hermann Bahr, Robert Musil) und rief auch große Resonanz im buddhistischen Kulturkreis hervor.|

  • Auszeichnungen

    Dr. h. c. (Tübingen);
    Mitgl. d. Leopoldina u. d. Ak. d. Wiss. Wien, München u. Göttingen;
    Mitgl. d. österr. Herrenhauses (1901);
    Maximilians-Orden f. Wiss. u. Kunst (1905).

  • Werke

    Weitere W u. a. Compendium d. Physik f. Mediciner, 1863;
    Btrr. z. Doppler’schen Theorie d. Ton- u. Farbenänderung durch Bewegung, 1874;
    Grundlinien d. Lehre v. d. Bewegungsempfindungen, 1875;
    Die Mechanik in ihrer Entwicklung hist.-krit. dargest., 1883, ⁹1933;
    Erkenntnis u. Irrtum. Skizzen z. Psychol. d. Forschung, 1905;
    Die Leitgedanken meiner naturwiss. Erkenntnislehre u. ihre Aufnahme durch d. Zeitgenossen, in: Physikal. Zs. 11, 1910, S. 599-606, u. Scientia 7, 1910, S. 225-40. - Bibliogrr.:
    J. Thiele, E. M. Bibliogr., in: Centaurus 8, 1963, S. 189-237 (W-Verz., Verz. d. Rezensionen, L), wieder in: O. Blüh u. W. F. Merzkirch, E. M. Bibliogr., in: Boston Studies in the Philosophy of Science 6, 1966, S. 274-90 (auch engl. L);
    O. Blüh, List of M.s educational publications, ebd., S. 20 f.;
    J. Blackmore, A select bibliogr., in: ders., E. M., 1972, S. 361-75 (auch Ztg.art., Vorworte u. entlegenere L);
    A. d'Elia, Recente bibliografia Machiana, in: Rivista Critica di Storia della Filosofia 3, 1975, S. 189-203.

  • Literatur

    H. Dingler, Die Grundgedanken d. M.schen Philos., Mit Erstveröff. aus s. wiss. Tagebüchern, 1924;
    F. Herneck, Über e. unveröff. Selbstbiogr. E. M.s, in: Wiss. Zs. d. Humboldt-Univ. Berlin, Math.-naturwiss. R., 6, 1956/57, S. 209-20;
    J. Thiele, Wiss. Kommunikation, Die Korr. E. M.s, 1978;
    J. Blackmore u. K. Hentschel, E. M. als Außenseiter, M.s Briefwechsel üb. Philos. u. Relativitätstheorie mit Persönlichkeiten s. Zeit, Auszug aus d. letzten Notizbuch (Faks.) v. E. M., 1985 (P). - R. Musil, Btr. z. Beurteilung d. Lehren M.s, Diss. Berlin 1908 (Neudr. 1980);
    M. Planck, Zur M.schen Theorie d. physikal. Erkenntnis, Eine Erwiderung, in: Vj.schr. f. wiss. Philos. u. Soziol. 34, 1910, S. 497-507, u. in: Physikal. Zs. 11, 1910, S. 1186-90;
    A. Einstein, ebd. 17, 1916, S. 101-04;
    K. D. Heller, E. M., Wegbereiter d. modernen Physik, Mit ausgew. Kapiteln aus s. Werk, 1964;
    O. Blüh, E. M. as teacher and thinker, in: Physics today, June 1967, S. 32-42 (P);
    A. d'Elia, E. M., 1971;
    J. T. Blackmore, E. M., His life, work, and influence, 1972 (P);
    F. Stadler, Vom Positivismus z.wiss. Weltauffassung“, Am Beispiel d. Wirkungsgesch. v. E. M. in Österreich v. 1895-1934, 1982 (W-Verz.;
    S. 289-300: Namensliste z. Korr. M.s, erstellt v. Freiburger Ernst-Mach-Inst.). B. d'Espagnat, Conceptual Foundations of Quantum Mechanics, 1971, Kap. 17 f.;
    Wiener Moderne, hrsg. v. G. Wunberg, 1984. - Aufsatzslgg.:
    Boston Studies in the Philosophy of Science 6, 1966;
    Symposium Freiburg, 1966;
    Synthese 18, 1968, S. 132-301;
    R. Haller u. F. Stadler (Hrsg.), E. M., Btrr. z. Leben, Werk, Wirkung, 1986;
    DBJ I (u. Tl.);
    DSB VIII;
    Pogg. III-VI, VII a Suppl.;
    ÖBL. -
    K. Kühn, E. M.s Herkunft u. Abstammung, in: Heimatbildung, Reichenberg, 19, 1938, S. 268 f.

  • Porträts

    Zeichnung v. O. Pragor, 1912 (R. v. Mises Collection, Archives of the Center of History and Philosophy of Physics, American Institute of Physics), Abb. in: Physics today, June 1967, S. 33;
    Denkmal v. H. H. Peter, 1926 (Wien, Rathauspark).

  • Autor/in

    Klaus Hentschel
  • Zitierweise

    Hentschel, Klaus, "Mach, Ernst" in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 605-609 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118575767.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA