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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 27.01.2005

11. Gemeinden, Städte und Landkreise

11.1. Gesetz zur Stärkung elektronischer Verwaltungstätigkeit

Am 1.2.2003 ist das Gesetz zur Stärkung elektronischer Verwaltungstätigkeit vom 24.12.2002 in Kraft getreten. Das Gesetz schafft den rechtlichen Rahmen für eine rechtsverbindliche elektronische Kommunikation zwischen Bürger und Verwaltung. Dazu wurden das Bayerische Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) und die Fachgesetze des besonderen Verwaltungsrechts grundsätzlich auch insoweit, als bisher die schriftliche Form vorgeschrieben war, für die Möglichkeit der elektronischen Kommunikation mit der Folge geöffnet, dass die Schriftform nunmehr durch die elektronische Form in Verbindung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur ersetzt werden kann. Das Gesetz enthält die dafür notwendigen Maßgaben und Anpassungen sowie einige Ausnahmeregelungen. Zugleich setzt das Gesetz Änderungen des Melderechtsrahmengesetzes in Landesrecht um.

Das Gesetz enthält insbesondere folgende, aus datenschutzrechtlicher Sicht wesentliche Änderungen:

  1. Änderung des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes
  2. Nach der neuen Regelung des Art. 3 a Abs. 1 BayVwVfG ist die Übermittlung elektronischer Dokumente zulässig, soweit der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet

    In das Bayerische Verwaltungsverfahrensgesetz wurde ein neuer Art. 3 a eingefügt. Er regelt in Abs. 1 die Zulässigkeit der Übermittlung elektronischer Dokumente. Diese ist danach zulässig, soweit der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet. Dazu müssen zunächst die technischen und personellen Voraussetzungen geschaffen werden. Hinzu kommen muss der Wille zur Eröffnung eines Zugangs, d.h. der Empfänger muss den Zugang erst durch eine entsprechende Widmung eröffnen. Dies kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Im Einzelnen wird hier die Verkehrsanschauung maßgebend sein. Nach der Gesetzesbegründung wird zur Zeit beim Bürger im Verkehr mit Behörden in aller Regel von der Eröffnung eines Zugangs für den Empfang elektronischer Dokumente, an deren Zugang sich rechtliche Folgen knüpfen, nur dann ausgegangen werden können, wenn er dies gegenüber der Behörde ausdrücklich erklärt hat. Die Behörden, die auf ihren Briefköpfen im Verkehr mit dem Bürger oder der Verwaltung eine E-Mail-Adresse angeben, erklären damit konkludent ihre Bereitschaft, Eingänge auf diesem Weg anzunehmen. Da jedenfalls derzeit die Angabe einer E-Mail-Adresse aber noch nicht ohne weiteres auf die Eröffnung eines Zugangs für den Empfang von (signierten) Dokumenten in elektronischer Form schließen lässt, wird in der Gesetzesbegründung empfohlen, die Voraussetzungen für den Empfang elektronischer Dokumente durch Hinweise auf dem Briefkopf und auf der Internetseite klarzustellen. Dabei kann die Zugangseröffnung auf bestimmte Verfahren und bestimmte technische Standards beschränkt werden. Wenn Behörden einen Zugang für den Empfang von elektronischen Dokumenten eröffnet haben, dann müssen sie durch organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass z.B. E-Mail-Postfächer regelmäßig abgefragt werden. In der Gesetzesbegründung wird allerdings klargestellt, dass die neue Regelung des Art. 3 a keinen rechtlichen oder tatsächlichen Zwang auf Behörden und/oder Bürger zur Schaffung der Voraussetzungen für eine moderne elektronische Kommunikation ausübt.
  3. Art. 3 a Abs. 2 Sätze 1 und 2 BayVwVfG regeln, dass ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen ist, gesetzlichen angeordneten Schriftformerfordernissen genügt

    In der Gesetzesbegründung wird dazu ausgeführt, dass der Verweis auf die qualifizierte elektronische Signatur im Sinne des Signaturgesetzes die Funktionen der Schriftform (Abschlussfunktion, Perpetuierungsfunktion, Identitätsfunktion, Echtheitsfunktion, Verifikationsfunktion, Beweisfunktion und Warnfunktion) für den Bereich der elektronischen Kommunikation in ihrer Gesamtheit sicherstellt.
  4. Art. 30 BayVwVfG fordert die Sicherstellung der Vertraulichkeit elektronischer Dokumente

    Mit dem Erfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz in Art. 3 a Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG werden lediglich die Integrität (d.h. dass personenbezogene Daten vollständig und unverfälscht vorliegen bzw. beim Empfänger ankommen) und die Authentizität (d.h. dass personenbezogene Daten zweifelsfrei ihrem Ursprung zugeordnet werden können) elektronischer Dokumente sichergestellt. Die Vertraulichkeit der bei der elektronischen Kommunikation übertragenen Daten (d.h. dass nur Befugte personenbezogene Daten zur Kenntnis nehmen können) ist im Gesetz hingegen nicht ausdrücklich geregelt. Nach der Gesetzesbegründung ist dies auch nicht erforderlich, da die Behörde nach Art. 30 BayVwVfG die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen treffen, also etwa elektronische Dokumente in geeigneter Weise verschlüsseln muss. Auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung in Art. 3 a BayVwVfG hat danach die Behörde bei der Übermittlung elektronischer Dokumente zu gewährleisten, dass dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zur Sicherstellung der Vertraulichkeit der übertragenen Daten getroffen werden.
  5. Art. 3 a Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG schließt die Signatur mit einem Pseudonym, das die Identifizierung der Person des Signaturschlüsselinhabers nicht ermöglicht, aus

    § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Signaturgesetzes eröffnet die Möglichkeit der Zuordnung von Signaturen an Personen unter einem Pseudonym. Die Regelung in Art. 3 a Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG ist daher erforderlich, um eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Verwaltung durch eine Pseudonymverwendung, die keine Identifizierung ermöglicht, auszuschließen. Nach der Gesetzesbegründung ist jedoch die Signierung durch eine erlassene Behörde - ohne Nennung des Bearbeiters - mittels einer Sachbezeichnung (z.B. Stadt XY) zulässig.
  6. Verfahren bei nicht kompatiblen Kommunikationsmethoden

    Art. 3 a Abs. 3 BayVwVfG regelt den Fall, dass die verwendeten Kommunikationsmethoden zueinander nicht kompatibel sind, so dass Bürger oder Behörde übermittelte elektronische Dokumente nicht lesen und damit nicht bearbeiten können. Die Behörde, die ein Dokument erhält, das für sie zur Bearbeitung nicht geeignet ist, hat dies dem Absender mit Angabe der für sie geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich mitzuteilen. Macht der Empfänger geltend, er könne das von der Behörde übermittelte elektronische Dokument nicht bearbeiten, hat sie es ihm erneut in einem geeigneten elektronischen Format oder als Schriftstück zu übermitteln.
  7. Weitere wichtige Änderungen:
    • Nach Art. 15 Satz 2 BayVwVfG wird für den Fall, dass ein Beteiligter ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, Sitz oder Geschäftsleitung im Geltungsbereich des Grundgesetzes der Behörde auf Verlangen innerhalb einer angemessenen Frist keinen Empfangsbevollmächtigten im Geltungsbereich des Grundgesetzes benannt hat, bei der Übermittlung eines elektronischen Dokuments der Zugang am dritten Tag nach der Übermittlung vermutet. Art. 15 Satz 2 ist allerdings nur anwendbar, wenn der Behörde der ausländische Wohnsitz oder Aufenthaltsort oder Sitz bekannt ist.
    • Art. 37 BayVwVfG regelt, dass ein Verwaltungsakt auch in elektronischer Form erlassen werden kann und dass die inhaltlichen Anforderungen an elektronische Verwaltungsakte denen an schriftliche Verwaltungsakte entsprechen. Die Vorschrift stellt außerdem klar, dass ein mündlicher Verwaltungsakt schriftlich oder elektronisch bestätigt werden kann. Die Vorschrift sieht außerdem die Möglichkeit der Anordnung der dauerhaften Überprüfbarkeit der qualifizierten elektronischen Signatur vor.
    • Art. 39 BayVwVfG regelt, dass auch ein elektronischer Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen ist.
    • Nach Art. 41 BayVwVfG gilt ein Verwaltungsakt, der elektronisch übermittelt wird, am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. In der Vorschrift wird außerdem klar gestellt, dass die Regelung über die öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes auch für elektronische Verwaltungsakte gilt.
    • In Art. 66 BayVwVfG wird klargestellt, dass den Beteiligten auch ein der Behörde elektronisch vorliegendes Gutachten zugänglich gemacht wird.
    • In Art. 69 BayVwVfG wird geregelt, dass ein elektronischer Verwaltungsakt in einem förmlichen Verwaltungsverfahren mit einer dauerhaft überprüfbaren qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen ist und dass der beteiligte Bürger den Verwaltungsakt auch in einfacher elektronischer Form anfordern kann.
    • Wichtige Änderungen der Gemeindeordnung
    • Nach Art. 18 a Abs. 18 GO findet das elektronische Verfahren bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheid keine Anwendung. In der Begründung wird dazu ausgeführt, dass eine elektronische Form z.B. bei den Unterschriften beim Bürgerbegehren nicht möglich ist, da die Unterschriften unter der Fragestellung und Begründung von den Initiatoren privat gesammelt werden müssen und dann grundsätzlich alle einheitlich bei der Gemeinde abzugeben sind. Eine Zusammenfassung einzeln eingehender
      elektronisch signierter Unterschriften würde einen enormen Verwaltungsaufwand bedeuten und außerdem zu nicht akzeptabeln Unsicherheiten hinsichtlich des eingereichten Antrags und dem Erreichen des Quorums führen. Der Bürgerentscheid selbst wird ähnlich wie eine Wahl abgewickelt. Insoweit ist wegen der Höchstpersönlichkeit der wahlähnlichen Entscheidung und ihrer Bedeutung die elektronische Form nicht sinnvoll.
    • Nach Art. 18 b Abs. 8 GO scheidet ein elektronisches Verfahren auch beim Bürgerantrag aus. Es gelten hier grundsätzlich die gleichen Überlegungen wie beim Bürgerbegehren.
    • Änderung des Meldegesetzes


    Das Melderechtsrahmengesetz vom 25.3.2002 sieht unter anderem eine elektronische Selbstauskunft, eine elektronische Anmeldung und eine elektronische einfache Melderegisterauskunft vor. Im Einzelnen verweise ich dazu auf meine Ausführungen im 20. Tätigkeitsbericht unter der Nr. 10.1. Diese Neuregelungen wurden mit der Änderung des Meldegesetzes in Bayerisches Landesgesetz umgesetzt (Art. 9 Abs. 1 a, Art. 17 Abs. 1 Satz 2 und Art. 34 Abs. 1 a MeldeG. In das Meldegesetz wurde ein neuer Art. 43 eingefügt mit dem das Staatsministerium des Innern ermächtigt wird, die Einzelheiten der genannten Verfahren durch Rechtsverordnung festzulegen. Die Umsetzung weiterer Änderungen des Melderechtsrahmengesetzes in das Bayerische Meldegesetz (u.a. elektronische Rückmeldung und elektronische Datenübermittlung an andere Behörden) wird zur Zeit vorbereitet.

11.2. Übertragung öffentlicher Gemeinderatssitzungen im Internet

Durch die Eingabe eines betroffenen Gemeinderatsmitglieds ist mir folgender Sachverhalt bekannt geworden:

Eine Kommune übertrug eine öffentliche Sitzung ihres Gemeinderats live im Internet. Zu Beginn der Sitzung fragte der erste Bürgermeister in Anwesenheit der Öffentlichkeit und bei laufender Kamera, ob alle Mitglieder des Gemeinderats mit der Internetübertragung einverstanden sind. Daraufhin verweigerten drei Gemeinderatsmitglieder ihre Zustimmung. Im Folgenden wurden dann zwar von diesen Gemeinderatsmitgliedern keine Bilder im Internet gezeigt, der Wortlaut ihrer Redebeiträge wurde jedoch ausgestrahlt. Nach Prüfung der Angelegenheit und einer grundsätzlichen Besprechung mit dem Bayerischen Staatsministerium des Innern vertrete ich dazu zusammengefasst die folgende Auffassung:

Eine Übertragung der Sitzungsbeiträge von Gemeinderatsmitgliedern oder Redebeiträgen von Gemeindebediensteten im Internet ist nur zulässig, wenn diese der Übertragung zugestimmt haben und zwar sowohl was Bild, wie was Ton betrifft.

Die Entscheidung über die Zustimmung muss ohne psychischen Druck auf der Grundlage ausreichender Informationen über die besonderen Modalitäten einer Interneteinstellung und mit ausreichender Überlegungsfrist erfolgen können.

Die Verweigerung der Zustimmung darf nicht in diskriminierender Weise zur Kenntnis gebracht werden.

Der Zuschauerraum darf nicht so in die Übertragung einbezogen werden, dass einzelne Zuschauer erkannt werden können.

Im Einzelnen waren folgende Erwägungen für diese Beurteilung maßgebend:

  1. Soweit ersichtlich haben sich Rechtsprechung und Literatur mangels eines konkreten Anlasses bisher noch nicht zur Zulässigkeit von Liveübertragungen öffentlicher Gemeinderatssitzungen durch Kommunen im Internet geäußert.

    Herangezogen werden können jedoch Rechtsprechung und Literatur zu Film- und Tonbandaufnahmen:

    Zu Tonbandaufzeichnungen durch Pressevertreter oder sonstige Besucher in öffentlichen Sitzungen wird zum Teil die Auffassung vertreten, das einzelne Gemeinderatsmitglied könne das Abschalten des Tonbandgeräts während seines Redebeitrags nicht verlangen, weil es hier nicht als "Privatperson" rede und bei öffentlichen Verhandlungen vor kommunalen Organen gehaltene Reden im Sinn des § 48 Abs. 1 Nr. 2 UrhG auch urheberrechtlich nicht geschützt seien (vgl. Bauer/Böhle/Masson/Samper, Bayerische Gemeindeordnung, Art. 52 Rdnr. 8 mit weiteren Nachweisen). Demgegenüber folgern Widtmann/Grasser, Bayerische Gemeindeordnung, Art. 52 Rdnr. 10, aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.1990 (BayVBl 1991, 89) zu Recht, dass Bild- und Tonaufzeichnungen nicht nur eines Gemeinderatsbeschlusses bedürfen, sondern jedes einzelne ehrenamtliche Gemeinderatsmitglied sich der Aufnahme während seines Redebeitrags widersetzen kann mit der Folge, dass der Vorsitzende die Aufnahme dieses Redebeitrags zu untersagen hat (im Ergebnis ebenso u.a. Wilde/Ehmann/Niese/ Knoblauch, Bayerisches Datenschutzgesetz, Teil C Handbuch, Abschnitt XII Nr. 5 Buchst. b sowie Antwort des StMI auf eine schriftliche Anfrage im Bayerischen Landtag vom 16.04.87/06.05.87, LT-Drs. 11/1697, Stemmer, KommunalPraxis BY 1987, 86 und Keller, KommunalPraxis BY 2000, 412, die außerdem noch die Zustimmung des Vorsitzenden im Gemeinderat, also regelmäßig des ersten Bürgermeisters, fordern). In dem zitierten Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Pressefreiheit nicht dadurch verletzt wird, dass ein Ratsvorsitzender in Ausführung eines entsprechenden Ratsbeschlusses einem Journalisten untersagt, die öffentliche Sitzung des Rates auf Tonband aufzuzeichnen. In der Begründung führt das Bundesverwaltungsgericht aus, das Recht des Ratsmitglieds auf freie Rede könne durch die Aufzeichnung auf Tonband faktisch empfindlich tangiert werden. Eine von psychologischen Hemmnissen möglichst unbeeinträchtigte Atmosphäre gehöre zu den notwendigen Voraussetzungen eines geordneten Sitzungsbetriebs, den der Ratsvorsitzende zu gewährleisten habe.

    Zu diesen vom Bundesverwaltungsgericht zu Tonaufnahmen geäußerten Bedenken kommt bei Fernsehaufnahmen noch das Bild dazu. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des einzelnen Gemeinderatsmitglieds ist hier noch umfassender und stärker als bei reinen Tonaufnahmen (vgl. Stemmer, a.a.O., S. 88).
  2. Die Direktübertragung von öffentlichen Gemeinderatssitzungen im Internet stellt datenschutzrechtlich eine Übermittlung personenbezogener Daten weltweit an eine Vielzahl unbestimmter Personen dar. Betroffen sind dabei nicht nur die Gemeinderatsmitglieder und sonstige Personen (z.B. Gemeindebedienstete). Betroffen sind auch Bürger, deren Angelegenheiten in einer solchen Gemeinderatssitzung personenbezogen behandelt werden. Schließlich sind auch Zuhörer betroffen, wenn sie auf den im Internet verbreiteten Aufnahmen erkennbar sind oder ein Rückschluss auf ihre Person möglich ist.

    Die Erhebung personenbezogener Daten und ihre Übermittlung über das Internet sind nur zulässig, wenn entweder das Bayerische Datenschutzgesetz (BayDSG) oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat (Art. 15 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BayDSG).
  3. Auf Art. 52 Abs. 2 Satz 1 der Gemeindeordnung (GO) kann eine Übertragung öffentlicher Gemeinderatssitzungen im Internet nicht gestützt werden. Aus dieser Vorschrift ergibt sich zwar, dass Gemeinderatssitzungen grundsätzlich öffentlich abzuhalten sind. Damit wird die Transparenz kommunaler Verwaltungstätigkeit gewährleistet. Öffentlichkeit der Sitzungen bedeutet aber nur, dass jedermann im Rahmen des hierfür zur Verfügung stehenden Platzes in der Reihenfolge des Eintreffens freien Zugang zum Sitzungsraum hat (vgl. Bauer/Böhle/Masson/Samper, a.a.O., Art. 52 Rdnr. 7 sowie Widtmann/Grasser, a.a.O., Art. 52 Rdnr. 8). Die Gemeinderatsmitglieder und sonstige Personen, die an der Sitzung teilnehmen, z.B. Gemeindebedienstete, die zu einem Tagesordnungspunkt berichten, sowie Bürger, deren Angelegenheiten personenbezogen in der Sitzung behandelt werden, müssen es daher nach Art. 52 Abs. 2 Satz 1 GO nur hinnehmen, dass Zuhörer der Sitzung beiwohnen, sich ggf. Notizen machen und anschließend in der Presse berichtet wird. Für einen darüber hinaus gehenden Eingriff in ihr informationelles Selbstbestimmungsrecht dergestalt, dass die Sitzung in Bild und Ton im Internet übertragen wird, stellt Art. 52 Abs. 2 Satz 1 GO keine Rechtsgrundlage dar (so auch Wilde/Ehmann/Niese/Knoblauch, Bayerisches Datenschutzgesetz, Kommentar, Teil C, Handbuch XII.5.c).

    Bei einer Übertragung im Internet ist auch zu berücksichtigen, dass damit eine völlig neue Qualität der Veröffentlichung vorgenommen wird. Die Veröffentlichung im Internet erreicht weltweit einen ungleich größeren Personenkreis als jede auflagenbegrenzte schriftliche Presseveröffentlichung oder die Berichterstattung in einem lokalen Rundfunksender. Bild und Ton können von jedermann abgerufen, aufgezeichnet und ausgewertet werden und die weitere Verwendung dieser Aufnahme ist nicht abzusehen. Bei einer Direktübertragung von öffentlichen Gemeinderatssitzungen im Internet werden außerdem die Betroffenen mit ihrer Mimik und Gestik sowie ihre Redebeiträge im Wortlaut weltweit abrufbar. Dies kann dazu führen, dass sich ehrenamtliche Gemeinderatsmitglieder nicht mehr unbefangen und spontan äußern (vgl. BVerwG a.a.O.). Dadurch aber würde die Funktionsfähigkeit des Gemeinderats beeinträchtigt und der Demokratie insgesamt Schaden zugefügt.
  4. Für die Übertragung von Gemeinderatssitzungen im Internet kann nicht Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 BayDSG als Rechtsgrundlage herangezogen werden. Nach dieser Vorschrift ist die Übermittlung personenbezogener Daten an nicht-öffentliche Stellen zulässig, wenn die nicht-öffentliche Stelle ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der zu übermittelnden Daten glaubhaft darlegt und der Betroffene kein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat. Es ist bereits fraglich, ob Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 BayDSG hier neben Art. 52 Abs. 2 GO, der die Öffentlichkeit bzw. Nichtöffentlichkeit der Gemeinderatssitzungen bereichsspezifisch regelt, anwendbar ist (vgl. Wilde/Ehmann/Niese/Knoblauch, a.a.O., Teil C Handbuch, Abschnitt XII Nr. 2 Buchst. b). Ungeachtet dessen sind auch die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt, da ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit an einer weltweiten Übertragung von Gemeinderatssitzungen im Internet nicht besteht und die davon Betroffenen ein schutzwürdiges Interesse haben, dass ihre personenbezogenen Daten nur im gesetzlichen Rahmen des Art. 52 Abs. 2 Satz 1 GO an Dritte
    übermittelt werden. Sie haben außerdem auch ein schutzwürdiges Interesse daran, dass ihre personenbezogenen Daten nicht ohne ihre Einwilligung in Drittländer
    übermittelt werden, in denen kein angemessenes Datenschutzniveau gewährleistet ist (Art. 21 Abs. 2 Satz 2 BayDSG).
  5. Bei einer Übertragung öffentlicher Gemeinderatssitzungen im Internet dürfen daher aus datenschutzrechtlicher Sicht nur die Personen in Wort und Bild aufgenommen werden, die vorher in die Übertragung eingewilligt haben (Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 BayDSG). Die betroffenen Personen sind darauf hinzuweisen, dass bei einer Übertragung im Internet Bild und Ton weltweit von einem unbegrenzten Kreis von Personen abgerufen, aufgezeichnet, unter Umständen verändert und ausgewertet werden können und die weitere Verwendung dieser Aufnahmen nicht abzusehen ist (Grundsatz der informierten Einwilligung, vgl. Art. 15 Abs. 2 BayDSG). Sie dürfen dabei nicht unter einen Entscheidungsdruck gesetzt werden. Das wäre z.B. der Fall, wenn sie in der Öffentlichkeit im Beisein von Zuhörern und der Presse, mit dem Wunsch nach einer Übertragung der Gemeinderatssitzung im Internet konfrontiert würden. Von einer freiwilligen Einwilligung könnte in einem solchen Fall nicht ausgegangen werden. Es muss den Betroffenen daher eine angemessene Überlegungsfrist für ihre Entscheidung eingeräumt werden. Die Einwilligung muss außerdem jederzeit ohne Angabe von Gründen widerrufen werden können. Dies gilt auch für Bürger, deren Angelegenheiten personenbezogen bzw. personenbeziehbar in öffentlicher Gemeinderatssitzung behandelt und im Internet übertragen werden sollen.

    Im Ergebnis bedeutet dies, dass an Stelle eines Gemeindebediensteten, der in die Übertragung im Internet nicht eingewilligt hat, ein anderer Mitarbeiter der Gemeinde oder ggf. der erste Bürgermeister den zu einem Tagesordnungspunkt vorgesehenen Bericht der Verwaltung übernehmen muss. Bürgerangelegenheiten, die dem Datenschutz unterliegen, dürfen ohne Einwilligung des Betroffenen in öffentlicher Gemeinderatssitzung ohnehin nur anonymisiert behandelt werden. Verweigert ein Gemeinderatsmitglied seine Einwilligung in die Übertragung, dürfen seine Redebeiträge weder in Bild noch in Ton übertragen werden. Bei einer Liveübertragung im Internet bedeutet dies, dass, da die entsprechenden Sequenzen aus der Aufnahme nicht herausgeschnitten werden können, diese Zeitabschnitte überbrückt werden müssen. Dabei ist zu vermeiden, dass bei jedem Redebeitrag die Verweigerung des Gemeinderatsmitglieds jedes Mal aufs Neue öffentlich dokumentiert wird. Dies kann sich auf das Gemeinderatsmitglied erheblich belastend auswirken, insbesondere, wenn wie im vorliegenden Fall in der Presse mit Überschriften wie "Kamerascheue Politiker" und "Drei CSUler wollten nicht ins Bild" darüber berichtet wird.

    Man könnte deshalb in Erwägung ziehen, bei der Verweigerung eines Gemeinderatsmitglieds die Zulässigkeit einer Übertragung der Gemeinderatssitzung im Internet insgesamt in Zweifel zu ziehen, weil anderenfalls wegen der zu befürchtenden Drucksituation für das Gemeinderatsmitglied eine freiwillige Entscheidung nicht gewährleistet wäre.

    Andererseits muss aber auch berücksichtigt werden, dass dann unter Umständen ein einziges Gemeinderatsmitglied gegen den erklärten Willen aller anderen Gemeinderatsmitglieder eine Einstellung der öffentlichen Sitzung in das Internet verhindern könnte und der öffentliche Druck auf den Verweigerer mindestens genauso groß wäre. Ich halte eine Internetübertragung angesichts dessen trotzdem für vertretbar, wenn der Weigerung eines Gemeinderatsmitglieds dadurch Rechnung getragen wird, dass seine Redebeiträge in Wort und Bild aus der Übertragung ausgeblendet werden und die Dokumentierung seiner Weigerung durch entsprechende Aufnahmetechniken vermieden wird. Gegebenenfalls ist anstatt einer Liveübertragung eine Aufzeichnung ins Internet einzustellen.
  6. Der Zuhörerbereich ist von einer Übertragung im Internet auszunehmen, da es hier den Umständen nach nicht möglich ist, von den einzelnen Zuhörern eine rechtswirksame Einwilligung einzuholen. Eine entsprechende Frage in den Zuhörerraum vor Beginn der Sitzung würde den Anforderungen an eine Einwilligung im Sinn des Art. 15 Abs. 2 und 3 BayDSG nicht genügen.
  7. In dem zu entscheidenden Fall hat der erste Bürgermeister erst zu Beginn der Gemeinderatssitzung in Anwesenheit der Öffentlichkeit und bei laufender Kamera gefragt, ob alle Mitglieder des Gemeinderats mit der Internetübertragung einverstanden sind. Im Folgenden wurden dann zwar von den Gemeinderatsmitgliedern, die ihre Einwilligung in die
    Übertragung verweigert haben, keine Bilder gezeigt, der Wortlaut ihrer Beiträge wurde jedoch ausgestrahlt. Damit lag ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen vor; die Gemeinderatsmitglieder hätten rechtzeitig vor Beginn der öffentlichen Sitzung zu ihrer Einwilligung befragt und dabei über die Folgen der Übertragung aufgeklärt werden müssen. Der Wortlaut der Redebeiträge der Gemeinderatsmitglieder, die ihre Einwilligung in die Übertragung im Internet nicht erteilt haben, hätte nicht ausgestrahlt werden dürfen. Da der erste Bürgermeister jedoch im guten Glauben war, den datenschutzrechtlichen Anforderungen zu genügen und er wenigstens die Bilder der Gemeinderatsmitglieder, die ihre Zustimmung verweigert haben, ausgeblendet hat, habe ich im Rahmen meines Ermessens nach Art. 31 Abs. 3 BayDSG für dieses Mal von einer Beanstandung abgesehen.

11.3. Veröffentlichung von Personenstandsdaten im Internet

Ein Bürger hat sich an mich mit dem Vorbringen gewandt, auf der Internetseite einer Gemeinde würden Vor- und Nachname sowie Geburtsdatum seiner Tochter ohne seine Zustimmung veröffentlicht. Bei der von mir daraufhin durchgeführten Überprüfung habe ich festgestellt, dass die Gemeinde auf ihrer Homepage sämtliche Geburten, Eheschließungen und Sterbefälle des laufenden Jahres 2003 sowie alle Geburten, Eheschließungen und Sterbefälle der Jahre 1998 bis 2002 veröffentlicht hatte. Meiner Aufforderung, die personenbezogenen Daten von der Homepage zu entfernen, für deren Veröffentlichung keine Einwilligungen vorlagen, ist die Gemeinde sofort nachgekommen. Von einer förmlichen Beanstandung konnte ich gleichwohl nicht absehen, da es sich bei der Veröffentlichung in dem hier beurteilten Fall um einen erheblichen Datenschutzverstoß handelte. Im Einzelnen weise ich dazu auf Folgendes hin:

Die Veröffentlichung von Geburten, Eheschließungen und Sterbefällen im Internet stellt eine Datenübermittlung im Sinn des Art. 4 Abs. 6 Satz 2 Nr. 3 BayDSG dar. Mangels einer Rechtsvorschrift, die eine derartige Veröffentlichung erlaubt, ist diese nur dann zulässig, wenn die Betroffenen, bei Sterbefällen die Angehörigen, darin eingewilligt haben (Art. 15 Abs. 1 BayDSG). Die betroffenen Bürger müssen dabei informiert werden, für welchen Zeitraum und auf welches Medium (z.B. Veröffentlichung im Amtsblatt, in der Tageszeitung, auf der gemeindlichen Homepage) sich die Einwilligung bezieht. So sind bspw. die Betroffenen, die der Veröffentlichung ihrer Daten im Amtsblatt zustimmen, auch darüber zu informieren, dass das Amtsblatt mit diesen Daten zusätzlich auf der Homepage der Gemeinde eingesehen werden kann.

11.4. Veröffentlichung der Anschriften von Vereinen auf der Homepage der Gemeinde

Im Berichtszeitraum bin ich mehrmals gefragt worden, ob Gemeinden die Anschriften, die ihnen ihre Vereine mitteilen, auf ihrer Homepage veröffentlichen dürfen. Ich vertrete dazu die folgende Auffassung:

Die Veröffentlichung der Anschriften von Vereinen auf der Homepage der jeweiligen Gemeinde ist regelmäßig ohne Zustimmung der Vereine zulässig. Dies gilt auch dann, wenn - wie bei kleinen Vereinen üblich - der Verein unter der Anschrift des Vereinsvorsitzenden zu erreichen ist (vgl. Wilde/Ehmann/Niese/Knoblauch, Kommentar zum Bayerischen Datenschutzgesetz, Teil C Handbuch, XII.8.a) cc)). Die Vereinsanschrift ist regelmäßig ein offenkundiges, nach dem Willen der Beteiligten auf Kenntnis und Verbreitung in der Öffentlichkeit angelegtes Datum und deshalb nicht schutzbedürftig. Soweit jedoch über die Bekanntgabe der Vereinsanschrift hinausgehende Veröffentlichungen beabsichtigt sind (z.B. die der privaten Telefonnummer von Vorstandsmitgliedern etc.), ist dies nur mit Einwilligung der Betroffenen zulässig (vgl. Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 BayDSG).

Die Bekanntgabe von Anschriften der Vereine durch die Gemeinde dient dazu, den Bürgern die Kontaktaufnahme mit den örtlichen Vereinen zu erleichtern. In aller Regel haben die Vereine ein eigenes Interesse daran, dass ihre Kontaktadressen den Bürgern bekannt sind und hierzu von der Gemeinde veröffentlicht werden. Von der Veröffentlichung muss die Gemeinde daher in diesen Fällen nur auf ausdrücklichen Wunsch eines Vereins absehen. Bei Zweifeln am Veröffentlichungsinteresse des Vereins sollte dessen Einwilligung eingeholt werden.

11.5. Veröffentlichung von Bauherrendaten im Internet

Nach Art. 84 der Bayerischen Bauordnung (BayBO) dürfen die Bauaufsichtsbehörden und die Gemeinden Ort und Straße der Baustelle, Art und Größe des Bauvorhabens sowie Namen und Anschrift des Bauherren und des Entwurfsverfassers veröffentlichen oder an Dritte zum Zwecke der Veröffentlichung übermitteln, wenn der Betroffene der Veröffentlichung nicht widersprochen hat. Der Betroffene ist bei der Bauantragsstellung auf sein Widerspruchsrecht hinzuweisen. Die vom Bayerischen Staatsministerium des Innern im Vollzug von § 6 Abs. 2 der Bauvorlagenverordnung mit Bekanntmachung vom 28.12.1999 (AllMBl 2000 S. 6) bekannt gemachten und verbindlich eingeführten Vordrucke sehen dazu in der Anlage 1 (Bauantrag und Abgrabungsantrag) unter Ziffer 10 "Datenschutzrechtliche Hinweise" u.a. vor, dass die in Art. 84 BayBO genannten personenbezogenen Daten des Bauherren und des Entwurfsverfassers im Amtsblatt veröffentlicht werden dürfen, sofern der Betroffene der Veröffentlichung nicht widersprochen hat. Der Datenschutzbeauftragte eines Landratsamtes ist nun mit der Frage an mich herangetreten, ob die personenbezogenen Daten des Bauherren/Entwurfsverfassers, sofern dieser der Veröffentlichung nach Art. 84 BayBO nicht widersprochen hat, auch dann im Amtsblatt veröffentlicht werden dürfen, wenn dieses in das Internet eingestellt wird.

Nach Art. 26 Abs. 2 der Gemeindeordnung (GO) sind Amtsblätter regelmäßig erscheinende Druckwerke. Aus dem datenschutzrechtlichen Hinweis in dem o.g. amtlichen Bauantrags-Vordruck, dass die genannten personenbezogenen Daten im Amtsblatt veröffentlicht werden dürfen, muss der Bauherr/Entwurfsverfasser daher nicht mit einer Veröffentlichung seiner personenbezogenen Daten im Internet rechnen. Voraussetzung für ein wirksames Ausüben des Widerspruchsrechts nach Art. 84 BayBO ist aber die Kenntnis des Betroffenen darüber, welche Folge es hat, wenn er nicht widerspricht. Er muss deshalb auf die Möglichkeit einer Veröffentlichung seiner personenbezogenen Daten (auch) im Internet, wenn er von seinem Widerspruchsrecht keinen Gebrauch macht, ausdrücklich hingewiesen werden. Das Innenministerium, an das ich mich gewandt habe, teilt meine Auffassung und hat mir zugesichert, den Hinweis auf das Widerspruchsrecht in dem o.g. Vordruck im Zuge der nächsten Änderung der Vordrucke entsprechend zu ergänzen.

11.6. Inanspruchnahme von Inkassounternehmen im Verwaltungsvollstreckungsverfahren

Eine Stadt hat sich an mich mit der Frage gewandt, ob datenschutzrechtliche Bedenken dagegen bestehen, private Inkassounternehmen bei der Durchsetzung von Forderungen der Kommune einzuschalten. Nach Mitteilung der Stadt sollte sich das Inkassounternehmen nur mit den hartnäckigen Schuldnern "beschäftigen", die auf keine der städtischen Maßnahmen (z.B. durch den Außendienst) reagiert haben. Mit dem Mahnverfahren sollte das Inkassounternehmen nicht beauftragt werden. Alle Fälle, die an das Inkassounternehmen abgegeben werden sollen, seien von der Kasse gemahnt worden, hätten von der Vollstreckungsstelle bei öffentlich-rechtlichen Forderungen eine Vollstreckungsankündigung bzw. bei privatrechtlichen Forderungen eine verschärfte Zahlungsaufforderung erhalten und seien zum großen Teil auch vom Außendienst zur Zahlung aufgefordert worden. Bei diesem Sachverhalt bin ich davon ausgegangen, dass das Inkassounternehmen mit der Forderungsbeitreibung betraut werden sollte.

Zusammengefasst vertrete ich dazu folgende Auffassung:

Die Beitreibung von Klinikrechnungen durch Inkassounternehmen ist nach Art. 27 Abs. 5 Satz 1 Bayerisches Krankenhausgesetz grundsätzlich zulässig, bei der Datenübermittlung ist aber das Arztgeheimnis soweit wie möglich zu wahren.

Ob die Beauftragung von Inkassounternehmen mit dem Beitreiben von Forderungen aus dem Sozialbereich zulässig ist, unterliegt erheblichen Zweifeln.

Sollen für die Beitreibung sonstiger Forderungen Inkassounternehmen mit der Verarbeitung sonstiger sensibler Daten beauftragt werden, so sollte hiervon aus Gründen des Datenschutzes abgesehen werden.

Im Einzelnen:

Zunächst ist zu prüfen, inwieweit bereichsspezifische gesetzliche Regelungen zu berücksichtigen sind. So stellt sich z.B. bei der Einschaltung eines externen Inkassounternehmens durch einen (hier kommunalen) Krankenhausträger die Frage nach der Reichweite der Befugnis aus Art. 27 Abs. 5 Satz 1 Bayerisches Krankenhausgesetz. Nach dieser Bestimmung ist die Übermittlung von Patientendaten an Dritte unter anderem zur verwaltungsmäßigen Abwicklung des Behandlungsverhältnisses zulässig. Diese Vorschrift kann vom Grundsatz her die Weitergabe von Daten an ein Inkassounternehmen zum Zwecke des vorgerichtlichen Forderungseinzugs rechtfertigen. Allerdings müsste der Krankenhausträger unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes so schonend wie möglich vorgehen, um das Arztgeheimnis möglichst zu wahren. Zu den Konsequenzen, die insbesondere daraus gezogen werden müssen, verweise ich auf meinen Beitrag Nr. 3.4.1.3 im 17. Tätigkeitsbericht 1996.

Zur Beitreibung von Forderungen der Sozialhilfeverwaltung habe ich die Stadt darauf hingewiesen, dass die in ihrem Schreiben genannte Vorschrift des § 80 SGB X hier nicht einschlägig ist. Eine Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten im Auftrag liegt in diesem Sinne unter anderem nur dann vor, wenn sie Kerninhalt und nicht lediglich unvermeidbares Nebenprodukt der Auftragserteilung ist. Gegenstand des von der Stadt angedachten Outsourcings war jedoch vielmehr eine Beitreibung titulierter Forderungen (unter anderem) der Sozialhilfeverwaltung.

Aber auch die Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X, der hier als einzige Datenübermittlungsbefugnis in Betracht kommen könnte, habe ich nicht für erfüllt angesehen. Dies lag nicht etwa nur daran, dass die städtische Vollstreckungsstelle nach dem Schreiben der anfragenden Stadt und den beigefügten Anlagen keine Ausführungen dazu machte, inwieweit die Einschaltung von Inkassobüros und - damit verbunden - auch die Datenübermittlungen an diese Stellen i.S.d. SGB-Vorschrift als "erforderlich" bzw. angemessen zu beurteilen wären (vgl. hierzu unter anderem die Voraussetzungen nach § 80 Abs. 5 SGB X).

Insbesondere habe ich Zweifel bezüglich der Zulässigkeit einer Datenweitergabe an Inkassobüros zur Beitreibung titulierter Forderungen der (Sozialhilfe-)Verwaltung, weil dies wohl eine rechtlich unzulässige Funktionsübertragung darstellen dürfte. Die Art. 18 ff. des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) ermöglichen der Behörde die Vollstreckung ihrer Verwaltungsakte (§ 66 Abs. 3 SGB X). Daneben kann gemäß § 66 Abs. 4 SGB X aus einem Verwaltungsakt auch die Zwangsvollstreckung in entsprechender Anwendung der ZPO stattfinden. Angesichts der genannten Vorschriften ist mir nicht ersichtlich, dass die Beitreibung von Forderungen darüber hinaus im Wege des "Outsourcings" erfolgen dürfte. Diese Frage ist zwar wegen der Prüfung, ob Datenübermittlungen an Inkassobüros überhaupt erforderlich sein können, auch datenschutzrechtlich von Relevanz, sie ist jedoch primär aus fachlicher Sicht und insoweit nicht vom Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz zu entscheiden.

Diese Aussage zur rechtlichen Beurteilung der Einschaltung von Inkassobüros zur Beitreibung titulierter Forderungen der Sozialhilfeverwaltung als eine wohl rechtlich unzulässige Funktionsübertragung gilt in gleicher Weise auch für Forderungen aus anderen Verwaltungsbereichen.

Auch soweit an eine Einschaltung von Inkassobüros bei Tätigkeiten gedacht wird, die keine rechtlich unzulässige Funktionsübertragung, sondern eine Datenverarbeitung im Auftrag (Art. 6 BayDSG) darstellen (wie dies z.B. bei der Vergabe steuerlicher Hilfstätigkeiten grundsätzlich als zulässig angesehen wird), ist zu berücksichtigen, dass hier in aller Regel sensible Bereiche betroffen sind und dem Inkassounternehmen besonders schutzwürdige personenbezogene Daten des Schuldners (wie z.B. die Tatsache der Zahlungsunfähigkeit) bekannt werden können und ein Outsourcing deshalb auch insoweit unterbleiben sollte.

Zu privatrechtlichen Forderungen teile ich die Auffassung des sächsischen Datenschutzbeauftragten in Ziffer 5.5.9 seines 7. Tätigkeitsberichts, dass die Kommunen ihre privatrechtlichen Forderungen selbst wirkungsvoll außergerichtlich geltend machen können und die Schuldnerdaten deshalb nicht an ein Inkassounternehmen weitergegeben werden sollten.

11.7. Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Wahlhelferdaten

Eine Stadt hat sich mit der Frage an mich gewandt, unter welchen Voraussetzungen die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Daten von Wahlberechtigten zum Zwecke der Besetzung von Wahlvorständen bei Bundestags-, Landtags-, Europa- und Kommunalwahlen zulässig ist (vgl. hierzu auch 20. Tätigkeitsbericht 2002, Ziffer 9.1). Die Rechtslage stellt sich zusammengefasst wie folgt dar:

Bundes- und Landeswahlgesetz berechtigen zur Verarbeitung von Daten Wahlberechtigter zum Zweck der Besetzung von Wahlvorständen. Gegen die Verarbeitung der Daten für künftige Wahlen haben die Betroffenen ein Widerspruchsrecht.

Öffentliche Stellen des Bundes und der Länder sind nach den genannten Gesetzen verpflichtet, den Gemeinden auf Ersuchen zur Durchführung von Bundes- und Landtagswahlen Daten ihrer Bediensteten zu benennen.

Für Kommunalwahlen ergibt sich das Recht zur Verarbeitung von Wahlberechtigten- und von Bedienstetendaten bis zu einer Regelung in den Kommunalwahlgesetzen aus dem Bayerischen Datenschutzgesetz. Es erscheint angemessen den Betroffenen auch insofern ein entsprechendes Widerspruchsrecht einzuräumen.

Der Gesetzgeber hat in § 9 Abs. 4 Bundeswahlgesetz (BWG) und Art. 7 Abs. 4 Landeswahlgesetz (LWG) bereichsspezifische Vorschriften für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Daten von Wahlberechtigten zum Zwecke der Besetzung von Wahlvorständen bei Bundes- und Landtagswahlen erlassen. Über § 4 Europawahlgesetz (EuWG) gilt § 9 Abs. 4 BWG auch für die Europawahlen.

Gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 BWG bzw. Art. 7 Abs. 4 Satz 1 LWG sind die Gemeindebehörden befugt, personenbezogene Daten von Wahlberechtigten zum Zweck ihrer Berufung zu Mitgliedern von Wahlvorständen zu erheben, zu verarbeiten und zu nutzen. Die zu diesem Zweck erhobenen Daten dürfen auch für künftige Wahlen verarbeitet werden, sofern der Betroffene nicht widersprochen hat (§ 9 Abs. 4 Satz 2 BWG, Art. 7 Abs. 4 Satz 2 LWG). Der Betroffene ist über das Widerspruchsrecht zu unterrichten (§ 9 Abs. 4 Satz 3 BWG, Art. 7 Abs. 4 Satz 3 LWG). Im Einzelnen dürfen folgende Daten erhoben, verarbeitet und genutzt werden: Name, Vorname, akademische Grade, Geburtsdatum, Anschriften, Telefonnummern, Zahl der Berufungen zu einem Mitglied der Wahlvorstände und die dabei ausgeübte Funktion (§ 9 Abs. 4 Satz 4 BWG, Art. 7 Abs. 4 Satz 4 LWG).

Nach § 9 Abs. 5 BWG sind die Behörden des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, der Länder, der Gemeinden, der Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts verpflichtet, auf Ersuchen der Gemeindebehörden zur Sicherstellung der Wahldurchführung von Bundestagswahlen aus dem Kreis ihrer Bediensteten Personen, die im Gebiet der ersuchenden Gemeinde wohnen, zum Zweck der Berufung als Mitglieder der Wahlvorstände zu benennen. Nach Art. 7 Abs. 5 LWG gilt diese Verpflichtung auch für Behörden des Freistaates Bayern, der Gemeinden, der Landkreise und der Bezirke sowie der sonstigen der Aufsicht des Freistaates Bayern unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Hinblick auf Landtagswahlen. Es dürfen Name, Vorname, akademische Grade, Geburtsdatum, Anschriften und Telefonnummern des Bediensteten übermittelt werden (§ 9 Abs. 5 Satz 1 BWG, Art. 7 Abs. 5 Satz 1 LWG). Die ersuchte Stelle hat die Betroffenen über die übermittelten Daten und den Empfänger zu benachrichtigen (§ 9 Abs. 5 Satz 2 BWG, Art. 7 Abs. 5 Satz 2 LWG).

Rechtsgrundlage für die Weitergabe von Beschäftigtendaten zum Zwecke der Bildung von Wahlvorständen bei Kommunalwahlen ist Art. 17 Abs. 2 Nr. 12 Bayerisches Datenschutzgesetz (BayDSG). Danach dürfen die in dieser Vorschrift aufgeführten und an sich für Zwecke der Personalverwaltung und Personalwirtschaft erhobenen Beschäftigtendaten auch für die Durchführung von Kommunalwahlen weitergegeben werden. Diese Bestimmung geht als Spezialregelung den restriktiven Verarbeitungsbestimmungen des Personalaktenrechts vor. Ein Widerspruchsrecht des Betroffenen sieht Art. 17 BayDSG nicht vor. Da die Kommunen bis zur Schaffung einer entsprechenden Regelung im Kommunalwahlrecht wohl kaum getrennte Wahlhelferdateien für Bundes-, Landes- und Europawahlen einerseits und Wahlhelferdateien für Kommunalwahlen andererseits führen werden, habe ich angeregt, den Betroffenen auch bei Kommunalwahlen ein Widerspruchsrecht einzuräumen. Im übrigen ist ein derartiges Widerspruchsrecht auch aus Datenschutzgründen angemessen. Es wäre nicht einzusehen, warum den Betroffenen ein Widerspruchsrecht gegen die Speicherung ihrer Daten bei Bundes und Landtagswahlen eingeräumt wird, bei Kommunalwahlen dagegen nicht (vgl. auch Wilde/Ehmann/ Niese/Knoblauch, Kommentar zum BayDSG, Art. 17, Rdnrn. 45 - 45 c).

11.8. Akteneinsicht in Bauakten

Ein Bürger hat sich bei mir darüber beschwert, dass eine Stadt Unterlagen aus den Bauakten seines in seinem Alleineigentum stehenden Anwesens an eine Rechtsanwaltskanzlei übersandt hatte, die seine Ehefrau in dem aktuell anhängigen Scheidungsverfahren vertrat. Die von mir zur Stellungnahme aufgeforderte Stadt teilte mir mit, dass die Ehefrau glaubhaft erklärt habe, dass sie Informationen aus der Bauakte, z.B. über die Größe der bisher gemeinsam bewohnten Wohnung, zur Geltendmachung ihrer rechtlichen Interessen benötige. Dies sei als Antrag auf Akteneinsicht gemäß Art. 29 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) gewertet worden. Die Akteneinsicht sei in der Form gewährt worden, dass die begehrten Informationen an die Rechtsanwaltskanzlei weitergeleitet worden seien.

Ich habe die Akteneinsicht als datenschutzrechtlich unzulässig angesehen, da dem Interesse der Ehefrau die datenschutzwürdigen Interessen des Ehemannes gegenüberstanden. Die Ehefrau hätte im Rahmen des anstehenden Scheidungsverfahrens die Akteneinsicht zivilrechtlich erstreiten müssen.

Im Einzelnen:

Die Gewährung der Akteneinsicht an die Ehefrau und die Übermittlung der Unterlagen aus den Bauakten des Anwesen an die Rechtsanwaltskanzlei stellte eine Übermittlung personenbezogener Daten an eine nicht-öffentliche Stelle dar (Art. 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 Bayerisches Datenschutzgesetz - BayDSG). Nach Art. 15 Abs. 1 BayDSG ist die Übermittlung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Eine Einwilligung des Betroffenen in die Datenübermittlung lag nicht vor. Zu den in Frage kommenden Rechtsgrundlagen ist Folgendes zu sagen:

Die Akteneinsicht in einem laufenden Verwaltungsverfahren ist in Art. 29 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) geregelt. Danach hat die Behörde den Beteiligten Einsicht in die einzelnen Teile der das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist (Art. 29 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG). Ein Rechtsanspruch auf Akteneinsicht außerhalb eines Verwaltungsverfahrens besteht grundsätzlich nicht, kann jedoch im Rahmen einer Ermessensausübung in Betracht kommen, wenn der Anspruchsteller ein berechtigtes Interesse hieran geltend macht (vgl. BayVGH, Urteil vom 17.12.1998, BayVBl. 1998, 693 ff. m.w.N.).

Da die Ehefrau nicht Beteiligte eines laufenden Verwaltungsverfahrens war, bestand kein Anspruch auf Akteneinsicht gem. Art. 29 BayVwVfG. Auch im Rahmen einer Ermessensentscheidung durfte die Stadt die Akteneinsicht nicht gewähren, wie sich aus Folgendem ergibt:

Zur Gewährung von Akteneinsicht im Rahmen einer Ermessensentscheidung führt der BayVGH im o.b. Urteil aus, dass diese so zu treffen ist, dass unter Berücksichtigung des Grundprinzips des rechtsstaatlichen, fairen Verfahrens eine beiderseits sachgerechte Interessenwahrung möglich ist. Außerdem müsse die Kenntnis des Akteninhalts Voraussetzung für eine wirksame Rechtsverfolgung sein. Diese Grundsätze entsprechen denen einer Prüfung nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 BayDSG.

Nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 BayDSG ist eine Datenübermittlung zulässig, wenn die nicht-öffentliche Stelle ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der zu übermittelnden Daten glaubhaft darlegt und der Betroffene kein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat. Ein berechtigtes Interesse ist jedes nach vernünftigen Erwägungen unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Falles anzuerkennendes, der Rechtsordnung nicht widersprechendes Interesse. Die Schutzwürdigkeit der Interessen des Betroffenen an dem Ausschluss der Datenübermittlung beurteilt sich maßgeblich anhand der Sensibilität der Daten. Erforderlich ist eine Abwägung unter Einbeziehung sämtlicher Umstände des Einzelfalles (vgl. Wilde/Ehmann/Niese/ Knoblauch, Bayerisches Datenschutzgesetz, Art. 19, Rdnr. 14 ff).

Ein berechtigtes Interesse der Ehefrau, die Daten zur Benennung der Größe der Wohnung im Rahmen des Scheidungsverfahrens zu erhalten, konnte zwar bejaht werden. Allerdings stand diesem das grundsätzlich schutzwürdige Interesse des Ehemannes an der Geheimhaltung seiner Daten, die die Bauakte des in seinem Alleineigentum stehenden Anwesens enthielt, gegenüber. Die Ehefrau hätte die Erlangung der für das Scheidungsverfahren erforderlichen Auskünfte mit der Durchsetzung von Auskunftsansprüchen nach zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen anstreben müssen. Die Entscheidungserheblichkeit der zu offenbarenden Auskunft für den zugrunde liegenden Rechtsstreit und gegebenenfalls entgegenstehende Rechte Dritter hätten dann von der in der Sache zur Entscheidung berufenen Gerichtsbarkeit - hier: den Zivilgerichten - beurteilt werden können. Im Ergebnis konnte daher von einem überwiegenden schutzwürdigen Interesse des Ehemannes an dem Ausschluss der Datenübermittlung ausgegangen werden.

11.9. Einrichtung einer dateigestützten Passabgleichstelle

Der Bayerische Landtag hat die Staatsregierung mit Beschluss vom 25.06.2003 (LT-Drs. 14/12816) aufgefordert, über die rechtlichen und organisatorischen Möglichkeiten, eine dateigestützte Passabgleichstelle einzurichten, schriftlich zu berichten und mir den Bericht zur Stellungnahme zuzuleiten.

Mit der Einrichtung einer dateigestützten Passabgleichstelle soll die Möglichkeit geschaffen werden, die bei verschiedenen Behörden im Bundesgebiet vorhandenen herrenlosen Ausweisdokumente ausländischer Staatsangehöriger den in Deutschland lebenden Ausländern mit ungeklärter Identität zuordnen zu können. Dazu sollen bundesweit die nicht zuzuordnenden Personaldokumente (Lichtbilder) digital erfasst und über Landeszentralstellen in einen Zentralserver eingestellt werden, der bei einer Landesbehörde angesiedelt werden soll. Die Landeszentralstellen sollen täglich Kopien des aktualisierten bundesweiten Bestandes des Zentralrechners für einen automatisierten Bild-zu-Bild-Abgleich mit den Lichtbildern passloser Personen erhalten, die zurückgeführt werden sollen.

Ich habe mich aus datenschutzrechtlicher Sicht zu dem Vorhaben wie folgt geäußert:

Mit einer dateigestützten Passabgleichstelle würde in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Ausländer dadurch eingegriffen, dass Bilddaten aus Personaldokumenten in einer zentralen Datei gespeichert und mit Lichtbildern passloser Personen verglichen werden. Hierfür wäre eine bereichsspezifische Befugnisnorm erforderlich. Der zunächst dafür von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz vorgesehene § 63 Abs. 2 Ausländergesetz reicht hierfür nicht aus, weil es sich bei dieser Bestimmung um eine reine Verfahrensvorschrift handelt, mit der nur Aufgaben, die bereits in den Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörden fallen, auf bestimmte einzelne Behörden übertragen werden können, nicht jedoch Befugnisse zur Einrichtung besonderer Verfahren begründet werden.

Mit anderen Datenschutzbeauftragten bin ich deshalb der Meinung, dass für das vorgesehene Verfahren eine besondere Befugnisnorm, wohl im Bundesrecht, geschaffen werden müsste. Die von der Innenministerkonferenz eingesetzten Arbeitskreise I und II teilen diese Auffassung und haben der Innenministerkonferenz empfohlen, für die Errichtung der Passabgleichstelle eine gesetzliche Grundlage zu schaffen. Die Innenministerkonferenz hat daraufhin mit Beschluss vom 15.05.2003 den Bundesminister des Innern gebeten, die notwendigen bereichsspezifischen bundesgesetzlichen Regelungen vorzubereiten.

In der Sache hätte ich, vorbehaltlich der primären Zuständigkeit des Bundesbeauftragten für den Datenschutz für die Beurteilung von Bundesgesetzen in datenschutzrechtlicher Hinsicht, gegen die Einrichtung einer dateigestützten Passabgleichstelle auf einer gesetzlichen Grundlage, in der die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung im Rahmen des Erforderlichen bereichsspezifisch geregelt wird, keine datenschutzrechtlichen Einwände. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auf der Grundlage eines normenklaren Gesetzes im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit nach Abwägung mit der Tiefe des Eingriffs zulässig. Das überwiegende Interesse der Allgemeinheit liegt darin, dass die Vielzahl der herrenlosen Pässe den Inhabern zugeordnet werden können, damit die ungeklärten Identitäten festgestellt und gegebenenfalls auch Ausreiseverpflichtungen durchgesetzt werden können. Demgegenüber schätze ich den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als weniger gewichtig ein, da mit der Fertigung des Lichtbilds, dessen Aufnahme in die Datei und dem Abgleich lediglich rechtliche Verpflichtungen des Betroffenen realisiert werden sollen. Auch gegen die Nutzung der Datei zu bestimmten polizeilichen Zwecken erhebe ich bei entsprechender gesetzlicher Absicherung keine grundsätzlichen Bedenken, da diese Datei zur Abklärung der Personenidentität im Zusammenhang mit Straftaten genutzt werden kann. Auch hieran besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse. Für eine Beurteilung im Einzelnen bleibt ein Gesetzentwurf abzuwarten.

11.10. Aufzeichnung von Telefongesprächen durch einen städtischen Verkehrsbetrieb

Im Berichtszeitraum bin ich von der Presse darüber informiert worden, dass ein städtischer Verkehrsbetrieb alle eingegangenen Telefongespräche, z.B. von Personen die Auskünfte über den Fahrplan, Haltestellen etc. wünschten, ohne Kenntnis der Betroffenen aufgezeichnet hat. Die datenschutzrechtliche Überprüfung hat ergeben, dass der Verkehrsbetrieb alle auf einer Servicenummer und einer Amtsnummer eingegangenen internen und externen Gespräche auf einem Voice Recorder gespeichert hat. Ziel der Aufzeichnung war nach den Angaben des Unternehmens eine Unterstützung des Störungs- und Sicherheitsmanagements im öffentlichen Verkehrsbereich (u.a. Gefahrenabwehr und Beweissicherung). Aus datenschutzrechtlicher Sicht habe ich die Aufzeichnung mit Ausnahme von Notrufen und Störungsmeldungen für unzulässig erachtet.

Im Einzelnen:

Die Aufzeichnung eingehender Anrufe erfüllt den Straftatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB, da sie das nicht öffentlich gesprochene Wort der Anrufer erfasst. Darunter fällt jedes nicht an die Allgemeinheit gerichtete, nicht über einen durch persönliche oder sachliche Beziehungen abgegrenzten Personenkreis hinaus ohne weiteres wahrnehmbare gesprochene Wort.

Die Aufnahme der Gespräche erfolgt unbefugt, soweit keine Rechtfertigungsgründe eingreifen. Eine Rechtfertigung der Aufzeichnungen nach § 34 StGB kann im Einzelfall zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für eines der in dieser Vorschrift aufgezählten Rechtsgüter in Betracht kommen, wenn Notrufe bzw. Anrufe, die der Mitteilung akuter und gefährlicher Störungen dienen, eingehen.

Mangels einer konkreten gegenwärtigen Gefahr kann aber nicht die Aufzeichnung sämtlicher eingehender Anrufe (im vorliegenden Fall auf der Amts- oder Service-Rufnummer) auf § 34 StGB gestützt werden. Dies wäre nur in ganz besonderen Ausnahmefällen aufgrund akuter Bedrohungs- oder Gefährdungssituationen möglich.

Auch durch einen Hinweis auf die Aufzeichnung lassen sich die Datenschutzbedenken gegen eine Aufzeichnung sämtlicher Anrufe nicht ausräumen. Eine informierte Einwilligung im Sinne des Bayerischen Datenschutzgesetzes würde voraussetzen, dass die Einwilligung umfassend erteilt wird. Dazu wäre eine entsprechende vorherige Aufklärung des Einwilligenden notwendig. Die Anrufer müssten dabei vor Abgabe der Einwilligung auch darüber aufgeklärt werden, für welchen Zeitraum eine Speicherung erfolgt und zu welchen Zwecken dies geschieht. Eine informierte und umfassende Einwilligung setzt außerdem voraus, dass der Anrufer eine "echte Ausweichmöglichkeit" hat, um die begehrten Auskünfte zu erhalten (also dass er z.B. auch auf einer anderen Rufnummer, bei der keine Aufzeichnungen stattfinden, anrufen kann und Auskunft erhält).

Im Ergebnis habe ich danach gegen die Aufzeichnungen von externen Telefongesprächen aus datenschutzrechtlicher Sicht nur insoweit keine Bedenken, als folgende Voraussetzungen gegeben sind:

  • Eine Aufzeichnung aller externen Telefonate ist nur auf einer gesonderten Rufnummer für Notrufe oder Störungsmeldungen zulässig. Der Anrufer ist auf die Aufzeichnung und die Speicherung des Gesprächs, z.B. per Bandansage, hinzuweisen.
  • Eine Aufzeichnung auf sogenannten Service-Nummern (z.B. Amtsnummer, Rufnummern für Fahrplan- und Tarifauskünfte u.ä.) ist grundsätzlich unzulässig. Nur bei Vorliegen eines Notfalles (z.B. Unfallmeldung, Bombendrohung) wäre eine Aufzeichnung, die durch den Sachbearbeiter manuell per Knopfdruck auszulösen wäre, zulässig.
  • Die Aufzeichnungen sind gegen unbefugte Zugriffe zu sichern. Sie dürfen nur zur Gefahrenabwehr sowie zur Beweismittelsicherung und Fahndung durch die Polizei ausgewertet werden.

Im vorliegenden Fall hat mir der städtische Verkehrsbetrieb, mit dem ich die Sach- und Rechtslage erörtert habe, mitgeteilt, dass er eine Aufzeichnung der externen Telefongespräche auf der sogenannten Service- und der Amtsnummer grundsätzlich nicht mehr vornimmt. Nur für Notfälle könne eine Aufzeichnung durch den Sachbearbeiter manuell per Knopfdruck durchgeführt werden.

11.11. Datenschutz bei Bürgerbegehren

Bürger haben sich bei mir darüber beschwert, dass der erste Bürgermeister ihrer Gemeinde bei der Behandlung eines Bürgerbegehrens in öffentlicher Gemeinderatssitzung darauf hingewiesen hat, dass "von 58 der über 18-jährigen Bürger, die in einer bestimmten Straße wohnen, nur 12 das Bürgerbegehren unterschrieben" hätten.

Diesen erneuten Verstoß gegen den Datenschutz bei der Auswertung von Unterschriftenlisten eines Bürgerbegehrens durch eine Gemeinde nehme ich zum Anlass, auf meine Ausführungen dazu im 19. Tätigkeitsbericht 2000 Nr. 8.6, 18. Tätigkeitsbericht 1998 Nr. 8.4.2 und 17. Tätigkeitsbericht 1996 Nr. 8.4.2 hinzuweisen. Gemeinden und Landkreise haben danach bei der Auswertung der für ein Bürgerbegehren abgegebenen Unterschriftenlisten den Grundsatz der Zweckbindung (Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 BayDSG) zu beachten. Die Unterschriften dürfen nur hinsichtlich der Frage ausgewertet werden, ob das Bürgerbegehren von einer ausreichenden Zahl antragsberechtigter Gemeinde- bzw. Kreisbürger (Art. 18 a Abs. 6 GO, Art. 12 a Abs. 6 LKrO) unterschrieben worden ist. Auch das Innenministerium hat wiederholt, z.B. durch Rundschreiben, auf die Notwendigkeit der Einhaltung der Datenschutzvorschriften bei der Behandlung von Bürgerbegehren hingewiesen.

Die Eintragungslisten eines Bürgerbegehrens sind nicht dazu da, das Beteiligungsverhalten bestimmter Bevölkerungsgruppen auszuwerten und zu bewerten, sondern ausschließlich dazu, das notwendige Quorum für die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens festzustellen.

11.12. Veröffentlichung personenbezogener Daten in einer Ortsteilversammlung

Durch die Eingabe eines Bürgers ist mir folgender Sachverhalt bekannt geworden:

Eine Gemeinde hatte alle Grundstückseigentümer eines Ortsteils schriftlich aufgefordert, innerhalb von vier Wochen eine Erklärung über die fachgerechte Entsorgung des beim Betrieb ihrer Kleinkläranlagen angefallenen Fäkalschlamms abzugeben. In einer Ortsteilversammlung zwei Monate später las der erste Bürgermeister der Gemeinde die Namen derjenigen Grundstückseigentümer öffentlich vor, die bis dato noch keine Erklärung zur Fäkalschlammentsorgung bei der Gemeinde abgegeben hatten. Nach Angabe der Gemeinde wollte der erste Bürgermeister die Gelegenheit wahrnehmen, die Betroffenen an die Abgabe der Erklärung zu erinnern.

Die öffentliche Bekanntgabe der Namen der Personen, die bis zur Ortsteilversammlung keine Erklärung zur Fäkalschlammentsorgung gegenüber der Gemeinde abgegeben hatten, stellte eine Übermittlung personenbezogener Daten an die Allgemeinheit dar, für die es keine Rechtsgrundlage gibt. Es wäre ausreichend und auch zulässig gewesen, die betroffenen Grundstückseigentümer allgemein und ohne Nennung ihres Namens darauf hinzuweisen, dass die Frist zur Abgabe der Erklärung bereits verstrichen war.

Dadurch, dass die Gemeinde die Betroffenen in Anwesenheit von Dritten namentlich daran erinnerte, dass die Frist bereits abgelaufen war und sie aufforderte, die fehlenden Erklärungen nachzuholen, wurden sie als säumig bzw. nachlässig dargestellt. Die Betroffenen wurden durch diese Datenübermittlung an die Öffentlichkeit quasi an den Pranger gestellt. Dies stellte einen erheblichen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen dar, den ich förmlich beanstandet habe.

11.13. Übermittlung personenbezogener Daten bei der Durchführung des Vormerk- und Belegungsverfahrens im Vollzug des Wohnungsbindungsrechts

Die behördliche Datenschutzbeauftragte eines Landratsamtes hat mich um eine datenschutzrechtliche Bewertung der folgenden Sachverhalte in der Vorgehensweise des Landratsamtes bei der Durchführung des Vormerk- und Belegungsverfahrens im Vollzug des Wohnungsbindungsrechts gebeten.

  1. Einreichung des Antrags auf Vormerkung bei den Gemeinden

    Nach Mitteilung des Landratsamtes wird der Antrag auf Vormerkung für eine öffentlich geförderte Wohnung vom Wohnungssuchenden mit allen erforderlichen Unterlagen (z.B. Einkommensnachweise, Atteste, Schwerbehindertenausweis etc.) grundsätzlich zunächst beim Einwohnermeldeamt der Heimatgemeinde abgegeben und von diesem bestätigt. Anschließend werden alle Unterlagen an das Landratsamt zur Prüfung des Antrags weitergeleitet.

    Das Innenministerium hat mir dazu aus fachlicher Sicht mitgeteilt, für das Verfahren auf Benennung gemäß § 5 a Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) i.V.m. § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 der Verordnung zur Durchführung des Wohnungsbindungsrechts (DVWoBindG) sei u.a. auch die Angabe des bisherigen Hauptwohnsitzes und der Dauer seines Bestehens im Landkreis erforderlich. Diese Voraussetzungen könnten im Einzelfall nur durch die Bestätigung des Einwohnermeldeamtes überprüft werden. Dadurch dass der Antrag unmittelbar bei der Gemeinde eingereicht wird, könne eine spätere, gesonderte Anfrage des Landratsamtes bei der zuständigen Gemeinde von vornherein vermieden werden. Antragsteller, die nicht wollen, dass ihre Heimatgemeinde über die Wohnungssuche oder über die persönlichen Verhältnisse Kenntnis erlange, könnten den Antrag auch mit einer separaten Meldebestätigung unmittelbar beim Landratsamt einreichen. Auf diese Möglichkeit würden sie ausdrücklich hingewiesen.

    Ich halte das vom Landkreis praktizierte Verfahren aus datenschutzrechtlicher Sicht für zulässig, solange für den Antragsteller die Wahlmöglichkeit besteht, seine Antragsunterlagen nicht nur bei der Heimatgemeinde, sondern mit einer Meldebestätigung auch direkt beim Landratsamt einzureichen und er von diesem ausdrücklich auf diese Möglichkeit hingewiesen wird.
  2. Information der Gemeinden über alle Vormerkungsentscheidungen

    Das Landratsamt teilte weiter mit, dass die jeweiligen Gemeinden des Landkreises über alle sie betreffenden Vormerkungsentscheidungen informiert würden. So erhalte bei einer Antragsablehnung die Gemeinde, in der die Wohnung gesucht wurde (Zielgemeinde), ein kurzes Schreiben über die negative Entscheidung mit Angabe personenbezogener Daten des Antragstellers. Auch bei Erlass eines Vormerkbescheides erhalte die Zielgemeinde einen Abdruck des Bescheids, aus dem neben Name und Anschrift auch Dringlichkeitsmerkmale (z.B. Schwangerschaft, kinderreiche Familie u.ä.) ersichtlich seien. Zudem lasse die im Bescheid angegebene Rangstufe Rückschlüsse auf die persönlichen Verhältnisse der Betroffenen zu, da auch den Gemeinden die Rangstufenordnung bekannt sei.

    Dies habe ich wie folgt beurteilt: Die Unterrichtung der Gemeinden über die (negativen und positiven) Vormerkentscheidungen stellt eine Übermittlung personenbezogener Daten an eine öffentliche Stelle dar. Mangels einer bereichsspezifischen Rechtsgrundlage im Wohnungsbindungsrecht beurteilt sich diese Datenübermittlung nach Art. 18 Abs. 1 Bayerisches Datenschutzgesetz (BayDSG). Danach ist die Übermittlung personenbezogener Daten zulässig, wenn sie zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der übermittelnden oder empfangenden Stelle liegenden Aufgaben erforderlich ist und für Zwecke erfolgt, für die eine Nutzung nach Art. 17 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 bis 4 BayDSG zulässig wäre.

    Nach Auskunft des Bayerischen Staatsministeriums des Innern ist die Übermittlung der Vormerkentscheidungen an die Gemeinden aus der Sicht des Wohnungbindungsrechts nicht erforderlich. Insbesondere die Information der Zielgemeinde über die Ablehnung von Vormerkungsanträgen unter Angabe personenbezogener Daten sei grundsätzlich nicht zur Aufgabenerfüllung der zuständigen Stelle im Rahmen des Vormerk- und Benennungsverfahrens erforderlich. In der Regel werde es genügen, die Kompetenz der Gemeinde insoweit erst unmittelbar im Vorfeld der eigentlichen Benennung in Anspruch zu nehmen, zumal häufig alte zunächst vorgemerkte Haushalte nicht mehr auch noch für eine konkret anstehende Benennung zu berücksichtigen sein würden (z.B. weil manche zwischenzeitlich bereits anderweitig eine Wohnung gefunden haben oder weil die Geltungsdauer der Vormerkung abgelaufen ist).

    Nach Mitteilung des Innenministeriums erscheint auch im Hinblick auf die Möglichkeit eines gemeindlichen Benennungsvorschlags (Ziff. 7.1.3 Satz 2 VVWoBindG) eine Information der Gemeinde über alle Vormerkungsentscheidungen unabhängig von einer anstehenden Benennung nicht erforderlich. So sei die Gemeinde zum einen bei einem Vorschlag grundsätzlich auf Wohnungsberechtigte beschränkt (von diesen wird sie aber im Rahmen einer Abstimmung über die Auswahlentscheidung anlässlich der konkret anstehenden Benennung ohnehin ausreichend Kenntnis erlangen können); zum anderen sei auch durch einen positiven Vormerkbescheid noch nicht entschieden, ob überhaupt Gelegenheit besteht, in der Zielgemeinde eine Sozialwohnung zu beziehen.

    Ich teile diese Auffassung, die dem Grundsatz Rechnung trägt, dass nur die erforderliche Datenverarbeitung zulässig ist. Auch zur Einschätzung der örtlichen Wohnraumversorgung ist eine personenbezogene Information der Gemeinden über die abgelehnten Bewerber nicht erforderlich. Für Planungszwecke der Gemeinden würden auch statistische oder aggregierte Daten ausreichen.

    Ich habe das Landratsamt daher aufgefordert, künftig eine personenbezogene Unterrichtung der jeweiligen Gemeinden über die negativen oder positiven Vormerkentscheidungen zu unterlassen.
  3. Benennung in Abstimmung mit der Zielgemeinde

    Nach Mitteilung des Landratsamtes erfolgt die Belegung von frei werdenden Wohnungen im Einvernehmen mit der jeweiligen Zielgemeinde. Hierfür würden die dringlichsten Fälle zunächst herausgefiltert, mit der jeweiligen Gemeinde diskutiert, und danach dem Vermieter vorgeschlagen.

    In Ziffer 7.1.3 VVWoBindG wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die zuständige Stelle vor einer von ihr vorzunehmenden Benennung soweit erforderlich mit der Gemeinde abstimmen soll. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Gemeinde kommunale Fördermittel zur Verfügung gestellt hat. Das Bayerische Staatsministerium des Innern ist darüber hinaus der Auffassung, dass auch ohne eine derartige Mitförderung eine Abstimmung mit der Gemeinde zur Erfüllung der Aufgaben der zuständigen Stelle und der Gemeinde erforderlich sein kann. So haben die Gemeinden u.a. die Aufgabe, die Belange der örtlichen Gemeinschaft bei der Versorgung mit ausreichendem und preisgünstigem Wohnraum zu wahren, was gemäß § 2 Abs. 7 DVWoBindG auch zu einer Abweichung von der bei der Benennung zu beachtenden Rangfolge der Dringlichkeit führen kann. Nach § 2 Abs. 6 Nr. 1 DVWoBindG besteht außerdem die Möglichkeit von der Rangfolge der Dringlichkeit abzuweichen, wenn dies der Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen im Sinne des Wohnraumförderungs- und Wohnungsbindungsrechts dient. Zur Realisierung dieses Ziels ist daher häufig die Einbeziehung der jeweiligen Gemeinde, die die sozialen Verhältnisse vor Ort sowie die konkreten Probleme besser kenne als die Kreisverwaltungsbehörde, erforderlich.

Die im Rahmen der Beteiligung der Gemeinden bei der Benennung von Wohnungssuchenden erfolgende Übermittlung personenbezogener Daten beurteilt sich mangels einer bereichsspezifischen Rechtsgrundlage ebenfalls nach Art. 18 Abs. 1 BayDSG. Ich teile die Auffassung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, wonach die Datenübermittlungen sowohl für die übermittelnde Stelle (hier: Landratsamt) als auch für die empfangende Stelle (hier: die jeweilige Zielgemeinde) zu deren Aufgabenerfüllung erforderlich sind. Die beim Landratsamt praktizierte Vorgehensweise zur Benennung in Abstimmung mit der Zielgemeinde halte ich daher aus datenschutzrechtlicher Sicht für unbedenklich.