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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 1.2.2007
11. Schulen
11.1. Bekanntgabe von Noten im Unterricht
Immer wieder erhalte ich durch Eingaben davon Kenntnis, dass Lehrerinnen und Lehrer Noten - von Bewertungen mündlicher und schriftlicher Leistungen bis hin zu Zeugnisnoten - vor der gesamten Klasse im Unterricht bekannt geben.
Zu dieser Problematik weise ich auf folgendes hin:
In datenschutzrechtlicher Hinsicht handelt es sich bei Schulnoten um personenbezogene Daten im Sinne des Art. 4 Abs. 1 BayDSG. Das Verlesen von Noten vor der versammelten Klasse stellt gem. Art. 4 Abs. 6 Satz 2 Nr. 3 Buchst. a) BayDSG eine Datenübermittlung an Einzelpersonen dar und damit eine Verarbeitung. Nach der den Übermittlungsvorschriften des Bayerischen Datenschutzgesetzes gem. Art. 2 Abs. 7 BayDSG vorgehenden Spezialregelung des Art. 85 Abs. 1 Satz 1 BayEUG sind die Erhebung und die Verarbeitung von Daten nur zur Erfüllung der den Schulen durch Rechtsvorschriften jeweils zugewiesenen Aufgaben zulässig.
Für die Beurteilung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit kommt es also entscheidend darauf an, ob die Bekanntgabe von Noten im Unterricht zur Erfüllung des den Schulen in Art. 1 und 2 BayEUG gesetzlich zugewiesenen Bildungs- und Erziehungsauftrags aus pädagogischen Gründen erforderlich ist. Zu dieser Frage habe ich das Staatsministerium für Unterricht und Kultus um Stellungnahme gebeten. Das Kultusministerium hat insoweit ausgeführt, dass ein Verlesen der Noten aller Schülerinnen und Schüler vor der gesamten Klasse in der Regel pädagogisch weder sinnvoll noch erforderlich sei. Die Bekanntgabe der Noten könne ebenso unter vier Augen stattfinden. Zwar seien Fälle denkbar, in denen dies auch einmal anders zu beurteilen sei, etwa wenn sich einzelne Schüler besonders verbessert hätten im Sinne einer Vorbildwirkung. Aus pädagogischer Sicht sollte eine Verlesung aller Noten aber in den meisten Fällen unterbleiben.
Diese Haltung teile ich. Soll die Notenverkündung aus pädagogischen Gründen erfolgen, ist es ausreichend, einen Notenspiegel - also einen zahlenmäßigen Überblick über die Notenverteilung ohne Namensnennung - einschließlich Notendurchschnitt zu erstellen. Jeder Schüler kann dann unschwer feststellen, wo er leistungsmäßig in der Klasse steht.
Auch das Einholen einer Einwilligung im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 BayDSG führt nicht zur Zulässigkeit des Verlesens der Noten im Unterricht. Eine Einwilligung in die Übermittlung personenbezogener Daten kommt nur dann in Betracht, wenn die Übermittlung der Aufgabenerfüllung der Schule dient. Wie eben dargelegt, ist dies bei dem Verlesen der Noten - auch nach Auffassung des Kultusministe-riums - aber in der Regel gerade nicht der Fall. Abgesehen davon sind für eine rechtswirksame Einwilligung von der Schule die in Art. 15 Abs. 2 bis 4 BayDSG aufgestellten, strengen formellen Anforderungen (Hinweispflicht, Schriftform etc.) einzuhalten. In diesem Zusammenhang ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass das Einholen pauschaler Einwilligungen - etwa bereits bei der Anmeldung der Schülerinnen und Schüler - unzulässig ist. Die Einwilligungen sind vielmehr für jeden Einzelfall einer Datenverarbeitung einzuholen - und zwar grundsätzlich schriftlich bei allen Erziehungsberechtigten. Daher scheitert die - materiell ohnehin unzulässige - Einwilligungslösung in der Praxis bereits an diesen formellen Anforderungen.
11.2. Verpflichtung zur Teilnahme an schulischen Leistungsvergleichen
Im Rahmen einer umfangreichen Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) hat der bayerische Gesetzgeber mit Wirkung vom 1. August 2006 die Einführung einer Verpflichtung zur Teilnahme an Leistungsvergleichen beschlossen. Nach dem neuen Art. 111 Abs. 4 BayEUG kann das zuständige Staatsministerium nunmehr Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte verpflichten, an Leistungsvergleichen teilzunehmen, die Zwecken der Qualitätssicherung und -steigerung dienen.
In meiner im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens gegenüber dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus abgegebenen Stellungnahme habe ich die Einführung dieser Verpflichtung aus datenschutzrechtlicher Sicht kritisiert.
Dabei habe ich nicht bestritten, dass Leistungsvergleiche - sei es auf internationaler, nationaler oder auf Landesebene - wichtige Instrumente zur Sicherung und Steigerung der Qualität der schulischen Bildung darstellen können. Datenschutzrechtlich relevant sind auch meist weniger die eigentlichen Leistungstests selbst als vielmehr die oftmals begleitenden, umfang- und detailreichen Fragebögen für die Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern. Diese greifen teilweise erheblich über das eigentliche schulische Umfeld hinaus und in den privaten Bereich der familiären Lebensgestaltung ein.
Vor diesem Hintergrund bedurfte bislang die Teilnahme an derartigen Leistungsvergleichen der schriftlichen und informierten Einwilligung (im Sinne des Art. 15 Abs. 2 bis 4 BayDSG) aller Betroffenen. Trotz dieser formalen Hürden konnten - wie die im Rahmen von internationalen Leistungsvergleichen wie PISA, DESI oder IGLU gewonnenen Erfahrungen zeigen - jedoch genügend Teilnehmer für die Leistungsvergleiche gefunden werden, um ein zuverlässiges Bild über die Leistungsfähigkeit des schulischen Bildungswesens und dessen Vergleichbarkeit mit anderen Schulsystemen erhalten zu können. Auch aus diesem Grund habe ich gefordert, an der bewährten, datenschutzfreundlichen Praxis festzuhalten.
Darüber hinaus bringt - da bisher die Einwilligungen der Eltern für sie selbst und für ihre Kinder uno actu eingeholt wurden - meiner Einschätzung nach eine Verpflichtung letztlich auch keine nennenswerten Verfahrenserleichterungen mit sich:
- Gerade bei umfangreichen Fragenkatalogen ist es oft zweifelhaft, ob tatsächlich alle Fragen unmittelbar dem Ziel des Projektes - Zwecken der Qualitätssicherung und -steigerung - dienen. Im Hinblick auf die überschießenden Fragen ist somit auch in Zukunft die Einholung einer datenschutzkonformen Einwilligung notwendig.
- In Bezug auf Fragen, die in den privaten Bereich der familiären Lebensgestaltung eingreifen und damit - direkt oder indirekt - personenbezogene Daten der Eltern zum Gegenstand haben, muss zudem weiterhin eine datenschutzkonforme Einwilligung der Eltern eingeholt werden.
- Abgesehen davon werden nicht nur bei internationalen Schülerleistungsvergleichen wie PISA auch die Eltern der Schüler direkt befragt. Eine Teilnahmeverpflichtung der Eltern wurde aber - aus meiner Sicht zu Recht - nicht in das BayEUG eingeführt; daher ist auch insoweit die Einholung der Einwilligung der Eltern weiter erforderlich.
In diesem Zusammenhang weise ich schließlich darauf hin, dass die Verpflichtung der Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler zur Teilnahme an einem Leistungsvergleich nach dem nunmehr geltenden Recht in jedem Einzelfall einen abwägungs- und begründungsintensiven Verpflichtungsakt des zuständigen Staatsministeriums erfordert, der zudem einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden kann. Auch dieser Umstand trägt nicht zu einer Minimierung des mit der Durchführung von schulischen Leistungsvergleichen verbundenen Verwaltungsaufwandes bei.
Den Auswirkungen der Einführung einer Verpflichtung von Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften zur Teilnahme an Leistungsvergleichen auf die schulische Praxis sehe ich daher aus datenschutzrechtlicher Sicht mit Interesse entgegen.
11.3. Schülerbezogene Fragebögen und Steckbriefe im Unterricht
Durch eine Eingabe betroffener Erziehungsberechtigter erhielt ich davon Kenntnis, dass an einer Grundschule im Heimat- und Sachunterricht der 1. Klasse von der Klassleiterin so genannte "Fragebögen" und "Steckbriefe" an die Schülerinnen und Schüler verteilt worden waren.
Der zweiseitige Fragebogen enthielt dabei u.a. folgende Fragen:
- "Was waren meine ersten Worte?"
- "Wann trug ich keine Windeln mehr?"
- "Was lag als Baby in meinem Bett?"
- "Was war mein Lieblingsspielzeug als Kindergartenkind?"
- "Das waren meine Freunde/Freundinnen im Kindergarten: ..."
- "Da haben meine Eltern besonders über mich gelacht: ..."
Mit dem einseitigen Steckbrief wurden von den Kindern Geburtstag, Haarfarbe, Augenfarbe, Körpergröße, Gewicht, Lieblingstier, Lieblingssport, Lieblingsspielzeug und Freunde erfragt.
Die Fragebögen und Steckbriefe sollten von den Schülern und deren Eltern zuhause ausgefüllt und mit zwei Fotos (ein Baby- und ein aktuelles Foto) versehen werden. Anschließend sollten die Fragebögen und Steckbriefe - wie auch in den vergangenen Jahren üblich - das ganze Schuljahr über unverschlossen unter den Schülerpulten im Klassenraum aufbewahrt und erst am Schuljahresende den Schülern ausgehändigt werden.
Die betroffenen Erziehungsberechtigten sahen die Persönlichkeitsrechte ihres Kindes verletzt und lehnten die Aushändigung von Fragebogen und Steckbrief an die Klassleiterin ab. Nachdem Gespräche sowohl mit der Klassen- und Schulleitung als auch mit dem Elternbeirat ergebnislos verlaufen waren, baten sie mich um Unterstützung.
Nach Art. 15 Abs. 1 BayDSG sind die Erhebung und die Verarbeitung personenbezogener Daten der Schülerinnen und Schüler durch Fragebogen und Steckbrief mangels schriftlicher Einwilligungserklärungen der Eltern nur zulässig, wenn eine Rechtsvorschrift sie erlaubt oder anordnet. Als gesetzliche Befugnisnorm kommt hier allein Art. 85 Abs. 1 Satz 1 BayEUG in Betracht. Danach sind zur Erfüllung der den Schulen durch Rechtsvorschriften jeweils zugewiesenen Aufgaben die Erhebung und die Verarbeitung von personenbezogenen Daten zulässig.
Datenerhebung durch Fragebogen und Steckbrief
Meiner Auffassung nach war die durch Fragebogen und Steckbrief erfolgte Datenerhebung - über die Schüler, aber auch zum Teil über deren Eltern! - zur Erfüllung des der Schule durch Art. 1 und Art. 2 BayEUG zugewiesenen Bildungs- und Erziehungsauftrages im vorliegenden Fall nicht erforderlich und damit datenschutzrechtlich unzulässig.
Das von mir um Stellungnahme gebetene Staatsministerium für Unterricht und Kultus stellte sich zwar auf den Standpunkt, dass die Fragebögen und Steckbriefe u.a. zur Realisierung des Lernzieles 1.2. des Heimat- und Sachunterrichts - Ich und meine Erfahrungen: "Die Schüler betrachten besondere Ereignisse in ihrem bisherigen Leben. Sie erkennen deren Einmaligkeit und können sich daher auch ihrer eigenen Zeitlichkeit bewusst werden." sowie des Lernzieles 1.2.1. - Zeit erleben - Zeiterfahrung: "Zeitlichkeit und Veränderung der eigenen Person wahrnehmen (Einmaligkeit von Ereignissen - lineare Zeit: Das bin ich; Kleinkind, Schulkind...; Einführen einer persönlichen Zeitleiste: Fotografien, Erinnerungsstücke u.ä.)" eingesetzt worden seien und diese Lernziele auch aus Sicht des Kultusministeriums angemessen umsetzten.
Aus meiner Sicht griff dagegen die durch Fragebogen und Steckbrief erfolgte Datenerhebung tief in die Privat- und Intimsphäre und damit in das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen ein, ohne dass die Erforderlichkeit der Erhebung dieser Informationen zur Erreichung der genannten Lernziele erkennbar ist. Dies gilt insbesondere für die Fragen "Was waren meine ersten Worte?", "Wann trug ich keine Windeln mehr?", "Was lag als Baby in meinem Bett?" sowie "Da haben meine Eltern besonders über mich gelacht: ...". Es ist nicht ersichtlich, dass gerade diese Lebensereignisse zur Heranbildung des Bewusstseins der Schüler für Zeit und Zeitlichkeit Verwendung finden müssen. Gleiches gilt für die erheblich in die Privatsphäre gehenden Fragen nach den Freunden/Freundinnen im Kindergarten, dem Lieblingsspielzeug als Kindergartenkind sowie nach Körpergröße und -gewicht.
Erschwerend kam noch hinzu, dass nach Auffassung des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus "das Einbringen und Mitteilen persönlicher Vorlieben, Stärken oder Schwächen (im Unterricht) unerlässlich" sei. Ich vermag auch gegenwärtig unter keinem Aspekt zu erkennen, wozu - pars pro toto - die Kenntnis der Dauer des Windeltragens (!) sowohl bei Staat (Schule) als auch bei außenstehenden Dritten (Mitschülern) gut sein soll. Vielmehr sehe ich hier nach wie vor ein erhebliches Gefährdungspotenzial für den Betroffenen.
Ich habe das Staatsministerium für Unterricht und Kultus daher aufgefordert, den Einsatz solcher oder ähnlicher Fragebögen und Steckbriefe an den Grundschulen künftig zu unterbinden.
Aufbewahrung unter Schülerpulten
Bei dieser Gelegenheit habe ich das Staatsministerium für Unterricht und Kultus zudem allgemein darauf hingewiesen, dass die in der ungesicherten Aufbewahrung von Unterlagen mit personenbezogenen Schülerdaten unter den Schülerpulten liegende Datenverarbeitung (in Form der Datenspeicherung, Art. 4 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 BayDSG) datenschutzrechtlich unzulässig ist.
Denn zum Zugriff auf die in solchen Unterlagen (zulässigerweise gespeicherten!) personenbezogenen Daten sind nur der Schüler, seine Erziehungsberechtigten und die jeweils unterrichtende Lehrkraft berechtigt. Ein Zugriff weiterer Personen - etwa Mitschüler, Reinigungskräfte, Hausmeister sowie an außerschulischen Veranstaltungen im Klassenraum teilnehmende Personen usw. - auf diese Daten muss nach Art. 7 BayDSG durch entsprechende technische und organisatorische Maßnahmen ausgeschlossen werden. Dieses Erfordernis der Sicherung der Daten vor unberechtigtem Zugriff gewinnt insbesondere vor dem Hintergrund der Nutzung der Schulräume in den Nachmittags- und Abendstunden durch Einrichtungen der Erwachsenenbildung (etwa Volkshochschulen u.a.) erheblich an Bedeutung (vgl. dazu auch meine Ausführungen unter Nr. 11.7 dieses Tätigkeitsberichts).
Daher ist es aus datenschutzrechtlichen Gründen erforderlich, entweder die jeweiligen Unterlagen den Schülerinnen und Schülern nach dem Ausfüllen nach Hause mitzugeben - und bei Bedarf wieder kurzzeitig in den Unterricht mitbringen zu lassen - oder aber diese in einem geeigneten Behältnis (etwa Schrank im Klassenzimmer o.ä.) durch die (klassleitende) Lehrperson wegzuschließen, so dass ein Zugriff unbefugter Personen dauerhaft und zuverlässig ausgeschlossen wird.
Rundschreiben des Kultusministeriums
In Anbetracht der bayernweiten Bedeutung beider Problemfelder - offenbar ist die Verwendung schülerbezogener Fragebögen und Steckbriefe im Heimat- und Sachunterricht seit mehr als zwei Jahrzehnten geübte Praxis an den Grundschulen - habe ich das Staatsministerium für Unterricht und Kultus gebeten, meine Haltung allen Grundschulen in Bayern in einem Rundschreiben baldmöglichst - noch vor Beginn des neuen Schuljahres - zur Kenntnis zu bringen. Zunächst war das Kultusministerium hierzu überhaupt nicht bereit. Dann beabsichtigte es, meine Rechtsauffassung über Dienstbesprechungen mit den Regierungen und Staatlichen Schulämtern den Schulen in geeigneter Weise sukzessive zur Kenntnis zu bringen. Nach über einjährigen, zähen Verhandlungen auf allen Arbeits- und Leitungsebenen richtete das Staatsministerium für Unterricht und Kultus schließlich doch noch ein entsprechendes Rundschreiben an alle Schulleiterinnen und Schulleiter der bayerischen Grundschulen (KMS Nr. IV.5-5 S 7310. 1-4.22083 vom 17. Mai 2006).
11.4. Modellprojekt "fit & pfundig"
Ebenfalls aufgrund einer Eingabe von betroffenen Erziehungsberechtigten wurde ich auf das Projekt "fit & pfundig" aufmerksam. Es wurde zunächst als Modellprojekt an allen Grundschulen eines Landkreises von einer privaten (also meiner Kontrollkompetenz nicht unterliegenden) Klinikgruppe in Zusammenarbeit u.a. mit dem zuständigen Staatlichen Schulamt unter Billigung des örtlichen Gesundheitsamtes und mit Genehmigung des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus durchgeführt. Ziel des Modellprojektes war es, übergewichtigen Schülern und deren Eltern einen Weg zu einem gesundheitsbewussteren Leben aufzuzeigen. Bei Erfolg sollte das Projekt bayernweit ausgedehnt werden.
Das Projekt umfasste - grob skizziert - drei Phasen: Zunächst wurden alle ca. 5.300 Grundschulkinder in den Schulen gemessen und gewogen. Anhand von Körpergröße, Körpergewicht und Alter wurden dann die Kinder in verschiedene Gefährdungsstufen eingeteilt (erste Phase). Anschließend wurden ca. 50 gefährdete ("Gruppe gelb") und stark gefährdete Kinder ("Gruppe rot") nach Anmeldung durch die Eltern in ein zweijähriges Programm geführt, das die Kinder spielerisch an sportliche Aktivitäten und bewusstes Ernährungsverhalten heranführen sollte; in dieser (zweiten) Phase des Modellprojektes wurden weitere Gesundheitsdaten über die Schüler erhoben und an die am Projekt beteiligten Ärzte weitergeleitet. In der dritten Projektphase wurden schließlich die über ca. 30 Schüler gewonnenen Daten wissenschaftlich ausgewertet.
Meine eingehende datenschutzrechtliche Überprüfung des Modellprojekts "fit & pfundig" hat ergeben, dass in zahlreichen Punkten Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften vorlagen. Im Einzelnen:
Erste Projektphase
Bereits vor Anmeldung der Kinder zur Projektteilnahme erhoben die Klassenlehrer die für das Projekt relevanten Daten (Alter, Körpergewicht und Körpergröße) in der Unterrichtszeit und gaben diese Daten an die Projektleitung - eine außerschulische Stelle - weiter. In datenschutzrechtlicher Hinsicht lagen damit sowohl Erhebungen als auch Übermittlungen besonders geschützter Gesundheitsdaten der Schüler durch die Schule vor.
Unabhängig von der Frage, ob die genannten Datenerhebungen durch die Klassenlehrer in Erfüllung einer den Schulen gesetzlich zugewiesenen Aufgabe im Sinne des Art. 85 Abs. 1 Satz 1 BayEUG erfolgten, ist jedenfalls die Weitergabe derartiger Gesundheitsdaten an außerschulische Stellen - wie hier die Projektleitung - gem. Art. 85 Abs. 2 Satz 1 BayEUG ohne ausdrückliche Einwilligung der Erziehungsberechtigten untersagt. Wie das von mir um Stellungnahme gebetene Staatsministerium für Unterricht und Kultus selbst eingeräumt hat, wurde es jedoch hier versäumt, den datenschutzrechtlichen Anforderungen entsprechende, schriftliche Einwilligungen der Eltern einzuholen. In diesem Zusammenhang darf ich noch einmal darauf hinweisen, dass das Schriftformerfordernis des Art. 15 Abs. 3 BayDSG keine bloße Förmelei darstellt. Vielmehr findet die Schriftlichkeit der Einwilligung ihre sachliche Berechtigung darin, dass sie die informierte Freiwilligkeit der Teilnahme in höherem Maße garantiert, als dies im Rahmen einer bloß mündlich oder gar stillschweigend erklärten Einwilligung je der Fall sein könnte.
Das bloße Zusenden von Informationsmaterial an alle betroffenen Eltern konnte die schriftliche Einwilligung daher ebenso wenig ersetzen wie die Teilnahme der Eltern an Informationsveranstaltungen. Zum einen war durch diese Maßnahmen nicht gewährleistet, dass alle betroffenen Eltern vor der ersten Datenerhebung die notwendigen Informationen erhielten. Zum anderen konnte aus einem Nicht-Widerspruch der Eltern - sei es auf das Informationsschreiben, sei es bei der Informationsveranstaltung - nicht zwingend auf ein Einverständnis geschlossen werden. Zur Ausräumung aller Unsicherheiten war deshalb allein die Einholung einer schriftlichen Einwilligung geeignet.
Zudem war zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend um sensible Daten bezüglich der körperlichen Konstitution der Schüler handelte, die gem. Art. 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 BayDSG nur dann auf der Grundlage einer Einwilligung der Betroffenen erhoben, verarbeitet oder genutzt werden dürfen, wenn sich die Einwilligung ausdrücklich auf diese Daten bezieht.
Zweite Projektphase
Nach Anmeldung der Schüler zur Projektteilnahme durch die Eltern wurden in der zweiten Projektphase weitere Gesundheitsdaten über die Schüler erhoben und an die am Projekt beteiligten Ärzte weitergeleitet. Die im Anmeldeformular enthaltene Einwilligung der Eltern erfüllte zwar jetzt das Schriftformerfordernis des Art. 15 Abs. 3 BayDSG, setzte aber zahlreiche weitere datenschutzrechtliche Vorgaben überhaupt nicht oder zumindest nicht vollständig um.
- So wurde entgegen der Verpflichtung des Art. 15 Abs. 2 BayDSG weder auf die Freiwilligkeit noch auf die Folgen einer Nichtteilnahme hingewiesen. Dagegen wird im Rahmen von Forschungsprojekten und Evaluationsvorhaben in Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgabe üblicherweise darauf hingewiesen, dass die Teilnahme an dem Projekt vollkommen freiwillig ist und dass die Nichtteilnahme keinerlei nachteilige Folgen für den Betroffenen hat.
- Auch wurde nicht darauf hingewiesen, dass die Teilnahme an dem Projekt jederzeit ohne Angabe von Gründen widerrufen werden kann und dieser Widerruf keinerlei nachteilige Folgen zeitigt. Im Gegenteil wurde durch Verwendung der Formulierung "verbindlich" suggeriert, dass ein Widerruf der Teilnahme(bereitschaft) nicht möglich ist.
- Zudem fehlte der Hinweis auf das Recht des Betroffenen, auf Antrag Auskunft (u.a.) über die zu seiner Person gespeicherten Daten verlangen zu können (Art. 10 BayDSG). Ebenso wurde im Anmeldeformular nicht auf die datenschutzrechtlich verantwortliche Stelle (Art. 4 Abs. 9 BayDSG) hingewiesen. Dieser Hinweis erfolgt üblicherweise im Rahmen von Forschungsvorhaben und Evaluationsprojekten unter Angabe eines Ansprechpartners und dessen Telefonnummer, um den Betroffenen eine unkomplizierte und schnelle Möglichkeit der Kontaktaufnahme an die Hand zu geben. Der Hinweis ist auch keineswegs theoretischer Natur, da an diese Stelle (bzw. den betreffenden Ansprechpartner) ein evtl. Widerruf sowie ein evtl. Auskunftsverlangen zu richten sind.
- Soll die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt werden, ist die datenschutzrechtliche Einwilligungserklärung gem. Art. 15 Abs. 4 BayDSG im äußeren Erscheinungsbild der Erklärung (drucktechnisch) hervorzuheben. Auch diese Anforderung erfüllte das Anmeldeformular nicht.
Dritte Projektphase
In dieser Phase wurden die von den Eltern ausgefüllten, die Ernährungs- und Lebensgewohnheiten ihrer Kinder betreffenden Fragebögen zusammen mit anderen im Rahmen des Projekts gewonnenen Daten an einen Lehrstuhl einer bayerischen Universität zur Evaluierung des Projektes übermittelt. Über die eben dargestellten Mängel hinaus berechtigte die insofern auf dem Anmeldeformular eingeholte Einwilligung der Eltern allerdings ausdrücklich nur zur Übermittlung "anonymisierter Daten". Da aber tatsächlich keine wirksame und dauerhafte Anonymisierung der Daten vorlag, wurden auch in dieser Projektphase datenschutzrechtliche Bestimmungen verletzt.
Personenbezogene Daten können nur dann als im datenschutzrechtlichen Sinne anonymisiert angesehen werden, wenn sie derart verändert wurden, dass der Empfänger die Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse entweder überhaupt nicht mehr (sog. absolute Anonymisierung) oder nur noch mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft (sog. faktische Anonymisierung) einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person zuordnen kann (Art. 4 Abs. 8 BayDSG).
Demgegenüber wurde hier von der Projektleitung (zumindest auf den mir zur Überprüfung übermittelten Fragebögen) jeweils auf der ersten Seite der Fragebögen neben einer "Code-Nr." bzw. "Screening-Nr." der Name des Kindes - wenn auch durch weißes Korrekturband überdeckt - vermerkt. Damit lag keine Anonymisierung im datenschutzrechtlichen Sinne vor. Der Fragebogen wäre bereits so zu gestalten gewesen, dass er kein Feld für den Namen des Kindes enthält. Zumindest hätte bei Verwendung des vorliegenden Fragebogens die Unkenntlichmachung des Namens irreversibel erfolgen müssen. Bei einer bloßen Überdeckung mit weißem Korrekturband kann hiervon nicht die Rede sein, da sich solche Überdeckungen nach der allgemeinen Lebenserfahrung unschwer wieder entfernen lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der jeweilige Empfänger die Absicht hat, eine solche Reidentifizierung tatsächlich vorzunehmen; ausreichend ist vielmehr bereits die objektive Möglichkeit, dies zu tun.
Beanstandung
Aufgrund der dargestellten Datenschutzverstöße habe ich das Staatsministerium für Unterricht und Kultus förmlich gem. Art. 31 Abs. 1 Satz 1 BayDSG beanstandet. Die Anzahl der Verstöße war so groß und ihre Häufigkeitsverteilung auf die einzelnen Projektphasen derart signifikant - keine Projektphase war fehlerfrei -, dass das Projekt insgesamt als an erheblichen datenschutzrechtlichen Mängeln leidend angesehen werden musste. Bei meiner Entscheidung habe ich auch berücksichtigt, dass es sich hier um sensible Daten von Kindern handelte, die für eine verhältnismäßig lange Zeitspanne einem weiten Personenkreis - darunter auch den Klassenlehrern (!) - bekannt wurden oder jedenfalls bekannt werden konnten.
Ebenso durfte nicht unberücksichtigt bleiben, dass bei der durch die schulrechtliche Vorschrift des § 71 Abs. 1 Satz 1 Volksschulordnung (VSO) vorgeschriebenen Genehmigung des Projektes gegen § 71 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VSO verstoßen wurde. Nach dieser Bestimmung ist bei "Umfragen und wissenschaftlichen Untersuchungen ... in den Schulen" durch Auflagen insbesondere sicherzustellen, dass "aus der Erhebung keine Rückschlüsse auf einzelne Schüler, Erziehungsberechtigte oder Lehrkräfte gezogen werden können und die Anonymität der betroffenen Personen gewahrt bleibt". Eben diese Vorgaben wurden im Rahmen des Modellprojekts in mehrfacher Hinsicht verletzt.
Gemäß Art. 25 Abs. 1 BayDSG haben die Staatsministerien für ihren Bereich die Ausführung dieses Gesetzes sowie anderer Rechtsvorschriften über den Datenschutz sicherzustellen. Dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus war als "Projektpartner" von Beginn an das Projekt bekannt; es hätte - der vorgenannten gesetzlichen Verpflichtung entsprechend - auf die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen im Rahmen des Projektes hinwirken müssen. Dies ist leider nicht erfolgt.
Folgen
Die Projektleitung hat in der Folgezeit die von mir beanstandeten, zahlreichen Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften ausdrücklich bedauert und sich für diese Versäumnisse in aller Form entschuldigt.
Das Staatsministerium für Unterricht und Kultus hat mir mitgeteilt, dass die in der ersten Projektphase bei ca. 5.300 Kindern an den Schulen erhobenen Daten nach Auskunft der Projektleitung vollständig vernichtet worden seien. Eine Weitergabe der Daten an Dritte sei nicht erfolgt. Hinsichtlich der in der zweiten Projektphase bei ca. 50 Schülern erfolgten Datenerhebungen und -verarbeitungen seien nachträglich
- mittels der mit mir mittlerweile abgestimmten Formulare - von der Projektleitung den datenschutzrechtlichen Anforderungen entsprechende, schriftliche Einwilligungserklärungen bei den betroffenen Eltern eingeholt worden. Die ca. 30 im Rahmen der dritten Projektphase von den Eltern ausgefüllten Fragebögen seien schließlich von der Projektleitung und von dem beteiligten Lehrstuhl den datenschutzrechtlichen Vorschriften entsprechend anonymisiert worden. Nach Abschluss der wissenschaftlichen Auswertung würden die Fragebögen zudem vollständig vernichtet und das Modellprojekt beendet.
Obwohl aufgrund meiner eingehenden datenschutzrechtlichen Überprüfung und Beratung nun eine datenschutzkonforme bayernweite Ausdehnung des Projekts möglich gewesen wäre, hat mich das Staatsministerium für Unterricht und Kultus zuletzt darüber informiert, dass eine landesweite Umsetzung des Projekts "fit & pfundig" aus anderen Gründen nicht mehr vorgesehen sei.
11.5. Teilnutzungsberechtigung des Elternbeirats hinsichtlich der Schülerdatei
Die Weitergabe von bei den Schulen gespeicherten Daten und Unterlagen über Schüler und Erziehungsberechtigte - auch in Form der Gewährung der Einsichtnahme - ist immer wieder Gegenstand von Eingaben und Anfragen betroffener Bürger. Hinsichtlich der Weitergabe an außerschulische Stellen - nach der datenschutzrechtlichen Terminologie also einer
Übermittlung im Sinne von Art. 4 Abs. 6 Satz 2 Nr. 3 BayDSG - sind die gesetzlichen Bestimmungen zwar erfreulicherweise klar und eindeutig: sie ist gem. Art. 85 Abs. 2 BayEUG grundsätzlich unzulässig. Bezüglich der Weitergabe an Stellen innerhalb der Schule - nach der datenschutzrechtlichen Terminologie also einer Nutzung im Sinne von Art. 4 Abs. 7 BayDSG - ist dies jedoch leider noch nicht der Fall.
Aus dem weiten Problemkreis der Nutzung von Schülerdaten möchte ich die immer noch virulente Problematik der Teilnutzungsberechtigung des Elternbeirats hinsichtlich der Schülerdatei besonders hervorheben.
Nach Nr. 6 der Anlage 2 der "Verordnung zur Durchführung des Art. 28 Abs. 2 des Bayerischen Datenschutzgesetzes" (im folgenden: DSGArt28DV) sind die Einrichtungen zur Mitgestaltung des schulischen Lebens teilnutzungsberechtigt hinsichtlich der Schülerdatei. Die Einrichtungen zur Mitgestaltung des schulischen Lebens sind in Abschnitt IX. des BayEUG aufgeführt; hierzu zählt als Elternvertretung gem. Art. 64 ff. BayEUG auch der Elternbeirat. Die Schülerdatei ist ein zentrales, umfangreiches und grundsätzlich an jeder Schule in Bayern eingesetztes automatisiertes Verfahren zur Unterstützung der schülerbezogenen Verwaltungsarbeiten. Sie enthält u.a. persönliche Daten des Schülers und der Erziehungsberechtigten (wie Anschrift und Telefonnummer), Unterrichtsdaten, Daten zur Schullaufbahn und zu ggf. bestehendem besonderen Förderbedarf sowie Zeugnis- und Abschlussprüfungsdaten.
In Anbetracht des Umfangs und der Sensibilität der in der Schülerdatei gespeicherten Daten ist es aus datenschutzrechtlicher Sicht wesentlich, dass nur Berechtigte ausschließlich bei berechtigten Anliegen auf die Schülerdatei zugreifen dürfen. Durch die datenschutzgerechte Gestaltung der Zugriffsregelungen müssen Missbrauchsmöglichkeiten schon im Ansatz verhindert werden.
An der klaren und eindeutigen Festlegung von - je nach Aufgabenbereich spezifisch ausgestalteten, aber auch beschränkten - Zugriffsbefugnissen fehlt es jedoch bisher. Die spezialgesetzliche Regelung des Art. 85 BayEUG umfasst nur die Fälle der Erhebung und Verarbeitung von Daten, nicht jedoch den Fall der Datennutzung. Daher sind hinsichtlich der Nutzung der Schülerdatei nur die allgemeinen gesetzlichen Datenschutzvorschriften der Art. 15 und 17 BayDSG einschlägig (vgl. Nr. 4.5 Satz 1 der "Erläuternden Hinweise für die Schulen zum Vollzug des Bayerischen Datenschutzgesetzes", Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus und Wissenschaft, Forschung und Kunst vom 19. April 2001, KWMBl I S. 112, geändert durch Bekanntmachung vom 10. Oktober 2002, KWMBl S. 354). Die Nutzung der Schülerdatei durch den Elternbeirat ist demnach gem. Art. 17 Abs. 1 BayDSG nur dann zulässig, wenn sie zur Erfüllung einer dem Elternbeirat obliegenden Aufgabe - siehe insoweit Art. 65 BayEUG - erforderlich ist und für Zwecke erfolgt, für die die Daten erhoben worden sind (vgl. Nr. 4.5 Satz 2 der "Erläuternden Hinweise"). Meines Erachtens wird der gegenständliche Adressatenkreis - Schule und Elternbeirat - durch diese, als allgemeine Datenschutzregelung notwendigerweise sehr abstrakt formulierte Vorschrift nur schwer in die Lage versetzt, mit den in der Schülerdatei enthaltenen personenbezogenen Daten der Schüler und Eltern in schul- und datenschutzrechtlich einwandfreier Weise umzugehen. Auch die in Bezug auf die vorliegende Problematik allein einschlägige Verwaltungsvorschrift der Nr. 4.5 Satz 5 der "Erläuternden Hinweise" hilft in diesem Zusammenhang nicht wesentlich weiter. Hier findet sich lediglich der - meines Erachtens zudem nicht sehr klare - Hinweis: "Unter dieser Voraussetzung kann es auch zulässig sein, dass Daten an den Elternbeirat, ... weitergegeben werden, beispielsweise also dem Elternbeirat der eigenen Schule Adressdaten der Erziehungsberechtigten überlassen werden".
Aufgrund dieser sowohl für die Schulen als auch für die Einrichtungen zur Mitgestaltung des schulischen Lebens in der Praxis schwierig handhabbaren Rechts- und Weisungslage habe ich das Staatsministerium für Unterricht und Kultus zunächst um nähere Erläuterung des Umfangs der Teilnutzungsberechtigung der Einrichtungen zur Mitgestaltung des schulischen Lebens im Verfahren der Schülerdatei gebeten. Das Kultusministerium hat mir daraufhin mitgeteilt, dass die Weitergabe von Daten der Schüler und Eltern an den Elternbeirat unter äußersten Restriktionen nur für die Erfüllung der Aufgaben der Elternvertretung erfolgen dürfe. Die Daten seien innerhalb der Elternvertretung absolut vertraulich zu behandeln und dürften den Kreis dieser Eltern nicht verlassen. Weitere Vorgaben, um welche Daten es sich zur Erfüllung welcher Aufgabe handeln könnte, würden aber vom Staatsministerium nicht gemacht, da dies der Fülle der Konstellationen im Einzelfall nicht gerecht werden würde. Allgemein gelte, dass hierbei sehr restriktiv zu verfahren sei.
In Anbetracht der beim Kultusministerium sonst zu beobachtenden Normsetzungsbereitschaft haben mich diese Ausführungen erstaunt. Leider hat das Kultusministerium auch (zumindest) eine Information aller Schulen über seine - aus meiner Sicht erfreulich restriktive - Haltung in dieser Frage nicht für erforderlich gehalten. In meinem Antwortschreiben habe ich dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus daher vorgeschlagen, zur Klärung der vorliegenden Problematik der Teilnutzungsberechtigung lediglich die Nr. 4.5 der "Erläuternden Hinweise" um entsprechende Ausführungen zu Nr. 6 der Anlage 2 der DSGArt28DV zu ergänzen. Hier sollten meines Erachtens sowohl der Begriff "automatisierte Nutzung" der Schülerdatei als auch die Begriffe "teilnutzungsberechtigt" und "Einrichtungen zur Mitgestaltung des schulischen Lebens" näher erläutert werden. In diesem Rahmen wären zudem - wie beispielsweise in Nr. 4.4 der "Erläuternden Hinweise" - Beispielsfälle hilfreich. Eine abschließende Aufzählung ist dagegen auch aus meiner Sicht weder machbar noch notwendig. Da die bisherige Regelung Missbrauchsgefahren eröffnet - das derzeit zulässige "Pull-System" ermöglicht unkontrollierte Zugriffe -, habe ich weiter dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus vorgeschlagen, in Nr. 6 der Anlage 2 der DSGArt28DV generell von der Möglichkeit einer automatisierten Teilnutzung der Schülerdatei für Einrichtungen zur Mitgestaltung des schulischen Lebens abzusehen. Datenschutzfreundlich ist allein ein "Push-System", in dem der Elternbeirat im konkreten Einzelfall die Schulleitung unter näherer Begründung um Mitteilung der benötigten Daten der Eltern und Schüler ersucht. Auf die neue Rechts- und Weisungslage könnte das Kultusministerium die Schulen sodann in einem Rundschreiben aufmerksam machen. Leider hat das Staatsministerium für Unterricht und Kultus meine Anregungen nicht aufgegriffen und insbesondere weitere Hinweise derzeit für nicht erforderlich erachtet. Das Kultusministerium hat aber nochmals festgestellt, dass die Teilnutzungsberechtigung in der Praxis sehr restriktiv gehandhabt werde.
Ob die letzte Aussage bayernweit für sämtliche Schulen zutrifft, mag auch angesichts einer bei mir - fast zeitgleich - eingegangenen weiteren Anfrage eines Elternbeiratsmitglieds (!) dahingestellt bleiben. Es ist jedoch zu hoffen, dass das Staatsministerium für Unterricht und Kultus baldmöglichst - zumindest durch eine entsprechende Überarbeitung der "Erläuternden Hinweise" - nicht nur die bei allen am Verfahren der Schülerdatei Beteiligten bestehenden Unklarheiten sondern auch die immer noch existierenden Datenmissbrauchsgefahren beseitigt. Ich weise in diesem Zusammenhang nochmals darauf hin, dass eine Schule auch für ein Handeln jedes Mitglieds des Elternbeirats (datenschutz-)rechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann.
Spätestens im Rahmen der rechtlichen Umsetzung des eGovernment-Projekts "Amtliche Schuldaten" (siehe dazu Nr. 21.2 dieses Tätigkeitsberichts) werde ich diese Problematik gegenüber dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus wieder aufgreifen.
11.6. Praktikum an der eigenen Schule
Nach § 11 Abs. 5 der Schulordnung für die Fachoberschulen und Berufsoberschulen in Bayern umfasst der Unterricht in der Jahrgangsstufe 11 der Fachoberschule eine fachpraktische Ausbildung. In der Ausbildungsrichtung Wirtschaft, Verwaltung und Rechtspflege absolvieren die Schülerinnen und Schüler daher mehrere Praktika, unter anderem bei Finanzämtern und Banken. Zur Entlastung der angespannten Personalsituation im Sekretariat ist eine Fachoberschule nun auf den Gedanken gekommen, Schülerinnen und Schüler als Praktikanten an der eigenen Schule einzusetzen.
Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist dies nicht zulässig:
Nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 BayDSG sind die Verarbeitung und die Nutzung der bei einer öffentlichen Stelle - wie hier der Fachoberschule - gespeicherten personenbezogenen Daten zu Ausbildungszwecken nur zulässig, soweit nicht offensichtlich überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen - also der Personen, deren Daten gespeichert sind - entgegenstehen.
Offensichtlich überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen stehen insbesondere dann der Verwendung der personenbezogenen Daten zu Ausbildungszwecken entgegen, wenn die Betroffenen dem Auszubildenden bekannt sind und deshalb möglicherweise ein über das Ausbildungsinteresse hinausgehendes Interesse des Auszubildenden an der Kenntnis der personenbezogenen Daten der Betroffenen besteht.
Im Schulbereich ist typischerweise davon auszugehen, dass jeder Schüler zumindest einen Großteil seiner Mitschüler, deren Erziehungsberechtigter und der Lehrer persönlich kennt. Da im Sekretariat einer Schule aber nahezu ausschließlich die personenbezogenen Daten dieser Personengruppen verarbeitet und genutzt werden, besteht hier eine hohe Gefahr der zweckwidrigen Verwendung. Durch den stark eingeengten Personenkreis, dessen Daten bei einer Schule gespeichert werden, unterscheidet sich ein Praktikum bei der eigenen Schule auch wesentlich von einem Praktikum bei anderen Stellen, wie z.B. bei Finanzämtern und Banken, auch wenn ich diese nicht ganz unkritisch sehe.
Dem Einsatz von Praktikanten an der eigenen Schule stehen daher aus datenschutzrechtlicher Sicht die offensichtlich überwiegenden schutzwürdigen Interessen der Mitschüler, deren Erziehungsberechtigter und der Lehrer, deren personenbezogene Daten an der Schule gespeichert sind, entgegen.
Die zuständige Schulaufsichtsbehörde hat meine Auffassung geteilt und der betroffenen Fachoberschule den Einsatz von Schülerinnen und Schülern als Praktikanten an der eigenen Schule untersagt.
11.7. Volkshochschulkurse in Schulräumen
Nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Gesetz zur Förderung der Erwachsenenbildung (EBFöG) sollen Staat, Gemeinden und Gemeindeverbände als Sachaufwandsträger von Schulen geeignete Schulräume und geeignete Räume für Veranstaltungen sowie Lehr- und Arbeitsmittel den Einrichtungen der Erwachsenenbildung nach Möglichkeit zur Mitbenutzung überlassen.
Der Vollzug dieser - an sich eindeutigen - gesetzlichen Bestimmung bereitet im Bereich der kommunalen Schulen offenbar immer wieder Schwierigkeiten, worauf der Bayerische Volkshochschulverband e.V. mich aufmerksam gemacht hat. Nach den Erfahrungen des Verbandes versuchten zunehmend mehr Schulleiter, die abendliche Benutzung der Schulräume durch die Volkshochschulen unter Hinweis auf sonst entstehende datenschutzrechtliche Probleme zu verhindern. Da - so die Argumentation der Schullei-ter - einige Schülerinnen und Schüler nach Unterrichtsende ihre Schulhefte unter den Pulten liegen ließen, hätten die Teilnehmer von Volkshochschulkursen ansonsten abends die Möglichkeit, unberechtigterweise personenbezogene Daten der Schüler einzusehen.
In Anbetracht dieser Argumentation ist es mir ein Anliegen, in aller Deutlichkeit darauf hinzuweisen, dass datenschutzrechtliche Vorschriften, insbesondere Art. 85 BayEUG, der Überlassung von Schulräumen an Einrichtungen der Erwachsenenbildung zur Mitbenutzung nicht entgegenstehen. Um die von den Schulleitern geäußerten Bedenken auszuräumen, sollten diese die Schülerinnen und Schüler aus datenschutzrechtlichen Gründen vielmehr dazu anhalten, nach Unterrichtsschluss generell keine Schulhefte etc. unverschlossen im Klassenzimmer zu belassen. Daher kann der gem. Art. 14 Abs. 3 Bayerisches Schulfinanzierungsgesetz zur Entscheidung über die Verwendung des Schulvermögens für schulfremde Zwecke im Benehmen mit dem Schulleiter zuständige Sachaufwandsträger der Forderung des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 EBFöG gerade dann unproblematisch Folge leisten, wenn die datenschutzrechtlichen Vorgaben von den Schulen ordnungsgemäß und vollständig umgesetzt werden.
Bereits in anderem Zusammenhang (siehe Nr. 11.3 dieses Tätigkeitsberichts) habe ich das Staatsministerium für Unterricht und Kultus darauf hingewiesen, dass die (von der Schule veranlasste) ungesicherte Aufbewahrung von Unterlagen mit personenbezogenen Schülerdaten unter den Schülerpulten datenschutzrechtlich unzulässig ist. Denn zum Zugriff auf solche Unterrichtsmaterialien sind nur der Schüler, seine Erziehungsberechtigten und die jeweils unterrichtende Lehrkraft berechtigt. Ein Zugriff weiterer Personen - etwa Mitschüler, Reinigungskräfte, Hausmeister sowie an außerschulischen Veranstaltungen im Klassenraum teilnehmende Personen usw. - auf diese Daten muss nach Art. 7 BayDSG durch entsprechende technische und organisatorische Maßnahmen zuverlässig ausgeschlossen werden. Dieses Erfordernis der Sicherung der Daten vor unberechtigtem Zugriff gewinnt insbesondere vor dem Hintergrund der Nutzung der Schulräume in den Nachmittags- und Abendstunden durch Einrichtungen der Erwachsenenbildung erheblich an Bedeutung.
Aufgrund der Mitteilung des Bayerischen Volkshochschulverbandes e.V. habe ich das Staatsministerium für Unterricht und Kultus über die im Zusammenhang mit der Überlassung von Schulräumen an Einrichtungen der Erwachsenenbildung zur Mitbenutzung aufgetretenen Probleme informiert. Das Kultusministerium hat sich erfreulicherweise meiner Rechtsauffassung angeschlossen. Auch aus Sicht des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus erscheine es pädagogisch nicht unbedingt sinnvoll, Schulhefte in der Schule zurückzulassen. Das Kultusministerium habe die Sachaufwandsträger von Schulen wiederholt daran erinnert, den Einrichtungen der Erwachsenenbildung gem. Art. 12 Abs. 1 Satz 1 EBFöG geeignete Schulräume für Veranstaltungen zur Mitbenutzung zu überlassen. Wie von mir dargelegt, stehen dem die von den Schulleitern vorgebrachten datenschutzrechtlichen Bedenken nicht entgegen.