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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 1.2.2007

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4. Polizei

Meine Tätigkeit im Polizeibereich umfasste die Kontrolle von Speicherungen in Dateien, wie z.B. im Kriminalaktennachweis, den Dateien "Gewalttäter Sport" und "Prostitution/Zuhälter", dem "Rauschgift-Informationssystem", sowie in weiteren Dateien, insbesondere in regional geführten Dateien zur Gefahrenabwehr und Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten (GAST-Dateien). Ich habe außerdem Datenerhebungsmaßnahmen wie beispielsweise erkennungsdienstliche Behandlungen, Speichelprobenentnahmen zum Zwecke der DNA-Analyse sowie Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen überprüft. Die polizeilichen Überwachungsmaßnahmen und Speicherungen im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft sowie den Münchener Sicherheitskonferenzen 2005 und 2006, die Durchführung von DNA-Massenscreenings in zwei Fällen sowie die Videoüberwachung auf öffentlichen Straßen und Plätzen und bei Versammlungen waren weitere Prüfungsschwerpunkte.

Geprüft habe ich auch wieder Datenübermittlungen der Polizei, z.B. an die Presse, Abfragen im polizeilichen Informationssystem durch Polizeibedienstete sowie die Auskunftserteilung an Betroffene über polizeiliche Speicherungen zu ihrer Person. Daneben habe ich anlassabhängig aufgrund von Bürgereingaben, Pressemitteilungen oder sonstigen Hinweisen, aber auch anlassunabhängig wieder Prüfungen beim Landeskriminalamt, bei zwei Präsidien und einer Polizeidirektion durchgeführt.

Durch datenschutzrechtliche Beurteilungen habe ich auf die datenschutzkonforme Ausgestaltung von Gesetzen und Richtlinien hingewirkt. Besonders bei der Änderung des Polizeiaufgabengesetzes habe ich mich für Normenklarheit und Bestimmtheit der Eingriffsvoraussetzungen sowie die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Schutzes des Kernbereichs privater Lebensgestaltung eingesetzt. Daneben habe ich auch zahlreiche Errichtungsanordnungen für polizeiliche Dateien geprüft und an Prüfungen von bundesweiten polizeilichen Dateien mitgewirkt.

Meine datenschutzrechtliche Beratung von Polizeidienststellen umfasste auch Vorträge bei Aus- und Fortbildungsveranstaltungen der Polizei.

Die nachfolgenden Darstellungen sind eine Auswahl meiner Feststellungen im Polizeibereich.

4.1. Kriminalaktennachweis (KAN)

Auch in meinem 21. Tätigkeitsbericht (vgl. Nr. 7.1) hatte ich von den Verhandlungen mit dem Staatsministerium des Innern zur datenschutzrechtlichen Verbesserung des Verfahrens der personenbezogenen Speicherung von Erkenntnissen aus strafrechtlichen Ermittlungsverfahren insbesondere im Kriminalaktennachweis berichtet. Die Neufassung der hierfür geltenden Richtlinien für die Führung polizeilicher personenbezogener Sammlungen (PpS-Richtlinien) und der Errichtungsanordnung für die Personen- und Fall-Auskunftdatei (EA PFAD) ist im März 2005 vom Innenministerium in Kraft gesetzt worden. Das Innenministerium hat einen Teil meiner Forderungen zur datenschutzrechtlichen Verbesserung dieser Vorschriften aufgenommen. Dabei handelt es sich insbesondere um

  • die Klarstellung, dass grundsätzlich Fälle "geringerer Bedeutung" nicht auf wenige Straftatbestände aus dem Bagatellbereich beschränkt sind,
  • die Aufnahme eines Hinweises, dass in Fällen von geringerer Bedeutung auch für Kinder und Jugendliche kürzere Fristen festzulegen sind,
  • die Änderung der Deliktsbezeichnung im KAN nicht nur dann, wenn die Verurteilung wegen einer Straftat einer völlig anderen Deliktsrichtung erfolgt, sondern in jedem Fall bei einer Verurteilung wegen einer anderen Straftat,
  • eine Pflicht zur Dokumentation der Gründe, wenn aus kriminologischer Sicht ein Fall geringerer Bedeutung als einzige Speicherung im KAN und nicht in der Vorgangsverwaltung nachgewiesen werden soll,
  • die Festlegung, dass die Speicherung von Suizidversuchen, die nicht im Zusammenhang mit einer Straftat stehen, keine Verlängerung der Aufbewahrungsfristen bestehender Speicherungen im KAN bewirkt,
  • die Verdeutlichung, dass Datenübermittlungen im Einzelfall grundsätzlich nur aus schriftlichen Unterlagen und nicht nur auf der Grundlage der Dateispeicherungen erfolgen dürfen,
  • die Aufnahme einer Regelung, dass im Falle einer Datenübermittlung durch die Polizeidienststelle auch die Rechtsgrundlage der Verfahrensbeendigung durch die Justiz (z.B. § 170 II StPO, § 47 JGG, Freispruch etc.) mitzuteilen ist, soweit diese bekannt ist.

Leider hat das Staatsministerium des Innern - entgegen meiner Forderung - festgelegt, dass die Annahme eines Falles geringerer Bedeutung (Art. 38 Abs. 2 Satz 4 PAG) über die vom Innenministerium vorgegebenen Regelfälle hinaus eine "strenge" Einzelfallprüfung voraussetzt. Die nachfolgenden Beispiele lassen befürchten, dass dabei ein zu strenger Maßstab angelegt wird.

Eine Petentin hatte sich an mich gewandt, nachdem es im Zusammenhang mit der Einhaltung der Hausordnung zu Streitigkeiten zwischen ihr, ihrem Vermieter und einer im selben Haus wohnenden Mieterin gekommen war. Folge waren gegenseitige Anzeigen wegen falscher Verdächtigung und Beleidigung. Darüber hinaus war die Petentin wegen des Verdachts der Nötigung gespeichert, da sie einer anderen Mieterin den Zugang zu deren Wohnung verwehrt haben soll. Die zuständigen Staatsanwaltschaften stellten die Verfahren mangels öffentlichen Interesses nach §§ 374, 376 StPO bzw. nach § 153 Abs. 1 StPO mit der Begründung ein, dass es sich in erster Linie um zivilrechtliche Streitigkeiten handelt. Trotzdem war die Petentin mit den genannten Delikten im KAN mit einer 10-jährigen Aussonderungsprüffrist gespeichert. Meiner Forderung, auch bei der falschen Verdächtigung und der Nötigung einen Fall geringerer Bedeutung mit der Folge einer 5-jährigen Aussonderungsprüffrist anzunehmen, ist das betreffende Polizeipräsidium nachgekommen.

In einem anderen Fall war ein 18-Jähriger von der Polizei angehalten worden, weil er ein Absperrgitter mit sich führte. Er gab an, dass er das Gitter vor dem Eingang einer Diskothek mitgenommen habe, um es seinen Freunden zu zeigen. Eine Diebstahlsabsicht bestritt er mit dem Argument, er könne mit einem Sperrgitter schließlich nichts anfangen. Über ihn lagen zu diesem Zeitpunkt keine weiteren polizeilichen Erkenntnisse vor. Von der Verfolgung wurde nach § 45 Abs. 2 i.V.m. § 109 Abs. 2 JGG abgesehen. Der Betroffene wurde trotzdem im KAN wegen Diebstahls geringwertiger Sachen mit einer Aussonderungsprüffrist von 10 Jahren gespeichert. Die Frist wurde auf meine Aufforderung hin auf 5 Jahre verkürzt.

Das Innenministerium hat aber leider eine Reihe meiner datenschutzrechtlichen Forderungen im Rahmen der Neufassung der o.g. Richtlinien nicht umgesetzt. Dies sind insbesondere:

  • die Ausweitung der Regelfälle von geringerer Bedeutung,
  • die Löschung von Speicherungen aus dem KAN, wenn der strafprozessuale Anfangsverdacht vernünftigerweise nicht mehr aufrecht erhalten werden kann (nicht erst, wenn sich "eindeutig ergibt", dass "jeglicher Tatverdacht ausgeräumt worden ist"),
  • die Berücksichtigung justizieller Entscheidungen über die Verfahrensbeendigung (z.B. Einstellung wegen geringer Schuld oder mangels öffentlichen Interesses) bei der Speicherungsdauer,
  • die Speicherung des Verfahrensausgangs im KAN.

Die zu hohen Anforderungen an den Wegfall des Tatverdachts, aber auch die unzureichende Berücksichtigung justizieller Entscheidungen dürften in den folgenden Beispielsfällen mit zur Verhinderung einer Löschung bzw. Korrektur der Speicherungen beigetragen haben:

In einem Fall war ein Betroffener zusammen mit seiner Familie beim Einkaufen. Er wollte dabei Musik-CDs kaufen und hatte nach seinen Angaben an der Kasse stehend bemerkt, dass vor ihm eine Kundin mit einer identischen CD einen erheblich geringeren Preis bezahlt hatte. Er sei deshalb zurückgegangen und habe entsprechend günstiger ausgezeichnete CDs genommen und an der Kasse bezahlt. Als er diese am Informationsstand abholen wollte, habe man ihm die Herausgabe verweigert. Der benachrichtigte Marktleiter und der Kaufhausdetektiv hätten ihm angeboten, die CDs einzubehalten und das von ihm bezahlte Geld zurück zu geben. Nachdem er dies abgelehnt und auf den Erhalt der Ware bestanden habe, habe der Marktleiter Anzeige wegen Betruges erstattet, auch weil er am CD-Stand keine einzige verbilligt etikettierte CD gefunden und deshalb dem Betroffenen ein Austauschen der Etiketten unterstellt habe. Über den Betroffenen lagen zu diesem Zeitpunkt keine polizeilichen Erkenntnisse vor. Der Angeklagte wurde vom Amtsgericht freigesprochen, da es erhebliche Zweifel hatte, dass er tatsächlich die Manipulation an den Preisetiketten vorgenommen hatte. Trotzdem blieb der zum Tatzeitpunkt 25-Jährige wegen Warenbetruges im KAN mit einer Aussonderungsprüffrist von 10 Jahren gespeichert. Erfreulicherweise sagte das betreffende Polizeipräsidium bereits im Rahmen der Vorbereitung der datenschutzrechtlichen Prüfung die Löschung dieser Speicherung zu.

Die Bedeutung justizieller Entscheidungen für die polizeiliche Speicherung zeigt folgender Fall: Der Inhaber eines Personenschutz- und Sicherheitsunternehmens war von einem Kunden beauftragt worden, dessen Kinder, die von ihrer leiblichen Mutter nach Frankreich verbracht worden waren, von dort zurück nach Deutschland zu holen. Dem Auftrag lag der Beschluss eines Amtsgerichts zu Grunde, der die Widerrechtlichkeit der Verbringung der Kinder durch die Kindsmutter ins Ausland festgestellt und mit einem weiteren Beschluss der Kindsmutter aufgegeben hatte, die beiden Kinder an den Vater herauszugeben. Nach vorheriger Absprache begab sich der Betroffene mit seinen in diesem Verfahren Mitbeschuldigten nach Frankreich. Gemeinsam blockierten sie dann mit zwei Fahrzeugen in einer Nebenstraße den Wagen der Mutter, in dem auch die Kinder saßen. Der Petent übergab der Mutter ein Schreiben ihres Mannes mit den Entscheidungen des Amtsgerichts. Als diese aus dem Auto ausstieg, setzte sich der Betroffene hinter das Steuer dieses Fahrzeugs und fuhr mit den Kindern davon und brachte sie nach Deutschland zurück zu ihrem Vater. Aufgrund des Vorfalls wurde von den französischen Behörden ein internationales Rechtshilfeersuchen gestellt, was dazu führte, dass gegen den Petenten zunächst ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Raubes und der Entziehung Minderjähriger geführt wurde.

Die zuständige Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren wegen gemeinschaftlicher Kindesentziehung nach § 170 Abs. 2 StPO ein. In ihrer Begründung führte die Staatsanwaltschaft u.a. an, dass die Rückholung der Kinder keine Entziehungshandlung gewesen sei und dem Petenten allenfalls fahrlässige - und somit nicht strafbare - Begehungsweise vorgeworfen werden könne. Das Verfahren sei deshalb aus tatsächlichen Gründen einzustellen gewesen. Auch der Tatvorwurf des gemeinschaftlichen Raubes könne aus tatsächlichen Gründen (keine rechtwidrige Zueignungsabsicht bezüglich des Pkw) nicht aufrechterhalten werden. Schließlich wurde das Verfahren wegen des verbliebenen Verdachts der Nötigung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten nach § 153 a Abs. 2 StPO eingestellt.

Die Polizei hat auf meine Forderung hin die Speicherung wegen des Verdachts des Raubes und der Entziehung Minderjähriger in "Nötigung" abgeändert.

Das Innenministerium hat die Geltungsdauer der PpS-Richtlinien zunächst auf 3 Jahre festgesetzt. Ich werde in dieser Zeit die Auswirkungen der Richtlinien beobachten und ggf. erneut datenschutzrechtliche Verbesserungen einfordern.

4.2. Polizeiliche Sachbearbeitung/Vorgangsverwaltung-Verbrechensbekämpfung (PSV)

Bezüglich der Vorgangsverwaltung der Polizei hat das Innenministerium bei der Neufassung der oben unter Nr. 4.1 genannten Richtlinien nur einen Teil meiner Forderungen berücksichtigt. So konnte ich überlange Aufbewahrungsfristen für Vorgangssammlungen verhindern und insbesondere auch eine Verkürzung der Speicherfristen von Vorgängen im automatisierten Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren auf ein Jahr erreichen. Leider hat sich das Innenministerium geweigert, neben der Dokumentation einer polizeilichen Maßnahme, ggf. auch deren durch justizielle Entscheidung festgestellte Rechtswidrigkeit zu dokumentieren. Auch die Forderungen nach einer Speicherung des Verfahrensausgangs in der PSV sowie nach einer Definition des Inhalts der Freitextfelder hat das Staatsministerium des Innern nicht umgesetzt.

Das Zugriffs- und Berechtigungskonzept, das den landesweiten Zugriff auf die PSV auf einen begrenzten Personenkreis funktionsbezogen einschränken sollte, wurde vom Innenministerium in Kraft gesetzt, obwohl ich mich dagegen ausgesprochen hatte. Grund für meine Ablehnung war die große Zahl der zugriffsberechtigten Funktionen, bei der zu viele Polizeibedienstete einen landesweiten Zugriff erhalten. Ich habe das zum Anlass genommen, die konkrete Vergabe der Zugriffsberechtigungen und den praktischen Gebrauch des bayernweiten Zugriffs datenschutzrechtlich zu überprüfen. Aufgrund der Anzahl der Berechtigten konnte ich feststellen, dass nahezu jedem dritten Polizeibediensteten ein landesweiter Zugriff eröffnet wurde. Daraufhin habe ich die Polizeipräsidien gebeten, für alle berechtigten Funktionen - nicht personenbezogen - die Erforderlichkeit des bayernweiten Zugriffs zu begründen. Die mir daraufhin vorgelegten Begründungen konnten meine grundsätzlichen Bedenken gegen den bayernweiten Zugriff auf die PSV nicht ausräumen (siehe hierzu Nr. 7.2, 21. Tätigkeitsbericht). Zur Überprüfung der Erforderlichkeit der einzelnen personenbezogenen landesweiten Datenabfragen habe ich das Landeskriminalamt um Auswertung der Protokolldatei entsprechender Abfragen der bayerischen Polizei gebeten. Auf der Grundlage der Auswertungsliste (15 % bayernweite Abfragen) habe ich dann die Polizeipräsidien, das Landeskriminalamt und das Polizeiverwaltungsamt um Mitteilung der Funktion des Abfragenden, des Anlasses und der Rechtsgrundlage der Datenabfrage, sowie um Begründung der Erforderlichkeit der bayernweiten Abfrage gebeten. Bei 7 der von mir überprüften 92 Abfragen wurde von den betreffenden Dienststellen eingeräumt, dass eine bayernweite Abfrage nicht erforderlich gewesen wäre, weil in den meisten Fällen die gesuchten Vorgänge den eigenen Präsidiumsbereich betrafen. Die Dienststellen haben ihre Bediensteten nochmals auf die Beachtung der Voraussetzungen für landesweite Abfragen hingewiesen.

Im Zusammenhang mit einer Bürgereingabe habe ich festgestellt, dass Betroffene im "Integrationsverfahren der Polizei" (IGVP) im Gegensatz zum Ballungsraumverfahren (BrV), das nur bei den Polizeipräsidien München und Mittelfranken eingesetzt wird, als Beschuldigte, Betroffene einer Ordnungswidrigkeit oder einer polizeilichen Maßnahme differenziert entsprechend dem jeweiligen Speicherungsgrund und damit zutreffend gespeichert werden. Im BrV werden unterschiedslos ohne Differenzierung nach dem jeweiligen Speicherungsgrund und der damit verbundenen Belastung des Betroffenen, Beschuldigte und Betroffene unter den sog. B-Personalien in der Vorgangsverwaltung erfasst.

Eine Anpassung des BrV an IGVP und damit eine Verbesserung des Datenschutzes hat das Innenministerium abgelehnt. Es begründet dies insbesondere damit, dass sich aus der gesamten Vorgangsspeicherung der jeweilige Status der Person und der Speicherungsgrund erkennen lasse und sich die Praxis des BrV bewährt habe. Die Differenzierung in IGVP dagegen habe zu Falscherfassungen geführt. Sie solle deshalb wieder aufgegeben werden.

Eine ausreichende Erkennbarkeit des Speicherungsgrundes ist - wie meine Feststellungen ergeben ha-ben - auch aus dem gesamten Inhalt der Vorgangsspeicherung des BrV nicht immer gegeben. Erfassungsfehler könnten durch entsprechende Schulungsmaßnahmen vermieden werden. Einen Grund, von einer datenschutzkonformen Speicherung abzusehen, sehe ich deshalb nicht.

Im Sommer 2005 wurde von verschiedenen Medien berichtet, dass Homosexuelle in der Vorgangsverwaltung der Polizei (nicht nur in Bayern) gespeichert würden. Nachdem auch von anderer Seite Hinweise auf solche Speicherungen an mich herangetragen worden waren, habe ich mich an das Staatsministerium des Innern mit der Bitte um Aufklärung gewandt. Dieses hat mir daraufhin mitgeteilt, dass eine Speicherung von Tätergruppen, Tätern oder sonstigen Personen mit dem Hinweis auf Homosexualität in der Vorgangsverwaltung, dem PVP (einem Formularerstellungsprogramm) oder dem Kriminalaktennachweis der bayerischen Polizei weder vorgenommen wurde noch beabsichtigt war. Lediglich der Katalogbegriff "Aufenthalt von Homosexuellen" bei der Tatörtlichkeit habe vorgangsbezogen erfasst werden können. Diese auf den Tatort bezogenen Zusatzspeicherung habe keinen Rückschluss auf die sexuelle Ausrichtung (homosexuell oder heterosexuell) von Tätern, Geschädigten, Zeugen oder Mitteilern zugelassen. Das Innenministerium hatte jedoch bereits eine Löschung solcher näheren Bezeichnungen von Tatörtlichkeiten veranlasst und die weitere Erfassung unterbunden. Im späteren Verlauf hat das Innenministerium diese Aussagen dahingehend ergänzt, dass auch bei den sog. B-Personalien im Datenfeld "Täterrolle" das Attribut "Homosexueller" gespeichert werden konnte, ohne dass eine Suchmöglichkeit durch den polizeilichen Anwender bestanden habe. Auch in diesem Fall seien alle bereits erfassten Werte (bayernweit 7 Fälle) gelöscht und die Speicherungsmöglichkeit unterbunden worden.

Ich habe daraufhin beim Landeskriminalamt eine datenschutzrechtliche Prüfung vorgenommen. Dabei haben sich die o.g. Angaben des Innenministeriums zur Speicherung von "Tatörtlichkeit" und "Täterrolle" bestätigt. Darüber hinaus habe ich aber festgestellt das auch bei den sog. Z-Personalien (Zeugen, Geschädigte, Anzeigeerstatter etc.) im Datenfeld "Opfertyp" der Zusatz "Homo" gespeichert werden konnte, wenn auch keine Suchmöglichkeit danach bestand. Auf meine Forderung hin hat das Innenministerium die Löschung dieses Zusatzes angeordnet. Eine von mir geforderte Überprüfung der Zentralkataloge der PSV habe ergeben, dass keine Werte mehr festgestellt werden konnten, die direkt oder indirekt auf die sexuelle Orientierung zu gleichgeschlechtlichen Personen schließen lassen können.

Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit der Vorgangsverwaltung sehe ich in der sog. Freitextrecherche über sämtliche Datenfelder (Realisierung voraussichtlich nicht vor dem Jahr 2007). Zum einen ist der Inhalt der Freitextfelder nicht definiert. Zum anderen können im Rahmen von Sachverhaltsschilderungen auch Daten unbelasteter Personen gespeichert sein (z.B.: Der Vergewaltiger verließ nach der Tat die Wohnung von Frau Mustermann). Nach solchen Daten (Frau Mustermann) kann künftig auch elektronisch recherchiert werden. Diese personenbezogene Recherche kann auch dann noch durchgeführt werden, wenn die Speicherung des Opfers unter den sog. Z-Personalien bereits gelöscht, der Vorgang aber noch nicht vernichtet ist (vgl. hierzu Nr. 7.2 meines 21. Tätigkeitsberichts).

Das Innenministerium will meine Verbesserungsvorschläge (z.B. Nichterfassen oder Anonymisieren personenbezogener Daten in Freitexten) leider nicht umsetzen.

4.3. Speicherungen in sonstigen Dateien

Anlässlich meiner Prüfungen bei verschiedenen Polizeidienststellen habe ich neben Speicherungen im Kriminalaktennachweis und in der Vorgangsverwaltung auch Speicherungen in deliktsspezifischen Dateien überprüft. Im Folgenden sind die wichtigsten Ergebnisse dieser Prüfungen zusammengefasst:

In meinem 21. Tätigkeitsbericht hatte ich meine Bedenken gegen die Speicherung aufgrund "polizeilichen Tatverdachts" mit einer mindestens 5-jährigen Aussonderungsprüffrist dargelegt (vgl. Nr. 7.6). Ich habe deshalb im zurückliegenden Berichtszeitraum insbesondere solche "Tatverdächtige" zum Schwerpunkt meiner datenschutzrechtlichen Prüfungen gemacht und dabei insgesamt 4 regional geführte GAST-Dateien (Dateien zur Gefahrenabwehr und Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten) sowie die Arbeitsdatei "Rauschgift-Informationssystem" (RGIS) überprüft.

In drei dieser GAST-Dateien waren keine "Verdächtigen" erfasst. Die mir zu diesem Personenkreis gemeldeten Speicherungen betrafen Beschuldigte oder sog. "Sonstige Personen", wobei letztere mit kürzeren Überprüfungsfristen (2 Jahre) gespeichert waren.

Bei der vierten GAST-Datei, die der Verhütung und Aufklärung von Straftaten in den Bereichen des Trickdiebstahls, -betrugs, Taschendiebstahls und räuberischen Diebstahls dient, habe ich die Polizei bei 7 von 10 überprüften Speicherungen zu "Tatverdächtigen" zur Löschung bzw. zur Einstufung als "Andere Person" mit kürzerer Überprüfungsfrist aufgefordert. Bei einer weiteren Speicherung war mir Folgendes aufgefallen: In zwei Fällen hatten Passanten mitgeteilt, dass Personen um Geld betteln. Zu strafbaren Handlungen sei es aber nicht gekommen. Nach der Personalienfeststellung wurden Fotos von den Betroffenen gefertigt, obwohl den Vorgängen keine Anhaltspunkte für einen Straftatenverdacht zu entnehmen waren. Lediglich das Betteln der Betroffenen ist für eine Speicherung als "Tatverdächtige" nicht ausreichend. Auch die Gründe für das Anfertigen von Fotos, eine erkennungsdienstliche Maßnahme, waren für mich nicht erkennbar. Deshalb habe ich die Polizei - neben der Löschung der Speicherungen als "Tatverdächtige" - zur Mitteilung des Anlasses und der Rechtsgrundlage für das Anfertigen der Fotos aufgefordert. Die Polizei hat die Löschung der Daten veranlasst. In einem Fall konnte der Grund für das Anfertigen der Lichtbilder nicht mehr nachvollzogen werden. Im zweiten Fall seien die Bilder zur Identitätsfeststellung nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 PAG gefertigt worden, ohne dass dafür Gründe angegeben wurden. Ich habe das Polizeipräsidium deshalb aufgefordert, künftig die für das Anfertigen von Lichtbildern maßgeblichen Gründe ausreichend zu dokumentieren. In beiden Fällen hat die Polizei die Lichtbilder vernichtet.

In RGIS sind "Tatverdächtige" grundsätzlich mit einer 5-jährigen Überprüfungsfrist und in der Regel auf Grund von Hinweisen durch Polizeidienststellen, Verdeckten Ermittlern oder Informanten gespeichert. Die Erkenntnisse über "tatverdächtige" Personen sind nach Angabe der Polizei noch nicht so fundiert, dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden könne. Bei 6 von 15 Betroffenen hatte ich jedoch erhebliche Zweifel an der Erforderlichkeit der Speicherung und deshalb die Polizei zur Löschung aufgefordert bzw. zur Einstufung als (nichtverdächtige) "Andere Personen" (z.B. Kontakt- oder Begleitpersonen) mit der Folge einer 2-jährigen Aufbewahrungsfrist. So war beispielsweise eine Betroffene wegen eines "Verstoßes gegen das BtMG - illegaler Handel mit Amphetamin/-derivaten -" in RGIS erfasst, weil sie mit zwei weiteren Personen in einem Fahrzeug kontrolliert worden war. Bei einem der Kontrollierten - nicht aber bei der Betroffenen - wurden 0,6 Gramm Marihuana gefunden. Allein der Umstand, dass die Betroffene im Fahrzeug mit einer Person gesessen hatte, bei der eine geringe Menge Marihuana gefunden wurde, begründet keinen (auch keinen "polizeilichen") Tatverdacht des "Betäubungsmittelhandels". Es müssten dafür zumindest weitere Anhaltspunkte hinzukommen. Ich habe die Polizei deshalb zur Löschung der Speicherung, zumindest aber zur Änderung der Speicherung in "Andere Person" mit einer 2-jährigen Überprüfungsfrist aufgefordert. Nach einem intensiven Meinungsaustausch hat die Polizei die Änderung vorgenommen.

Bei einem anderen Präsidium habe ich die Datei "Prostitution/Zuhälter" überprüft. Die Errichtungsanordnung für diese bei den meisten Polizeipräsidien eingerichtete Datei wurde im letzten Jahr vereinheitlicht. Dabei wurde bezüglich der Aussonderungsprüffristen für "Tatverdächtige" und Betroffene von Ordnungswidrigkeiten, die im Allgemeinen höchstens 5 Jahre gespeichert werden, eine 10-jährige Frist, wie für die stärker belasteten Beschuldigten und Verurteilten, vorgesehen. Diese undifferenzierte Festlegung von Speicherfristen ohne Berücksichtigung des jeweiligen Belastungsgrads habe ich gegenüber dem Staatsministerium des Innern kritisiert. Das Innenministerium wollte aber zunächst mit der Begründung daran festhalten, dass in der Regel langwierige Strukturermittlungen im Rotlichtmilieu eine 10-jährige Vorhaltung der Daten auch von "Tatverdächtigen" und "Betroffenen" erforderlich machen. Im Gegensatz dazu habe ich festgestellt, dass in der Praxis "Tatverdächtige" mit einer Speicherfrist von 5 Jahren erfasst werden. Nach Darstellung der geprüften Dienststelle sei die Vergabe einer längeren Speicherfrist weder systemseitig möglich, noch aus fachlicher Sicht erforderlich. Ich habe mich deshalb nochmals an das Innenministerium gewandt und gebeten, kürzere (5-jährige) Speicherfristen für Betroffene von Ordnungswidrigkeiten und "Tatverdächtige" festzulegen. Inzwischen hat mir das Innenministerium die Bereitschaft zu einer solchen Verkürzung signalisiert.

Im Rahmen der Prüfung habe ich darüber hinaus festgestellt, dass auch Prostituierte in der Datei gespeichert werden, ohne dass sie Beschuldigte, Betroffene oder "Verdächtige" sind. Nach Darstellung der Polizei sei dies insbesondere notwendig, um Zusammenhänge über das oftmals von Waffen- und Drogendelikten als auch der organisierten Kriminalität durchsetzte Milieu zu erkennen, aber auch, um Straftaten aufzuklären, beispielsweise wenn Prostituierte Opfer von Gewaltdelikten werden. Die auf freiwilliger Grundlage erhobenen personenbezogenen Daten und Lichtbilder würden grundsätzlich 5 Jahre gespeichert. Für die Einwilligung in die polizeilichen Maßnahmen wurde ein Formblatt entwickelt, mit dem die Betroffenen der Erhebung, Aufbewahrung und Nutzung des Lichtbildes durch die Polizei bis zur Löschung ihrer personenbezogenen Daten zustimmen. Ich habe die Polizei gebeten, zusätzlich konkrete Aussagen zur Speicherungsdauer in das Formblatt aufzunehmen. Dieser Bitte will die Polizei entsprechen.

4.4. Fußballweltmeisterschaft 2006

4.4.1. Akkreditierungsverfahren

Vor und während der Fußballweltmeisterschaft 2006 wurden im Rahmen eines bundesweiten Akkreditierungsverfahrens der Fédération Internationale de Football Association (FIFA) Zuverlässigkeitsüberprüfungen von Personen vorgenommen, die Zutritt zu den Stadien bekommen sollten. Diese Überprüfungen, an denen auch das Bayerische Landeskriminalamt und das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz mitgewirkt haben, betrafen insgesamt ca. 150 000 Personen.

Grundlage für die Einbeziehung der Betroffenen in das Verfahren zur Überprüfung ihrer Zuverlässigkeit war die zuvor abgegebene schriftliche Einwilligung. Darin erklärte sich der Betroffene mit der Teilnahme am Verfahren einverstanden. Eine Datenschutzinformation unterrichtete ihn u.a. über den Ablauf, Umfang, Beurteilungskriterien und Folgen der Überprüfung. Im Interesse der ausreichenden Information des Betroffenen und damit auch der Wirksamkeit der Einwilligung haben sich die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder dafür eingesetzt, dass die Datenschutzinformation insbesondere im Hinblick auf die für die Beurteilung der Zuverlässigkeit durch Polizei- und Verfassungsschutzbehörden maßgeblichen Kriterien möglichst umfassend ist. Wichtig war auch, dass sich der Betroffene im Falle der Ablehnung seines Antrags auf Akkreditierung an einen zentralen Ansprechpartner, das Landeskriminalamt des jeweiligen Wohnsitzlandes zum Zeitpunkt der Antragstellung, wenden kann. Sollte ein Betroffener konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass er im Rahmen des Verfahrens durch bayerische öffentliche Stellen in seinen Datenschutzrechten verletzt worden ist, kann er sich auch gerne an mich wenden. Die Speicherungen bei ablehnenden Voten werden allerdings nach einem Jahr ab dem offiziellen Ende der Fußballweltmeisterschaft gelöscht.

4.4.2. Überprüfung von Ablehnungsfällen

Ich habe sowohl beim Landeskriminalamt als auch beim Landesamt für Verfassungsschutz (siehe hierzu Nr. 5.3) eine Überprüfung von Ablehnungsfällen im Rahmen des Akkreditierungsverfahrens durchgeführt. Beim Landeskriminalamt wurde ein technisches Trefferbild erstellt, in dem die vom eingehenden Datensätze automatisiert mit Dateien der bayerischen Polizei abgeglichen wurden. Nichttreffer wurden anschließend dem Bundeskriminalamt als zugelassen gemeldet. Nicht zu verarbeitende Datensätze wurden als fehlerhaft zurückgegeben. Die Trefferfälle wurden je nach Trefferbild und fachlicher Zuständigkeit auf 6 Clearingstellen im Landeskriminalamt verteilt. Dort wurden die Personen aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse und der offiziellen Beurteilungskriterien bewertet und mit einer entsprechenden Empfehlung (zugelassen oder abgelehnt) versehen. In Zweifelsfällen wurden auch die sachbearbeitenden Dienststellen kontaktiert, um weitere Informationen oder Unterlagen zu erhalten. Nach einer nochmaligen Überprüfung der Bewertung in einer zentralen Clearingstelle wurden die Datensätze mit dem jeweiligen Ergebnis an das Bundeskriminalamt zurückgemeldet. Bis zum Ende der Fußballweltmeisterschaft wurden an das Landeskriminalamt 25 764 Datensätze übermittelt. Davon wurden 239 wegen Fehlerhaftigkeit zurück gewiesen. 513 Überprüfungen führten zu einer ablehnenden Empfehlung.

Bei den von mir zur Prüfung ausgewählten Ablehnungen waren mit Ausnahme von 2 Vorgängen, bei denen ich für eine abschließende Bewertung noch die Übermittlung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte erwarte, die Ablehnungsgründe in der Regel nachvollziehbar. Lediglich in einem Fall hätte ich bei Gesamtwürdigung des Sachverhalts eine andere Einschätzung für gerechtfertigt gehalten. Unabhängig davon ergab sich aber folgende grundsätzliche Problematik:

Einige Antragsteller waren auf Grund von Verurteilungen wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (z.B. Beleidigung auf sexueller Grundlage) bzw. uneidlicher Falschaussage oder falscher Verdächtigung abgelehnt worden. In der Aufzählung der Ablehnungsgründe in der Datenschutzinformation für die zu akkreditierenden Personen fehlen aber bei Vergehen Falschaussagedelikte sowie die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, soweit sie sich nicht auch noch gegen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer oder mehrerer Personen richten. Die Gründe, weshalb diese Deliktsbereiche nicht angeführt sind, sind mir nicht bekannt. Möglicherweise wurde insoweit keine "Stadionrelevanz" gesehen. Die Ablehnungen in der Sache halte ich jedenfalls bei gravierenden Vergehen gegen die sexuelle Selbstbestimmung grundsätzlich für nachvollziehbar, allerdings im Hinblick auf den fehlenden Hinweis in der Datenschutzinformation durch die Einwilligung kaum gedeckt.

Bürgereingaben oder Beschwerden im Zusammenhang mit dem Akkreditierungsverfahren sind hier bisher nicht eingegangen. Die Löschung der in diesem Zusammenhang erhobenen Daten werde ich zu gegebener Zeit überprüfen.

4.4.3. Speicherungen in der Datei "Gewalttäter Sport"

Im Rahmen des Akkreditierungsverfahrens für die Fußballweltmeisterschaft 2006 konnte die Ablehnung auch erfolgen, wenn der Betroffene in der (bundesweiten) Datei "Gewalttäter Sport" gespeichert war. Zweck der Datei ist die Verhinderung gewalttätiger Auseinandersetzungen und sonstiger Straftaten im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen, insbesondere von Fußballspielen, durch recherchefähige Erfassung relevanter Anlässe, so weit diese im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen festgestellt wurden. Diese Anlässe sind zum einen eingeleitete oder abgeschlossene Ermittlungsverfahren sowie rechtskräftige Verurteilungen wegen bestimmter Straftaten. Darüber hinaus können auch polizeiliche Maßnahmen wie Platzverweise oder Ingewahrsamnahmen erfasst werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Betroffenen in der Zukunft anlassbezogene Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden.

Als Anlasstat für eine Speicherung wurde im letzten Jahr im Rahmen einer bundesweiten Abstimmung auch "Beleidigung" in die Errichtungsanordnung aufgenommen. Die dadurch bedingte Gleichbehandlung eines Fußballfans, der sich bei einer verbalen Auseinandersetzung zu einer Beleidigung hinreißen lässt, mit einem gewalttätigen Hooligan, halte ich regelmäßig für unverhältnismäßig. Ich habe mich deshalb gegen die Aufnahme dieses Delikts ausgesprochen bzw. gefordert, zumindest durch eine entsprechende Ergänzung die Erheblichkeitsschwelle für eine Speicherung wegen eines solchen Delikts anzuheben. Dies wurde vom Innenministerium leider abgelehnt. Aus diesem Grund, aber auch im Hinblick auf das Akkreditierungsverfahren für die Fußballweltmeisterschaft, habe ich bei zwei Polizeipräsidien eine datenschutzrechtliche Prüfung von Speicherungen in dieser Datei vorgenommen.

Dabei habe ich festgestellt, dass in den geprüften Fällen keine Speicherung nur wegen Beleidigung erfolgte. Es war erkennbar, dass die Speichervoraussetzungen von der Polizei grundsätzlich beachtet werden. In einigen Fällen habe ich die Voraussetzungen für eine Speicherung in der Gewalttäterdatei jedoch nicht gesehen. Hier zwei Beispiele:

Ein Betroffener war bei einem Fußball-Bundesligaspiel auf Grund seiner Alkoholisierung (2,04 Promille) zwei Mal durch die Polizei des Platzes verwiesen und gegen ihn ein Stadionverbot für den Spieltag ausgesprochen worden. Beim zweiten Versuch war ihm auch seine Jahreskarte abgenommen worden. Beim dritten Versuch ins Stadion zu gelangen wurde er in Gewahrsam genommen. Er war deswegen in der Datei und im KAN mit dem Ereignis "Sonstige polizeiliche Gefahrenabwehr" gespeichert. Wie oben angeführt, ist in Fällen von Gewahrsamnahmen ohne Vorliegen einer Straftat erforderlich, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Betroffene anlassbezogene Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird. Eine solche Negativprognose kann allein auf Grund der (wohl alkoholbedingten) Hartnäckigkeit, mit der der Dauerkartenbesitzer alkoholisiert ins Stadion wollte, nicht getroffen werden. Ich habe deshalb die Polizei zur Löschung dieser Speicherung aufgefordert.

Ein weiterer Betroffener wurde vor einem Spiel beobachtet, wie er über den Stadionzaun stieg. Gegenüber der Polizei konnte er keine gültige Eintrittskarte vorweisen. In seiner Beschuldigtenvernehmung führte er an, dass er sich zwar eine Karte hätte leisten könne, aber keine mehr bekommen habe. Er war deswegen in der Gewalttäterdatei und im KAN wegen Hausfriedensbruchs und Erschleichens von Leistungen gespeichert. Auch hier fehlt es an jeglicher Gewalttätigkeit des Betroffenen. Erhebliche zukünftige Straftaten sind aus seinem Verhalten ebenfalls nicht abzuleiten. Eine Erforderlichkeit zur Speicherung in der Datei "Gewalttäter Sport" konnte ich deshalb nicht erkennen. Auch die 10-jährige Speicherung des zum Tatzeitpunkt 19-jährigen im KAN habe ich unter Berücksichtigung des Gesamtsachverhalts für zu lange gehalten. Ich habe deshalb die Polizei aufgefordert, die Speicherung des Betroffenen in der Gewalttäterdatei zu löschen und für die Speicherung im KAN wegen der geringen Bedeutung des Falles eine 5-jährige Speicherfrist festzusetzen.

Das betreffende Polizeipräsidium wird meinen Forderungen zum Ende des Jahres nachkommen.

4.5. Speicherungen im Zusammenhang mit den Münchner Sicherheitskonferenzen 2005 und 2006

In meinem 21. Tätigkeitsbericht (vgl. Nr. 7.4) hatte ich von meinen datenschutzrechtlichen Bedenken hinsichtlich des Speicherkonzepts der Polizei im Zusammenhang mit der Sicherheitskonferenz 2002, insbesondere auch wegen der massenhaften Speicherung von Ordnungswidrigkeiten in der bayerischen Staatsschutzdatei (ISIS) berichtet. Auch im Zusammenhang mit den Sicherheitskonferenzen in den Jahren 2005 und 2006 habe ich wieder datenschutzrechtliche Überprüfungen vorgenommen. Während sich die Prüfung im Jahr 2005 vorwiegend auf die von der Polizei gefertigten Videoaufzeichnungen (vgl. Nr. 4.15.4) konzentrierte, habe ich bei der SIKO 2006 auch wieder die Dateispeicherungen kontrolliert. In der Staatsschutzdatei waren "nur" 71 Personen gespeichert, nachdem es bei der SIKO 2002 noch über 700 Personen waren. Die Voraussetzungen der Speicherung waren beim Großteil der Betroffenen erfüllt. Zwei Speicherungen hat die Polizei gelöscht, nachdem ich die Zugehörigkeit der Betroffenen zu einer extremistischen Organisation nicht gesehen habe. Bei einzelnen Speicherungen ist die Diskussion mit der Polizei noch nicht abgeschlossen:

So wurden z.B. 18 Betroffene wegen des Verdachts der Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten gespeichert, da sie Plakate mir der Aufschrift "Rumsfeld Massenmörder" trugen. Von den deswegen eingeleiteten Strafverfahren wurden bisher elf Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Ich habe hierzu exemplarisch 3 staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakten zur Prüfung des Fortbestands des Tatverdachts angefordert. Dabei habe ich festgestellt, dass die drei Beschuldigten friedlich an der Demonstration teilgenommen hatten und wegen des Zeigens des o.g. Plakates in Gewahrsam genommen wurden. Eine der Personen war zum Zeitpunkt der Gewahrsamnahme erst 14 Jahre alt. Ein Betroffener äußerte in seiner Beschuldigtenvernehmung u.a., dass er mit der aktuellen amerikanischen Außenpolitik nicht einverstanden sei, aber an eine Beleidigung von Herrn Rumsfeld, nicht gedacht habe. Mit dem Plakat sollte lediglich Kritik an der amerikanischen Politik zum Ausdruck kommen. Allen drei Ermittlungsakten waren Vermerke der Staatsanwaltschaft München I mit dem Hinweis beigegeben, dass seitens der amerikanischen Behörden kein Interesse an der Strafverfolgung bestehe. Die Verfahren wurden mit der Begründung eingestellt, dass - nachdem ein Strafantrag nicht gestellt werde - ein absolutes Verfahrenshindernis bestehe.

Ich halte es unter Berücksichtigung der Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 25.08.1994 (Az.: BvR 1432/92) im Zusammenhang mit dem Aufkleber "Soldaten sind Mörder" für fraglich, ob die im Grundgesetz festgelegte Meinungsfreiheit der Betroffenen bei der Speicherung im KAN und in ISIS ausreichend berücksichtigt wurde. Unabhängig davon sollte in den vorliegenden Fällen auch bedacht werden, dass es sich bei den Betroffenen um friedliche Demonstrationsteilnehmer gehandelt hat, die nur ihre politische Meinung zum Ausdruck bringen wollten. Ich habe deshalb unter Gesamtwürdigung des Sachverhalts eine ausnahmslose personenbezogene Speicherung dieser Erkenntnis in ISIS unter der Rubrik "Antiamerikanismus" nicht für zulässig gehalten und die Polizei deshalb aufgefordert

  • die Speicherungen in der Datei ISIS zu den betroffenen 18 Personen zu löschen, sofern über sie sonst keine staatsschutzrelevanten Erkenntnisse vorliegen,
  • die Speicherungen im KAN zu löschen und lediglich in der PSV nachzuweisen bzw. zumindest die Speicherfrist im KAN als Fälle geringerer Bedeutung auf höchstens 5 Jahre (bei Erwachsenen) zu verkürzen,
  • die Speicherung des 14-jährigen Betroffenen sowohl aus ISIS als auch aus dem KAN zu löschen und lediglich in der PSV nachzuweisen.

4.6. Konzeption "Haft-Entlassenen-Auskunfts-Datei-Sexualstraftäter HEADS)"

Das Staatsministerium des Innern hat mir die Konzeption "Haft-Entlassenen-Auskunfts-Datei-Sexualstraftäter (HEADS)" zur Kenntnisnahme übermittelt. Mit HEADS wird das Ziel verfolgt, das Risiko einer erneuten Begehung von Straftaten durch besonders rückfallgefährdete Sexualstraftäter zu minimieren und damit die Bevölkerung bestmöglich vor solchen Tätern zu schützen. Zielgruppe des Projekts HEADS sind Personen, die wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 ff. StGB) oder wegen Tötungsdelikten mit sexuellem Hintergrund oder unklarem Motiv verurteilt wurden oder sich wegen einer dieser Straftaten im Vollzug einer stationären Maßregel der Sicherung und Besserung befinden. Zusätzlich müssen diese Personen als Risikoprobanden eingestuft worden sein. Die Einteilung wird nach Art und Schwere der begangenen Tat, der Persönlichkeit des Täters und seinem Verhalten nach der Tat von der Staatsanwaltschaft vorgenommen.

Die Staatsanwaltschaft informiert die HEADS-Zentralstelle über die "Risikoprobanden Sexualstraftäter". Diese führt die Daten mit den bei der Polizei bestehenden Unterlagen über die betreffende Person zusammen, nimmt eine Kategorisierung (Gefahrenpotenzial I - III) vor, stellt die relevanten Daten in HEADS ein und übersendet die Unterlagen an die für HEADS zuständige Stelle bei den Polizeipräsidien, die eine übergeordnete Koordinationsfunktion wahrnehmen. Von dort erfolgt die Information der regionalen Kriminaldienststellen, die die erforderlichen Maßnahmen vor Ort durch eigene HEADS-Ansprechpartner umsetzen. Als Kernmaßnahmen nennt die Konzeption insbesondere die Vervollständigung und Aktualisierung der erkennungsdienstlichen Unterlagen und der DNA-Unterlagen, die Überprüfung der tatsächlichen Wohnsitznahme und Feststellungen hinsichtlich des Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen.

Ein Runder Tisch mit Vertreterinnen und Vertretern der Justiz, der Polizei und der Landeshauptstadt München soll einen engen Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten sicherstellen. Auf die Gefahr, dass dabei personenbezogene Daten über die gesetzlichen Befugnisse hinaus übermittelt werden könnten, habe ich hingewiesen. Das Staatsministerium des Innern hat meinen Bedenken insoweit Rechnung getragen, als in der Konzeption ein Satz eingefügt wurde, wonach die Voraussetzungen der jeweiligen Datenübermittlungsvorschriften bei der Kooperation in Form eines Runden Tisches zu beachten sind.

Bezüglich der Jugendämter sind in der Konzeption u.a. folgende personenbezogene Informationspflichten geregelt:

"Für den Fall, dass Kinder oder Jugendliche im sozialen Nahraum oder im selben Haushalt mit einem als Risikoprobanden eingestuften Sexualstraftäter leben und konkrete Anhaltspunkte für eine akute Gefährdung der Kinder oder Jugendlichen vorliegen, hat das Jugendamt die Eltern, in geeigneter, womöglich auch aufdeckender, nötigenfalls eindringlicher und nachhaltiger Weise über ihre Pflichten, Rechte und Handlungsmöglichkeiten zu informieren, aufzuklären und zu beraten."

Dies bedeutet, dass die frühere Begehung eines Sexualdelikts durch den Betroffenen unter bestimmten Voraussetzungen auch in dessen Wohnumgebung bekannt gegeben werden kann. Eine solche Bekanntgabe ist problematisch. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Art. 2 Abs. 1 GG und das Recht auf Resozialisierung werden dadurch berührt. Ich habe deshalb die Aufnahme folgender einschränkender Formulierung gefordert, die insbesondere den Aspekt der Verhältnismäßigkeit klarer zum Ausdruck bringt:

"Für den Fall, dass Kinder oder Jugendliche im sozialen Nahraum oder im selben Haushalt mit einem als Risikoprobanden eingestuften Sexualstraftäter leben und konkrete Anhaltspunkte für eine akute erhebliche Gefährdung der Kinder oder Jugendlichen vorliegen, hat das Jugendamt die Eltern in geeigneter, erforderlichenfalls, im Rahmen der Verhältnismäßigkeit auch aufdeckender, nötigenfalls eindringlicher und nachhaltiger Weise über ihre Pflichten, Rechte und Handlungsmöglichkeiten zu informieren, aufzuklären und zu beraten, soweit das Ziel nicht durch andere Maßnahmen erreicht werden kann."

Bei HEADS handelt es sich um die erstmalige zentrale Speicherung von Sexualstraftätern in einer besonderen Datei mit einer Vielzahl informationeller Eingriffsmöglichkeiten. HEADS ist deshalb aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht unproblematisch. Ich habe diese Konzeption trotzdem im Hinblick auf den damit beabsichtigten Schutz der Bevölkerung vor Sexualstraftaten und die objektiven Kriterien für die Auswahl der zu erfassenden Personen, die vorgesehenen Datenübermittlungen und die beschränkte Anzahl zugriffsberechtigter "HEADS-Sachbearbeiter" nicht von vornherein abgelehnt. Ob HEADS tatsächlich die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit hinreichend berücksichtigt, wird sich erst nach Aufnahme des Wirkbetriebs und datenschutzrechtlichen Prüfungen vor Ort abschließend beurteilen lassen. Dies gilt insbesondere für die Einstufung als Risikoproband sowie den Umfang der Datenübermittlungen.

4.7. Errichtungsanordnungen für GAST-Dateien

Auch in diesem Berichtszeitraum wurden mir von Polizeidienststellen wieder zahlreiche Errichtungsanordnungen für sog. GAST-Dateien (Dateien zur Gefahrenabwehr und Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten) vorgelegt. Mit Ausnahme meiner grundsätzlichen Bedenken gegen die Speicherung aufgrund polizeilichen "Tatverdachts" (vgl. 21. Tätigkeitsbericht, Nr. 7.6) bestanden gegen die überwiegende Zahl dieser Errichtungsanordnungen aus datenschutzrechtlicher Sicht keine Einwände. Bei einzelnen wurden der betroffene Personenkreis und die Speicherfristen auf meine Forderung hin von der Polizei datenschutzkonform geändert oder ergänzt. Dies war insbesondere notwendig bei Speicherfristen für Nichtbeschuldigte und -verdächtigte wie z.B. Geschädigte, Zeugen, Hinweisgebern usw., für die ich in der Regel Überprüfungsfristen von 2 Jahre für ausreichend halte, sowie bei Speicherfristen für Jugendliche und Kinder.

4.8. Rasterfahndung

Auf die Verfassungsbeschwerde eines marokkanischen Staatsangehörigen islamischen Glaubens hin hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 04.04.2006 (Az. 1 BvR 518/02) festgestellt, dass die angegriffenen Beschlüsse der Gerichte, die die Rasterfahndung, welche in Nordrhein-Westfalen durchgeführt wurde, für rechtmäßig erklärten, den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzen. Eine präventive polizeiliche Rasterfahndung ist mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nur vereinbar, wenn zumindest eine konkrete Gefahr für hochrangige Rechtsgüter, wie den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person gegeben ist. Als bloße Vorfeldmaßnahme entspricht eine solche Rasterfahndung verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Daher reichen eine allgemeine Bedrohungslage, wie sie im Hinblick auf terroristische Anschläge seit dem 11. September 2001 durchgehend bestanden hat, oder außenpolitische Spannungslagen für die Anordnung der Rasterfahndung nicht aus. Voraussetzung ist vielmehr das Vorliegen weiterer Tatsachen, aus denen sich eine konkrete Gefahr, etwa im Hinblick auf die Vorbereitung oder absehbare Durchführung terroristischer Anschläge, ergibt.

Das Bundesverfassungsgericht moniert, dass die gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen eine präventive polizeiliche Rasterfahndung angeordnet werden kann, in mehreren Landesgesetzen in den letzten Jahren erleichtert worden sind. Die Ermächtigung zur Rasterfahndung ist also zu einer polizeilichen "Vorfeldbefugnis" umgestaltet worden. Danach kann die Maßnahme etwa bereits dann durchgeführt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dies zur Verhütung bestimmter Straftaten von erheblicher Bedeutung erforderlich ist.

Letzteres gilt auch für die bayerische Regelung. Nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 PAG kann die Polizei von öffentlichen und nicht öffentlichen Stellen die Übermittlung von personenbezogenen Daten bestimmter Personengruppen aus Dateien, insbesondere Namen, Anschriften, Tag und Ort der Geburt und fahndungsspezifische Suchkriterien zum Zweck des Abgleichs mit anderen Datenbeständen verlangen, soweit dies zur Abwehr von Straftaten von erheblicher Bedeutung erforderlich ist.

Ich habe deshalb das Staatsministerium des Innern aufgefordert, Art. 44 PAG baldmöglichst zu ändern. Eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift reicht dagegen nicht aus. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mehrfach entschieden, dass Ermächtigungen zu Grundrechtseingriffen einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, die dem rechtstaatlichen Gebot der Normenbestimmtheit und Normenklarheit entspricht.

Bei der gesetzlichen Neufassung sind aus datenschutzrechtlicher Sicht insbesondere folgende Punkte zu berücksichtigen:

  • Der Eingriff setzt mindestens das Vorliegen einer konkreten Gefahr für hochrangige Rechtsgüter voraus.
  • Die Maßnahme sollte - unabhängig von der Zustimmung des Staatsministeriums des Innern - nur durch den Richter angeordnet werden. Im Hinblick auf die vom Bundesverfassungsgericht dargestellte besondere Erheblichkeit des Eingriffs und seine möglichen Konsequenzen genügt die Anordnungskompetenz des in Art. 33 Abs. 5 PAG genannten Dienststellenleiters verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Die Eingriffsintensität der Maßnahme, die das Bundesverfassungsgericht mit Grundrechtseingriffen nach Art. 10 und 13 GG vergleicht, verlangt nach Kontrolle durch den Richter und deshalb nach Aufnahme eines gesetzlichen Richtervorbehalts.
  • Der Verwendungszweck der durch die Maßnahme erlangten Daten ist bereichsspezifisch und präzise zu bestimmen. Die gegenwärtige Möglichkeit, sie zur Verfolgung jedweder Straftat zu verwenden, stellt keine ausreichende Zweckbegrenzung dar.
  • Zur Sicherstellung der Zweckbestimmung sollten die Daten gekennzeichnet und Zweckänderungen festgestellt und dokumentiert werden.
  • Im Hinblick auf den verdeckten Charakter der Rasterfahndung sollte eine Benachrichtigung jedenfalls der Betroffenen normiert werden, deren Daten nach Abschluss der Maßnahme in der Gesamtdatenmenge enthalten sind. Die Gewährleistung effektiven Schutzes der betroffenen Grundrechte erfordert eine solche Benachrichtigung, damit den Betroffenen Rechtsschutzmöglichkeiten offen stehen.

Unabhängig von einer verfassungskonformen Änderung des Polizeiaufgabengesetzes bin ich der Auffassung, dass die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts bereits jetzt bei jeder zukünftigen Rasterfahndung zu beachten sind.

Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts können auch Bedeutung für andere polizeiliche Eingriffsmaßnahmen haben, die - wie die Rasterfahndung - sowohl durch Verdachtslosigkeit als auch durch eine große Streubreite gekennzeichnet sind, bei denen also zahlreiche Personen in den Wirkungsbereich einer Maßnahme einbezogen werden, die in keiner Beziehung zu einem konkreten Fehlverhalten stehen und den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlasst haben (z.B. automatisierte Kennzeichenerkennung). Ich werde auf die Umsetzung notwendiger Änderungen des Polizeiaufgabengesetzes hinwirken.

4.9. Schleierfahndung

In seiner Entscheidung vom 07.02.2006 hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof Grundsätze für die Rechtmäßigkeit von polizeilichen Durchsuchungsmaßnahmen im Rahmen der sog. Schleierfahndung aufgestellt und damit seine Rechtsprechung aus dem Urteil vom 28.03.2003 (Az. Vf. 7 - VII - 00) fortgeführt. Im entschiedenen Fall waren das Kraftfahrzeug sowie mehrere Taschen des Beschwerdeführers auf dem Parkplatz eines in der Nähe einer Autobahn gelegenen Schnellrestaurants von der Polizei durchsucht worden, nachdem er sich durch die Fahrzeugpapiere ausgewiesen hatte. Die Klage des Beschwerdeführers auf Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Durchsuchung wurde von den Verwaltungsgerichten unter Hinweis auf die einschlägigen Vorschriften des Polizeiaufgabengesetzes, die eine verdachtsunabhängige Durchsuchung auf Durchgangsstraßen zulassen, abgewiesen. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat mit der Maßgabe, dass durch die Maßnahmen der Schleierfahndung in die Grundrechte der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 101 BV) und auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 100 i.V.m. 101 BV) eingegriffen wird, insbesondere folgende Grundsätze als Voraussetzung für deren Verfassungsmäßigkeit aufgestellt:

Die Polizei darf im Rahmen der Schleierfahndung (Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 PAG) nur zur Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze oder des unerlaubten Aufenthalts und zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität handeln. Die Ziele verpflichten die Polizei, den Kontrollen entsprechende Lageerkenntnisse und einschlägige polizeiliche Erfahrung zu Grunde zu legen.

Es ist außerdem eine Gesamtabwägung der Schwere des mit der konkreten Maßnahme verbundenen Eingriffs und dem Gewicht der rechtfertigenden Gründe des Gemeinwohls durchzuführen. Je nach Intensität des Grundrechtseingriffs ist eine höhere (Einschreit-) Schwelle in die Befugnisnormen des Polizeiaufgabengesetzes zur Schleierfahndung hineinzulesen. Wegen des Eindringens in die private Sphäre eines Betroffenen im Wege eines ziel- und zweckgerichteten Suchens oder Ausforschens und des damit verbundenen Eingriffs in den Schutzbereich der Art. 101 und Art. 100 i.V.m. Art. 101 BV bedarf es für die Durchsuchung von Sachen einer besonderen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Eine solche Rechtfertigung ist gegeben, wenn im Hinblick auf die Ziele der so genannten Schleierfahndung, nämlich die Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze oder des unerlaubten Aufenthalts und die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität, als Einschreitschwelle eine erhöhte abstrakten Gefahr beachtet wird.

Die vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof für die Durchführung der Schleierfahndung geforderte Begründung der Gefahrenlage durch Lageerkenntnisse, grenzpolizeiliche Erfahrung, Täterprofile und Hinweise, vor allem aber das Erfordernis einer "erhöhten abstrakten Gefahr" bei der Durchsuchung von Sachen, macht grundsätzlich eine Dokumentation der der Eingriffsmaßnahme zugrunde liegenden Tatsachenbasis durch die Polizei notwendig. Dies gilt jedenfalls dann, wenn aufgrund der erheblichen Eingriffsintensität besondere Anforderungen an die Erforderlichkeit der Maßnahme gestellt werden. Wenn schon für die Durchsuchung von Sachen eine ungesicherte und diffuse Tatsachengrundlage sowie allgemeine Lageerkenntnisse und grenzpolizeiliche Erfahrungssätze nicht genügen, sondern tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen müssen, die den Schluss auf die erhöhte abstrakte Gefahrenlage zulassen, gilt dies umso mehr für die Durchsuchung von Personen (Art. 21 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 PAG). Eine solche Maßnahme, die noch viel tiefer in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen eingreift und nur im Ausnahmefall in Betracht kommt, bedarf einer entsprechend gesteigerten Gefahrensituation. Die - ggf. auch stichpunktartige - Dokumentation dieser Gefahrensituation in diesen Einzelfällen dient nicht nur der Selbstkontrolle der handelnden Polizeibeamten, sondern auch der Nachvollziehbarkeit der Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben. Ohne eine solche Dokumentation ist weder der Polizei selbst noch mir eine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Maßnahme möglich. Eine Kontrolle ist aber gerade bei anlasslosen Maßnahmen mit besonderer Grundrechtsrelevanz, wie der Durchsuchung von Personen im Rahmen der Schleierfahndung, besonders wichtig.

Das Staatsministerium des Innern will - entsprechend der bisherigen Praxis - solche gravierenden Durchsuchungsmaßnahmen auch in Zukunft nicht dokumentieren lassen.

4.10. Formblätter bei DNA-Maßnahmen

Am 01.11.2005 ist das Gesetz zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse in Kraft getreten (Bundesgesetzblatt 2005 I, Seite 2360). Danach bedarf es für die molekulargenetische Untersuchung von Körperzellen zu Vergleichszwecken (§ 81 e Abs. 1 StPO) und zur Identitätsfeststellung bei Beschuldigten und Verurteilten in künftigen Strafverfahren (§ 81 g StPO) keiner richterlichen Anordnung, wenn eine schriftliche Einwilligung des Betroffenen vorliegt. Diese schließt aber die bei der DNA-Identitätsfeststellung für künftige Strafverfahren einzuhaltenden materiellen gesetzlichen Voraussetzungen der Maßnahme, wie z.B. das Vorliegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder der Prognose einer Wiederholungsgefahr, nicht mit ein. Diese müssen unabhängig davon von der Polizei geprüft und dokumentiert werden, was auch dem Betroffenen (vor Erteilung seiner Einwilligung) deutlich zu machen ist.

Ich habe die dafür vorgesehenen Formblätter geprüft und insbesondere Folgendes festgestellt:

  • Zunächst ist ein ausdrücklicher Hinweis notwendig, dass die Abgabe von Körperzellen und die Einwilligung in die DNA-Analyse freiwillig ist und eine Verpflichtung dazu nicht besteht.
  • Der Hinweis, dass bei der molekulargenetischen Untersuchung "lediglich" ein so genanntes DNA-Identifizierungsmuster erstellt wird, das ausschließlich eine Identifizierung des Betroffenen ermöglicht und insbesondere keinerlei Rückschlüsse auf die Persönlichkeit oder gar auf Erbanlagen oder Erbkrankheiten des Betroffenen zulässt, ist in dieser Absolutheit nicht haltbar. So lassen sich nach heutigen Erkenntnissen mit Hilfe der nicht-codierenden Bereiche der DNA auch das Geschlecht und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch die ethnische Abstammung bzw. Herkunft des Betroffenen und Krankheitsdispositionen (z.B. Chorea Huntington, Mukoviscidose) feststellen.
  • Notwendige Informationen der Beschuldigten und Verurteilten über die Speicherungsdauer des DNA-Identifizierungsmuster in der DNA-Analyse-Datei fehlen.
  • Es fehlt der Hinweis, dass der Betroffene seine Einwilligung widerrufen kann und Ausführungen über die Rechtsfolgen eines Widerrufs. Erfolgt der Widerruf vor der Probenentnahme, so kann diese grundsätzlich nur durch den Richter angeordnet werden. Erfolgt der Widerruf nach der Probenentnahme, aber vor der molekulargenetischen Untersuchung, sind weitere Maßnahmen grundsätzlich erst nach richterlicher Anordnung zulässig. Wird diese unanfechtbar versagt, ist die Probe zu vernichten, falls sie nicht zulässigerweise zugleich für andere Zwecke erhoben wurde (z.B. zur Feststellung der Blutalkoholkonzentration). Erfolgt der Widerruf nach der molekulargenetischen Untersuchung, halte ich eine richterliche Bestätigung der bisher getroffenen Maßnahmen für notwendig.
  • Für die Einwilligung zur Entnahme und molekulargenetischen Untersuchung von Körperzellen zu Vergleichszwecken im Strafverfahren sollten wegen rechtlich unterschiedlicher Konsequenzen für den Betroffenen zwei getrennte Formblätter verwendet werden, je nachdem, ob die Maßnahme bei einem Beschuldigten oder einem Zeugen/Dritten durchgeführt wird. Letzteren kann im Hinblick auf einen Beschuldigten ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 81 c Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 52 StPO zustehen. Sie sind deshalb im Interesse einer ausreichenden Information und damit auch der Wirksamkeit der Einwilligung darüber aufzuklären. Besteht ein Zeugnisverweigerungsrecht, sollte im Formblatt die Erklärung vorgesehen werden, dass der Betroffene darüber aufgeklärt wurde.
  • Den Betroffenen sollten - neben den Hinweisen - Kopien der Einwilligungserklärung ausgehändigt werden. Nur auf diese Weise können sich die Betroffenen auch zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal über die getroffene Maßnahme und ihr fortbestehendes Widerrufsrechts informieren. Eine Dokumentation der Aushändigung der Kopien sollte auf dem Vordruck der Einverständniserklärung vorgesehen werden.
  • Die Einwilligungserklärung und Hinweise sollten auch in anderen (gängigen) Sprachen vorliegen (z.B. Englisch), damit Verständnisschwierigkeiten mit Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Einwilligung vermieden werden.

Meine Forderungen habe ich dem Staatsministerium des Innern mitgeteilt und gebeten, die Formblätter entsprechend zu ändern. Die geänderten Formblätter liegen mir noch nicht vor.

4.11. Formblätter bei DNA-Reihenuntersuchungen

Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse am 1. November 2005, das mit § 81 h Strafprozessordnung eine gesetzliche Grundlage für Reihengentests geschaffen hat, sind in Bayern bereits Reihengentests auf der Grundlage der Einwilligung des Betroffenen durchgeführt worden. Bereits in meinem letzten Tätigkeitsbericht (vgl. Nr. 7.8) habe ich über die Durchführung einer solchen DNA-Reihenuntersuchung berichtet.

Die für die Einladung zur Speichelprobenentnahme und für die Hinweise zur Einwilligung vorhandenen Formblätter für die DNA-Analyse beim Beschuldigten im Strafverfahren oder zu Speicherung in der DNA-Analyse-Datei eigneten sich für das spezielle Verfahren der DNA-Reihenuntersuchung nicht. Es war deshalb notwendig, hierfür eigene Formblätter zu entwickeln. Dazu hat mir das Staatsministerium des Innern Entwürfe vorgelegt. Ich habe darauf hingewirkt, dass der Hinweis auf die Freiwilligkeit der Einwilligung sowohl in der Einladung als auch in der Einwilligungserklärung durch Fettdruck hervorgehoben wird. Meiner Forderung, den im Formular enthaltenen (unzutreffenden) Vergleich zwischen DNA-Identifizierungsmuster und Fingerabdruck zu streichen, ist das Innenministerium leider nicht nachgekommen. Ich halte diesen Vergleich nicht nur für falsch, sondern auch für verharmlosend, da das DNA-Identifizierungsmuster z.B. auch Hinweise auf Krankheiten geben kann (Nr. 4.10). Darauf weist eine Entschließung der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 17. Februar 2005 hin (Anlage Nr. 1).

Hinsichtlich der von der Polizei vorzunehmenden Anonymisierung des Untersuchungsmaterials habe ich bereits früher Bedenken gegenüber dem Staatsministerium des Innern gegen die Verwendung von Vornamen und dem mit einem Buchstaben abgekürzten Familiennamen erhoben. Wenigstens werden jetzt - auf meinen Anstoß hin - die für die Übermittlung an den Sachverständigen vorgesehenen Daten (Vorname, erster Buchstabe des Nachnamens, Geburtsjahr) ausdrücklich im Formblatt genannt.

Kritisiert habe ich auch die in den Entwürfen vorgesehenen missverständlichen Formulierungen im Hinblick auf die weitere Verwendung der Proben zum Abgleich mit Spuren eines neuen Tatorts (siehe hierzu 6.1.1).

4.12. Überprüfung von zwei DNA-Reihenuntersuchungen

Im zurückliegenden Berichtszeitraum habe ich zwei Reihenuntersuchungen geprüft:

Im ersten Fall war Ursache für die Maßnahme der Mord an einer Frau, bei dem am Tatort DNA-Spuren sichergestellt werden konnten, die dem Täter zugerechnet wurden. Die Ermittlungen erstreckten sich zunächst auf das unmittelbare Beziehungs- und Arbeitsumfeld des Opfers. Nachdem der DNA-Vergleich bei diesem Personenkreis negativ verlaufen war, wurde von der Polizei ein Täterprofil erstellt. Nach der Analyse sollte eine männliche Person mit sehr guter Ortskenntnis bis zu einem Alter von 45 Jahren als Täter in Betracht kommen, die zwar keinen engen Bezug, möglicherweise aber lose soziale oder berufliche Beziehung zum Opfer hatte. Auf Grund der Tatbegehungsweise wurde angenommen, dass eine entsprechende Tatwiederholung innerhalb der nächsten drei Monate wahrscheinlich sei. Deshalb entschloss sich die Polizei nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft dazu, einen DNA-Reihentest durchzuführen.

Im zweiten Fall war eine Briefbombenserie, bei der ein zunächst unbekannter Täter an verschiedene Politiker und Behördenleiter insgesamt neun Briefbomben verschickt hatte, Grund für die DNA-Reihenuntersuchung. Nach einem ersten Täterprofil sollte es sich um einen Mann mit Orts- und Personenkenntnis sowie handwerklichen Fähigkeiten handeln, der konfliktscheu sei und zurückgezogen lebe. Sofern er bereits polizeilich in Erscheinung getreten wäre, kämen nicht offene, sozialschädliche Delikte (z.B. Trunkenheit im Verkehr, Fahren ohne Fahrerlaubnis oder einfache Diebstähle) und weniger Konfrontationsdelikte wie Körperverletzung, Beleidigung usw. in Betracht. Nachdem bei weiteren Briefbomben DNA-fähiges Material sichergestellt werden konnte, es erstmalig zu Verletzungen einer Angestellten gekommen war und eine Verbesserung der Auslöse- und Zündtechnik festgestellt wurde, hat die Polizei wegen der Gefahr weiterer Anschläge nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft einen DNA-Reihentest durchgeführt.

Meine Überprüfung erstreckte sich insbesondere auf den Umfang der Reihenuntersuchung, d.h. auf die Frage, wie viele Personen und nach welchen Kriterien diese in die jeweilige Reihenuntersuchung einbezogen wurden (Nr. 4.12.1). Weiterhin habe ich überprüft, wie und unter welchen Bedingungen die Betroffenen zum Reihengentest eingeladen und die Entnahme der Speichelprobe durchgeführt wurde (Nr. 4.12.2) und ob die in diesem Zusammenhang erhobenen personenbezogenen Daten und Unterlagen von der Polizei datenschutzkonform verarbeitet wurden (Nr. 4.12.3).

4.12.1. Umfang der DNA-Reihenuntersuchung

Im Mordfall wurden nach der erfolglosen Überprüfung des unmittelbaren Umfelds der Ermordeten zunächst alle Männer im Alter zwischen 14 und 60 Jahren, die in der Wohnsiedlung unmittelbar am Tatort wohnten bzw. bis zum Jahr 2000 dort gemeldet waren, für die Untersuchung vorgesehen. Der erste Reihengentest umfasste 1165 Teilnehmer. Nachdem dieser nicht erfolgreich war, wurde eine Erweiterung des Betroffenenkreises für einen zweiten Test vorgenommen. Dabei sollten in einem Radius von fünf Kilometern vom Tatort alle Gemeinden einbezogen werden. Als weitere Schritte waren Erweiterungen des Radius um jeweils einen Kilometer vorgesehen. Auch innerhalb der einzelnen Bereiche waren Prioritäten vorgesehen. Bis zum Oktober 2003 waren insgesamt 4986 Datensätze angelegt und davon 4640 Speichelproben untersucht worden, ohne dass der Täter durch den Reihengentest überführt werden konnte. Kurze Zeit später wurde der Täter schließlich aufgrund von anderweitigen Hinweisen festgenommen.

Im Fall der Briefbombenanschläge hatten sich wegen der angenommenen guten Ortskenntnis des Täters die Ermittlungen zunächst verstärkt auf einen Gemeindebereich konzentriert. Dabei wurden die Betroffenen des Reihengentests nach bestimmten sich erweiternden Kriterien ausgewählt (Phase I bis III: 459 Personen). Ab der vierten Phase wurden erstmals auch umliegende Gemeinden einbezogen, wobei aufgrund kriminalistischer Vorarbeit nur eine Personenauswahl zum Test gebeten wurde. Insgesamt waren von der Maßnahme bis zu diesem Zeitpunkt 1764 Personen betroffen, ohne dass der Täter festgestellt werden konnte. Die Polizei entschloss sich deshalb, den Reihengentest auf alle männlichen Einwohner der betreffenden Gemeinde zwischen 17 und 70 Jahren auszudehnen. Dieser Test wurde schließlich für ein bestimmtes Wochenende geplant, wobei insgesamt 2302 Personen eingeladen wurden. Am Samstag dieses Wochenendes wurde der Reihentest abgebrochen, nachdem sich der mutmaßliche Täter offensichtlich selbst getötet hatte.

Die in beiden Fällen vorgenommene Begrenzung des Betroffenenkreises und die nur sukzessive Erweiterung nach fachlichen Kriterien begrüße ich. Allerdings war im Zusammenhang mit dem Mord die Ausweitung des Betroffenenkreises im ersten Schritt auf bis zu 60-jährige Personen für mich nicht nachvollziehbar, da die polizeiliche Analyse ein Höchstalter des Täters von 45 Jahren ergeben hatte. Die Polizei begründete dies mit der Notwendigkeit, ein in der Bevölkerung merkbares Angst- und Unsicherheitsgefühl einzudämmen. Es sei vermehrt zu offenen und anonymen Verdächtigungen von Personen gekommen, die nach objektiven Gesichtspunkten haltlos gewesen seien. Deswegen sei zur Wiederherstellung gegenseitigen Vertrauens in der Bevölkerung der Personenkreis über die Zielgruppe hinaus ausgeweitet worden, um die Möglichkeit einer Entlastung einzuräumen. Die Einbeziehung in den Kreis der Betroffenen einer DNA-Reihenuntersuchung, die sich nicht an fachlichen Gesichtspunkten und am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientiert, sondern lediglich an Stimmungslagen in der Bevölkerung, halte ich jedoch für unzulässig.

4.12.2. Haus-zu-Haus-Befragungen und Aushändigung der Hinweise

In beiden Verfahren sind viele Betroffenen im Rahmen von Haus-zu-Haus-Befragungen vor Ort um Abgabe einer Speichelprobe gebeten worden. Dabei sind ihnen auch die schriftlichen Hinweise zur Einwilligungserklärung ausgehändigt worden. Die Einwilligungserklärung wurde meist sofort unterschrieben und anschließend die Probenentnahme durchgeführt.

Für die Wirksamkeit der Einwilligung ist auch von Bedeutung, dass sich der Betroffene unbeeinflusst eine Meinung bilden kann und ihm dazu eine ausreichende Überlegungszeit zur Verfügung steht. Ich halte unter diesem Gesichtspunkt zeitlich kurz aufeinander folgende Verfahrenschritte wie Information, Aushändigung der Formblätter und Abnahme der Speichelprobe grundsätzlich für problematisch. Der Betroffene wird in seiner häuslichen Umgebung mit einer besonderen (eher belastenden) Situation konfrontiert und soll in dieser Situation in relativ kurzer Zeit im Beisein von Polizeibeamten und möglicherweise sogar unter Beobachtung Dritter entscheiden, ob er in die Teilnahme an einem DNA-Reihengentest einwilligt. Abgesehen von dieser Situation ist der Zeitraum zwischen Aushändigung des Hinweisblattes und der anschließenden Probenentnahme zu kurz. Dem Betroffenen sollte ausreichend Zeit gegeben werden, die Information unbeobachtet zu lesen, den Inhalt zu verstehen, ggf. sachkundigen Rat einzuholen und anschließend zu entscheiden, ob er einwilligen will oder nicht. Ihm sollten dafür regelmäßig mindestens 1 - 2 Tage Überlegungszeit eingeräumt werden. Zudem darf die Polizei im Rahmen eines solchen Verfahrens auch nicht den unzutreffenden Eindruck entstehen lassen, dass allein die Verweigerung der Einwilligung zwangsläufig zu einer gerichtlichen Anordnung der Maßnahme führen und der Betroffene lediglich zwischen Einwilligung und gerichtlicher Anordnung wählen könnte. Ich habe die Polizei gebeten, zukünftig von Haus-zu-Haus-Befragungen grundsätzlich abzusehen.

Weiter habe ich festgestellt, dass beim Versand der Einladungsschreiben in der Regel keine schriftlichen Hinweise zur Einwilligungserklärung mitgegeben wurden. Sie waren zum Teil erst zum Termin für die Abnahme der Speichelprobe auf den Entnahmetischen ausgelegt. Die Betroffenen seien nach Angaben der Polizei vorab ausreichend mündlich belehrt worden. Auch sei zwischen dem Durchlesen der Hinweise und der Abgabe der Einwilligung ausreichend Zeit eingeräumt worden. Das Innenministerium will leider nicht dafür sorgen, dass die Hinweise mit dem Einladungsschreiben versandt werden, da letzteres bereits über den Kern der Maßnahme und die Freiwilligkeit der Teilnahme belehre. Diese Auffassung ist für mich im Hinblick auf die nunmehr für den DNA-Reihengentest speziell vorliegenden ausführlichen schriftlichen Hinweise nicht nachvollziehbar. Trotz des Vorhandenseins dieser Hinweise sollen sie dem Eingeladenen für seine Entscheidung über die Teilnahme am Abnahmetermin nicht übersandt werden. Ein solches Verhalten halte ich nicht für akzeptabel. Ich werde Reihengentests - nunmehr auf der Grundlage des § 81 h StPO - auch in Zukunft überprüfen.

4.12.3. Datenerhebung, -abgleich und -löschung

In beiden Verfahren wurden zur Eingrenzung des Betroffenenkreises Rasterfahndungen durchgeführt. Von der Polizei waren dazu Anträge auf Einholung der richterlichen Anordnung der Rasterfahndung nach §§ 98 a, 98 b StPO bei der zuständigen Staatsanwaltschaft gestellt worden. Diesen Anträgen war vom Amtsgericht entsprochen worden. Die im § 98 b Abs. 4 Satz 2 StPO vorgesehene Unterrichtung des Landesbeauftragten für den Datenschutz nach Beendigung der Maßnahme ist allerdings in keinem Fall erfolgt. Diese Unterrichtungen hätten von der Staatsanwaltschaft veranlasst werden müssen. Zukünftig soll aber auch die ermittlungsführende Dienststelle der Polizei auf die Unterrichtung achten und zu gegebener Zeit einen entsprechenden Hinweis an die Staatsanwaltschaft geben.

Im Mordfall war den Betroffenen vor der Speichelprobe auch ein Abdruck des rechten Zeigefingers abgenommen und auf dem Meldebogen festgehalten worden. Nach Angaben der Polizei sollte diese erkennungsdienstliche Maßnahme die Verbindung von Person und Speichelprobe sicherstellen und Missbrauch verhindern. Es sei aber keine Abnahme zwangsweise durchgesetzt und jeder Betroffene über die Freiwilligkeit der Abgabe des Fingerabdrucks belehrt worden. Unabhängig davon, dass die Identifizierung des Betroffenen durch Vorlage des Personalausweises erfolgte und dies bei anderen Reihenuntersuchungen auch als ausreichend angesehen wurde, bedarf die Abnahme eines Fingerabdrucks als erkennungsdienstliche Maßnahme einer gesetzlichen Grundlage. Auch bei Einwilligung des Betroffenen ist die Maßnahme nur zulässig, wenn sie zur polizeilichen Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, ist neben einer entsprechenden Belehrung über die Freiwilligkeit der Einwilligung zum Zeitpunkt der Einladung auch eine schriftliche Einwilligungserklärung zu fordern.

In dem gleichen Verfahren waren nach Durchführung der DNA-Analyse und Vorlage des DNA-Identifizierungsmusters zwar Speichelproben und DNA-Identifizierungsmuster gelöscht worden, eine Vielzahl anderer Daten (wie z.B. Nationalität, Zweitwohnsitz) aber noch personenbezogen gespeichert, obwohl der Spurenverursacher von der Polizei bereits vor längerer Zeit identifiziert worden war. Diese Speicherungen waren für das Strafverfahren nicht mehr erforderlich. Sie hätten deshalb bereits gelöscht sein müssen.

4.13. Kontrolle einzelner Datenerhebungsmaßnahmen

4.13.1. Erkennungsdienstliche Behandlungen

Aufgrund verschiedener Eingaben hatte ich den Eindruck gewonnen, dass bei einem Polizeipräsidium eine sehr niedrige Schwelle für die Durchführung erkennungsdienstlicher Behandlungen nach § 81 b 2. Alternative StPO (zum Zwecke der vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung) besteht. Ich habe dies zum Anlass für eine datenschutzrechtliche Prüfung solcher Maßnahme genommen, wobei ich darauf geachtet habe, dass die davon Betroffenen nur mit wenigen und nicht erheblichen Straftaten im KAN gespeichert waren.

Bei einer Vielzahl der geprüften Fälle war die Maßnahme im Zusammenhang mit "einfachen" Fahrraddiebstählen bei in der Regel sehr jungen Tatverdächtigen vorgenommen worden. Nach Angaben des Polizeipräsidiums seien Fahrraddiebstähle im dortigen Bereich ein Massenphänomen. Das "besondere kriminalistische Interesse" an diesen Delikten ergebe sich aus den hohen Fallzahlen und dem daraus resultierenden Schaden. Jährlich seien durchschnittlich rund 6900 Fahrraddiebstähle zu bearbeiten. 2004 habe dies zu einem geschätzten Gesamtschaden von 2,1 Millionen Euro geführt bei einer vermuteten hohen Dunkelziffer. Durch die erkennungsdienstliche Behandlung solle eine hohe Aufklärung, aber auch eine Abschreckung der Betroffenen bewirkt werden.

Solche präventiv-polizeilichen erkennungsdienstlichen Maßnahmen kommen gegen gewerbs- oder gewohnheitsmäßig handelnde oder sonstige Rückfalltäter in Betracht. Bei anderen Beschuldigten kommt es darauf an, ob an ihnen wegen der Art, Schwere und Begehungsweise der Straftat ein besonderes kriminalistisches Interesse besteht. Maßgebend ist, ob nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Beschuldigte in ähnlicher oder anderer Weise erneut straffällig werden könnte, und ob die erkennungsdienstlichen Unterlagen zur Förderung der dann zu führenden Ermittlungen geeignet erscheinen.

Grundsätzlich kann deshalb auch ein Fahrraddiebstahl Anlass für eine präventive erkennungsdienstliche Behandlung sein. Entscheidend ist aber, dass in jedem Einzelfall die Wiederholungsgefahr ausreichend belegt ist. Diese individuelle Prüfung, die auch die Persönlichkeit des Betroffenen und strafrechtlich relevantes Verhalten in der Vergangenheit berücksichtigen muss, kann beim Fahrraddiebstahl nicht durch das kriminalistische Interesse an einem Massenphänomen ersetzt werden. Ich habe deshalb die Polizei bei einer Reihe von Betroffenen zur Löschung der Unterlagen oder - wenn die erkennungsdienstliche Maßnahme noch vertretbar erschien - zur Fristverkürzung aufgefordert. Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen:

Ein 17-Jähriger war zusammen mit seinem gleichaltrigen Freund einer Kontrolle unterzogen worden, nachdem sie gemeinsam auf einem Damenfahrrad angetroffen wurden. Nach der Anhaltung sollen die beiden nach der Herkunft des Fahrrades angesprochen sehr nervös reagiert haben. Getrennt voneinander befragt soll der Betroffene angegeben haben, dass das Fahrrad der Mutter des anderen gehöre. Auf der Fahrt zur Dienststelle habe sein Freund gegenüber der Polizei geäußert, er habe dem Betroffenen erzählt, das Fahrrad gehöre seiner Mutter. Nur deshalb habe dieser das Fahrrad mitgenommen. Diese Version des Tathergangs wurde von den beiden Beschuldigten auch in ihren schriftlichen Einvernahmen wiedergegeben. Der Wert des Fahrrades wurde auf 50 DM geschätzt. Der Betroffene war zu diesem Zeitpunkt noch nicht polizeilich in Erscheinung getreten. Trotzdem wurde eine erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO mit der Begründung ein, dass letztlich nicht definitiv zu widerlegen sei, dass sich der Beschuldigte für nutzungsberechtigt gehalten habe.

Abgesehen davon, dass aufgrund des Fahrradwertes von 50 DM hier nur der Tatvorwurf des Diebstahls geringwertiger Sachen in Betracht kam, habe ich
- angesichts des zweifelhaften Tatverdachts, vor allem aber wegen der nicht erkennbaren Wiederholungsgefahr - die erkennungsdienstliche Behandlung nicht für zulässig angesehen. Die Polizei hat auf meine Forderung hin die erkennungsdienstlichen Unterlagen vernichtet und den Vorgang aus dem KAN gelöscht.

In einem anderen Fall gehörten die Betroffenen zu einer Schülergruppe, die in der Jugendherberge untergebracht war. Die Gruppe, bestehend aus vier Personen, soll abends auf dem Rückweg zur Jugendherberge ein vor einem Geschäft stehendes Fahrrad mitgenommen und nach 40 Meter liegengelassen haben. Anschließend sollen zwei Gruppenmitglieder an einem Verkehrsschild so stark gerüttelt haben, dass sich die Stange verbogen habe. Der den Vorgang beobachtende Taxifahrer, der die Polizei benachrichtigt hatte, konnte lediglich einen der Betroffenen der tatverdächtigten Gruppe zuordnen. Die restlichen Drei konnten von ihm aufgrund der Dunkelheit nicht identifiziert werden. Die Betroffenen wurden zur Polizeidienststelle verbracht und erkennungsdienstlich behandelt. Keiner der Beschuldigten war bis zu diesem Zeitpunkt kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten. Das Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Die 18- bzw. 19-jährigen Betroffenen waren im KAN wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung und unbefugten Gebrauchs eines Fahrrades mit einer Aussonderungsprüffrist von 5 Jahren gespeichert.

Auch in diesem Fall erschien mir die erkennungsdienstliche Behandlung nicht gerechtfertigt. Bereits ein Tatverdacht von ausreichender Substanz ist jedenfalls bei drei der Betroffenen nicht erkennbar, da der einzige Zeuge lediglich einen der Beschuldigten identifizieren konnte. Darüber hinaus handelt es sich bei den Betroffenen um Schüler, die sich im Rahmen eines Schulausfluges unter Alkoholeinfluss möglicherweise übermütig verhalten haben. Die Gefahr der Begehung zukünftiger Straftaten konnte ich nicht erkennen. Die Polizei ist letztlich meiner Aufforderung, den Vorgang aus dem KAN zu löschen und die erkennungsdienstlichen Unterlagen zu vernichten, nachgekommen.

4.13.2. Einsatz des optischen Fingerabdrucksystems "Fast-Identification"

Die bayerische Polizei war im Rahmen eines Bund-Länder-Projekts unter Federführung des Bundeskriminalamts an der Entwicklung und Erprobung der Technik des optischen Fingerabdrucksystems "Fast-Identification" beteiligt. Dabei übernahm Bayern die Pilotierung der mobilen Anwendung. Im Rahmen eines Besuchs beim Polizeipräsidium Mittelfranken haben sich meine Mitarbeiter über dieses Verfahren informiert.

Bei dem Verfahren werden vom Betroffenen in der Regel zwei Finger (meist Daumen und Zeigefinger einer Hand) gescannt. Die gescannten Fingerabdrücke werden an das Bundeskriminalamt übermittelt. Dort findet der automatische Abgleich mit der AFIS-Datenbank statt. Im Falle eines Treffers wird das Ergebnis zusätzlich durch zwei daktyloskopische Sachverständige verifiziert und danach der abfragende Stelle durch Angabe einer Nummer mitgeteilt. Mit Hilfe dieser Nummer kann der abfragende Beamte die Personalien feststellen und so den Betroffenen identifizieren. Die Fingerabdrücke werden - wenn
die Anfrage keinen Treffer ergibt - bis zum Abschluss der Transaktion gespeichert. Mit dem Abmelden am Gerät sind die Daten gelöscht.

"Fast-Identification" soll die Identifizierung von Personen in den Fällen ermöglichen und beschleunigen, in denen die Feststellung der Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich ist. In der Praxis soll der Einsatz dieses Verfahrens z.B. bei der Schleierfahndung, bei Grenzkontrollen, bei Bahnkontrollen und zur Leichenidentifizierung erfolgen. Das Staatsministerium des Innern hat mir versichert, dass von den Betroffenen bei Kontrollen zunächst der Ausweis zwecks Identifizierung verlangt werde. Könne die Identität des Betroffenen auf diese Weise nachgewiesen werden und lägen keine Anzeichen für einen Missbrauch oder Fälschung des amtlichen Ausweises vor, unterbleibe der Einsatz von Fast-Identification.

Bei der Abnahme der Fingerabdrücke handelt es sich um eine erkennungsdienstliche Maßnahme mit dem Ziel der Identitätsfeststellung. Datenschutzrechtliche Bedenken gegen den Einsatz des optischen Fingerabdrucksystems habe ich nicht, wenn im Einzelfall die gesetzlichen Voraussetzungen für eine erkennungsdienstliche Maßnahme vorliegen.

4.13.3. Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen

Bei einer Dienststelle habe ich Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen zur Strafverfolgung nach § 100 a StPO überprüft. Solche Maßnahmen dürfen grundsätzlich nur durch den Richter angeordnet werden. Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung auch von der Staatsanwaltschaft getroffen werden. Sie tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen 3 Tagen von dem Richter bestätigt wird. Die Anordnung ist auf höchstens 3 Monate zu befristen (§ 100 b Abs. 2 StPO). Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11.11.1998 beginnt die gesetzliche Dreimonatsfrist, innerhalb der das nicht öffentlich gesprochene Wort abgehört werden darf, mit dem Erlass der richterlichen Anordnung und nicht erst mit dem Vollzug der Abhörmaßnahme. Von der Telekommunikationsüberwachung sind die Beteiligten zu benachrichtigen, sobald dies ohne Gefährdung des Untersuchungszwecks geschehen kann (§ 101 Abs. 1 StPO).

Nachdem sich nach Art. 30 Abs. 4 Satz 2 BayDSG meine Prüfungszuständigkeit nicht auf Datenerhebungsmaßnahmen erstreckt, die gerichtlich überprüft wurden, waren Gegenstand meiner datenschutzrechtlichen Kontrolle insbesondere die Rechtmäßigkeit der Durchführung der Maßnahme im Rahmen der richterlichen Anordnung sowie die Einhaltung der Benachrichtigungspflicht. Bei den 16 zur Prüfung ausgewählten Überwachungsmaßnahmen im Rahmen von 6 Ermittlungsverfahren konnte ich feststellen, dass für alle Maßnahmen richterliche Beschlüsse vorlagen und die Überwachung grundsätzlich im Rahmen der Beschlüsse vollzogen wurde. Mängel habe ich aber bei der Benachrichtigung der Betroffenen festgestellt, die jedoch nicht von der Polizei, sondern von der zuständigen Staatsanwaltschaft als "Herrin des Verfahrens" zu vertreten sind (siehe hier Nr. 6.3.3).

Im kommenden Berichtszeitraum werde ich mein besonderes Augenmerk auf die neu in Art. 34 a - c PAG geregelte präventive Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) richten. Die mir von der Polizei bisher mitgeteilte Anzahl dieser Maßnahmen, deutet derzeit nicht darauf hin, dass sich die präventive TKÜ an die zahlenmäßig negative Entwicklung der repressiven TKÜ anschließt. Ich werde die Entwicklung jedoch weiter beobachten und durch die Überprüfung von Einzelfällen auf die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften, insbesondere des Schutzes des Kernbereichs privater Lebensgestaltung, achten.

4.14. Automatisierte Kennzeichenerkennung

In meinem letzten Tätigkeitsbericht (Nr. 7.12.4) habe ich dargestellt, welche datenschutzrechtlichen Probleme mit der Einführung einer präventiven automatisierten Kennzeichenerkennung verbunden sind. Insbesondere die Möglichkeit des Abgleichs mit anderen polizeilichen Dateien als der Fahndungsdatei bedarf für eine abschließende Beurteilung noch der Erfahrungen in der Praxis.

Das Staatsministerium des Innern hat mir auf Nachfrage mitgeteilt, dass die automatisierte Kennzeichenerkennung außerhalb von Grenzübergängen auch an Bundesautobahnen eingesetzt wird. Auch während der Fußballweltmeisterschaft 2006 kam dieses Instrument zum Einsatz. Dabei fand kein Abgleich mit anderen polizeilichen Dateien, sondern nur mit dem Fahndungsbestand statt. Allerdings wurden die Kfz-Kennzeichen von Personen, die in der Datei "Gewalttäter Sport" gespeichert sind, für die Zeit der Fußballweltmeisterschaft in die Fahndungsdatei übernommen. Es ist schon fraglich, ob diese (befristete Übernahme) durch die entsprechenden polizeilichen Richtlinien, die den Umfang der Fahndungsdatei begrenzen, gedeckt ist. Jedenfalls stellt ein solches Vorgehen eine erhebliche Erweiterung der Fahndungsdatei dar, die bei Normierung der automatisierten Kennzeichenerkennung nicht zum Ausdruck gekommen ist. Zwar wurden die Kennzeichen der betroffenen Personen nach der Fußballweltmeisterschaft wieder aus dem Fahndungsbestand gelöscht, ich werde aber auch überprüfen, ob durch die Kennzeichenerkennung festgestellte Treffer in polizeilichen Dateien (zulässigerweise) gespeichert wurden.

4.15. Videoüberwachung öffentlicher Straßen und Plätze

4.15.1. Videoüberwachung in Innenstadtbereichen

In meinem letzten Tätigkeitsbericht (Nr. 7.13) hatte ich über die Entwicklung der polizeilichen Videoüberwachung öffentlicher Straßen und Plätze in München berichtet. Solche polizeiliche Videoüberwachung gibt es in der Innenstadt am Bahnhofsvorplatz, am Stachusrondell und am Marienplatz zur Zeit des Christkindlmarkts. Diesen Maßnahmen habe ich grundsätzlich zugestimmt. Die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung sehe ich gegeben. Zwischenzeitlich gehe ich nach wiederholten schriftlichen und persönlichen Kontakten mit dem Polizeipräsidium und entsprechenden Nachbesserungen durch die Polizei davon aus, dass auch in ausreichendem Umfang auf die Videoüberwachung am Bahnhofsvorplatz und am Stachusrondell hingewiesen wird.

Erstmals im Jahr 2005 hat das Polizeipräsidium den Christkindlmarkt videoüberwacht. Der Marienplatz, auf dem ein Großteil des vorweihnachtlichen Markts stattfindet, liegt im Zentrum der Fußgängerzone und ist ein touristischer Hauptanziehungspunkt. Dementsprechend kommt es dort vermehrt zu Straftaten, insbesondere von Taschendieben, die die Unübersichtlichkeit und das Gedränge zwischen den Verkaufbuden zu Diebstählen nutzen. Das Polizeipräsidium hat mir eine Kriminalitätsstatistik über die an bestimmten vorweihnachtlichen Veranstaltungsplätzen in München begangenen Straftaten der letzten Jahre vorgelegt. Diese weist für den Marienplatz eine vergleichsweise höhere Kriminalität aus.

Ausreichende Hinweise auf die Videoüberwachung am Marienplatz erfordern eine Beschilderung an sämtlichen Zugangswegen, einschließlich der U- und S-Bahnaufgänge. Im Rahmen eines gemeinsamen Ortstermins mit dem Polizeipräsidium wurden insgesamt 18 Hinweisschilder angebracht. Wegen des sehr kurzen zeitlichen Vorlaufs war eine Beschilderung an allen relevanten Stellen vor Beginn des Christkindlmarkts 2005 nicht mehr möglich. Zum Christkindlmarkt 2006 wurde dies erheblich verbessert.

Das Polizeipräsidium hat als Aufbewahrungsdauer für die Videoaufzeichnungen die nach Art. 32 Abs. 4 PAG maximal mögliche Speicherfrist von zwei Monaten vorgesehen. Es hat die Zeitdauer damit begründet, dass die Erfahrungen der vergangenen Jahre gezeigt hätten, dass sich aufgrund der nationalen und internationalen Besucher des Christkindlmarkts immer wieder ein zeitlich verzögertes Anzeigeverhalten von Geschädigten ergäbe bzw. strafrechtlich relevante Sachverhalte erst nachträglich bekannt würden. Zwischenzeitlich hat das Polizeipräsidium aufgrund meiner Bedenken gegen die Speicherungsdauer, diese auf einen Monat verkürzt.

4.15.2. Videoüberwachung auf dem Oktoberfest

Wie ich bereits in meinem letzten Tätigkeitsbericht (Nr. 7.13.2) berichtet habe, sind seit der Wiesn 2002 in München auf dem Wiesn-Gelände an verschiedenen Standorten Kameras installiert, mit denen während des Oktoberfests personenbezogene Bildaufnahmen angefertigt werden. Aufgrund der vom Polizeipräsidium München vorgelegten Kriminalitätsstatistiken sehe ich die gesetzlichen Voraussetzungen (Art. 32 Abs. 2 PAG) für eine polizeiliche Videoüberwachung als gegeben an und habe gegen die Durchführung dieser Videoüberwachung keine grundsätzlichen datenschutzrechtlichen Bedenken.

Allerdings habe ich wiederholt gefordert, dass auf die Videoüberwachung durch Schilder ausreichend hingewiesen wird. Während der Wiesn 2005 waren die meisten Hinweisschilder in den Schaukästen des Fremdenverkehrsamts untergebracht. Insbesondere aufgrund des Standorts der Schaukästen war diese Anbringungsart nicht geeignet, die Oktoberfestbesucher in ausreichendem Maße auf die Videoüberwachung hinzuweisen. Meine Forderung, dass deutlich sichtbare Hinweise an den Zugangswegen zum Gelände angebracht werden, konnte ich aufgrund der Kürze der Vorlaufzeit nicht mehr durchsetzen. Für die Wiesn 2006 habe ich erreicht, dass laminierte Schilder in Größe DIN A3 deutlich sichtbar bei den Zugängen angebracht wurden.

Da die Videobänder erst zwei Monate nach Erstellung der Aufnahmen gelöscht werden, habe ich - wie in meinem letzten Tätigkeitsbericht (Nr. 7.13.2) aufgelistet - für die Aufbewahrung und Auswertung der Videobänder datenschutzrechtliche Vorkehrungen, insbesondere zur Protokollierung des Zugriffs, gefordert. Die Nutzung des Filmmaterials durch Einsichtnahme in die Aufzeichnungen stellt einen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen dar, der nur zur polizeilichen Aufgabenerfüllung zulässig ist. Es ist deshalb eine Protokollierung der Datennutzung und des Datennutzers sowie des Nutzungsumfangs und des Nutzungsgrundes notwendig. Zum Zwecke der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der nachträglichen Zugriffe habe ich beim Polizeipräsidium München eine Auswertung der Protokolldatei sowie die Recherchelisten angefordert. Die Prüfung hat ergeben, dass - soweit aufgrund der Dokumentation nachvollziehbar - alle Zugriffe (mit Ausnahme von Abfragen aus technischen Gründen) zur Aufklärung oder Verfolgung von Straftaten erforderlich waren. In wenigen Fällen war allerdings der Umfang der Datennutzung nicht angegeben. Ich habe das Polizeipräsidium München aufgefordert, bei seinen Bediensteten darauf hinzuwirken, dass alle Zugriffe auf Videoaufzeichnungen vollständig protokolliert werden.

Im Zusammenhang mit der Wiesn 2005 ist das Staatsministerium des Innern wegen der Durchführung eines Pilotversuchs zur Videoüberwachung im Sammelzellenbereich der Oktoberfestwache an mich herangetreten. Es hat mir mitgeteilt, dass diese Videoüberwachung zum einen der Eigensicherung der eingesetzten Beamten und der bestehenden Fürsorgeverpflichtung dienen soll, indem die Behandlung der Arrestierten dokumentiert wird, damit bei evtl. Beschwerden Beweismittel zur Verfügung stehen. Außerdem sollen durch die Überwachung Konfliktsituationen zwischen den Arrestierten untereinander vermieden werden. Da es sich um einen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen handelt, bedarf die Maßnahme einer ausreichenden Rechtsgrundlage. Ich sehe die Maßnahme grundsätzlich als vom Hausrecht gedeckt an.

Darüber hinaus muss die Maßnahme auch dem Erforderlichkeits- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen. Ich habe deshalb insbesondere die Einhaltung folgender Voraussetzungen gefordert:

  • Die Videoüberwachung darf nur durchgeführt werden, wenn mildere Mittel zur Erreichung des Zwecks (z.B. herkömmliche Überwachungsmethoden) nicht zur Verfügung stehen oder nicht ausreichen.
  • Der Zweck der Videoüberwachung ist so eng wie möglich zu begrenzen und im Einzelnen schriftlich festzulegen. Dazu muss genau bestimmt werden, für welche Zwecke die Videoaufzeichnungen verwendet werden dürfen.
  • Die Videoüberwachung ist auf den für den Zweck der Maßnahme erforderlichen Bereich zu beschränken.
  • Die Betroffenen sind auf die Videoüberwachung durch Schilder hinzuweisen, die tatsächliche Überwachung muss für sie erkennbar sein.
  • Der Kreis der Zugriffsberechtigten ist auf das erforderliche Maß zu beschränken.
  • Aus der Protokollierung sollte sich ergeben, welche Person auf welche Sequenzen der Videoaufzeichnungen aus welchem Anlass (ggf.mit Angabe des Aktenzeichens) zugegriffen hat.
  • Die Videoaufzeichnungen dürfen nur solange aufbewahrt werden, wie dies für die Erreichung des vorgesehenen Zwecks erforderlich ist.

Aus der Sicht des Staatsministerium des Innern und des Polizeipräsidiums München hat sich die Videoüberwachung der Sammelhaftzellen als geeignetes Unterstützungsinstrumentarium (neben den vorgeschriebenen Kontrollgängen) erwiesen, um mögliche Gefährdungen von verwahrten Personen sowie von Einsatzkräften abzuwehren bzw. entsprechende Vorkommnisse oder Gefahrenlagen entsprechend verwertbar zu dokumentieren. Sie soll auch in Zukunft durchgeführt werden.

Für die Dauer der Speicherung der Videoaufzeichnungen ist die gesetzliche Höchstfrist von zwei Monaten vorgesehen. Ich bin dagegen der Auffassung, dass diese Höchstfrist für die Aufbewahrung der Aufzeichnungen nicht als Regelfrist missverstanden werden darf, sondern vielmehr in jedem Einzelfall der Videoüberwachung zu prüfen ist, welche konkrete Aufbewahrungsfrist im Rahmen der Zweimonatsfrist erforderlich und verhältnismäßig ist. Insbesondere aufgrund der Verpflichtung der Beamten zur ständigen Monitorbetrachtung sehe ich keine Erforderlichkeit, die Videoaufnahmen zwei Monate lang aufzubewahren. Das Staatsministerium des Innern hat eingewandt, dass es sich beim Oktoberfest um ein Großereignis mit internationalem Publikum handelt und daher immer mit einem zeitlich erheblich verzögerten Anzeigeverhalten der Geschädigten zu rechnen ist. Aus diesem Grund werde ich nach gegebener Zeit, wenn Erfahrungswerte vorliegen, die Erforderlichkeit der Speicherfrist nochmals überprüfen.

4.15.3. Videoüberwachung während der Fußballweltmeisterschaft 2006

Das Staatsministerium des Innern hat mir auf Nachfrage im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft u.a. mitgeteilt, dass eine polizeiliche Videoüberwachung in der Münchner Innenstadt im Bereich des Marienhofs (sog. Public-Viewing-Bereich) und des Marienplatzes vorgesehen sei. Das Polizeipräsidium München begründete diese Maßnahme damit, dass aufgrund der polizeilichen Erkenntnisse aus jährlich wiederkehrenden Großveranstaltungen (z.B. Oktoberfest, Christkindlmarkt) davon auszugehen sei, dass die Plätze auch Taschendiebe anziehen werden, die das Gedränge von Menschenmengen für die Begehung von Straftaten ausnutzen. Die Videoüberwachung stelle ein wirksames Mittel zur Bekämpfung solcher Straftaten dar. Ich habe mich - insbesondere auch im Hinblick auf die von den Sicherheitsbehörden angenommenen Gefahren von Anschlägen in den Public-Viewing-Bereichen - nicht gegen die zeitlich befristete Videoüberwachung ausgesprochen. Ich habe aber darauf hingewirkt, dass in ausreichendem Umfang Schilder angebracht wurden, die auf die Videoüberwachung hinweisen.

4.15.4. Videoaufnahmen von Versammlungsteilnehmern

Im Rahmen der Sicherheitskonferenz vom 11. bis 13.02.2005 und bei der Gegendemonstration zur "Nazi-Mahnwache" auf dem Marienplatz am 08.05.2005 wurden unter der Verantwortung des zuständigen Polizeipräsidiums Videoaufzeichnungen, auf denen Versammlungsteilnehmer erkennbar sind, angefertigt. Auch bei der NPD-Kundgebung am 02.04.2005 wurden - wie mir ein Abgeordneter des Landtags mit der Bitte um Überprüfung mitgeteilt hatte - von der Polizei Gegendemonstranten mittels Videokamera aufgezeichnet.

Bereits in den vergangenen Jahren habe ich das Polizeipräsidium mehrfach darauf hingewiesen, dass die Anfertigung von personenbezogenen Aufnahmen von Versammlungsteilnehmern zur Gefahrenabwehr nur zulässig ist, wenn eine gesicherte Gefahrenprognose bezüglich der gefilmten Personen vorliegt. Die Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen bei Versammlungen stellt nicht nur einen Eingriff in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung (Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG) dar, sondern auch in das für eine Demokratie wesentliche Grundrecht der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG). Aus diesem Grund lässt die gesetzliche Regelung der §§ 12 a, 19 a VersammlG Bildaufzeichnungen nur unter engen Voraussetzungen zu. Nach §§ 12 a, 19 a VersammlG darf die Polizei Bild- und Tonaufnahmen von Versammlungsteilnehmern nur anfertigen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen.

Zur datenschutzrechtlichen Überprüfung der Videoaufzeichnung bei den drei o.g. Veranstaltungen habe ich insgesamt 45 Videokassetten gesichtet. Dabei habe ich bei den Videosequenzen anlässlich der Sicherheitskonferenz und der NPD-Kundgebung am 02.04.2005 wieder eine Reihe von datenschutzrechtlichen Verstößen festgestellt, die auch in einem gemeinsamen Gespräch mit Mitarbeitern des Polizeipräsidiums nicht ausgeräumt werden konnten. Versammlungsteilnehmer wurden gefilmt, obwohl keine Anhaltspunkte dafür erkennbar waren, dass gerade von ihnen "erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" ausgingen. So wurden etwa bei friedlich umherstehenden Teilnehmern deren Gesichter klar erkennbar in Nahaufnahmen gefilmt. Auch Teile eines friedlichen Zuges von Gegendemonstranten wurden auf dem Weg zur Versammlung gefilmt, wobei die vorbeilaufenden Personen und Personengruppen ebenfalls individuell deutlich erkennbar waren.

Ich habe das Polizeipräsidium erneut zur Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen beim Filmen von Versammlungsteilnehmern aufgefordert und auf die Notwendigkeit einer Änderung des Filmkonzepts bei Versammlungen hingewiesen. Dazu sollte grundsätzlich vor Ort dokumentiert werden (z.B. durch Besprechen der Filmaufnahmen), welche Gründe für personenbezogene Filmaufnahmen von Versammlungsteilnehmern vorliegen. Zudem halte ich eine intensive Schulung der Verantwortlichen auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen und der dazu von mir wiederholt dargestellten Grundsätze für hilfreich, um in Zukunft Verstöße dagegen zu vermeiden. Ich habe das Polizeipräsidium aufgefordert, sämtliche Videobänder der genannten Versammlungen zu löschen, sofern sie nicht nach dem Versammlungsgesetz oder nach der Strafprozessordnung bzw. dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten weiter aufbewahrt werden dürfen.

4.15.5. Videoüberwachung im Straßenverkehr

Durch einen Presseartikel wurde ich auf einen Großversuch der Verkehrspolizei Nürnberg aufmerksam, bei dem auf Hauptverkehrsstraßen alle vorbeifahrenden Autofahrer mit "versteckten" Mobilkameras gefilmt würden, um Ordnungswidrigkeiten wegen Verstößen gegen die Gurtpflicht oder Benutzung eines Mobiltelefons während der Fahrt festzustellen und zu verfolgen. Die Filme würden auf der Dienststelle ausgewertet, wobei im Falle von Ordnungswidrigkeiten der jeweilige Fahrer herangezoomt und identifiziert werde.

Wären - wie es nach dem Artikel den Anschein hatte - alle vorbeifahrenden Autofahrer unterschiedslos personenbezogen gefilmt worden, hätte es für diese Maßnahme keine Rechtsgrundlage gegeben, weder zur Gefahrenabwehr nach dem Polizeiaufgabengesetz noch zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten. Die Maßnahme wurde deshalb zunächst eingestellt und mir Gelegenheit gegeben, mich über das Verfahren vor Ort zu informieren. Dabei stellte sich im Rahmen einer praktischen Verkehrskontrolle heraus, dass nur Fahrzeuge und Insassen gefilmt werden, bei denen ein Verkehrsverstoß vorliegt. Die Aufnahme wird nur ausgelöst, wenn für die Polizei erkennbar ist, dass ein Autofahrer nicht angeschnallt ist oder telefoniert. Eine Aufnahme von unbeteiligten Dritten findet nur in solchen Fällen statt, in denen der Verkehr besonders dicht ist, ein anderes Auto knapp voraus- oder hinterherfährt und dadurch eine Aufnahme nicht vermieden werden kann.

Gegen diese Form der Videoüberwachung habe ich keine datenschutzrechtlichen Bedenken. Jedoch habe ich gefordert, unvermeidbar aufgenommene unbeteiligte Dritte - sofern dies möglich ist - bei der nachfolgenden Auswertung unkenntlich zu machen.

4.16. Datenübermittlungen durch die Polizei

Auch in diesem Berichtszeitraum haben mich wieder Übermittlungen personenbezogener Daten durch die Polizei insbesondere auch an die Medien beschäftigt. Dabei habe ich erneut in einigen Fällen feststellen müssen, dass das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen zum Teil erheblich verletzt wurde, weil es an der erforderlichen Güter- und Interessenabwägung fehlte. Gerade bei Datenübermittlung bezüglich bekannter Personen an die Presse bestand häufig kein legitimes Informationsinteresse der Öffentlichkeit, vielmehr wurde lediglich der Sensationslust Rechnung getragen:

Einem Zeitungsartikel konnte ich entnehmen, dass Beamte einer Polizeidirektion die Tatsache der Beteiligung eines bestimmten in der Öffentlichkeit bekannten Bundesliga-Fußballspielers an einem Verkehrsunfall an die Presse weitergegeben hatten. Nachdem der Spieler von vielen Personen am Unfallort erkannt worden sei und auch Anrufe deswegen eingegangen seien, habe sich die Polizei dazu entschieden, seinen Namen zu nennen. Eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen hat die betreffende Dienststelle zunächst nicht gesehen, da der Name der Presse bereits bekannt gewesen sei.

Diese Auffassung teile ich nicht. Auch die personenbezogene Bestätigung eines bestimmten Vorgangs durch die Polizei stellt eine Datenübermittlung dar. Entscheidend hierfür ist die besondere Qualität der amtlichen Bestätigung, die die Richtigkeit der Information absichert. Gerade weil die Presse den Wahrheitsgehalt solcher Mitteilungen durch Dritte mitunter nicht eindeutig beurteilen kann, wendet sie sich vor einer Veröffentlichung an die Polizei. Hinzu kam, dass der Pressebericht aufgrund polizeilicher Mitteilung neben der konkreten Darstellung des Unfalls auch die Verletzungsfolgen des Spielers enthielt.

Im vorliegenden Fall war das Informationsinteresse der Öffentlichkeit als gering anzusehen. Die Erkenntnis, dass eine Person bei einem alltäglichen Verkehrsunfall leicht verletzt wurde, war nur im Hinblick auf die Person des Betroffenen von Interesse. Dies spricht für ein bloßes Sensationsinteresse, nicht für ein berechtigtes Informationsinteresse. Auf der anderen Seite ist das schutzwürdige Interesse des Betroffenen am Ausschluss der Übermittlung zu berücksichtigen. Die veröffentlichte Information, schuldlos an einem Verkehrsunfall beteiligt gewesen zu sein, ist für den Betroffenen zwar weniger belastend, wie beispielsweise der Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat oder ein nächtlicher Unfall, der möglicherweise dem Ansehen eines Leistungssportlers geschadet hätte. Der Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen war aber auch so von Gewicht, weil er den privaten Bereich des Betroffenen berührte. Die Interessenabwägung hätte deshalb zu einem Verzicht auf die Datenübermittlung durch die Polizei führen müssen.

Ein Bürger hatte sich an mich gewandt, da er eine unzulässige Übermittlung von Informationen über seinen verstorbenen Sohn durch die Polizei an die Presse vermutete. Wie ich dem betreffenden Artikel einer Tageszeitung entnehmen konnte, war die Person des Verstorbenen zwar anonymisiert, jedoch ließ die Summe der Informationen (Wohnort/Stadtteil, Alter, Beruf, Drogenvorgeschichte) Rückschlüsse auf die Person des Verstorbenen durch das Umfeld des Verstorbenen bzw. seiner Eltern zu.

Die Polizei hielt die Mitteilung für erforderlich, um im Interesse der präventiven Drogenbekämpfung das Bewusstsein der Bevölkerung hinsichtlich der Gefahren des Drogenmissbrauchs zu schärfen. Dieser Auffassung konnte ich nicht zustimmen. Zwar kann die Polizei von sich aus personenbezogene Daten an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs übermitteln, soweit dies zur polizeilichen Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Grundsätzlich halte ich zur Bekämpfung des Drogenmissbrauchs auch eine Übermittlung polizeilicher Informationen über Drogentote an die Presse für geeignet. Jedoch ist dabei auch dem Persönlichkeitsschutz der Angehörigen des Verstorbenen in ausreichendem Maße Rechnung zu tragen. Im vorliegenden Fall wäre es zur polizeilichen Aufgabenerfüllung ausreichend gewesen, wenn der Presse allgemein und ohne Detailinformationen zur Person des Verstorbenen berichtet worden wäre. Ich habe die Polizei auf die Unzulässigkeit der Datenübermittlung hingewiesen und sie aufgefordert, zukünftig meine Beurteilung bei Datenübermittlungen an die Presse zu beachten.

In einem anderen Fall hatte sich eine Petentin an mich gewandt, um die vermutete Weitergabe ihrer Handynummer durch einen Polizeibeamten überprüfen zu lassen. Bei der Anzeigenaufnahme wegen eines Einbruchsdiebstahls in der Wohnung ihres Freundes hatte die Petentin dem sachbearbeitenden Polizeibeamten ihre Handynummer angegeben. Die weiteren polizeilichen Ermittlungen ergaben, dass die Beschädigungen durch den Vermieter der Wohnung, der das Mietverhältnis wegen angeblich säumiger Miet- und Nebenkostenzahlungen gekündigt hatte, verursacht worden waren. Der Vermieter hatte den polizeilichen Sachbearbeiter um die Übermittlung der Telefonnummer der früheren Mieter gebeten, u.a. um seine Forderungen aus dem Mietverhältnis geltend zu machen. Das zuständige Polizeipräsidium teilte mir mit, dass der Polizeibeamte für die Weitergabe der Handynummer der Petentin ein berechtigtes Interesse des Vermieters angenommen und ein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse der Petentin nicht gesehen habe.

Bei der Überprüfung des Sachverhalts bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass die Weitergabe der Handynummer der Petentin an den Vermieter nach den polizeirechtlichen Datenübermittlungsvorschriften nicht zulässig war. Nach Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 PAG kann die Polizei auf Antrag von Personen außerhalb des öffentlichen Bereichs personenbezogene Daten übermitteln, soweit der Auskunftsbegehrende ein rechtliches Interesse an der Kenntnis der zu übermittelnden Daten glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat. Ein rechtliches Interesse ist dann anzunehmen, wenn der Empfänger die Daten zur Verfolgung subjektiver Rechtsansprüche benötigt. Die Einforderung von Mietzinsansprüchen stellt zwar grundsätzlich ein rechtliches Interesse in diesem Sinne dar. Mieter der Wohnung war aber offenbar nicht die Petentin selbst, sondern ihr Freund. Unabhängig davon, ob im vorliegenden Fall der Anspruch glaubhaft gemacht wurde, ist von der Polizei vor einer Datenübermittlung auch zu prüfen, ob der Auskunftsbegehrende nicht an eine andere Stelle, etwa die Meldebehörde verwiesen werden kann. Diese Prüfung ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Außerdem ist vor der Weitergabe der Daten eine Interessenabwägung vorzunehmen, wobei für die Polizei kein Grund zu der Annahme bestehen darf, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat. Aufgrund der Gesamtumstände musste der Polizeibeamte davon ausgehen, dass die Petentin ein schutzwürdiges Interesse hatte, dass ihre Daten nicht übermittelt werden.

Ich habe das Polizeipräsidium aufgefordert, für die künftige Beachtung dieser Rechtsauffassung Sorge zu tragen. Bei künftigen vergleichbaren Verstößen werde ich eine förmliche Beanstandung prüfen.

4.17. Abfragen im polizeilichen Informationssystem

Ich habe die in den zwei vorangegangenen Berichtszeiträumen festgestellten Probleme im Hinblick auf Abfragen Polizeibediensteter im polizeilichen Informationssystem, die ihr soziales Umfeld betrafen (vgl. Nr. 6.25 im 20. Tätigkeitsbericht und 7.19 im 21. Tätigkeitsbericht), zum Anlass genommen, eine anlassunabhängige Überprüfung von polizeilichen Datenabfragen bei allen Polizeipräsidien durchzuführen. Dazu hatte ich um Auswertung der Protokolldateien sowohl zu INPOL-alt als auch zu INPOL-neu für nicht weit zurückliegende Abfragezeiträume gebeten. Aus der übermittelten Liste habe ich für jedes Polizeipräsidium eine Anzahl von Abfragen ausgewählt und um Mitteilung des Anlasses und der Rechtsgrundlage für insgesamt 53 Datenabfragen gebeten.

Für diese 53 Datenabfragen wurden folgende Anlässe angegeben:

  • 21 Abfragen zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten (40 %),
  • 15 Abfragen zur Gefahrenabwehr (28 %),
  • 1 Abfrage zur sonstigen Aufgabenerfüllung (Aktenaussonderung) nach Art. 43 Abs. 1 Satz 2 PAG,
  • 1 Abfrage auf der Grundlage der Einwilligung der Betroffenen,
  • 15 Abfragen, bei denen sich die Polizeibediensteten nicht mehr konkret an den jeweiligen Anlass erinnern konnten (28 %).

Bei 8 Datenabfragen wurde von der Polizei ohne konkrete Angabe des Anlasses lediglich auf Schleierfahndung bzw. auf grenzpolizeiliche Kontrollen hingewiesen. Nachdem ohne konkreten Anlass lediglich der Fahndungsbestand nach Art. 43 Abs. 1 Satz 3 PAG abgerufen werden darf, habe ich unter Hinweis darauf um ergänzende Stellungnahme gebeten. Nur in einem Fall konnte ein entsprechender Anlass nachgemeldet werden. In allen anderen Fällen konnte der konkrete Anlass der Abfrage nicht mehr benannt werden. In zwei weiteren Fällen habe ich festgestellt, dass die Abfragen stellvertretend für einen anderen Polizeibediensteten durchgeführt wurden (durch einen Beamten der Einsatzzentrale bzw. den Dienstgruppenleiter), ohne dass die vorgeschriebene Protokollierung des Funkrufnamens des die Abfrage Veranlassenden erfolgt ist. Auf die Notwendigkeit einer entsprechenden Protokollierung habe ich hingewiesen.

Der Umstand, dass bei ca. jeder vierten der überprüften Abfragen kein konkreter Grund angegeben werden konnte, ist bedenklich. Er mag mit der Zahl täglicher Abfragen und dem Zeitablauf seit der Abfrage zusammenhängen. Umso dringlicher erscheint mir eine Zusatzprotokollierung des Grundes der polizeilichen Abfrage und ggf. des polizeilichen Aktenzeichens, die ich bereits im Jahr 1994 gefordert habe. Nur dadurch lässt sich die spätere Nachvollziehbarkeit und die präventive Wirkung der Protokollierung sicherstellen. Ich habe deshalb unter Bezugnahme auf das Prüfungsergebnis das Innenministerium nochmals gebeten, seine damalige ablehnende Haltung zur Einführung einer solchen Zusatzprotokollierung zu überdenken. Leider hält das Innenministerium weiter an seiner ablehnenden Haltung fest.

Bei der Überprüfung der Zulässigkeit landesweiter Datenabfragen aus der Vorgangsverwaltung (siehe Nr. 4.2) habe ich festgestellt, dass bei einer Dienststelle drei Abfragen nicht im Rahmen ihrer sachlichen Zuständigkeit gelegen hatten, sondern schwerpunktmäßig dem privaten bzw. sozialen Umfeld der abfragenden Polizeibediensteten zuzurechnen waren. Insbesondere eine dieser Datenabfragen, bei der der betreffende Beamte anlassunabhängig die polizeilichen Einsätze des vorangegangenen Wochenendes in seiner Wohnortgemeinde recherchiert hatte, war unzulässig, da sie nicht zur Aufgabenerfüllung des abfragenden Beamten erforderlich war. Auf meine Aufforderung hin hat die Dienststelle den Beamten aufgefordert, solche Datenabfragen zu unterlassen.

Ich halte es unbedingt für notwendig, dass auch die Polizei selbst anlassunabhängige Überprüfungen von Dateiabfragen durchführt. Im Hinblick auf mehrere Presseberichte in der jüngsten Vergangenheit über den Verdacht unzulässiger Dateiabfragen einer Reihe von Polizeibeamten, habe ich das Innenministerium gebeten mir mitzuteilen, ob bei den bayerischen Polizeidienststellen solche anlassunabhängigen Überprüfungen durchgeführt werden, ggf. auf Veranlassung welcher Dienststellen, in welchem Umfang, in welchen zeitlichen Abständen und mit welchen Ergebnissen. Das Staatsministerium des Innern hat dazu auf die Einführung der "anlassunabhängigen Auswahlprotokollierung" im Jahr 1998 hingewiesen. Da es mir aber keine konkreten Angaben zum Umfang und zu den Ergebnissen der darauf gestützten Überprüfungen machen konnte, habe ich diesbezüglich beim Landeskriminalamt nachgefragt. Eine Antwort steht noch aus.

Im Zusammenhang mit einer Eingabe, bei der eine Bürgerin eine unzulässige Datenabfrage eines Polizeibeamten vermutet hatte, habe ich erfahren, dass eine Protokollierung von Datenabfragen aus dem sog. Verkehrsordnungswidrigkeiten-Verfahren nicht erfolgt. Eine Überprüfung, ob eine Abfrage personenbezogener Daten der Petentin in diesem Verfahren durchgeführt wurde, war mir daher nicht möglich. Nachdem zwischenzeitlich auch für dieses Verfahren eine Protokollierung vorschrieben ist, habe ich beim Innenministerium nachgefragt, ab welchem Zeitpunkt die aus datenschutzrechtlicher Sicht notwendige Protokollierung erfolgt. Es hat mir mitgeteilt, dass bereits Vorarbeiten für eine solche Protokollierung vorgenommen wurden und eine zeitnahe Realisierung beabsichtigt ist.

4.18. Auskunftserteilung über polizeiliche Speicherungen

Auch in diesem Berichtszeitraum habe ich das Auskunftsverhalten bayerischer Polizeidienststellen
überprüft. Dazu waren auch Auskunftsablehnungen Gegenstand der Überprüfung. Weit überwiegend waren diese Ablehnungen nach Art. 48 Abs. 2 PAG rechtmäßig erfolgt. In einigen wenigen Fällen war es notwendig, die Polizei zur vollständigen Auskunftserteilung aufzufordern.

Bei einzelnen Auskünften ist mir aufgefallen, dass diese - ohne Hinweis darauf - lediglich aus dem Kriminalaktennachweis und der polizeilichen Vorgangsverwaltung erfolgt waren. Dabei ließ sich aber auch in den Fällen, in denen der Antragsteller eine generelle Auskunftserteilung verlangt hatte, für diesen nicht erkennen, dass es sich nur um eine beschränkte und nicht wie beantragt um eine umfassende Auskunft aus polizeilichen Dateien handelt. Ich halte es für notwendig, dass der Antragsteller darauf hingewiesen wird, dass ohne seinen Hinweis auf einen bestimmten Sachverhalt oder eine bestimmte personenbezogene polizeiliche Sammlung lediglich Auskunft aus Kriminal- und Vorgangsakten erteilt wird. Das Innenministerium hat die Polizeidienststellen zur Aufnahme eines entsprechenden Hinweises bei der Auskunftserteilung angehalten.