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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 01.12.2009

5. Verfassungsschutz

Beim Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) habe ich im Berichtszeitraum wieder Überprüfungen von Datenerhebungen, -speicherungen und -übermittlungen sowie von Auskunftserteilungen bzw. -ablehnungen vorgenommen. Die Prüfungen erfolgten anlassunabhängig (zwei Prüfungen vor Ort) oder aufgrund von Bürgereingaben. Schwerpunkte waren Speicherungen in der Antiterrordatei, von Abgeordneten einer Partei und Speicherungen im Zusammenhang mit der Organisierten Kriminalität im Informationssystem IBA.

Im Bereich der bayerischen Gesetzgebung habe ich mich für die Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Anforderungen bei der Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes (vgl. hierzu Nr. 5.1 - Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes) eingesetzt. Dabei waren die Anpassung der Befugnis zum "Großen Lauschangriff" an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (vgl. hierzu Nr. 5.1.1), die Einführung einer Befugnis zur "Online-Durchsuchung" (vgl. hierzu Nr. 5.1.4) und die Schaffung einer grundsätzlichen Auskunftspflicht des Landesamts für Verfassungsschutz gegenüber Betroffenen von Datenspeicherungen (vgl. hierzu Nr. 5.1.6) von besonderer datenschutzrechtlicher Bedeutung.

5.1. Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes (BayVSG)

Ein wesentlicher Grund für die Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes lag in der Notwendigkeit, die Regelung zur Wohnraumüberwachung (sog. Großer Lauschangriff) an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 03.03.2004 zum "Großen Lauschangriff" anzupassen. Bereits in meinem vorletzten Tätigkeitsbericht (vgl. Nr. 8.1, 21. Tätigkeitsbericht) habe ich darauf hingewiesen, dass die aus dem Urteil sich ergebenden Anforderungen im Gesetz umzusetzen sind. Durch die Anpassung der Befugnis zur Wohnraumüberwachung - die allerdings erst nach mehr als vier Jahren vorgenommen wurde - hat der Gesetzgeber insbesondere den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung und von Berufsgeheimnissen gestärkt sowie Kennzeichnungspflichten bezüglich der erhobenen Daten und Benachrichtigungspflichten gegenüber Betroffenen geschaffen (vgl. dazu Nr. 5.1.1). Darüber hinaus wurden auf meine Anregung hin die Rechte der Bürger bei Auskunftsbegehren gestärkt, indem - statt der bisherigen Ermessensregelung - nunmehr grundsätzlich ein Anspruch auf Auskunft gegenüber dem Landesamt für Verfassungsschutz besteht (vgl. dazu Nr. 5.1.6).

Neben der Regelung der Wohnraumüberwachung hätte aber auch der Einsatz der sonstigen nachrichtendienstlichen Mittel zur Erhebung personenbezogener Daten an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts angepasst werden müssen. Ich habe dabei insbesondere folgende Ergänzungen gefordert:

  • Schaffung von Schutzvorschriften für den Kernbereich privater Lebensgestaltung
  • Einführung einer grundsätzlichen Pflicht des Landesamts für Verfassungsschutz, Betroffene, in deren Grundrechte durch verdeckte Maßnahmen eingegriffen wurde, zu benachrichtigen.

Meine Forderungen wurden im Gesetz nur unzureichend umgesetzt (vgl. auch meine Ausführungen zum Abhören und Aufzeichnen des nicht-öffentlich gesprochenen Wortes unter Nr. 5.1.3 und zur Online-Durchsuchung unter Nr. 5.1.4). Es fehlt nicht nur an einer abschließenden gesetzlichen Aufzählung der zulässigen nachrichtendienstlichen Mittel des Verfassungsschutzes, sondern auch an einer umfassenden Regelung des Kernbereichsschutzes und der Benachrichtigungspflicht. Erheblich erweitert wurden aber die Eingriffsbefugnisse des Landesamts für Verfassungsschutz. Insbesondere folgende neue Befugnisse sind hervorzuheben:

  • Befugnis, Auskünfte über Telekommunikationsverkehrsdaten einzuholen (vgl. dazu Nr. 5.1.2)
  • Befugnis, das nicht-öffentlich gesprochene Wort außerhalb von Wohnungen abzuhören und aufzuzeichnen (vgl. Nr. 5.1.3)
  • Befugnis zum verdeckten Zugriff auf informationstechnische Systeme ("Online-Durchsuchung", vgl. Nr. 5.1.4)
  • Befugnis, eine heimliche Wohnungsdurchsuchung zur Vorbereitung der Telekommunikationsüberwachung, der Wohnraumüberwachung oder der Online-Durchsuchung durchzuführen (vgl. Nr. 5.1.5).

5.1.1. Wohnraumüberwachung ("Großer Lauschangriff")

Bereits nach der bis zum 31.07.2008 geltenden Fassung des Verfassungsschutzgesetzes war die Wohnraumüberwachung durch das Landesamt für Verfassungsschutz unter bestimmten Voraussetzungen zulässig (Art. 6 a BayVSG a.F.). Sie erlaubte dem Landesamt für Verfassungsschutz nicht nur die akustische, sondern auch die optische Überwachung auch der zu Wohnzwecken genutzten Räume. Aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum "Großen Lauschangriff" vom 03.03.2004 bestand erheblicher Änderungsbedarf, da die landesrechtliche Regelung an die vom Bundesverfassungsgericht zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung entwickelten Grundsätze angepasst werden musste. Mit der Anpassung wurden auch von mir erhobene datenschutzrechtliche Forderungen berücksichtigt:

  • Bei den Straftaten, zu deren Abwehr der "Große Lauschangriff" eingesetzt werden darf ("Anlasstatenkatalog"), handelt es sich nahezu ausschließlich um besonders schwere Straftaten. Gemäß dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum "Großen Lauschangriff" ist dieser intensive Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) nur bei einer besonderen Schwere der Straftat gerechtfertigt. Von einer solchen Schwere der Straftat ist nur auszugehen, wenn sie der Gesetzgeber mit einer höheren Höchststrafe als fünf Jahre Freiheitsstrafe bewehrt hat.
  • Die zunächst vorgesehene Möglichkeit, die Wohnraumüberwachung auch bei einer gemeinen Gefahr für Sachen durchzuführen, wurde gestrichen.

Allerdings hätte ich es begrüßt, wenn auch die nachfolgenden Punkte berücksichtigt worden wären:

  • Verzicht auf die nur automatische Aufzeichnung von Gesprächen. Dem Bundesverfassungsgericht zufolge (Urteil zum "Großen Lauschangriff" vom 03.03.2004) kann es wegen der Unterbrechungspflicht bei Kernbereichsgesprächen notwendig sein, bei dem Abhören einer Privatwohnung auf eine nur automatische Aufzeichnung der abgehörten Gespräche zu verzichten, um jederzeit die Ermittlungsmaßnahme unterbrechen zu können.
  • Schutz des Zeugnisverweigerungsrechts engster Familienangehöriger (vgl. § 52 StPO). Aus einer Wohnraumüberwachung gewonnene Erkenntnisse sollten nur verwertet werden dürfen, wenn dies unter Berücksichtigung der Bedeutung des zugrundeliegenden Vertrauensverhältnisses nicht außer Verhältnis zum Interesse an der Erforschung des Sachverhalts steht. Eine entsprechende Regelung hat der Bundesgesetzgeber bereits in § 100 c Abs. 6 Satz 2 StPO ("Großer Lauschangriff") vorgesehen.
  • Ausweitung der Pflicht zur Benachrichtigung Betroffener. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 03.03.2004 besteht "eine Benachrichtigungspflicht … grundsätzlich auch gegenüber solchen Personen, die sich als Gast oder sonst zufällig in einer überwachten Wohnung aufgehalten haben und die in ihrem … Recht am gesprochenen Wort und in ihrem informationellen Selbstbestimmungsrecht betroffen sind". Die im Gesetz enthaltene Beschränkung der Benachrichtigung auf zufällig mitbetroffene Personen, deren personenbezogene Daten auch verwendet wurden, erscheint im Hinblick auf die Ausführungen des Gerichts verfassungsrechtlich bedenklich.

Das Staatsministerium des Innern hat den Bayerischen Landtag darüber unterrichtet, dass das Landesamt für Verfassungsschutz im Jahr 2007 keine Wohnraumüberwachung durchgeführt hat. Zahlen für das Jahr 2008 liegen mir noch nicht vor.

5.1.2. Auskunft über Telekommunikationsverkehrsdaten

Das Landesamt für Verfassungsschutz kann Auskunft über Telekommunikationsverkehrsdaten von denjenigen verlangen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringen, soweit dies zu seiner Aufgabenerfüllung erforderlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für eine schwerwiegende Gefahr für bestimmte Schutzgüter vorliegen. Zu diesen zählen z.B. die freiheitliche demokratische Grundordnung, die unbeeinträchtigte Amtsführung verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder und der Schutz vor innerstaatlichen Tätigkeiten ausländischer Geheimdienste (vgl. Art. 6 c Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BayVSG n.F.).

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Eilentscheidung zur Vorratsdatenspeicherung vom 11.03.2008 festgestellt, dass in dem Verkehrsdatenabruf ein "schwerwiegender und nicht mehr rückgängig zu machender Eingriff in das Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG" liege. "Ein solcher Datenabruf ermöglicht es, weitreichende Erkenntnisse über das Kommunikationsverhalten und die sozialen Kontakte des Betroffenen zu erlangen, ggf. sogar begrenzte Rückschlüsse auf die Gesprächsinhalte zu ziehen. Zudem weist ein Verkehrsdatenabruf eine erhebliche Streubreite auf, da er neben der Zielperson des Auskunftsersuchens notwendigerweise deren Kommunikationspartner erfasst, also vielfach Personen, die in keiner Beziehung zu dem Tatvorwurf stehen und den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlasst haben."

Wegen dieser hohen Eingriffsintensität habe ich gefordert, die Maßnahme nur zuzulassen, wenn auch die Telekommunikationsinhalte überwacht werden dürften, also bei der Gefahr der Planung oder Begehung schwerwiegender, enumerativ aufgezählter Straftaten. Dieser Forderung ist leider ebenso nicht entsprochen worden, wie meiner Forderung, den Verwendungszweck für die erhobenen Daten - wie bei der sog. Online-Durchsuchung - präzise gesetzlich zu regeln.

Wie berechtigt meine Forderung nach Einschränkung dieser Maßnahme war, zeigt die am 28.10.2008 ergangene Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Auch das Gericht hält die o.g. Schutzgüter, deren Gefährdung den Abruf von Verkehrsdaten zulässt, für weit, offen, unscharf und konkretisierungsbedürftig. Zudem müsse die Gefahr für diese Schutzgüter nicht konkret sein. Das Bundesverfassungsgericht erachtet deshalb für die Zeit bis zum Urteil über die Verfassungsbeschwerde die Übermittlung von Telekommunikationsverkehrsdaten an die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder nur dann für zulässig, wenn - wie von mir gefordert - auch die Telekommunikationsinhalte überwacht werden dürften.

5.1.3. Verdeckter Einsatz technischer Mittel zum Abhören und Aufzeichnen des nicht-öffentlich gesprochenen Wortes außerhalb von Wohnungen

Das Bayerische Verfassungsschutzgesetz sieht - nach entsprechender Ergänzung - für das Landesamt für Verfassungsschutz erstmals die Befugnis vor, das nicht-öffentlich gesprochene Wort durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel außerhalb von Wohnungen abzuhören und aufzuzeichnen. Auch wenn man eine solche Maßnahme unter engen Voraussetzungen als vertretbar ansieht, muss die gesetzliche Regelung den Anforderungen an den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung und die Benachrichtigungspflicht genügen, die das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen zum Großen Lauschangriff vom 03.03.2004 und zur Online-Durchsuchung vom 27.02.2008 aufgestellt hat. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint die Regelung - worauf ich im Gesetzgebungsverfahren wiederholt hingewiesen habe - verfassungsrechtlich problematisch:

  • Es fehlt ein zweistufiges Schutzkonzept für den Kernbereich privater Lebensgestaltung. Das Bundesverfassungsgericht fordert in seinem Urteil zur Online-Durchsuchung vom 27.02.2008, dass eine gesetzliche Regelung darauf hinwirken muss, dass die Erfassung kernbereichsrelevanter Daten soweit möglich unterbleibt (1. Stufe). Ergibt die Durchsicht (2. Stufe), dass kernbereichsrelevante Daten erhoben wurden, seien diese unverzüglich zu löschen. Eine Weitergabe oder Verwendung sei auszuschließen. Das Bayerische Verfassungsschutzgesetz sieht beim Abhören und Aufzeichnen des nicht-öffentlich gesprochenen Wortes einen Kernbereichsschutz in der Erhebungsphase nicht vor.
  • Es fehlt - im Gegensatz zur Regelung des Bundesverfassungsschutzgesetzes, des Polizeiaufgabengesetzes und der Strafprozessordnung - eine Pflicht, die Betroffenen von der Maßnahme zu unterrichten, selbst für den Fall, dass die von ihnen erhobenen Daten verwendet wurden.

Das Bundesverfassungsgericht führt in seiner Entscheidung zum Großen Lauschangriff zur Benachrichtigungspflicht Folgendes aus: "Die Benachrichtigungspflicht dient der Gewährleistung effektiven Schutzes der hier betroffenen Grundrechte. Demzufolge sind all diejenigen von der heimlichen Maßnahme zu unterrichten, in deren Grundrechte durch sie eingegriffen worden ist und denen somit Rechtschutzmöglichkeiten und Anhörungsrechte offenstehen müssen".

5.1.4. Online-Durchsuchung

Die Anpassung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum "Großen Lauschangriff" wurde auch dazu benutzt, für das Landesamt für Verfassungsschutz erstmals eine Befugnis zur "Online-Durchsuchung" (sog. verdeckte Online-Datenerhebung) zu schaffen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 27.02.2008 (vgl. dazu Nr. 4.1.2) hohe verfassungsrechtliche Anforderungen an die Zulässigkeit der Online-Durchsuchung gestellt. Sie sei nur zulässig bei tatsächlichen Anhaltspunkten für eine konkrete Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut. Eine solche Befugnis des Landesamts für Verfassungsschutz zur Abwehr konkreter Gefahren halte ich für systemwidrig:

Die Abwehr konkreter Gefahren ist typischerweise Aufgabe der Polizei und der Sicherheitsbehörden (vgl. Art. 6 Landesstraf- und Verordnungsgesetz). Das Landesamt für Verfassungsschutz hat hingegen als "Frühwarnsystem" der Staatsregierung die Aufgabe, im Vorfeld konkreter Gefahren Entwicklungen und Bestrebungen zu beobachten. Hinzu kommt, dass auch für die Polizei eine Befugnis für Online-Durchsuchungen geschaffen worden ist (vgl. Art. 34 e PAG und Nr. 4.1.2). Es ist zu befürchten, dass eine solche parallele Zuständigkeit von Verfassungsschutz und Polizei ohne ausreichende Abgrenzung zu überlappenden und damit zusätzlichen Rechtseingriffen führt. Vor diesem Hintergrund hätte besser gänzlich auf die Befugnis zur Online-Durchsuchung für das Landesamt für Verfassungsschutz verzichtet werden sollen.

Unabhängig davon habe ich mich im Gesetzgebungsverfahren dafür eingesetzt, dass die Neuregelung die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen engen Grenzen nicht überschreitet. So wurden meine datenschutzrechtlichen Forderungen zumindest zum Teil umgesetzt. Die Straftaten, zu deren Abwehr die Online-Durchsuchung zulässig ist ("Anlasstatenkatalog"), wurden nahezu ausschließlich auf solche Straftatbestände beschränkt, die zum Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter bestehen (vgl. dazu Nr. 4.1.2). Neben dem Schutz von Leib, Leben und Freiheit der Person fallen darunter nur Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Staates oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt (existenzielle Bedrohungslage).

Ich hätte es begrüßt, wenn auch meine Forderungen zum Schutz des Vertrauensverhältnisses mit engsten Familienangehörigen (vgl. § 52 StPO) und zur Benachrichtigungspflicht Betroffener übernommen worden wären (vgl. dazu meine Ausführungen zur Wohnraumüberwachung unter Nr. 4.1.1).

5.1.5. Heimliche Wohnungsdurchsuchung

Die Gesetzesänderung enthält darüber hinaus - bundesweit einmalig - die Befugnis, zur Durchführung einer Wohnraumüberwachung, einer Beschränkung der Telekommunikation und einer Online-Durchsuchung die Wohnung des Betroffenen heimlich zu betreten und zu durchsuchen. Zur verfassungsrechtlichen Problematik verweise ich auf meine Ausführungen unter Nr. 4.1.3 zur heimlichen Wohnungsdurchsuchung nach dem Polizeiaufgabengesetz.

Meiner Forderung, auf die Befugnis zur heimlichen Wohnungsdurchsuchung zu verzichten, wurde - trotz meiner massiven verfassungsrechtlichen Bedenken - leider nicht entsprochen.

5.1.6. Auskunftsanspruch über die beim Landesamt für Verfassungsschutz gespeicherten Informationen

Zur Notwendigkeit, dem Betroffenen gegenüber dem Landesamt für Verfassungsschutz einen grundsätzlichen Anspruch auf Auskunft über die zu seiner Person in Dateien oder Akten gespeicherten personenbezogenen Daten einzuräumen, habe ich in verfassungsrechtlicher und datenschutzrechtlicher Hinsicht in meinem letzten Tätigkeitsbericht (Nr. 5.2) Stellung genommen. Das Staatsministerium des Innern habe ich gebeten, im Rahmen der Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes einen solchen Anspruch vorzusehen. Dem hat das Staatsministerium des Innern entsprochen.

Art. 11 Abs. 1 BayVSG n.F. sieht nun vor, dass das Landesamt für Verfassungsschutz dem Betroffenen auf Antrag kostenfrei Auskunft über die zu seiner Person in Dateien oder Akten gespeicherten Daten erteilen muss. Der Betroffene hat allerdings - wie bisher - ein "besonderes Interesse" an der Auskunft darzulegen. Dies kann hingenommen werden. So hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil zum Auskunftsersuchen eines Journalisten gegenüber dem Bundesnachrichtendienst vom 28.11.2007 entschieden, dass eine Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung nicht vorliegt, wenn der Auskunftsanspruch eingebettet ist in eine Abwägung zwischen dem Auskunftsinteresse und dem Geheimhaltungsbedürfnis.

5.2. Datenschutzrechtliche Prüfungen beim Verfassungsschutz

Das Gesetz zur Errichtung einer standardisierten zentralen Antiterrordatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Länder (Antiterrordateigesetz - ATDG) ist am 31.12.2006 in Kraft getreten. Über die datenschutzrechtlichen Probleme einer solchen Datei hatte ich bereits in meinem letzten Tätigkeitsbericht (vgl. hierzu Nr. 5.4) berichtet. Ein Schwerpunkt meiner Prüfungen beim LfV waren deshalb Speicherungen in der Antiterrordatei (ATD). Neben den Speicherungen dort habe ich auch polizeiliche Speicherungen in der ATD überprüft (vgl. hierzu Nr. 4.5 - Polizeiliche Speicherungen in der Antiterrordatei).

Beim LfV habe ich festgestellt, dass die Speicherungen in der Mehrzahl gesetzeskonform vorgenommen wurden. Bei einigen Speicherungen habe ich das LfV aufgefordert, mir das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Speicherungen im Einzelnen darzulegen oder die Speicherungen zu löschen. Bei anderen Speicherungen habe ich das LfV zur Löschung aufgefordert. Dies betraf - anders als bei der Polizei, wo ich überwiegend die Löschung der Speicherung von "Kontaktpersonen" gefordert habe - die Speicherungen von "Gewaltbefürwortern". Als solche können nach dem Gesetz Personen gespeichert werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie rechtswidrig Gewalt als Mittel zur Durchsetzung international ausgerichteter politischer oder religiöser Belange anwenden oder eine solche Gewaltanwendung unterstützen, vorbereiten, befürworten oder durch ihre Tätigkeiten vorsätzlich hervorrufen. In zwei Fällen habe ich eine solche Gewaltbefürwortung nicht erkennen können.

Im Hinblick auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln habe ich die pauschale und unterschiedslose Speicherung einfacher Mitglieder einer Partei im Informationssystem IBA problematisiert. In diesem Urteil wurden Speicherungen zur Person eines Abgeordneten der "Linken" durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) nicht für verhältnismäßig angesehen. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts in diesem Urteil stützen wegen seiner Bezugnahme auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch meine grundsätzlichen datenschutzrechtlichen Bedenken gegen die Speicherung von einfachen Mitgliedern solcher Beobachtungsobjekte (vgl. hierzu Nr. 8.3, 21. Tätigkeitsbericht).

Das Verwaltungsgericht hatte zunächst festgestellt, dass das BfV das Erfordernis einer Informationssammlung über den Kläger darauf gestützt hat, "dass der Kläger führender Funktionär zunächst der PDS, später "Linkspartei.PDS" bzw. jetzt "Die Linke" war und ist und die Partei Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung verfolge. Demgegenüber hat das BfV nicht geltend gemacht, dass der Kläger selbst ansonsten durch eigene schriftliche oder mündliche Äußerungen oder sonstige politische Aktivitäten derartige Bestrebungen verfolgt". In der Folge kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass es hinsichtlich der Datenerhebung und -sammlung über den Kläger nicht ausreichend sei, sich weitestgehend darauf zu berufen, dass es sich bei ihm um einen herausgehobenen Funktionär der Linkspartei.PDS handele. Der Kläger sei "nicht Angehöriger einer der Linkspartei.PDS angehörenden linksextremistischen bzw. orthodox-kommunistischen Strömungen oder Flügel, noch ist er als Förderer entsprechender Bestrebungen hervorgetreten". Nach alledem kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass bereits die Beobachtung des Klägers im Hinblick auf seine Funktion als Abgeordneter in der bisher erfolgten Form nicht verhältnismäßig ist.

Dies zeigt, dass dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Entscheidung über die Speicherung personenbezogener Daten in Dateien des Verfassungsschutzes besondere Bedeutung zukommt. Im konkreten Fall hatte dies die Rechtswidrigkeit der Sammlung personenbezogener Informationen über den in herausgehobener Funktion auch für die frühere PDS tätigen Kläger wegen des Fehlens individueller verfassungsfeindlicher Bestrebungen und Aktivitäten zur Folge. Das Fehlen dieser individuellen Merkmale muss auch Bedeutung für die Speicherung von einfachen Mitgliedern einer Partei haben. Im konkreten Fall habe ich das LfV um Löschung der Daten der von mir überprüften Mitglieder gebeten, soweit über sie keine weiteren relevanten Erkenntnisse vorliegen.

Hinsichtlich der Speicherung von Abgeordneten habe ich im Hinblick auf die noch ausstehende Berufungsentscheidung des Verwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen meine abschließende Meinungsbildung zurückgestellt.

Speicherungen von Personen im Zusammenhang mit der Beobachtung von Bestrebungen und Tätigkeiten der Organisierten Kriminalität waren ebenfalls Gegenstand meiner datenschutzrechtlichen Prüfungen. Meiner Forderung nach Löschung oder Fristverkürzung von Speicherungen in einzelnen Fällen ist das LfV nachgekommen.

Darüber hinaus habe ich auch Datenabfragen aus dem Dokumentenmanagementsystem DOMEA geprüft. Dort sollte bei personenbezogenen Suchanfragen ein vom Sachbearbeiter anzugebender Abfragegrund mit protokolliert werden, um eine spätere Nachvollziehbarkeit für datenschutzrechtliche Überprüfungen zu erleichtern.

Vernichtet wurden endlich die Bildaufnahmen von Versammlungsteilnehmern (vgl. hierzu Nr. 5.3, 22. Tätigkeitsbericht), bei denen ich die Voraussetzungen für die Erhebung und Speicherung durch das LfV nicht hatte erkennen können.