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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 12.12.2002
9. Gemeinden, Städte und Landkreise
9.1. Änderung des Landeswahlgesetzes
Im Berichtszeitraum wurde das Landeswahlgesetz geändert (Gesetz zur Änderung des Landeswahlgesetzes vom 24. Juni 2002, GVBl. S. 242). Aus datenschutzrechtlicher Sicht sind insbesondere folgende Regelungen von Bedeutung:
In Art. 4 wurde die öffentliche Auslegung des Wählerverzeichnisses in Angleichung an das Bundeswahlrecht (vgl. § 17 BWG) durch ein Recht auf Einsichtnahme in das Wählerverzeichnis unter bestimmten Voraussetzungen ersetzt. Jede stimmberechtigte Person hat danach zunächst die Möglichkeit, die Richtigkeit oder Vollständigkeit der zu ihrer Person im Wählerverzeichnis eingetragenen Daten zu überprüfen. Zur Überprüfung der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Daten von anderen im Wählerverzeichnis eingetragenen Personen haben Stimmberechtigte darüber hinaus nur dann ein Recht auf Einsicht in das Wählerverzeichnis, wenn sie Tatsachen glaubhaft machen, aus denen sich eine Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Wählerverzeichnisses ergeben kann. Das Recht zur Überprüfung besteht nicht hinsichtlich der Daten von Stimmberechtigten, für die im Melderegister ein Sperrvermerk gemäß Art. 34 Abs. 5 MeldeG eingetragen ist; solche Daten werden schon bisher nach § 18 Abs. 2 Satz 2 LWO nicht öffentlich ausgelegt.
Die unbeschränkte Möglichkeit zur Einsichtnahme in das Wählerverzeichnis war nach meinem Dafürhalten nicht mit dem Recht des Bürgers auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar. Der Verzicht auf die öffentliche Auslegung des Wählerverzeichnisses wurde deshalb bereits seit längerem von mir gefordert (vgl. 19. TB Nr. 8.2). Damit wurde auch der Tatsache Rechnung getragen, dass in der Vergangenheit von der Möglichkeit der Einsichtnahme in das Wählerverzeichnis in der Praxis kaum Gebrauch gemacht wurde.
In Art. 7 Abs. 4 wird für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten von Stimmberechtigten zum Zweck ihrer Berufung zu Mitgliedern von Wahlvorständen eine Rechtsgrundlage im Landeswahlgesetz geschaffen. Die Verarbeitung und Nutzung der Daten für künftige Abstimmungen ist aber nur zulässig, wenn die Betroffenen dem nach einer Unterrichtung über ihr Widerspruchsrecht nicht widersprochen haben. Die zulässiger Weise zu erhebenden und zu verarbeitenden Daten werden im Gesetz nunmehr abschließend aufgeführt.
Art. 7 Abs. 5 enthält eine Rechtsgrundlage für die Übermittlung personenbezogener Daten von Bediensteten bayerischer Behörden an die Gemeinden zur Bildung von Wahlvorständen. Die Datenübermittlung setzt ein entsprechendes Ersuchen der Gemeinde an die betreffende Behörde voraus. Die zu übermittelnden Daten sind dabei ebenfalls bereichsspezifisch abschließend aufgezählt. Die ersuchte Stelle hat die Betroffenen über die übermittelten Daten und den Empfänger zu benachrichtigen.
9.2. Einsichtnahme in Wählerverzeichnisse
Im Rahmen der Kommunalwahlen 2002 habe ich vor der Stichwahl am 17.03.2002 einen Hinweis erhalten, es habe möglicherweise unzulässige Einsichtnahmen in Wählerverzeichnisse einer Stadt oder einen entsprechenden Versuch gegeben. Zwar hat sich der Vorgang, über den in den Medien umfassend berichtet wurde, nicht bestätigt. Ich nehme ihn jedoch zum Anlass darauf hinzuweisen, dass Wählerverzeichnisse nur zur Feststellung der Wahlberechtigung, zur Verhinderung einer mehrfachen Stimmabgabe und im Rahmen des Art. 101 Abs. 2 GLKrWO genutzt werden dürfen. Nach § 101 Abs. 1 GLKrWO sind sie so zu verwahren, dass sie gegen Einsichtnahme durch Unbefugte geschützt sind. Auskünfte aus Wählerverzeichnissen dürfen nach Art. 101 Abs. 2 GLKrWO nur Behörden, Gerichten und sonstigen amtlichen Stellen und nur dann erteilt werden, wenn sie für den Empfänger im Zusammenhang mit der Abstimmung erforderlich sind. Ein solcher Anlass liegt insbesondere bei Verdacht von Wahlstraftaten, bei Wahlprüfungsangelegenheiten und bei wahlstatistischen Arbeiten vor. Nach §102 Abs. 2 GLKrWO sind Wählerverzeichnisse nach Ablauf von sechs Monaten seit der Abstimmung zu vernichten, wenn nicht die Rechtsaufsichtsbehörde mit Rücksicht auf ein schwebendes Verfahren über die Wahlanfechtung, Berichtigung oder Ungültigerklärung der Wahl etwas anderes anordnet oder sie für die Strafverfolgungsbehörde zur Ermittlung einer Wahlstraftat von Bedeutung sein können.
9.3. Beantragung eines Wahlscheins in elektronischer Form
Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 der Bundeswahlordnung kann die Beantragung von Wahlscheinen für die Bundestagswahlen nun auch per E-Mail oder durch sonstige dokumentierbare Übermittlung in elektronischer Form (z.B. Antragstellung per Internet-Formular) erfolgen. Das Bayerische Staatsministerium des Innern teilte mir auf Anfrage mit, dass es die Antragstellung auf Erteilung von Wahlscheinen per E-Mail oder durch sonstige Übermittlung in elektronischer Form nicht von besonderen Anforderungen, wie z. B. digitale Signatur, Verschlüsselung o. ä., abhängig machen will. Dies sei trotz der Risiken nicht erforderlich, da der Antrag per E-Mail bzw. per Internet nur eine weitere Möglichkeit der Beantragung des Wahlscheines für den Wahlberechtigten darstellte. Da die Risiken der elektronischen Kommunikation allgemein bekannt seien, müsse es dem Wahlberechtigten selbst überlassen werden, ob er für die Antragstellung ein elektronisches Kommunikationsmittel (also eine Art "offene Postkarte") verwenden wolle oder ob er eine Antragstellung auf dem herkömmlichen Weg per Post bzw. eine persönliche Antragstellung bevorzuge.
Aus datenschutzrechtlicher Sicht habe ich gegen die Nutzung der modernen Informations- und Kommunikationsmittel (E-Mail oder sonstige dokumentierbare Übermittlungen in elektronischer Form) bei der Wahlscheinbeantragung keine grundsätzlichen Bedenken. Die Kommunen sollten allerdings, sofern sie dem Wahlberechtigten die Nutzung der modernen Informations- und Kommunikationsmittel bei der Wahlscheinbeantragung anbieten wollen, ausdrücklich auf ihrer eigenen Homepage darauf hinweisen, dass die Methoden zur Übermittlung von Daten über das Internet nicht als sicher betrachtet werden können. Ich habe beim Bayerischen Staatsministerium des Innern daher angeregt, die Kommunen in geeigneter Form (z. B. per Verwaltungsvorschrift oder Rundschreiben) darüber zu unterrichten, dass der Bürger auf die Gefahren bei der Nutzung moderner Kommunikationsmittel hinzuweisen ist.
Insbesondere zu der Alternative "Antragstellung per Internet-Formular" habe ich das Bayerische Staatsministerium des Innern des Weiteren außerdem darauf hingewiesen, dass gemäß § 4 Abs. 4 Ziffer 3 Teledienstedatenschutzgesetz (TDDSG) der Diensteanbieter, hier die betreffende Kommune, durch technische und organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen hat, dass "der Nutzer Teledienste gegen Kenntnisnahme Dritter geschützt in Anspruch nehmen kann". Dies lässt sich nur durch die Verwendung geeigneter Verschlüsselungsmethoden sicherstellen. Bei "Internet-Formularen" bedeutet dies derzeit die Verwendung von SSL-Verschlüsselung. Eine unverschlüsselte Übertragung kann somit (grundsätzlich) nur akzeptiert werden, sofern der Nutzer über die Risiken umfassend informiert wurde und ihm Alternativen (hier: Postversand) angeboten werden. Ich habe beim Bayerischen Staatsministerium des Innern angeregt, dass es darauf hinwirkt, dass von den Kommunen für das Übertragen der Wahlscheinanträge mittels "Internet-Formular"
- zunächst standardmäßig SSL-Verschlüsslung (SSL v3 mit 128 Bit) eingesetzt wird,
- als zweite Option eine unverschlüsselte Übertragung angeboten wird - nach einer umfassenden Information über die Risiken und nach gezielter Auswahl des Nutzers evtl. mit erneutem Hinweis auf die damit verbundenen Risiken und erzwungener Bestätigung der Kenntnisnahme durch den Nutzer vor dem eigentlichen Absenden des Antrags - und
- als dritte Option auf die postalische Übersendungsmöglichkeit hingewiesen wird.
Diese nach TDDSG zwingend erforderlichen Informationen können technisch z. B. in einem Informationsfenster mit den entsprechenden Auswahlmöglichkeiten der vom Nutzer bevorzugten Option ohne weiteres realisiert werden. Auch die Verwendung von SSL auf dem jeweiligen Web-Server ist heutiger Stand der Technik und ohne großen Aufwand realisierbar.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat auf meine oben genannten Anregungen hin die Kommunen in einem Rundschreiben entsprechend unterrichtet.
9.4. Veröffentlichung von Sitzungsvorlagen im Internet
Eine Gemeinde hat mich gebeten zu prüfen, ob gegen eine Veröffentlichung von Sitzungsvorlagen für öffentliche Sitzungen der gemeindlichen Gremien im Internet datenschutzrechtliche Bedenken bestehen. Ich vertrete dazu folgende Auffassung:
Bei einer Veröffentlichung von Sitzungsvorlagen im Internet bestehen die gleichen Gefahren wie bei einer Veröffentlichung von Sitzungsniederschriften. Dies sind insbesondere die Möglichkeit einer weltweit automatisierten Auswertung der Veröffentlichung nach verschiedenen Suchkriterien, die beliebig miteinander verknüpft werden können, sowie die internetspezifischen Gefahren für die Datensicherheit. Im Einzelnen verweise ich dazu auf meinen Betrag im 18. Tätigkeitsbericht unter der Nr. 8.9 zur Veröffentlichung von Niederschriften über öffentliche Sitzungen des Gemeinderats im Internet und auf den Kommentar zum BayDSG, Wilde/Ehmann/Niese/Knoblauch, Handbuch XII.8a).
Sitzungsvorlagen für öffentliche Sitzungen gemeindlicher Gremien sind interne Ausarbeitungen der Verwaltung für den Gemeinderat bzw. den Ausschuss. Soweit sie personenbezogene Daten enthalten kommt aus datenschutzrechtlicher Sicht eine Weitergabe an Dritte (hier weltweit an eine Vielzahl unbestimmter Personen) mangels einer bereichsspezifischen Regelung nur unter den Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 1 des Bayerischen Datenschutzgesetzes (BayDSG) in Betracht.
Nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 BayDSG setzt die Übermittlung personenbezogener Daten an nicht-öffentliche Stellen u. a. voraus, dass sie zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der übermittelnden Stelle liegenden Aufgaben erforderlich ist. Sitzungsvorlagen sind wie gesagt Ausarbeitungen der Gemeindeverwaltung, die im Rahmen der Vorbereitung der Beratungsgegenstände durch den ersten Bürgermeister gemäß Art. 46 Abs. 2 Satz 1 GO den Gemeinderatsmitgliedern zur internen Information zur Verfügung gestellt werden. Zur Information der Gemeinderatsmitglieder ist eine Veröffentlichung der Sitzungsvorlagen im Internet nicht erforderlich. Da eine derartige Datenübermittlung somit zur Aufgabenerfüllung der Gemeinde nicht erforderlich ist, scheidet Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 BayDSG als Rechtsgrundlage aus.
Nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 BayDSG ist die Übermittlung personenbezogener Daten an nicht-öffentliche Stellen zulässig, wenn die nicht-öffentliche Stelle ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der zu übermittelnden Daten glaubhaft darlegt und der Betroffene kein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat. Ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis interner Sitzungsunterlagen mit personenbezogenem Inhalt besteht nicht.
Außerdem müssen die Bürger grundsätzlich darauf vertrauen können, dass mit ihrer Angelegenheit nur die zuständigen Stellen befasst werden und der Vorgang im internen Verhältnis Bürger-Verwaltung-Entscheidungsgremium verbleibt.
Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist eine Veröffentlichung von Sitzungsvorlagen im Internet daher nur dann zulässig, wenn diese durch Kürzen, Schwärzen etc. so abgeändert werden, dass sie nur noch Informationen enthalten, die ohne Bedenken der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden dürfen. Da jedoch auch bei einer Veröffentlichung derart "bereinigter Sitzungsvorlagen die vom Staatsministerium des Innern unten unter der Nr. 3 dargestellten Probleme bestehen, muss auch aus datenschutzrechtlicher Sicht generell von einer Veröffentlichung von Sitzungsvorlagen im Internet abgeraten werden.
Das Staatsministerium des Innern, das ich in der Angelegenheit um Stellungnahme gebeten habe, teilte dazu aus kommunalrechtlicher Sicht Folgendes mit:
- Zunächst weist auch das Innenministerium darauf hin, dass es sich bei den Sitzungsvorlagen grundsätzlich um Ausarbeitungen handelt, die zur internen Information der Gemeinderatsmitglieder bestimmt sind.
Ferner gibt es zu bedenken, dass auch bei den Sitzungsvorlagen für öffentliche Sitzungen geheimhaltungsbedürftige Angelegenheiten im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GO enthalten sein können.
- Eine Veröffentlichung der Sitzungsvorlagen ist nach Auffassung des Ministeriums daher allenfalls dann zulässig, wenn sowohl der Bürgermeister als auch der Gemeinderat der Veröffentlichung zugestimmt haben und in den Sitzungsvorlagen nur Tatsachen enthalten sind, die entweder offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Die Sitzungsunterlagen müssten daher jeweils individuell auf ihre Veröffentlichungsfähigkeit überprüft werden. Gegebenenfalls müssten sie durch Kürzen und Schwärzen so abgeändert werden, bis sie nur noch die Informationen enthalten, die ohne Bedenken der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können.
Dies gelte insbesondere für Sitzungsvorlagen, in denen personenbezogene Daten enthalten sind. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz führe in seinem 19. Datenschutzbericht (Nr. 8.9) zu Recht aus, dass ein Bürger grundsätzlich darauf vertrauen können muss, dass mit seinem Anliegen nur die zuständigen Stellen befasst werden und sein Schreiben im internen Verhältnis Bürger-Verwaltung-Entscheidungsgremium verbleibt. Es könne nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass der Bürger damit einverstanden ist, dass seine Formulierungen im Einzelnen in vollem Umfang der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.
Eine Geheimhaltungsbedürftigkeit könne sich zum Beispiel aber auch daraus ergeben, dass der Gemeinde aus der Veröffentlichung taktischer Überlegungen ein Schaden entstehen könnte (z. B. Kaufpreisüberlegungen).
- Aber auch die Veröffentlichung derart ,,bereinigter Sitzungsvorlagen wirft nach Auffassung des Innenministeriums folgende grundsätzliche Probleme auf:
- Die unter Nr. 2 gemachten Ausführungen zeigten, dass es eines hohen Verwaltungsaufwandes bedarf, um sämtliche Sitzungsvorlagen so zu ,,bereinigen, dass sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können. Dabei steigt auch - je umfangreicher eine Sitzungsvorlage ist - das Risiko, dass geheimhaltungsbedürftige Angelegenheiten aus Versehen veröffentlicht werden.
- Um den hohen Verwaltungsaufwand, den eine Veröffentlichung der Sitzungsvorlagen im Internet bedeutet, zu verringern und um das Risiko der Veröffentlichung geheimhaltungsbedürftiger Angelegenheiten zu vermeiden, werden die Sitzungsvorlagen für den Gemeinderat in der Praxis voraussichtlich in Umfang und Inhalt erheblich reduziert werden. Darunter würde aber die Qualität der vorherigen Information der Mitglieder des Gemeinderats sowie deren Möglichkeit, sich auf die jeweiligen Tagesordnungspunkte vorzubereiten, leiden.
- Werden die Sitzungsvorlagen vor der Sitzung im Internet veröffentlicht, wird die Diskussion zu den Tagesordnungspunkten in der Öffentlichkeit auch bereits vor der betreffenden Gemeinderatssitzung anhand der Sitzungsvorlagen geführt werden. Dadurch steigt die Gefahr, dass die öffentliche Meinung bereits in hohem Maße durch die Medien detailliert festgelegt wird und eine freie, ungezwungene Beratung und Beschlussfassung im Gemeinderat erheblich erschwert wird.
- Bei einer Veröffentlichung im Internet könnten die eingestellten Informationen weltweit abgerufen und elektronisch ausgewertet werden (Erstellung von ,,Profilen). Darüber hinaus könne nicht sichergestellt werden, dass der Bürger jederzeit auf vollständige und unverfälschte Sitzungsvorlagen zugreifen kann (vgl. insoweit auch Nr. 8.9 des 18. Datenschutzberichts). In diesem Zusammenhang könnten sich für die Gemeinde unter Umständen auch haftungsrechtliche Folgen ergeben.
Auch aus Sicht des Innenministeriums ist eine Veröffentlichung der Sitzungsvorlagen im Internet daher zwar grundsätzlich rechtlich nicht unzulässig, wenn die oben erwähnten Vorgaben beachtet werden, von einer Veröffentlichung rät jedoch auch das Ministerium ab.
9.5. Meldung einer öffentlichen Musikveranstaltung gemäß Art. 19 LStVG an die GEMA
Durch eine Eingabe bin ich darauf aufmerksam gemacht worden, dass verschiedene Gemeinden Abdrucke sicherheitsrechtlicher Anzeigen öffentlicher Veranstaltungen (nach Art. 19 Landesstraf- und Versordnungsgesetz - LStVG) an die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) weiterleiten. Das geschieht, wenn der Anzeigende folgende Formulierung auf dem Formular, auf dem er seine Angaben zu der Veranstaltung macht, durch seine Unterschrift mit abgedeckt hat: "Ein Abdruck ist als Aufführungsmeldung an die GEMA weiterzuleiten." Ich vertrete dazu folgende Auffassung:
Da es für die Übermittlung der Daten aus der Anzeige nach Art. 19 LStVG von der Gemeinde an die GEMA keine Rechtsgrundlage gibt, ist die Weitergabe der Daten gemäß Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 BayDSG nur zulässig, wenn der Anzeigende hierzu seine rechtswirksame Einwilligung erklärt hat. Die zitierte Formulierung auf den Anzeigenvordrucken entspricht nicht den datenschutzrechtlichen Anforderungen an eine rechtswirksame Einwilligung, da der Einwilligende vorher nicht ausreichend über die Tragweite seiner Einwilligung informiert wird. Die konkrete Situierung der Formulierung "ein Abdruck ist als Aufführungsmeldung an die GEMA weiterzuleiten" mit dem Feld "Ort und Tag" neben der Unterschrift des Veranstalters ist durchaus missverständlich. Diese Vordruckgestaltung kann bei dem Unterschreibenden auch den Eindruck auslösen, dass die Weiterleitung an die GEMA sich aus einer vorgegebenen Verpflichtung ergibt, und das freie Feld "Ort und Tag" sich auf Ort und Tag der Anmeldung nach Art. 19 LStVG bezieht. Es ist durchaus nicht gesichert, dass jedem klar ist, dass er mit dem Ausfüllen des freien Feldes "Ort und Tag" und der Unterschrift gleichzeitig sein freies Einverständnis zur Weiterleitung der Aufführungsmeldung an die GEMA geben soll.
Wenn überhaupt an einer Einverständniserklärung in dem Anmeldeformular festgehalten werden soll, so müsste die Erklärung klar und unmissverständlich dahin gehend formuliert werden, dass keine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Abgabe dieser Erklärung besteht (etwa durch den Satz "Ich bin damit einverstanden, dass die Gemeinde für eine Anmeldung meiner Veranstaltung bei der GEMA einen Abdruck dieser Anzeige an die GEMA weiterleitet" und durch die Aufnahme von Ja/Nein-Feldern, mit deren Ankreuzung dieser Wille unmissverständlich kundgetan wird), weiter müsste die Einwilligungserklärung deutlich im Text (z. B. durch Fettdruck, großer Schrifttyp oder Umrahmung des Textes) hervorgehoben werden. Die Vordrucke wären so zu gestalten, dass die für die GEMA nicht erforderlichen Daten, z. B. die Kostenentscheidung der Gemeinde, nicht weitergeleitet werden.
Zulässig wäre nach meiner Auffassung auch ein Verfahren, bei dem die Gemeinden für die Veranstalter lediglich die von der GEMA zur Verfügung gestellten Anmeldevordrucke als Service auslegen, ohne weiteren Einfluss auf die Anmeldung bei der GEMA zu nehmen.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern teilt meine Auffassung. In einem Rundschreiben an die Regierungen hat es auf die Anforderungen hingewiesen, die beachtet werden müssen, wenn das Anmeldeformular eine Einverständniserklärung zur Datenweitergabe beinhalten soll. Alternativ ist auch nach Auffassung des Ministeriums eine freiwillige Bereithaltung von gesonderten GEMA-Anmeldevordrucken bei den Gemeinden denkbar.
9.6. Veröffentlichung von Daten über die Eheschließung
Bürger haben sich bei mir über die Rechtslage bei der Veröffentlichung von Daten über Eheschließungen durch die Gemeinde im gemeindlichen Mitteilungsblatt bzw. im Internet erkundigt. Ich habe ihnen Folgendes mitgeteilt:
Die Veröffentlichung von Eheschließungen stellt eine Datenübermittlung im Sinne von Art. 4 Abs. 6 Satz 2 Nr. 3 Bayerisches Datenschutzgesetz (BayDSG) dar. Sie ist nur zulässig, wenn sie durch eine Rechtsvorschrift erlaubt oder angeordnet wird oder wenn der Betroffene darin eingewilligt hat (Art. 15 Abs. 1 BayDSG).
Mit dem Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechts vom 04.05.1998 (EheschlRG) wurden eine Reihe von Vorschriften bezüglich der Eheschließung geändert. Unter anderem wurde das sog. Aufgebot abgeschafft, dessen öffentlicher Aushang nicht länger erforderlich und datenschutzrechtlich bedenklich war. Nach derzeit geltendem Recht haben die Verlobten die beabsichtigte Eheschließung lediglich bei dem für die Eheschließung zuständigen Standesbeamten anzumelden (vgl. §§ 4, 6 Personenstandsgesetz).
Sowohl nach personenstands- als auch nach datenschutzrechtlichen Bestimmungen ist es nur dann möglich, Informationen über Eheschließungen an die Presse weiterzugeben, sofern die betroffenen Bürger nach genauer Information sich mit der Weitergabe ihrer Daten einverstanden erklärt haben. Auch die Bekanntgabe von Eheschließungen im gemeindlichen Mitteilungsblatt darf, mangels einer Rechtsvorschrift, die dies erlauben oder anordnen würde, nur mit Einwilligung der Betroffenen erfolgen. Dazu genügt nicht, dass die Verlobten der Veröffentlichung nicht widersprochen haben, sondern dass sie gegenüber der Gemeinde ihr Einverständnis hierzu erklärt haben. Dies gilt auch bei einer Veröffentlichung dieser Daten im Internet auf der Homepage der jeweiligen Gemeinde.
9.7. Datenschutz in Planfeststellungsverfahren
Im 17. Tätigkeitsbericht habe ich mich unter der Nr. 8.14 zu Fragen der Behandlung personenbezogener Daten in Planfeststellungsverfahren geäußert. In dem Beitrag habe ich u. a. auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts hingewiesen, in denen das Gericht die Veröffentlichung von personenbezogenen Daten, die ein Einwendungsführer der Planfeststellungsbehörde preis gibt, um ihr eine sachgerechte Beurteilung der geltend gemachten Einwendungen zu ermöglichen, für verfassungswidrig erklärt. Das Bundesverfassungsgericht hat darauf hingewiesen, dass keine Gründe ersichtlich seien, warum eine ordnungsgemäße Begründung des Planfeststellungsbeschlusses notwendig voraussetze, dass sachbezogene Erwägungen zur Beurteilung und Gewichtung der geltend gemachten Einwendungen personenbezogen in die Begründung aufgenommen und mit dieser veröffentlicht werden müssten. Die sachliche Zuordnung könne hier auch durch die Vergabe von Betriebsnummern erfolgen.
Im Berichtszeitraum hat sich ein Bürger bei mir darüber beschwert, dass eine Regierung in einem Planfeststellungsbeschluss für ein Straßenbauvorhaben personenbezogene Daten, die er als Einwendungsführer im Verfahren der Planfeststellungsbehörde preisgegeben hatte, veröffentlicht hat. Der Planfeststellungsbeschluss enthielt unter namentlicher Nennung des Petenten und seiner Adresse Ausführungen zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen.
Die personenbezogene Abhandlung der Einwendungen des Petenten im Planfeststellungsbeschluss stellte einen rechtswidrigen Eingriff in dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Den Datenschutzverstoß habe ich beanstandet. In kurz darauf erschienenen Zeitungsberichten über den Vorgang wurde mitgeteilt, dass die beanstandete Regierung die betroffenen Bürger künftig nicht mehr beim Namen nennen, sondern deren Einwendungen verschlüsseln will. Ähnlich werde es in den anderen Regierungsbezirken bereits gehandhabt. Nach Angaben des Innenministeriums in den Zeitungsartikeln werden personenbezogene Daten in Planfeststellungsbeschlüssen mittlerweile überall vertraulich behandelt.
9.8. Vorschlagsliste für die Wahl der ehrenamtlichen Richter für das Verwaltungsgericht
Ein Abgeordneter hat mich gebeten zu prüfen, ob den Mitgliedern des Kreistags in den Unterlagen zur Vorbereitung auf die Kreistagssitzung, in der die in die Vorschlagsliste für ehrenamtliche Richter nach § 28 der Verwaltungsgerichtsordnung aufzunehmenden Personen bestimmt werden, das Geburtsdatum und der Beruf der Kandidaten für die Vorschlagsliste mitgeteilt werden dürfen. Ich vertrete dazu folgende Auffassung:
Ich halte diese Angaben für datenschutzrechtlich zulässig, da sie als sachgerechte Prüfkriterien für eine entsprechende Entscheidung anzusehen sind.
Erfolgt die Sitzungsvorbereitung wie im vorliegenden Fall auch durch die Versendung von Sitzungsunterlagen, hätte ich aus datenschutzrechtlicher Sicht auch keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Mitteilung des Geburtsdatums und des Berufs der Kandidaten für die Vorschlagsliste nach § 28 der Verwaltungsgerichtsordnung auf den versandten Wahlzetteln, sofern in der Vergangenheit keine personenbezogenen Daten an die Öffentlichkeit gelangt sind, die in übersandten Sitzungsunterlagen enthalten waren. Ich empfehle jedoch, die übersandten Unterlagen mit personenbezogenen Angaben der Kandidaten nach der Behandlung der Angelegenheit im Kreistag wieder einzusammeln und die Mandatsträger zu verpflichten, keine Kopien davon anzufertigen. Dies halte ich insbesondere zum Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Kandidaten für erforderlich, die letztlich nicht in die Vorschlagsliste aufgenommen werden.
9.9. Einsichtnahme in kommunale Archivakten
Im Berichtszeitraum habe ich mehrere Anfragen von Heimatforschern zu den Voraussetzungen einer Einsichtnahme in kommunale Archivakten erhalten. Aus datenschutzrechtlicher Sicht vertrete ich dazu folgende Auffassung:
Gemeindeverwaltungen und andere öffentliche Stellen müssen bei der Herausgabe personenbezogener Daten die dafür einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen beachten. Mit der Übergabe von Unterlagen an ein Archiv treten die bereichsspezifischen Vorschriften des BayArchivG über die Benützung des Archivguts an die Stelle der allgemeinen Vorschriften des BayDSG (Art. 2 Abs. 7 BayDSG).
Soweit personenbezogene Unterlagen eingesehen werden sollen, die sich im Gemeindearchiv befinden, ist bei der Entscheidung über die Zulässigkeit der Nutzung die von der Gemeinde erlassene Benutzungsordnung oder Benutzungssatzung zu berücksichtigen.
Für personenbezogene Daten einschließlich datenschutzrechtlich gesperrter Daten ist Art. 13 Abs. 2 BayArchivG anzuwenden. Danach gelten auch für die Benützung kommunaler Archive die Vorschriften zum Schutz des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen der Art. 10 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 Nrn. 1 bis 3, Abs. 3 Sätze 2 bis 6, Abs. 4 und Abs. 5 BayArchivG sinngemäß. Archivgut kann benützt werden, soweit ein berechtigtes Interesse an der Benützung glaubhaft gemacht wird und Schutzfristen nicht entgegenstehen (Art. 10 Abs. 2 Satz 1 BayArchivG).
Grundsätzlich kann jeder Archivgut benützen, der ein von der Rechtsordnung gebilligtes Interesse daran hat. Ein berechtigtes Interesse liegt u. a. vor, wenn die Einsichtnahme zu wissenschaftlichen bzw. heimatkundlichen Zwecken erfolgt (Art. 10 Abs. 2 Satz 2 BayArchivG). Die Benützung ist allerdings zu versagen und kann mit Auflagen versehen werden, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Belange des Betroffenen oder Dritter entgegenstehen (Art. 10 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayArchivG).
Voraussetzung für die Benützung von Archivgut ist der Ablauf von Schutzfristen, die in Art. 10 Abs. 3 BayArchivG im Einzelnen geregelt sind. Archivgut, das sich auf natürliche Personen bezieht, darf erst 10 Jahre nach dem Tod des Betroffenen eingesehen werden; ist der Todestag nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand festzustellen, endet die Schutzfrist 90 Jahre nach der Geburt des Betroffenen (Art. 10 Abs. 3 Satz 2 und 3 BayArchivG). Maßgeblich ist die längste Schutzfrist, die auf das jeweilige Archivgut anzuwenden ist. Bei Archivgut, das sich auf natürliche Personen bezieht, können die Schutzfristen nur unter den engen Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 4 Satz 2 BayArchivG verkürzt werden. Für Archivgut, das dem Steuergeheimnis, dem Sozialgeheimnis oder sonstigen Rechtsvorschriften des Bundes über Geheimhaltung unterliegt, gilt die Schutzfrist des Bundesarchivgesetzes (Art. 10 Abs. 3 Satz 5 BayArchivG).
Soweit personenbezogene Unterlagen eingesehen werden sollen, die sich nicht im Archiv befinden, gelten die einschlägigen bereichsspezifischen Vorschriften:
Wird eine Einsichtnahme in Personenstandsbücher gewünscht, unterliegt diese den Voraussetzungen des § 61 Personenstandsgesetz. In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass Personenstandsbücher nicht an Archive abgegeben werden dürfen. Das Bayerische Archivgesetz ist somit nicht anwendbar.
Eine Offenbarung von Steuergeheimnissen ist nach § 30 Abs. 4 Nr. 3 der Abgabenordnung nur mit Zustimmung der betroffenen Steuerpflichtigen zulässig.
Personenbezogene Daten aus dem Melderegister dürfen nur im Rahmen der melderechtlichen Vorschriften eingesehen werden. Auskünfte über Daten aus dem Melderegister an Private dürfen erteilt werden, wenn dies nach Art. 34 MeldeG zulässig ist. Im Zusammenhang mit der Nutzung der Daten des Melderegisters über verstorbene oder weggezogene Einwohner ist insbesondere die Löschungspflicht des Art. 11 MeldeG zu beachten. Die Meldebehörde kann in den in Art. 12 Abs. 1 genannten Fällen nicht mehr erforderliche Unterlagen an das Gemeindearchiv abgeben, soweit dort ausreichende Datenschutzmaßnahmen getroffen sind.
Eine zusammenfassende Darstellung, welche datenschutzrechtlichen Bestimmungen für die Gemeinden gelten, wenn sie um Mithilfe bei der Erstellung von Ortschroniken, Heimatbüchern oder ähnlichen Werken gebeten werden, enthält eine Veröffentlichung von Knoblauch in der Kommunalpraxis Nr. 10/1996, S. 335 ff. Außerdem verweise ich auf die umfassenden Ausführungen zum Datenschutz im Archivwesen von Wilde/Ehmann/Niese/Knoblauch, Kommentar zum BayDSG, Handbuch XVI.
9.10. Verwendung der Blind-Copy-Funktion oder von Einzelanschriften beim Versand von Antwortschreiben per E-Mail an mehrere Empfänger
Eine Gemeinde hat beim Versand von Antwortschreiben per E-Mail an mehrere Eingabeführer, die sich in der gleichen Angelegenheit an die Gemeinde gewandt hatten, jedem Empfänger die E-Mail-Adresse aller anderen Eingabeführer bekannt gegeben. Damit wurde jedem Eingabeführer mitgeteilt, wer sich außer ihm in der Angelegenheit an die Gemeinde gewandt hatte. Einige der Betroffenen haben sich daraufhin an mich gewandt. Ich weise dazu auf Folgendes hin:
Die Weitergabe der E-Mail-Adressen der anderen Eingabeführer an jeden einzelnen Petenten waren Datenübermittlungen an nicht-öffentliche Stellen. Die Datenübermittlungen hätten durch die Verwendung der Blind-Copy-Funktion oder durch Einzelanschriften vermieden werden können. Sie waren somit zur Beantwortung der Eingaben nicht erforderlich. Die Eingabeführer hatten auch kein berechtigtes Interesse an der Kenntnis, wer sich außer ihnen in der Angelegenheit an die Gemeinde gewandt hatte. Mangels Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 1 des Bayerischen Datenschutzgesetzes (BayDSG) waren die Datenübermittlungen damit unzulässig.
Von einer Beanstandung des Datenschutzverstoßes habe ich für dieses Mal nach Art. 31 Abs. 3 BayDSG abgesehen, nachdem mir die Gemeinde mitgeteilt hat, dass sie die E-Mail-Teilnehmer der Gemeindeverwaltung ausdrücklich darauf hinweisen wird, darauf zu achten, dass bei einer Verwendung an mehrere Empfänger der jeweilige Empfänger nur seine eigene E-Mail-Adresse mitgeteilt bekommt.