Warburg, Otto
- Lebensdaten
- 1883 – 1970
- Geburtsort
- Freiburg (Breisgau)
- Sterbeort
- Berlin
- Beruf/Funktion
- Biochemiker ; Zellphysiologe ; Nobelpreisträger für Physiologie oder Medizin (1931) ; Chemiker ; Physiologe ; Nobelpreisträger
- Konfession
- evangelisch
- Normdaten
- GND: 118629158 | OGND | VIAF: 112658460
- Namensvarianten
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- Warburg, Otto Heinrich
- Warburg, Otto
- Warburg, Otto Heinrich
Vernetzte Angebote
- * Antragsstellende der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft/Deutschen Forschungsgemeinschaft (GEPRIS Historisch – Forschungsförderung von 1920 bis 1945) [2021]
- Frankfurter Personenlexikon [2014-]
- Orden Pour le mérite für Wissenschaften und Künste [1975-]
- * Biographien aus den biographischen Sammelwerken der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg [1875-1935, 2011-]
- * Kalliope-Verbund
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- Frankfurter Personenlexikon [2014-]
- Nomination Database - Nobelprize.org [2014-]
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Warburg, Otto Heinrich
Zellphysiologe, Biochemiker, * 8.10.1883 Freiburg (Breisgau), † 1.8.1970 Berlin, ⚰ Berlin, Friedhof Dahlem, Ehrengrab. (evangelisch)
-
Genealogie
V Emil (s. 1);
M Elisabeth Gaertner;
3 Schw;
– ledig. -
Biographie
W. lernte bereits in seinem Elternhaus bedeutende Naturwissenschaftler seiner Zeit kennen, wie →Max Planck (1858–1947) und →Walther Nernst (1864–1941). Nach dem Abitur am Friedrichswerderschen Gymnasium in Berlin 1901 studierte er Chemie in Freiburg (Br.) und seit 1903 in Berlin, wo er 1906 bei →Emil Fischer (1842–1919), der W.s Interesse an biologischer Chemie weckte, zum Dr. phil. promoviert wurde. Zusätzlich studierte W. 1905–06 Medizin in Berlin, 1906–07 in München sowie 1907–11 in Heidelberg und wurde bei →Rudolf Gottlieb (1864–1924) zum Dr. med. promoviert. 1912 folgte die Habilitation für Physiologie in Heidelberg. 1908–14 hielt sich W. wiederholt zu Forschungsaufenthalten an der Zoologischen Station in Neapel auf, wo er u. a. →Jacques Loeb (1859–1924) sowie die Fragen und Methoden der neuen Entwicklungsbiologie und Physiologie kennenlernte. 1913 zum Leiter der Abteilung Physiologie am KWI für Biologie in Berlin-Dahlem ernannt, meldete er sich 1914 als Freiwilliger und diente bis 1918 als Ordonnanzoffizier an der Ostfront.
1930 wurde W. Direktor des mit Unterstützung der Rockefeller Foundation für ihn gegründeten KWI für Zellphysiologie in Berlin-Dahlem. Trotz der jüd. Herkunft seines Vaters blieb er auch unter dem NS-Regime als Direktor im Amt, v. a. dank der Hilfe einflußreicher Personen in Wissenschaft, Politik und Wirtschaft, darunter →Hermann Bücher (1882–1952), →Philipp Bouhler (1899–1945), →Viktor Brack (1904–48), →Ferdinand Sauerbruch (1875–1951) und insbesondere →Walter Schoeller (1880–1975). Mit Unterstützung dieser Personen wurde W. 1942 „arisiert“ und damit „Deutschblütigen“ gleichgestellt.
1953 wurde das Institut in die MPG integriert, und W. blieb bis zu seinem Lebensende dessen Direktor.
W. war einer der bedeutendsten Zellphysiologen und Biochemiker des 20. Jh.; sein experimentelles Geschick war legendär. Er trug entscheidend zur Aufklärung der Zellatmung und Gärung bei, forschte zum Stoffwechsel von Krebszellen und zum Mechanismus der Photosynthese. Nachhaltig wirkte er zudem durch die Entwicklung präziser Meßmethoden, u. a. der Manometrie und Spektrophotometrie. Dies entsprach seinem inhaltlichen Programm: Schon früh vertrat W. eine Biologie, die sich auf physico-chemische Methoden stützte. Dies schlug sich bereits in seinen Arbeiten in Heidelberg nieder, in denen W. die Prozesse der Zellatmung mit manometrischen Methoden untersuchte und dafür neue experimentelle Objekte in die Physiologie einführte, etwa rote Blutkörperchen und Seeigeleier, deren Verwendung er in der Zoologischen Station Neapel kennengelernt hatte. 1931 wurde W. für die Fortsetzung dieser Forschungen, insbesondere für seine Beiträge zum „Atmungsferment“ lebender Zellen, mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ausgezeichnet. W. charakterisierte dieses Ferment als eisenhaltige Häm-Gruppe, die Oxidationsprozesse katalysiert. Dieses Ferment entspricht der später beschriebenen Cytochrom-c-Oxidase. In den 1930er Jahren konnte W. zudem Atmungsfermente nachweisen, die Wasserstoff übertragen (nämlich die katalytisch aktiven Gruppen von FAD und FMN); schließlich fand er auch zwei dehydrierende Co-Enzyme der Zellatmung (heute bekannt als NAD und NADP). Für diese Leistungen wurde er 1944 ein weiteres Mal für den Nobelpreis nominiert.
Die Arbeiten zur Zellatmung führten W. nach 1918 zu benachbarten Forschungsthemen. So untersuchte er in den 1920er Jahren den Stoffwechsel von Krebszellen und fand, daß sie auch unter aeroben Verhältnissen den Gärungsstoffwechsel aktivieren. In Gegenwart von Sauerstoff wird dieser normalerweise unterdrückt. Diese Störung hielt W. für die Hauptursache von Krebs und entwickelte auf dieser Grundlage in den 1950er Jahren Ansätze einer Theorie. Als sekundäre Ursachen identifizierte er verschiedene Umweltgifte, Nahrungszusatzstoffe, aber auch Kunstdünger; um diese Gifte zu vermeiden, wurde W. in späteren Jahren nahezu zum Selbstversorger. Die Annahme genetischer Ursachen für die Entstehung von Krebs wies er kategorisch zurück.
Seit 1918 beschäftigte sich W. auch mit den Grundlagen der Photosynthese. Seine manometrischen Methoden und die von ihm als Experimentalorganismus eingeführte einzellige Grünalge Chlorella blieben für das Feld bis in die 1960er Jahre maßgeblich. 1922 / 23|bestimmte W. mit →Erwin Negelein (1897–1979) den minimalen Quantenbedarf für den Prozeß als 4–5 Quanten pro Molekül Sauerstoff (heutiger Stand: 8–12 Quanten). Dieser Wert wurde Gegenstand einer erbitterten Kontroverse zwischen W. und verschiedenen US-amerik. Forschern, die erst in den 1950er Jahren durch die Befunde seines ehemaligen Doktoranden →Robert Emerson (1903–59) beigelegt wurde. W. wies die Ansetzung eines höheren Werts bis an sein Lebensende zurück. W.s Neigung zur kompromißlosen Kontroverse zeigte sich ebenso auf anderen Gebieten, etwa in seiner Auseinandersetzung mit →Heinrich Wieland (1877–1957) über den Mechanismus der biologischen Oxidation und mit →David Keilin (1887–1963) über die Bedeutung der Cytochrome. W. beharrte in späteren Jahren nicht selten auf unhaltbaren Positionen und isolierte sich somit zunehmend von der wissenschaftlichen Gemeinschaft.
W. begründete keine „Schule“ im engeren Sinne; er verstand sich nie als akademischer Mentor. Dennoch waren etliche seiner Mitarbeiter in späteren Jahren sehr erfolgreich mit den Methoden und der Herangehensweise, die sie während ihrer Aufenthalte in Dahlem von W. gelernt hatten.
-
Auszeichnungen
|u. a. ausw. Mitgl. d. Dän. Ak. d. Wiss. (1927), d. Royal Soc. London (1934) u. d. Ac. Nazionale dei Lincei, Rom (1958);
Dr. h. c. (Harvard 1936);
AR d. Schering AG (1945–66);
Mitgl. d. Dt. Ak. d. Wiss., DDR (1946);
Orden Pour le mérite f. Wiss. u. Künste (1951);
BVK mit Stern (1953) u. Schulterband (1958);
Dr. agr. h. c. (TU Berlin 1953);
Ehrenmitgl. d. Leopoldina (1956) u. d. Ges. Dt. Chemiker (1957);
Berliner Ernst-Reuter-Medaille in Silber (1958);
Dr. med. h. c. (Heidelberg (1958);
Paul-Ehrlich-u.-Ludwig-Darmstaedter-Preis (1962);
Ehrenbürger d. Stadt Berlin (1963);
Harnack-Medaille d. MPG (1963);
Hon. D. Sc. (Oxford 1965);
– O.-W.-Medaille d. Ges. f. Biochemie u. Molekularbiol. (seit 1963);
O.-W.-Haus d. MPG, Sitz d. Archivs (seit 1973);
O.-W.-Str. in München. -
Werke
|Über d. Oxydationen in lebenden Zellen n. Versuchen am Seeigelei, 1911 (med. Diss.);
Über d. energieliefernden Reaktionen in lebenden Zellen, 1912 (Habil.schr.);
Über d. Stoffwechsel d. Tumoren, 1926, franz. 1928, engl. 1930;
Über d. katalyt. Wirkungen d. lebendigen Substanz, 1928;
Schwermetalle als Wirkungsgruppe v. Fermenten, 1946, engl. 1949;
Wasserstoffübertragende Fermente, 1949;
Weiterentwicklung d. zellphysiol. Methoden, Arbb. aus d. J. 1945–1961, 1962;
– Nachlaß: Archive d. MPG, Berlin, u. d. Berlin-Brandenburg. Ak. d. Wiss., Berlin. -
Literatur
|H. Krebs, in: Biographical Memoirs of Fellows of the Royal Soc. 18, 1972, S. 628–99 (W-Verz.);
ders., O. W., Zellphysiol., Biochemiker, Mediziner, 1979, engl. 1981, japan. 1982 (W-Verz., P);
P. Werner, O. W., v. d. Zellphysiol. z. Krebsforsch., 1988;
dies., Ein Genie irrt seltener, 1991 (W-Verz., P);
E. Höxtermann u. U. Sucker, O. W., 1989 (W-Verz., P);
E. Höxtermann, in: I. Jahn u. M. Schmitt (Hg.), Darwin & Co, e. Gesch. d. Biol. in Portraits, Bd. 2, 2001, S. 251–74 (P);
K. Nickelsen, Explaining Photosynthesis, Models of Biochemical Mechanisms, 1840–1960, 2015;
Pogg. VI, VII a, VIII;
Complete DSB. -
Porträts
|Büste v. R. Scheibe, 1963 (Archiv d. MPG, Berlin);
Ölgem. v. C. Obenland, 1968 (Gal. d. Ehrenbürger, Abg.haus Berlin);
Sonderbriefmarke v. E. v. Janota-Bzowski, 1983. -
Autor/in
Kärin Nickelsen -
Zitierweise
Nickelsen, Kärin, "Warburg, Otto" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 430-431 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118629158.html#ndbcontent