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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 31.01.2017

10. Schulen und Hochschulen

10.1. Umfassende Regelung der Schülerunterlagen

Seit alters her führen Schulen über ihre Schülerinnen und Schüler Akten. Darin werden traditionell insbesondere Kontaktdaten wie Namen und Anschriften vermerkt, Noten eingetragen, Zeugnisse und Leistungsnachweise aufbewahrt, Schulwechsel und Ordnungsmaßnahmen dokumentiert sowie andere aus Sicht der Schule maßgebliche Ereignisse und Entwicklungen im Schülerleben beurteilt und festgehalten. In datenschutzrechtlicher Hinsicht enthalten somit Schülerunterlagen umfangreiche Sammlungen von - teilweise sogar sehr sensiblen - personenbezogenen Daten, die mit jedem absolvierten Schuljahr aussagekräftiger werden und einen zunehmend informativeren Überblick über wesentliche Aspekte der Entwicklung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen geben.

In deutlichem Kontrast zu Umfang und Sensibilität dieser Datensammlungen stand allerdings jahrzehntelang die geringe Dichte der schulrechtlichen Vorgaben. Die Rechtslage war lückenhaft und wenig übersichtlich. Nur Teilfragen des Umgangs mit Schülerunterlagen - insbesondere in Bezug auf den Schülerbogen - waren in einzelnen Vorschriften der Schulordnungen sowie in einigen Schreiben des Kultusministeriums geregelt. Keine spezifischen parlamentsgesetzlichen Regelungen gab es aber insbesondere zum Inhalt und zur Aufbewahrung der Schülerakte. Daher war hier den Schulen allein ein Rückgriff auf die - naturgemäß sehr abstrakt gefasste - schuldatenschutzrechtliche Generalklausel des Art. 85 Abs. 1 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) sowie auf die subsidiären, ebenfalls abstrakten Regelungen des Bayerischen Datenschutzgesetzes möglich.

Diese zwar teilweise auf Schulen, nicht aber auf Schülerunterlagen zugeschnittenen Regelungen führten schon seit Langem, in Anbetracht der stetig wachsenden informations- und kommunikationstechnischen Möglichkeiten aber zunehmend in jüngster Zeit Unsicherheiten und Auslegungsfragen herbei. Im Rahmen meiner datenschutzrechtlichen Kontrolltätigkeit, insbesondere bei meinen zahlreichen Außenprüfungen öffentlicher - staatlicher wie kommunaler - Schulen, musste ich daher immer wieder feststellen, dass diese allgemein-abstrakten Regelungen bei den Schulen einen bayernweit uneinheitlichen und teils unreflektierten Umgang mit den sensiblen Schülerunterlagen begünstigten.

Bereits seit den frühen 1990er Jahren habe ich mich daher dafür eingesetzt, datenschutzgerechte, detaillierte und bayernweit einheitliche Vorgaben für die Führung von und den Umgang mit Schülerunterlagen zu schaffen. Verstärkt seit dem Beginn des neuen Jahrtausends habe ich das Kultusministerium von einer klaren, umfassenden und schulartübergreifenden rechtlichen Gesamtregelung der Schülerunterlagen zu überzeugen versucht. Diese sollte von den Schulen vor Ort umsetzbar sein und damit auch bayernweit die Schulen und Schulaufwandsträger - personell wie finanziell - entlasten.

Besonderen Wert habe ich darauf gelegt, dass die mit der Anlage, Führung, Verwendung und Aufbewahrung der Schülerunterlagen verbundene Beschränkung des Grundrechts der Schülerinnen und Schüler auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) schon aus verfassungsrechtlichen Gründen eine grundlegende parlamentsgesetzliche Regelung erfährt.

Im Berichtszeitraum waren meine langjährigen Bemühungen endlich erfolgreich.

10.1.1. Übersicht über die neuen schuldatenschutzrechtlichen Regelungen

  • Zunächst hat der bayerische Gesetzgeber mit Wirkung vom 1. August 2015 in einem neuen Art. 85 Abs. 1a BayEUG eine grundlegende und schul-artübergreifende parlamentsgesetzliche Regelung der Schülerunterlagen geschaffen. Diese Rechtsnorm enthält nicht nur die zentralen Vorgaben zu den Schülerunterlagen, sondern auch eine Ermächtigung für den Erlass einer diese gesetzlichen Vorgaben - insbesondere im Hinblick auf Inhalt, Verwendung (vor allem Zugriff und Weitergabe) sowie Art und Dauer der Aufbewahrung der Schülerunterlagen - konkretisierenden Rechtsverordnung.
  • Auf Basis dieser Rechtsverordnungsermächtigung hat sodann das Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst in enger Abstimmung mit mir die Verordnung über Schülerunterlagen (Schülerunterlagenverordnung) erlassen, die am 1. Oktober 2015 in Kraft getreten ist. Im Zuge der Harmonisierung des Schulrechts hat das Kultusministerium diese Verordnung mit Wirkung vom 1. August 2016 - im Wesentlichen unverändert - als Teil 5 in die neu geschaffene Schulordnung für schul-artübergreifende Regelungen an Schulen in Bayern (Bayerische Schulordnung - BaySchO) überführt.

Für einen einheitlichen Vollzug der Schülerunterlagenverordnung hat das Kultusministerium den Schulen zudem - ebenfalls nach Abstimmung mit mir - umfangreiche "Durchführungshinweise zum Umgang mit Schülerunterlagen" (Bekanntmachung vom 13. Oktober 2015, Az.: II.1-BS4310.1/1/1/4, KWMBl. S. 221, geändert am 30. Juni 2016, Az.: II.1-BS4310.1/7/3, KWMBl. S. 151, im Folgenden: Durchführungshinweise) mit zahlreichen Musterformularen an die Hand gegeben. Die Durchführungshinweise sind am 8. Dezember 2015 in Kraft getreten.

  • Schließlich haben das Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst und die Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 2 Bayerisches Archivgesetz (BayArchivG) im Hinblick auf die Aussonderung von Schülerunterlagen der staatlichen Schulen in Bayern eine Archivierungsvereinbarung (Bekanntmachung vom 14. April 2016, Az.: II.1-BS4310.1/1/6, KWMBl. S. 92, im Folgenden: Archivierungsvereinbarung) geschlossen, die mit Wirkung vom 14. April 2016 in Kraft getreten ist.

10.1.2. Regelungsgehalt des Art. 85 Abs. 1a BayEUG

Art. 85 Abs. 1a Satz 1 BayEUG verpflichtet die Schulen ausdrücklich dazu, für jede Schülerin und jeden Schüler die für das Schulverhältnis wesentlichen Unterlagen als Schülerunterlagen zu führen. Art. 85 Abs. 1a Satz 2 BayEUG hebt hervor, dass die Schülerunterlagen vertraulich zu behandeln und durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen vor unberechtigtem Zugriff zu sichern sind. Art. 85 Abs. 1a Satz 3 BayEUG ermächtigt das zuständige Staatsministerium, durch Rechtsverordnung insbesondere den Inhalt, die Verwendung, vor allem den Zugriff und die Weitergabe, sowie die Art und Dauer der Aufbewahrung der Schülerunterlagen zu regeln.

Art. 85 BayEUG Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Daten

(1a) 1Für jede Schülerin und jeden Schüler führen die Schulen die für das Schul-verhältnis wesentlichen Unterlagen als Schülerunterlagen. 2Die Schülerunterlagen sind vertraulich zu behandeln und durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen vor unberechtigtem Zugriff zu sichern. 3Das zuständige Staatsministerium regelt durch Rechtsverordnung insbesondere den Inhalt, die Verwendung, vor allem den Zugriff und die Weitergabe, sowie die Art und Dauer der Aufbewahrung der Schülerunterlagen.

Da die Schülerunterlagen für den gesamten (schulischen) Lebensweg der Schülerinnen und Schüler besonders bedeutsam sind, begrüße ich es, dass der bayerische Gesetzgeber durch Erlass dieser Rechtsnorm seiner Regelungsverantwortung für einen wichtigen Lebensbereich von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen gerecht geworden ist.

10.1.3. Vorgaben zu Schülerunterlagen in der Bayerischen Schulordnung

Die neue Bayerische Schulordnung legt in ihrem Teil 5 - Schülerunterlagen (vergleiche Art. 85 Abs. 1a BayEUG) - zunächst fest, dass die Schülerunterlagen die in Papierform zu führende Schülerakte und die (schriftlichen sowie praktischen) Leistungsnachweise umfassen. Sodann bestimmt sie abschließend und schul-artübergreifend, welche Unterlagen generell in der Schülerakte geführt werden dürfen. Anschließend normiert sie, welche Personen in welchen Fällen Zugriff auf die Schülerunterlagen haben dürfen und welche Schülerunterlagen in welchen Fällen weitergegeben werden dürfen. Danach wird geregelt, für welche Zeiträume die Schülerunterlagen aufzubewahren sind und wer unter welchen Bedingungen zur Einsichtnahme in die Schülerunterlagen berechtigt ist. Zuletzt wird festgelegt, wie im Falle der Auflösung, Zusammenlegung oder Teilung der Schule mit den Schülerunterlagen zu verfahren ist.

Auf folgende bedeutsame Vorgaben zum Umgang mit Schülerunterlagen mache ich besonders aufmerksam:

  • Begriff und Inhalt der Schülerunterlagen (§ 37 BaySchO)

Klarheit schafft die Verordnung zunächst in begrifflicher Hinsicht. Vorweg legt § 37 Satz 1 BaySchO fest, dass die Schülerunterlagen die für das Schulverhältnis jeder Schülerin und jedes Schülers wesentlichen Unterlagen umfassen. Sodann bestimmt § 37 Satz 2 BaySchO grundlegend, dass die Schülerunterlagen aus der in Papierform zu führenden Schülerakte (§ 37 Satz 2 Nr. 1 BaySchO) und den schriftlichen sowie praktischen Leistungsnachweisen (§ 37 Satz 2 Nr. 2 BaySchO) bestehen.

Die einzelnen (möglichen) Bestandteile der Schülerakte sind wiederum in § 37 Satz 2 Nr. 1 Buchstaben a) bis o) BaySchO abschließend und schulartübergreifend aufgeführt. So darf die Schülerakte - je nach Schulart - beispielsweise enthalten:

  • das Schülerstammblatt, das unter anderem Angaben über die Schülerin oder den Schüler, die Erziehungsberechtigten, die Berufsausbildung und die Schullaufbahn enthält und nach dem vom Kultusministerium in Anlage I der Durchführungshinweise vorgegebenen Muster zu führen ist,
  • die Abschlusszeugnisse und anderen wichtigen Zeugnisse,
  • den Schullaufbahnbogen, in dem die für den schulischen Bildungsweg wesentlichen Feststellungen, Beobachtungen und Empfehlungen einschließlich einer Übersicht über die ausgesprochenen Ordnungsmaßnahmen nach Art. 86 Abs. 2 Nrn. 6 bis 12 BayEUG aufgenommen werden und der nach dem vom Kultusministerium in Anlage II der Durchführungshinweise vorgegebenen Muster zu führen ist,
  • die Notenbögen, in die insbesondere die Ergebnisse der schriftlichen, mündlichen und praktischen Leistungsnachweise der einzelnen Schülerin oder des einzelnen Schülers sowie damit zusammenhängende Bemerkungen aufgenommen werden,
  • die schriftlichen Angaben über bereits erfolgte Maßnahmen und diagnostische Grundlagen bei Schülerinnen und Schülern mit besonderem Förderbedarf sowie Unterlagen zum Nachteilsausgleich und Notenschutz,
  • alle sonstigen schriftlichen, die einzelne Schülerin oder den einzelnen Schüler betreffenden wesentlichen Vorgänge, die zur nachvollziehbaren und transparenten Dokumentation der Schullaufbahn zwingend notwendig sind. Dabei ist gemäß Nr. 2.9 Durchführungshinweise für die Einordnung als wesentlicher Vorgang - datenschutzrechtlich begrüßenswert - ein strenger Maßstab anzulegen.

Aus Datenschutzsicht verdient schließlich die Vorschrift des § 37 Satz 3 BaySchO besondere Hervorhebung. Diese Norm stellt klar, dass Schülerunterlagen, die einer Schweigepflicht unterliegen - etwa Aufzeichnungen einer Schulpsychologin oder eines Schulpsychologen - nicht in die Schülerakte aufgenommen werden dürfen. Diese Unterlagen verbleiben vielmehr außerhalb der Schülerakte bei den jeweiligen Schweigeverpflichteten (siehe Nr. 2.10 Durchführungshinweise).

  • Verwendung der Schülerunterlagen (§ 38 BaySchO)

Nach § 38 Abs. 1 BaySchO dürfen die Schülerunterlagen ohne Einwilligung der Betroffenen nur verwendet werden, soweit dies zur Erfüllung der den Schulen durch Rechtsvorschriften zugewiesenen Aufgaben erforderlich ist. Bei minderjährigen Schülerinnen und Schülern müssen die Erziehungsberechtigten einwilligen, ab Vollendung des 14. Lebensjahres zusätzlich auch die Minderjährigen selbst; die Einwilligung ist schriftlich zu erteilen und muss sich auf einen konkret benannten Zweck beziehen (siehe § 38 Abs. 3 BaySchO).

Der Zugriff auf die Schülerunterlagen ist gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 BaySchO jeweils auf den konkreten Einzelfall zu beschränken. Zugriff auf die Schülerunterlagen dürfen nach § 38 Abs. 2 Satz 2 BaySchO insbesondere erhalten:

  • Lehrkräfte für die jeweils von ihnen unterrichteten Schülerinnen und Schüler, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist,
  • die Schulleitung, soweit dies zur Erfüllung ihrer pädagogischen, organisatorischen und rechtlichen Aufgaben erforderlich ist,
  • Beratungslehrkräfte, Schulpsychologinnen und Schulpsychologen, soweit dies zur Erfüllung ihrer pädagogisch-psychologischen und rechtlichen Aufgaben im Rahmen der Schulberatung erforderlich ist.

Nach Beendigung des Schulbesuchs darf gemäß § 38 Abs. 2 Satz 3 BaySchO Zugriff auf die Schülerunterlagen nur die Schulleitung im konkreten Einzelfall erhalten, soweit dies zur Erfüllung ihrer rechtlichen Auf-gaben erforderlich ist oder die Betroffenen eingewilligt haben. Solche "Einwilligungsfälle" können in der Praxis etwa auftreten, wenn ein ehemaliger Schüler oder eine ehemalige Schülerin eine Zweitschrift seines/ihres Abschlusszeugnisses oder eine Schulbesuchsbescheinigung benötigt. Die Einwilligung ist immer schriftlich zu erteilen und muss sich auf einen konkret benannten Zweck - wie etwa den Nachweis beruflicher Qualifikationen oder die Belegung sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche - beziehen. Das Schriftformerfordernis dient nicht allein dem Schutz der betroffenen Schülerin oder des betroffenen Schülers, sondern auch der Absicherung der Schule. Allerdings kann das Schriftformerfordernis nicht nur - idealerweise - schon bei Antragstellung, sondern auch erst bei Abholung der Zweitschrift oder der Bescheinigung erfüllt werden (siehe Nr. 3.3 Durchführungshinweise).

  • Aufbewahrung der Schülerunterlagen (§ 40 BaySchO)

Aus Datenschutzsicht von besonderer Bedeutung ist die Dauer der Aufbewahrung der Schülerunterlagen. § 40 BaySchO sieht hierzu eine ausdifferenzierte Regelung vor, die sich - vereinfachend - wie folgt zusammenfassen lässt:

  • Das Schülerstammblatt mit seinen Basisdaten sowie wichtige (Abschluss-)Zeugnisse und Urkunden sind 50 Jahre,
  • sonstige Unterlagen der Schülerakte ein Jahr und
  • Leistungsnachweise zwei Jahre

aufzubewahren. Die Fristen beginnen mit Ablauf des Schuljahres, in dem die Schülerin oder der Schüler die Schule verlässt, beziehungsweise mit Ablauf des Schuljahres, in dem die Leistungsnachweise angefertigt wurden.

Auch bei der Aufbewahrung haben die Schulen die erforderlichen technischen und organisatorischen Vorkehrungen zu treffen, damit der Schutz der Schülerunterlagen vor unbefugten Zugriffen sichergestellt ist (siehe Art. 85 Abs. 1a Satz 2 BayEUG und Nr. 5.2 Durchführungshinweise).

Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist insbesondere die in § 40 Satz 1 Nr. 1 BaySchO für die genannten Unterlagen festgesetzte 50jährige Aufbewahrungsfrist viel zu lang bemessen. Für mich ist kein überzeugender Grund ersichtlich, weshalb die gesetzgeberische Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayArchivG, die für alle anderen Zweige der staatlichen Verwaltung maßgebend ist, im Schulbereich nicht sachgerecht sein sollte. Hiernach sind für die Aufbewahrung maximal 30 Jahre vorgesehen. Die Aufarbeitung kriegsbedingter Dokumentenverluste - oft ein Argument für die längere Aufbewahrung im Schulbereich - dürfte über 70 Jahre nach Kriegsende bei den Sozialversicherungsträgern endgültig abgeschlossen sein. Die für die Anrechnung rentenversicherungsrechtlicher Zeiten notwendigen Ausbildungsdaten derzeit noch aktiver, pflicht- oder freiwillig versicherter Personen werden im Rahmen der von der Rentenversicherung regelmäßig gesetzlich verpflichtend durchgeführten Kontenklärungsverfahren (siehe § 149 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung -) ohnehin bereits frühzeitig erfasst und nachgewiesen. Für eine 50jährige Aufbewahrung der Schülerunterlagen bei den Schulen vermag ich daher weder ein tatsächliches Bedürfnis noch eine entsprechende rechtliche Aufgabenzuweisung zu erkennen. Im Verordnungserlassverfahren konnte ich mich insoweit aber leider nicht durchsetzen. Allerdings zeigen mir bereits erste Rückmeldungen im Rahmen meiner bayernweiten datenschutzrechtlichen Kontroll- und Beratungstätigkeit, dass auch die schulische Praxis gerade diese Frist - in Übereinstimmung mit den kommunalen Sachaufwandsträgern - als unangemessen und viel zu lang bewertet.

In Anbetracht dieser ohnehin schon deutlich zu langen Frist ist die in § 40 Satz 4 BaySchO im Einzelfall zusätzlich bestehende Abweichungsmöglichkeit "nach oben" besonders problematisch. Es besteht die Gefahr, dass § 40 Satz 4 BaySchO nicht nur die festgelegten Aufbewahrungsfristen entwertet, sondern auch ein bedeutsames Ziel der Verordnung - den bayernweit schulartübergreifend einheitlichen Umgang mit Schülerunterlagen - konterkariert. Bei der Prüfung des Vorliegens der Gründe für eine mögliche Fristverlängerung ist daher gemäß Nr. 5.1 Satz 2 Durchführungshinweise ein strenger Maßstab anzulegen. So kommt ein Ausnahmefall etwa in Betracht, soweit die Unterlagen im Einzelfall für eine Rechtsstreitigkeit benötigt werden. In jedem Einzelfall sind die Gründe nach § 40 Satz 5 BaySchO allerdings nachvollziehbar zu dokumentieren.

  • Aussonderung der Schülerunterlagen (Nr. 9 Durchführungshinweise)

Nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen sind die Schülerunterlagen auszusondern, also aus den entsprechenden schulischen Aufbewahrungseinrichtungen herauszunehmen und dem zuständigen Archiv anzubieten oder zu vernichten.

Insoweit gelten für staatliche Schulen die Vorgaben der Nr. 9 Durchführungshinweise, die insbesondere auf die zwischen dem Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst auf der einen Seite und der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns auf der anderen Seite abgeschlossene Archivierungsvereinbarung verweisen.

In Anbetracht der großen Anzahl an staatlichen Schulen und der demgegenüber sehr begrenzten Kapazitäten der staatlichen Archive werden danach nur ausgewählte Schulen (siehe Anlage 1 der Archivierungsvereinbarung) sowie besonders bedeutsame Schülerunterlagen - etwa Schülerunterlagen von bedeutenden Persönlichkeiten oder von besonderem geschichtlichem Interesse - in die Archivierung einbezogen. Um im Einzelfall lokalen und regionalen Bedürfnissen nach einer Archivierung der örtlichen Überlieferung entgegenzukommen, können die aus örtlicher Sicht archivwürdigen, von den staatlichen Archiven nicht übernommenen Schülerunterlagen mit Einverständnis des Sachaufwandsträgers und unter Vorbehalt des Eigentums des Freistaates Bayern allerdings nach Abschluss eines Archivierungsvertrags (siehe Anlage 2 der Archivierungsvereinbarung) dauerhaft in einem anderen öffentlichen - insbesondere kommunalen - Archiv verwahrt werden.

Schülerunterlagen staatlicher Schulen, die weder dem zuständigen staatlichen Archiv noch einem anderen öffentlichen Archiv zur Archivierung übergeben werden, sind datenschutzgerecht zu vernichten. Dabei ist sicherzustellen und zu überwachen, dass nach dem aktuellen Stand der Technik Unbefugte keinen Einblick in die Unterlagen erhalten und das Papier der Rohstoffverwertung zugeführt wird (siehe Nr. 9.2.3 Durchführungshinweise).

  • Einsichtnahme in die Schülerunterlagen (§ 41 BaySchO)

§ 41 BaySchO regelt die Einsichtnahme in die eigene Schülerakte und die eigenen Leistungsnachweise. Hier geht es nicht um die Verwendung der Schülerakte (insbesondere den Zugriff durch Lehrkräfte, hierzu siehe die Ausführungen oben zu § 38 BaySchO), sondern um die Voraussetzungen, unter denen die Betroffenen Kenntnis über den Inhalt der sie selbst betreffenden Akte erlangen können. Ein solches Informationsrecht ist ein fundamentales Datenschutzrecht. Es ist Voraussetzung und zugleich Bestandteil des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG.

Im Einzelnen:

  • § 41 Abs. 1 Nr. 1 BaySchO gewährt den Schülerinnen und Schülern ab dem 14. Lebensjahr - auch wenn sie die Schule verlassen haben - ein eigenständiges Einsichtsrecht.
  • § 41 Abs. 1 Nr. 2 BaySchO vermittelt außerdem den Erziehungsberechtigten - also gemäß Art. 74 Abs. 2 BayEUG den Personen, die (für minderjährige Schülerinnen und Schüler) sorgeberechtigt sind - ein eigenes originäres Einsichtsrecht, das von den Regelungen zur Ausübung der gemeinsamen Sorge bei getrenntlebenden Ehegatten unabhängig ist (siehe Nr. 6.2 Satz 7 Durchführungshinweise).
  • Unter den in § 41 Abs. 1 Nr. 3 BaySchO genannten Voraussetzungen dürfen zudem die früheren Erziehungsberechtigten bei Schülerinnen und Schülern ab der Vollendung des 18. Lebensjahres bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres Einsicht in die Schülerunterlagen nehmen.

In seltenen Ausnahmefällen kann das Einsichtsrecht nach Maßgabe des - eng auszulegenden - § 41 Abs. 2 BaySchO beschränkt werden. Soweit möglich, ist eine Einsichtnahme in die Schülerunterlagen allerdings zu gewähren; dabei haben die Schulen gegebenenfalls die Daten, in welche eine Einsicht unzulässig ist, zu schwärzen. Eine pauschale Verweigerung der Einsichtnahme ist in jedem Fall unzulässig (siehe zum Ganzen Nr. 6.2 Durchführungshinweise).

Für die Gewährung von Einsichtnahme und die Anfertigung von Ablichtungen können die öffentlichen Schulen nach Art. 16 Abs. 3 Kostengesetz auf die Erhebung von Kosten verzichten. Bei staatlichen Schulen ist gemäß Nr. 6.4 Satz 2 Durchführungshinweise ein solcher Verzicht im Regelfall möglich.

  • Übergangsvorschriften (§ 44a BaySchO)

In vollem Umfang gelten die neuen Vorgaben erst für die Schülerunterlagen, die ab dem Schuljahr 2016/2017 angelegt werden. Die zuvor angelegten Schülerunterlagen dürfen aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung im Grundsatz in ihrem bisherigen "Aufbau" fortgeführt werden. Die neuen Vorschriften - insbesondere zu Verwendung, Aufbewahrung und Einsichtnahme - sind aber gemäß § 44a Abs. 1 BaySchO auch hier vollumfänglich zu beachten.

  • Geltungsbereich der Verordnung (§ 1 BaySchO)

Wie alle anderen Vorschriften der Bayerischen Schulordnung gelten auch die Vorgaben zu den Schülerunterlagen nach § 1 Satz 1 BaySchO in vollem Umfang für alle bayerischen öffentlichen - also staatlichen und kommunalen - Schulen (siehe Art. 3 Abs. 1 BayEUG) und die staatlich anerkannten Ersatzschulen mit dem Charakter einer öffentlichen Schule (siehe Art. 101 BayEUG), soweit sie der Aufsicht des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst unterliegen.

Mit Blick auf die verfassungsrechtlich in Art. 7 Abs. 4 GG gewährleistete Privatschulfreiheit gilt die Verordnung nach § 1 Satz 2 BaySchO überdies für staatlich genehmigte und staatlich anerkannte Ersatzschulen im Rahmen der Art. 90, 92 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5 und Art. 93 BayEUG, für letztere darüber hinaus im Rahmen des Art. 100 Abs. 2 BayEUG.

10.1.4. Fazit

Mit den vorgestellten Regelungen kennt das Schul(datenschutz)recht in Bayern nun erstmals einheitliche, klare, umfassende und schulartübergreifende Vorgaben, die insbesondere den genauen Inhalt der Schülerunterlagen, ihre Verwendung (vor allem den Zugriff und die Weitergabe) und die Art und Dauer der Aufbewahrung sowie die bestehenden Einsichtsrechte rechtssicher festlegen.

Auch wenn die aufgezeigten Vorschriften zur Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Schülerdaten aus Datenschutzsicht zum Teil durchaus noch verbesserungsfähig sind, tragen sie den Grundrechten der Schülerinnen und Schüler sowie der Erziehungsberechtigten beim Umgang mit Schülerunterlagen im Grundsatz ebenso Rechnung wie den organisatorischen und pädagogischen Interessen gerade der bayerischen öffentlichen - staatlichen wie kommunalen - Schulen.

10.2. Digitales Lernen an bayerischen Schulen: "mebis - Landesmedienzentrum Bayern"

Bereits im September 2011 hat das damalige Staatsministerium für Unterricht und Kultus das Projekt "Digitales Lernen Bayern" gestartet, um den informations- und kommunikationstechnisch gestützten, also den digitalen Unterricht an bayerischen Schulen gezielt zu fördern. Dieses Ziel hat der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung "Bayern. Die Zukunft" am 12. November 2013 aufgegriffen, indem er ankündigte, ein virtuelles Bildungsmedienzentrum einzurichten, die rund 6.100 bayerischen Schulen an ein zentrales Bildungsnetz anzubinden und damit die Medienkompetenz der bayerischen Schülerinnen und Schüler weiter auszubauen.

Gewissermaßen als "Kernstück" des Projektes "Digitales Lernen Bayern" hat das Kultusministerium ein Dachportal mit der Bezeichnung "mebis - Landesmedienzentrum Bayern" geschaffen, unter dem bereits bestehende Maßnahmen gebündelt und mit weiteren, neuen Angeboten zusammengeführt wurden. Wesentliche Bestandteile von "mebis - Landesmedienzentrum Bayern" sind das mebis-Infoportal, die mebis-Mediathek, das mebis-Prüfungsarchiv und die mebis-Lernplattform.

In das Projekt "Digitales Lernen Bayern" war ich von Anfang an eingebunden. Insbesondere während der Entwicklungsphase habe ich es intensiv datenschutzrechtlich begleitet. Durch meine frühe Beteiligung konnte ich rechtzeitig datenschutzrechtlich kritische Punkte identifizieren und auf Verbesserungen hinwirken. Es ist auf diese Weise gelungen, ein für die Schulen in ganz Bayern auch unter Datenschutzaspekten attraktives Online-Angebot zu entwickeln. Nach Angaben des Kultusministeriums haben Mitte 2016 bereits mehr als 2.900 Schulen in Bayern mit über 550.000 registrierten Nutzerinnen und Nutzern - Schülerinnen und Schülern ebenso wie Lehrkräften - die Angebote von "mebis - Landesmedienzentrum Bayern" eingesetzt.

10.2.1. Notwendigkeit einer Rechtsgrundlage für die mebis-Lernplattform

Unter den vielen Angeboten, die "mebis - Landesmedienzentrum Bayern" bereithält, ist aus datenschutzrechtlicher Sicht die mebis-Lernplattform besonders bedeutsam. Denn aufgrund der regelmäßig personalisierten Anmeldung und der regelmäßigen Protokollierung aller Nutzungsbewegungen besteht hier die Möglichkeit, detaillierte Verhaltensprofile der einzelnen Nutzerinnen und Nutzer anzufertigen.

Die wesentlichen schul- und datenschutzrechtlichen Vorgaben zum Betrieb und zur Nutzung von Lernplattformen an bayerischen öffentlichen Schulen enthält die Anlage 10 "Passwortgeschützte Lernplattform" der vom Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst erlassenen Verordnung zur Durchführung des Art. 28 Abs. 2 des Bayerischen Datenschutzgesetzes (DVBayDSG-KM). Diese Anlage legt insbesondere den zulässigen Umfang der Daten fest, der beim Einsatz passwortgeschützter Lernplattformen von Schülerinnen und Schülern sowie von Lehrkräften gespeichert werden darf, sieht aber auch Regelungen zur Nutzungsberechtigung, zum Nutzungsumfang und zu den Löschfristen vor. In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf den Beitrag Nr. 10.1.2 meines 26. Tätigkeitsberichts 2014 aufmerksam machen, in dem ich mich zuletzt zu Anlage 10 DVBayDSG-KM ausführlich geäußert habe.

Die personenbezogenen Schüler- und Lehrerdaten, die in der mebis-Lernplattform nach der Vorstellung des Kultusministeriums gespeichert werden sollten, gingen jedoch über den Rahmen, der in der damaligen - bis zum 31. Mai 2014 geltenden - Fassung der Anlage 10 DVBayDSG-KM vorgegeben war, deutlich hinaus. So sollten hier zahlreiche zusätzliche personenbezogene Schüler- und Lehrerdaten gespeichert werden und damit auch die Nutzungs- und Verarbeitungsrechte der Lehrkräfte sowie der Schülerinnen und Schüler erheblich ausgeweitet werden. Das Kultusministerium vertrat dennoch die Auffassung, den Einsatz der mebis-Lernplattform rechtlich allein auf eine bloße (landesweite) datenschutzrechtliche Freigabe im Sinne von Art. 26 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Fall 1 BayDSG stützen zu können.

Gegen dieses Vorhaben habe ich jedoch erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken erhoben. Seit dem "Volkszählungsurteil" des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a.) ist es anerkannt, dass Einschränkungen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage bedürfen. Gerade in dem besonders grundrechtsrelevanten Bereich der öffentlichen Schulen muss daher der Gesetz- und Verordnungsgeber selbst für den Einsatz von passwortgeschützten Lernplattformen den in aller Regel als ausreichend - und damit auch nur insoweit als datenschutzrechtlich erforderlich - bewerteten Rahmen vorgeben. Eine deutliche inhaltliche Ausweitung dieser gesetzlichen Festlegung ist folglich nicht im Wege einer bloßen (landesweiten) datenschutzrechtlichen Freigabe möglich. Vielmehr bedarf es insoweit einer Änderung der Anlage 10 DVBayDSG-KM in dem hierfür vorgeschriebenen Verfahrensweg.

10.2.2. Anpassung der Anlage 10 "Passwortgeschützte Lernplattform" DVBayDSG-KM

Erfreulicherweise hat das Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst meine Argumente aufgegriffen.

Nach mehrmonatiger intensiver, teilweise kontroverser Diskussion hat es die Anlage 10 "Passwortgeschützte Lernplattform" DVBayDSG-KM schließlich in Abstimmung mit mir mit Wirkung vom 1. Juni 2014 angepasst.

Hinsichtlich der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Schüler- und Lehrerdaten beim Einsatz von Lernplattformen hat das Kultusmi-nisterium dabei unter anderem folgende Ergänzungen und Änderungen vorgenommen:

  • Benutzername, Nutzerrolle, lokale User-ID, Passwort, Stimme (im Rahmen von Audiobeiträgen) dürfen zusätzlich gespeichert werden;
  • Korrekturzeichen und -anmerkungen, Mitgliedschaften in virtuellen Kursen/Räumen der Lernplattform (auch im Rahmen einer Schulpartnerschaft) sowie in der Lernplattform veröffentlichte Audiobeiträge dürfen nunmehr ebenfalls gespeichert werden;
  • die Lehrkräfte dürfen unter anderem die Daten ihrer Schülerinnen und Schüler in den virtuellen Kursen/Räumen der Lernplattform (mit Ausnahme der lokalen User-ID und des Passwortes) nutzen und verarbeiten;
  • umgekehrt steht auch den Schülerinnen und Schülern - neben dem Zugriff auf ihre eigenen Daten - ein Leserecht beziehungsweise Hörrecht bezüglich bestimmter, auf den jeweiligen virtuellen Kurs/Raum bezogener Daten der Lehrkräfte (etwa in der Lernplattform veröffentlichte Beiträge und Lektionen) zu;
  • außerdem wurden die Regelfristen für die Löschung oder die Prüfung der Löschung angepasst. Danach ist ein Großteil der Daten spätestens am Ende des laufenden Schuljahres zu löschen.

Nichts geändert hat die Ergänzung der Anlage 10 DVBayDSG-KM aber an einem aus datenschutzrechtlicher Sicht besonders wichtigen Grundsatz (siehe Anlage 10 Nrn. 3.2 und 3.3 DVBayDSG-KM):

Die Speicherung von Schüler- und Lehrerdaten ist weiterhin regelmäßig - in der mebis-Lernplattform ebenso wie auch bei anderen passwortgeschützten Lernplattformen - von der wirksamen Einwilligung der jeweils Betroffenen abhängig. Zur Einholung der erforderlichen Einwilligungen der Betroffenen - Lehrkräfte, volljährige Schülerinnen und Schüler, Erziehungsberechtigte bei minderjährigen Schülerinnen und Schülern, diese zusätzlich ab Vollendung des 14. Lebensjahres - hat das Kultusministerium den Schulen verbindliche Muster vorgegeben (siehe die Anlagen 5.1 und 5.2 der von der Homepage des Kultusministeriums www.km.bayern.de (externer Link) unter "Ministerium" - "Recht" - "Datenschutz" abrufbaren "Handreichung für Datenschutzbeauftragte an bayerischen staatlichen Schulen mit Formularsammlung").

Einer Einwilligung bedarf es nur dann nicht, wenn - und soweit - die Lernplattform auf Grund von Regelungen des Kultusministeriums, wie etwa Lehrplänen, verpflichtender Bestandteil des Unterrichts ist. So kann der Einsatz passwortgeschützter Lernplattformen unter den sehr engen, kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen der Nr. 4.3 Abs. 3 der vom Kultusministerium erlassenen Bekanntmachung "Medienbildung. Medienerziehung und informationstechnische Bildung in Schule" vom 24. Oktober 2012 (Az.: III.4-5 S 1356-3.18 725) auch dezentral von der jeweiligen Schule vor Ort zum verpflichtenden Bestandteil des Unterrichts erklärt werden (siehe dazu im Einzelnen meinen 26. Tätigkeitsbericht 2014 unter Nr. 10.3). Im Fall des verpflichtenden schulischen Einsatzes hat die Schule die Betroffenen zuvor über Art und Umfang der Datenverarbeitung umfassend zu informieren.

10.2.3. Zwischenbilanz und Ausblick

Der Unterricht in virtuellen Klassenräumen ist aus dem heutigen Schulalltag nicht mehr wegzudenken. Im Gegenteil: er wird in der schulischen Praxis künftig weiter an Bedeutung gewinnen. Die positive Resonanz, die die Einführung von "mebis - Landesmedienzentrum Bayern" bei den bayerischen Schulen, Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern hervorgerufen hat, spricht für sich. Nur konsequent und nachvollziehbar ist daher das Begehren gerade der Schulen, die inhaltlichen und technischen Möglichkeiten, die ein virtuelles Bildungsmedienzentrum bietet, stetig zu verfeinern und zu erweitern.

Soweit eine Fortentwicklung und Erweiterung virtueller Bildungsräume aber mit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung zusätzlicher personenbezogener Daten von Schülerinnen und Schülern sowie von Lehrkräften verbunden ist, müssen das Kultusministerium ebenso wie die Schulen darauf achten, dass die Datenschutzrechte der Betroffenen - Schülerinnen und Schüler ebenso wie Lehrkräfte - gewahrt werden.

In einer zunehmend digitalisierten Welt müssen gerade die Schulen hier ein Vorbild sein. In Wahrnehmung des gesetzlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags (siehe Art. 1 und Art. 2 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen) sind die Schulen gehalten, ihren Schülerinnen und Schülern zu vermitteln, dass der Schutz personenbezogener Daten kein Selbstzweck ist, sondern dem Schutz der Persönlichkeit dient. Kinder und Jugendliche müssen den bewussten und sorgfältigen Umgang mit "ihren" Daten lernen - nicht nur, aber auch gegenüber der Schule und ihren digitalen Unterrichtsprojekten.

Die weitere Entwicklung von "mebis - Landesmedienzentrum Bayern" werde ich daher aus datenschutzrechtlicher Sicht aufmerksam verfolgen.

10.3. Videoaufnahmen im Schulunterricht

Im Berichtszeitraum haben viele Anfragen von öffentlichen - staatlichen wie kommunalen - Schulen, aber auch zahlreiche Eingaben von betroffenen Schulangehörigen bei mir den Eindruck der letzten Jahre weiter verstärkt, dass Schulen in beständig zunehmendem Umfang Videotechnik im Unterricht einsetzen. Dahinter steht zumeist eine anerkennenswerte pädagogische Absicht: Sei es, dass der Schulunterricht belebt, moderne Technik zur Wissensbildung in den Unterricht integriert und die Schülerinnen und Schüler motiviert werden sollen, sei es, dass die Videografie als Instrument der Professionalisierung des Lehrerberufs - gerade auch bei angehenden Lehrerinnen und Lehrern - eingesetzt werden soll.

Aus Datenschutzsicht darf dabei aber nicht übersehen werden, dass im Zuge von Videoaufnahmen im Unterricht regelmäßig Schülerinnen und Schüler ebenso wie Lehrkräfte selbst - optisch und gegebenenfalls auch akustisch - aufgezeichnet und damit oftmals sensible personenbezogene Daten in erheblichem Umfang erhoben und möglicherweise auch für längere Zeit gespeichert und anderweitig verwendet werden. Auch ohne Namensnennung oder -einblendung liegt allein schon im - vollständigen oder auch nur ausschnittsweisen - Aufzeichnen der an Schulen stets identifizierbaren Schulangehörigen eine Erhebung personenbezogener Daten.

Videografie greift daher in das verfassungsrechtlich verankerte Allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) ein. Es ist allgemein anerkannt, dass sich der Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch auf Abbildungen einer Person durch Dritte erstreckt. Dieses Recht am eigenen Bild gewährleistet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts "dem Einzelnen Einfluß- und Entscheidungsmöglichkeiten, soweit es um die Anfertigung und Verwendung von (...) Aufzeichnungen seiner Person durch andere geht. Ob diese den Einzelnen in privaten oder öffentlichen Zusammenhängen zeigen, spielt dabei grundsätzlich keine Rolle. Das Schutzbedürfnis ergibt sich vielmehr (...) vor allem aus der Möglichkeit, das Erscheinungsbild eines Menschen in einer bestimmten Situation von diesem abzulösen, datenmäßig zu fixieren und jederzeit vor einem unüberschaubaren Personenkreis zu reproduzieren" (so beispielsweise Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 653/96 -, BVerfGE 101, 361, 381).

Eingriffe in das Recht am eigenen Bild dürfen die Schulen allerdings nur vornehmen, wenn sie der Gesetzgeber hierzu ermächtigt hat. Maßgeblich sind in diesem Zusammenhang die Bestimmungen des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) und des Bayerischen Datenschutzgesetzes (BayDSG).

10.3.1. Reichweite der gesetzlichen Befugnis des Art. 85 Abs. 1 BayEUG

Nach Art. 85 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BayEUG dürfen die Schulen die zur Erfüllung der ihnen durch Rechtsvorschriften zugewiesenen Aufgaben erforderlichen personenbezogenen Daten der Schülerinnen und Schüler, deren Erziehungsberechtigten, der Lehrkräfte und des nicht unterrichtenden Personals erheben, verarbeiten und nutzen.

Art. 85 BayEUG Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Daten

(1) 1Die Schulen dürfen die zur Erfüllung der ihnen durch Rechtsvorschriften zugewiesenen Aufgaben erforderlichen Daten erheben, verarbeiten und nutzen. 2Dazu gehören personenbezogene Daten der Schülerinnen und Schüler und deren Erziehungsberechtigten, der Lehrkräfte und des nicht unterrichtenden Personals. ...

  • Erfüllung einer durch Rechtsvorschrift zugewiesenen Aufgabe

Verfolgt die Schule mit dem Einsatz der Videotechnik pädagogische Zwecke - wie etwa die Vermittlung von Wissen und Technikkompetenz -, kommt sie damit grundsätzlich ihrem gesetzlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag und somit einer ihr durch Rechtsvorschrift zugewiesenen Aufgabe nach (siehe Art. 1 und 2 BayEUG sowie Art. 131 Verfassung des Freistaates Bayern). Videografie als Instrument der Professionalisierung des Lehrerberufs, ein weiterer (Neben-)Anlass für den Einsatz von Videotechnik, wird sich häufig - gerade bei angehenden Lehrerinnen und Lehrern - ebenfalls noch als Wahrnehmung dieses gesetzlichen Auftrags verstehen lassen.

Anders verhält es sich jedoch, wenn die Schule Filme von (besonderen) Schulveranstaltungen oder Projektgruppen zu Werbe- und Imageförderungszwecken anfertigen und - etwa durch den Abdruck von QR-Codes im schulischen Jahresbericht oder durch die Einstellung in die Schulhomepage - einem breiten Adressatenkreis zugänglich machen will. Öffentlichkeitsarbeit und Außendarstellung können hier nur selten und allenfalls in begrenztem Umfang als dem gesetzlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag unterfallende Aufgaben angesehen werden.

  • Erforderlichkeit der Videoaufzeichnung für die Aufgabenerfüllung

Kommt die Schule mit dem Einsatz der Videotechnik ihrem gesetzlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag an sich nach, ist die damit einhergehende Datenerhebung und -verwendung jedoch stets unzulässig, wenn sie für die Aufgabenerfüllung nicht erforderlich ist.

Die Erforderlichkeit liegt dabei nur vor, wenn die Videoaufzeichnung erstens einen legitimen Zweck verfolgt, zweitens zu dessen Verwirklichung geeignet ist, drittens kein milderes, ebenso gut zur Zweckerreichung führendes Mittel besteht und viertens angemessen ist.

Im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeit ist durchaus der pädagogischen Einschätzung der Lehrkraft Rechnung zu tragen. Allerdings ist die Erforderlichkeit ein Rechtsbegriff. Sie kann nicht (allein) mit der pädagogischen Notwendigkeit begründet werden. Vielmehr kommt es zur Beurteilung der Erforderlichkeit auf die gesamten Umstände des konkreten Einzelfalles an, wobei insbesondere stets kritisch zu hinterfragen ist, ob im Einsatz der Videografie ein anderweitig nicht erzielbarer pädagogischer Mehrwert liegt.

Im Grundsatz zu bejahen ist die Erforderlichkeit bei Videoaufnahmen während des Unterrichts für die Zwecke des Unterrichts. Hierzu gehört etwa die Videoaufzeichnung von Übungen im Rahmen des Rhetorik-Unterrichts oder des Sportunterrichts, damit die Schülerinnen oder Schüler durch wiederholtes Ansehen der Aufnahmen ihre (Rhetorik-, Präsentations- oder Bewegungs-)Techniken verbessern können. Ebenso gehört hierzu die Videoaufzeichnung von Unterrichtsstunden angehender Lehrerinnen und Lehrer, damit diese ihre Unterrichtsgestaltung optimieren können.

Erforderlich können hierbei allerdings nur gelegentliche Videoaufzeichnungen sein. Keinesfalls darf die Aufzeichnung der Unterrichtsstunden von angehenden Lehrerinnen und Lehrern, der Rhetorik-Unterrichtsstunden oder der Sportunterrichtsstunden zum Regelfall - oder auch nur zum häufigen Fall - werden.

Nicht erforderlich ist etwa auch das Filmen der Klasse, um Fehlverhalten (insbesondere in Abwesenheit der Lehrkraft) vorzubeugen oder zumindest aufzuklären. Hier scheint schon die Legitimität des verfolgten Ziels zweifelhaft; jedenfalls sind mildere - pädagogische - Mittel ohne weiteres denkbar.

Videografien während des Unterrichts für die Zwecke des Unterrichts fehlt allerdings dann regelmäßig die - als Teil der Erforderlichkeit zu prüfende - Angemessenheit, wenn die Aufnahmen längerfristig gespeichert und nicht nach Beendigung der Unterrichtsstunde oder jedenfalls der (auch mehrere Unterrichtsstunden umfassenden, thematisch zusammengehörenden) Unterrichtseinheit gelöscht werden. Ansonsten besteht die erhebliche Gefahr, dass die Aufnahmen ohne Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten verbreitet werden und - gegebenenfalls auch in anderen Zusammenhängen - das Persönlichkeitsrecht der Schülerinnen und Schüler oder auch der angehenden Lehrerinnen und Lehrer beeinträchtigen.

Die Angemessenheit fehlt infolgedessen auch dann, wenn Videoaufnahmen im Schulunterricht Bestandteil der Zulassungsarbeiten oder anderer Prüfungsleistungen von angehenden Lehrerinnen und Lehrern sein sollen. Erst recht gilt dies, wenn Videografien zu Werbe- und Imageförderungszwecken (im Internet oder andernorts) veröffentlicht werden sollen. Schließlich fehlt die Angemessenheit, wenn beim Einsatz von Videotechnik gänzlich unbeteiligte Schulangehörige möglicherweise sogar unbemerkt - etwa beim Filmen innerhalb des Schulgebäudes im Rahmen eines Kunstprojekts - aufgenommen werden. Hier haben die unbeteiligten Personen auf den Umgang mit den erhobenen Daten noch weniger Einfluss als die am Projekt beteiligten Schülerinnen und Schüler oder Lehrkräfte.

Aber auch bei nur kurzfristig gespeicherten Videoaufnahmen ist die Angemessenheit zweifelhaft, wenn die Aufzeichnungen mit einem Privatgerät der (angehenden) Lehrkraft angefertigt werden oder ein schulisches Gerät zur Auswertung mit nach Hause genommen werden darf. Hier ist das Missbrauchsrisiko ebenso wie das (auch unbewusste) Verbreitungsrisiko - etwa bei Verlieren des Geräts oder bloß des Speichermediums - regelmäßig zu hoch.

  • Keine Weitergabe der Videoaufzeichnung an Dritte

Art. 85 Abs. 2 BayEUG präzisiert Art. 85 Abs. 1 BayEUG dahingehend, dass die Weitergabe von Daten über Schülerinnen und Schüler und Erziehungsberechtigte an außerschulische Stellen im Grundsatz untersagt ist.

Ohne entsprechende datenschutzgerechte Einwilligung ist es daher regelmäßig unzulässig, dass die Schule Videoaufzeichnungen an Dritte herausgibt oder es gestattet, dass Dritte - etwa Sponsoren der Schule - die Schülerinnen und Schüler im Unterricht selbst filmen. Hier bildet auch das Hausrecht keine Rechtsgrundlage.

  • Keine Speicherung der Videoaufzeichnung bei Dritten

Die Speicherung von Videoaufnahmen bei externen (Cloud-)Anbietern stellt eine Datenverarbeitung im Auftrag dar, die nach Art. 6 BayDSG nur unter sehr erschwerten - tatsächlichen wie rechtlichen - Voraussetzungen zulässig ist (siehe dazu im Einzelnen Nr. 13.3 sowie meinen 26. Tätigkeitsbericht 2014 unter Nr. 13.1). Im Schulalltag ist kaum vorstellbar, dass die vom Gesetzgeber aufgestellten hohen Anforderungen erfüllt werden können.

Ich rate daher allen Schulen nachdrücklich davon ab, im Rahmen der ohnehin datenschutzrechtlich sensiblen Videografie Dritte einzubinden.

10.3.2. Datenschutzgerechte Einwilligung

Fehlt es an den Voraussetzungen des Art. 85 Abs. 1 BayEUG, so gibt es keine Videoaufnahmen im Schulunterricht ermöglichende Rechtsvorschrift im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Nr. 1 BayDSG. Eine Datenerhebung und -verwendung im Wege der Videografie kann daher allenfalls dann rechtmäßig sein, wenn gemäß Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 BayDSG eine datenschutzgerechte Einwilligung der jeweils betroffenen Schulangehörigen vor Anfertigung der Aufnahmen eingeholt wird. Bei minderjährigen Schülerinnen und Schülern müssen dabei die Erziehungsberechtigten einwilligen, ab Vollendung des 14. Lebensjahres zusätzlich auch die Minderjährigen selbst.

Allerdings dürfen die Schulen das Instrument der Einwilligung nicht dazu nutzen, um unter Umgehung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes (siehe Art. 20 Abs. 3 GG) die bestehende Befugnis des Art. 85 Abs. 1 BayEUG zu erweitern oder das Fehlen dieser Befugnis zu kompensieren. Zwischen Art. 15 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BayDSG besteht ein Spannungsverhältnis. Nicht jede Datenerhebung und -verwendung, für die eine gesetzliche Rechtsgrundlage im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Nr. 1 BayDSG fehlt, kann im Wege einer Einwilligung gemäß Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 BayDSG gerechtfertigt werden.

Je tiefer der schulische Eingriff in das Recht am eigenen Bild ist, umso eher verbietet sich die Einholung einer Einwilligung schon deshalb, weil es in diesen Fällen dem Gesetzgeber obliegt zu entscheiden, ob die Schule einen solchen Eingriff vornehmen darf.

Liegt nach diesen Maßgaben ein Sachverhalt vor, bei dem eine Einwilligung an sich möglich ist, so muss sie insbesondere freiwillig, informiert und grundsätzlich schriftlich erteilt werden (Art. 15 Abs. 2 bis 4 und 7 BayDSG). An der Freiwilligkeit fehlt es beispielsweise, wenn die Betroffenen einem starken Gruppendruck ausgesetzt sind. Im Rahmen der vollständigen Aufklärung müssen die Betroffenen insbesondere darüber informiert werden, zu welchem konkreten Zweck die Videoaufnahmen gefertigt werden, in welcher Form und wie lange die Aufnahmen gespeichert werden, wer darauf Zugriff hat und an wen sie unter Umständen weitergegeben werden. Die Betroffenen müssen somit eine konkrete Vorstellung über Ziel, Inhalt, Ablauf und Umfang der Datenerhebung und -verwendung erhalten können. Besonders wichtig ist zudem gerade in einem Abhängigkeitsverhältnis - in dem sich Schülerinnen und Schüler in der Schule stets befinden - der Hinweis darauf, dass die Einwilligung ohne Angabe von Gründen und ohne nachteilige Folgen verweigert sowie jederzeit widerrufen werden kann. Dies gilt insbesondere bei Schulveranstaltungen mit Teilnahmepflicht.

Allerdings rate ich von der Einholung entsprechender Einwilligungen generell ab. Aus diesem Grund stellen auch die mit mir abgestimmten, vom Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst den staatlichen Schulen zur Verwendung vorgegebenen und den kommunalen Schulen sowie den staatlich anerkannten Ersatzschulen zur Verwendung empfohlenen Musterformulare für die Einwilligung in die Veröffentlichung von personenbezogenen Daten (einschließlich Fotos) jeweils ausdrücklich klar, dass "Ton-, Video- und Filmaufnahmen ... von dieser Einwilligung nicht umfasst" sind.

Meine ablehnende Haltung begründe ich damit, dass der Grundrechtseingriff durch Videografie - also die grundsätzlich dauerhafte Erhebung und Speicherung bewegter Bilder - stets einen erheblichen Eingriff in das Recht am eigenen Bild darstellt. Bewegte Bilder sind in der Regel aussagekräftiger als (bloße) Fotoaufnahmen. Der durch sie transportierte Informationsgehalt ist aus der Kombination von Bild, Ton und Bewegung über einen längeren Zeitraum besonders hoch. Gerade die Aufzeichnung von Wortbeiträgen der Schülerinnen und Schüler während des Unterrichts, die möglicherweise in Art. 15 Abs. 7 BayDSG besonders geschützte politische Meinungsäußerungen sowie religiöse oder philosophische Überzeugungen berühren, kann tiefgehende Einblicke in die "Innenwelt" der Betroffenen geben und deren ungestörte Überzeugungs- und Meinungsbildung erheblich beeinträchtigen. Videoaufzeichnungen sind gerade auch in diesen Fällen geeignet, die Wahrnehmung der gefilmten Person durch andere auf Dauer zu festigen und ein Vergessen ebenso wie eine spätere Distanzierung des Betroffenen "von sich selbst" zu erschweren.

10.3.3. Praxisrelevante Einzelfälle

Schließlich möchte ich noch auf folgende Fallgestaltungen, die mir im Rahmen meiner Kontrolltätigkeit im gegenständlichen Zusammenhang bekannt geworden sind, näher eingehen:

  • Überraschende Videoaufzeichnung im Rahmen eines Kunstprojekts

Im Rahmen eines schulischen Kunstprojekts wurden die Gänge des Schulgebäudes und die sich dort vereinzelt aufhaltenden Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler "überfallartig" gefilmt. Teilweise öffnete die Projektgruppe auch überraschend die Türen der Klassenzimmer und zeichnete die Lehrkraft sowie die Schülerinnen und Schüler im Unterricht "blitzartig" auf. Dass in solchen Fällen jedenfalls die Erforderlichkeit der Datenerhebung und -verwendung im Sinne des Art. 85 Abs. 1 Satz 1 BayEUG fehlt, habe ich bereits oben unter Nr. 10.3.1 dargelegt.

Ohne Einwilligung aller erfassten - genauer: potentiell erfassbaren - Personen ist daher eine Videoaufzeichnung keinesfalls zulässig. Allerdings dürfte die Einholung aller notwendigen Einwilligungen in der Praxis schon tatsächlich kaum möglich sein. Der Eingriff wiegt zudem so schwer, dass vieles dafür spricht, dass die fehlende gesetzliche Rechtsgrundlage im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Nr. 1 BayDSG auch rechtlich nicht durch eine Einwilligung gemäß Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 BayDSG "aufgefangen" werden kann.

Die besondere Schwere des Eingriffs resultiert gerade aus der überraschenden, oftmals sogar (zunächst) unbemerkten filmischen Erfassung unbeteiligter Schulangehöriger. Diese Vorgehensweise ist besonders geeignet, einen nicht gewollten und ungünstigen Eindruck von den Betroffenen entstehen zu lassen und zu verfestigen. Hinzu kommt, dass die Kontrolle über die Aufzeichnung denkbar gering ist. Schülerinnen und Schüler einer anderen Klasse und andere Lehrkräfte haben das Projekt zu verantworten. Die Gefahr ist groß, dass allein durch den Zugriff aller Projektteilnehmerinnen und -teilnehmer die Filme zweckwidrig verwendet werden.

  • Aufzeichnung der Mitglieder einer Filmprojektgruppe

Dreht eine Projektgruppe mit und über ihre Mitglieder einen Film - etwa um andere Schülerinnen und Schüler zu werben oder um die thematische Breite der eigenen Schule einer größeren Öffentlichkeit zu präsentieren -, so ist der Eingriff ebenfalls erheblich. Zwar ist die Aufnahme nicht überraschend, so dass jede betroffene Person über die Art und Weise ihrer Erfassung und ihrer Handlungen eine gewisse Kontrolle ausüben kann. Ein unkontrolliertes Verbreitungsrisiko besteht aber dennoch, da die Filme gerade längerfristig gespeichert und im Zweifel andernorts auch vorgeführt werden sollen.

Soweit aber Unbeteiligte nicht aufgezeichnet werden, die Teilnahme an der Projektgruppe nicht Pflicht ist und besonders darauf geachtet wird, dass kein auf die Einwilligungserteilung gerichteter Gruppendruck entsteht, ist eine datenschutzgerechte Einwilligung bei Beachtung der übrigen, oben unter Nr. 10.3.2 im Einzelnen dargestellten Vorgaben grundsätzlich möglich.

Dennoch rate ich aus den genannten Gründen von der Einholung entsprechender Einwilligungen auch in diesen Fällen ab.

  • Videoaufnahmen im Schulunterricht durch Dritte (Sponsoren)

Sollen Aufzeichnungen über besondere Schulveranstaltungen oder schulische Projektgruppen durch Dritte - wie etwa Sponsoren - angefertigt werden und diesen sogar die Verwertungsrechte übertragen werden, so ist hierin eine Einwilligung im Hinblick auf das umfassende Kontrolldefizit nicht möglich.

10.4. "Sponsoring" von Klassenfotos

Mit der datenschutzrechtlichen Problematik der Weitergabe von Schülerdaten zu Werbezwecken habe ich mich bereits in meinem 24. Tätigkeitsbericht 2010 unter Nr. 10.4 kritisch auseinandergesetzt. Den Themenkomplex der Erstellung und Verwendung von Schülerfotos habe ich zuletzt in meinem 26. Tätigkeitsbericht 2014 unter Nr. 10.4 aus Datenschutzsicht umfassend beleuchtet.

Zu den in diesen beiden Beiträgen behandelten Fragestellungen erreichten mich auch im aktuellen Berichtszeitraum wieder zahlreiche schriftliche und telefonische Eingaben und Anfragen.

An dieser Stelle greife ich nur eine besonders bemerkenswerte Fallkonstellation heraus, die beide Themenkreise gleichermaßen betrifft.

10.4.1. Sachverhalt

Eine besorgte Mutter schilderte mir, dass ihr Sohn, ein Schüler der ersten Klasse einer staatlichen Grundschule, eines Tages einen von einer örtlichen Bank ausgestellten "Abholschein" mit nach Hause brachte. Bei Vorlage des "Abholscheins" sollte die Mutter von der Bank kostenlos ein Klassenfoto ihres Sohnes erhalten. Das Klassenfoto war zuvor in der Schule von einem professionellen Fotografen auf Kosten der Bank angefertigt worden. Auf dem "Abholschein" waren allerdings der Name und der Vorname, die Anschrift, die Grundschule und die Klasse sowie das Geburtsdatum des Schülers einzutragen. Ein Vermerk im "Kleingedruckten" besagte zudem, dass mit der Vorlage des "Abholscheins" gegenüber der Bank das Einverständnis mit der Speicherung dieser Schülerdaten erteilt wird.

10.4.2. Datenschutzrechtliche Bewertung

Ebenso wie für die Bank mag auch für die Grundschule die geschilderte Vorgehensweise auf den ersten Blick als eine "Win-win-Situation" erscheinen: Die Schule eröffnet ohne großen Aufwand den Erstklässlern und deren Erziehungsberechtigten die Möglichkeit, kostenfrei hochwertige Klassenfotos zu beziehen. Die Bank erhält im Gegenzug - neben der Möglichkeit, sich in der Grundschule darzustellen - zahlreiche Schülerdaten zur späteren Ansprache und Kontaktpflege.

Bei genauer Betrachtung erweist sich das dargestellte "Sponsoring" von Klassenfotos durch die Bank jedoch als rechtlich sehr bedenklich. Gegenüber der Grundschule habe ich daher dieses "Sponsoring" von Klassenfotos datenschutzrechtlich - kurz zusammengefasst - wie folgt bewertet:

  • Klassenfotos enthalten umfangreiche personenbezogene Daten im Sinne des Art. 4 Abs. 1 BayDSG. Die schulische Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten sind gemäß Art. 15 Abs. 1 BayDSG nur zulässig, wenn eine Rechtsvorschrift sie erlaubt oder anordnet (Nr. 1) oder der Betroffene eingewilligt hat (Nr. 2).

Eine gesetzliche Verpflichtung der Erstklässler, sich von einem - zudem auch noch im Auftrag einer Bank handelnden - Fotografen ohne Einwilligung ihrer Eltern aufnehmen zu lassen, besteht nicht. Für die damit verbundenen Erhebungen und Verwendungen von Schülerdaten existiert keine Rechtsgrundlage; insbesondere liegen hier die Voraussetzungen des Art. 85 Abs. 1 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) nicht vor.

  • Zwar gibt die Grundschule die mittels der "Abholscheine" geforderten personenbezogenen Schülerdaten nicht direkt an die Bank weiter. Allerdings veranlasst sie die Erziehungsberechtigten, mit den Schülerdaten zu "bezahlen", um an das Bild des eigenen Kindes zu gelangen. Diese Vorgehensweise ist einer Übermittlung der Schülerdaten durch die Grundschule an die Bank gleichzustellen.

Im Hinblick auf das in Art. 84 Abs. 1 BayEUG vom bayerischen Gesetzgeber aufgestellte Verbot der kommerziellen Werbung an Schulen ist eine solche Datenübermittlung an eine außerschulische Stelle gemäß Art. 85 Abs. 2 BayEUG allerdings ohne Einwilligung der Eltern unzulässig.

  • Die mit der "Sponsoring"-Aktion verbundenen vielfältigen Erhebungen und Verwendungen von Schülerdaten könnten daher allenfalls mit datenschutzgerechter - also schriftlicher, informierter, freiwilliger und widerruflicher - Einwilligung der Betroffenen im Sinne des Art. 15 Abs. 2 bis 4 und 7 BayDSG zulässig sein. Bei Erstklässlern können allein die Erziehungsberechtigten einwilligen. Die Einwilligungen müssen dabei im Vorhinein erteilt werden.

Entsprechende Einwilligungen hat die Grundschule bei den Eltern jedoch nicht eingeholt.

Insbesondere konnte eine datenschutzgerechte Einwilligung nicht mit dem Ausfüllen des "Abholscheins" erteilt werden. Zum einen wäre eine solche Erklärung zu spät gekommen, weil sie dem Fotografieren zeitlich nachgelagert ist. Zum anderen wäre diese Erklärung auch nicht freiwillig gewesen, weil die Erziehungsberechtigten von der Schule einer "Nötigungssituation" ausgesetzt wurden. Ohne Ausfüllen des "Abholscheins" bliebe das rechtswidrig gefertigte Bild ihres Kindes nämlich vollständig im Einflussbereich der Bank. Darüber hinaus würden die Eltern dann auch überhaupt kein Klassenfoto ihres Kindes erhalten; denn anderweitig ist das Klassenfoto nicht - auch nicht gegen Entgelt - erhältlich.

10.4.3. Ergebnis

Aufgrund meiner datenschutzrechtlichen Bewertung trat die Grundschule umgehend an die Bank heran. Sie konnte erreichen, dass die bei der Bank noch vorhandenen Klassenfotos und die bereits eingereichten "Abholscheine" vernichtet wurden.

In den folgenden Schuljahren nahm die Grundschule sodann bei der Erstellung von Klassenfotos das "Sponsoring" der Bank nicht mehr in Anspruch.

10.5. Videoüberwachung des Kollegstufencafés

Mit der datenschutzrechtlichen Problematik der Videoüberwachung an bayerischen öffentlichen - staatlichen wie kommunalen - Schulen habe ich mich in meinen Tätigkeitsberichten bereits mehrfach eingehend auseinandergesetzt (siehe 26. Tätigkeitsbericht 2014 unter Nr. 10.9, 25. Tätigkeitsbericht 2012 unter Nr. 10.5 sowie 23. Tätigkeitsbericht 2008 unter Nr. 12.2). Dabei habe ich stets auf die engen rechtlichen Voraussetzungen hingewiesen, unter denen Videoüberwachung an Schulen überhaupt möglich ist. In meiner Kontroll- und Beratungspraxis muss ich jedoch immer wieder feststellen, dass Schulen bei der Videoüberwachung die strengen rechtlichen Vorgaben nicht - oder jedenfalls nicht vollumfänglich - beachten.

Aus dem aktuellen Berichtszeitraum greife ich nur einen besonders markanten Einzelfall heraus, auf den mich ein besorgter Erziehungsberechtigter aufmerksam gemacht hatte:

10.5.1. Sachverhalt

Ein staatliches Gymnasium hatte gleich in mehreren Bereichen des Schulgebäudes - darunter insbesondere auch im Kollegstufencafé - Videokameras installiert. Die von den Videokameras erzeugten Bilder wurden dabei direkt auf einen Bildschirm im Eingangsbereich der Schule übertragen, sodass sie für einen unüberschaubaren Personenkreis - Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Verwaltungspersonal, Reinigungskräfte und Lieferanten, Erziehungsberechtigte und weitere Personen - uneingeschränkt einsehbar waren.

Bereits nach kurzer Zeit waren daher die Aufnahme und die Übertragung der Videobilder schulintern auf erheblichen Widerstand gestoßen. Daraufhin hatte die Schulleitung die Übertragung der Bilder in den Eingangsbereich eingestellt. Stattdessen erfolgte nun während des Unterrichts eine Direktübertragung des Videosignals auf einen Monitor in den Räumen der Schulleitung; außerhalb der Unterrichtszeiten wurde das Videosignal aufgezeichnet und drei Wochen lang gespeichert.

Insoweit hielt die Schulleitung die Videoüberwachung des Kollegstufencafés weiterhin mit der Begründung für geboten, man könne die Schülerinnen und Schüler dort schließlich "nicht sich selbst überlassen", aber auch "nicht dauernd Lehrer patrouillieren lassen". Vielmehr sei die Videoüberwachung zur Erfüllung der Aufsichtspflicht und damit zum Schutz der Personen, die sich im Kollegstufencafé aufhielten, unerlässlich. Mit dem bestehenden, ohnehin knappen Stundenkontingent der Lehrerschaft könne die Beaufsichtigung aus Sicht der Schulleitung nicht abgedeckt werden.

10.5.2. Rechtslage

In schul- und datenschutzrechtlicher Hinsicht ist eine Videoüberwachung an öffentlichen - staatlichen wie kommunalen - Schulen von vornherein nur in engen Grenzen zulässig. Insbesondere gilt hier:

  • Sowohl die Videobeobachtung als auch die Videoaufzeichnung unterliegen zunächst den strengen gesetzlichen Voraussetzungen des Art. 21a BayDSG.

So sind nach Art. 21a Abs. 1 Satz 1 BayDSG die Videobeobachtung und die Videoaufzeichnung nur zulässig, soweit dies zum Schutz der dort aufgezählten Rechtsgüter erforderlich ist.

Art. 21a BayDSG Videobeobachtung und Videoaufzeichnung (Videoüberwachung)

(1) 1Mit Hilfe von optisch-elektronischen Einrichtungen sind die Erhebung (Videobeobachtung) und die Speicherung (Videoaufzeichnung) personenbezogener Daten zulässig, wenn dies im Rahmen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben oder in Ausübung des Hausrechts erforderlich ist,

  1. um Leben, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum von Personen, die sich im Bereich öffentlicher Einrichtungen, öffentlicher Verkehrsmittel, von Dienstgebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen öffentlicher Stellen oder in deren unmittelbarer Nähe aufhalten, oder
  2. um Kulturgüter, öffentliche Einrichtungen, öffentliche Verkehrsmittel, Dienstgebäude oder sonstige bauliche Anlagen öffentlicher Stellen sowie die dort oder in deren unmittelbarer Nähe befindlichen Sachen

zu schützen. 2Es dürfen keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen beeinträchtigt werden.

  • Weitere Einschränkungen für die Videoaufzeichnung an öffentlichen Schulen legt die Anlage 8 "Videoaufzeichnung an Schulen" der vom Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst erlassenen Verordnung zur Durchführung des Art. 28 Abs. 2 des Bayerischen Datenschutzgesetzes (DVBayDSG-KM) fest.

Danach darf eine Videoaufzeichnung beispielsweise nur Personen betreffen, die sich im Eingangsbereich der Schule aufhalten oder sich zwischen 22:00 Uhr und 6:30 Uhr außerhalb von schulischen oder sonstigen von der Schule zugelassenen Veranstaltungen auf dem Schulgelände befinden; darüber hinaus ist eine Aufzeichnung nur außerhalb von schulischen oder sonstigen von der Schule zugelassenen Veranstaltungen an Feiertagen, an Wochenenden oder in den Ferien auf dem Schulgelände zulässig (siehe Nr. 2.5 der Anlage 8 DVBayDSG-KM).

  • Im Hinblick darauf, dass die Videoüberwachung nach Art. 21a Abs. 1 Satz 1 BayDSG zum Schutz der dort genannten Rechtsgüter erforderlich sein muss, hat die Schule aufgrund ihrer pädagogischen Verantwortung ein hohes Maß an Sensibilität zu zeigen und insbesondere sorgfältig zu prüfen, ob nicht andere Aufsichts- und Überwachungsmaßnahmen sowie sonstige - insbesondere pädagogische - Mittel ausreichen.
  • Darüber hinaus dürfen keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass durch die Videoüberwachung überwiegende schutzwürdige Interessen insbesondere der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte beeinträchtigt werden (Art. 21a Abs. 1 Satz 2 BayDSG).
  • Die Videoüberwachung und die erhebende Stelle sind zudem gemäß Art. 21a Abs. 2 BayDSG durch geeignete Maßnahmen (vor allem Hinweisschilder) erkennbar zu machen.
  • Spätestens drei Wochen nach der Datenerhebung sind die Videoaufzeichnungen und daraus gefertigte Unterlagen zu löschen, soweit sie nicht zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung oder von Straftaten oder zur Geltendmachung von Rechtsansprüchen benötigt werden (siehe Art. 21a Abs. 5 BayDSG sowie Nr. 5 der Anlage 8 DVBayDSG-KM).
  • Schließlich ist es aus Gründen der Transparenz und zur Förderung der Akzeptanz einer derart gravierenden Maßnahme ratsam, den Elternbeirat - und gegebenenfalls auch das Schulforum - rechtzeitig in den Entscheidungsprozess einzubeziehen.

Dem Personalrat steht in der Regel ohnehin nach Art. 75a Abs. 1 Nr. 1 Bayerisches Personalvertretungsgesetz (BayPVG) bei der Videoüberwachung ein gesetzliches Mitbestimmungsrecht zu. Wie stets empfehle ich in einem solchen Mitbestimmungsfall den Abschluss einer Dienstvereinbarung im Sinne des Art. 73 BayPVG.

10.5.3. Rechtsdurchsetzung

Im eingangs geschilderten Fall habe ich umgehend das Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst gebeten, aufgrund seiner datenschutzrechtlichen Gesamtverantwortung für den Geschäftsbereich gemäß Art. 25 Abs. 1 BayDSG auf die Einhaltung der schuldatenschutzrechtlichen Vorgaben für die Videoüberwachung bei dem betroffenen staatlichen Gymnasium hinzuwirken.

Im Rahmen seiner ausführlichen rechtlichen Hinweise gab das Kultusministerium daraufhin der Schulleitung konkret in Bezug auf die Videoüberwachung im Kollegstufencafé auf, eingehend zu prüfen, ob aufgrund von Erfahrungswerten aus der Vergangenheit tatsächlich der Schluss gerechtfertigt ist, dass gerade hier eine Verletzung von Rechtsgütern wahrscheinlich ist. Hierfür wäre erforderlich, dass es in der Vergangenheit im Kollegstufencafé selbst zu erheblichen Rechtsgutsverletzungen gekommen ist. Die geforderten Angaben konnte die Schulleitung allerdings - auch nach wiederholter Aufforderung durch das Kultusministerium - nicht beibringen.

Zudem forderte das Kultusministerium die Schulleitung auf, die Angemessenheit der Videoüberwachung zu begründen. Dabei gab das Kultusministerium der Schulleitung insbesondere zu bedenken, dass sich in einem Kollegstufencafé Schülerinnen und Schüler typischerweise über einen längeren Zeitraum aufhalten und auch private Verhaltensweisen zeigen. Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sei daher ungleich gewichtiger als beispielsweise bei einer Videoüberwachung des Eingangsbereichs, in welchem sich die betroffenen Personen regelmäßig nur kurzzeitig aufhalten. Zu der entsprechenden Begründung sah sich die Schulleitung wiederum nicht im Stande.

Aber auch im Übrigen konnte die Schulleitung die Erforderlichkeit einer Videoüberwachung des Kollegstufencafés nicht nachvollziehbar darlegen. Insoweit hielt das Kultusministerium der Schulleitung vor allem entgegen, dass es schon aus pädagogischen Erwägungen möglich sein müsse, der schulischen Aufsichtspflicht auf andere Weise zu genügen.

Nach geraumer Zeit teilte mir das Kultusministerium schließlich mit, dass das betreffende staatliche Gymnasium nicht nur die Videoüberwachung des Kollegstufencafés eingestellt habe, sondern künftig generell auf dem gesamten Schulgelände sowohl auf Videobeobachtungen als auch auf Videoaufzeichnungen verzichte.

10.5.4. Fazit

Abschließend möchte ich aus Datenschutzsicht noch einmal betonen, dass die Installation von Videokameras im Schulbereich einen intensiven Eingriff in das Persönlichkeitsrecht insbesondere der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrerinnen und Lehrer bedeutet und ein nicht unproblematisches Signal an die Schulgemeinschaft, aber auch an die Öffentlichkeit sendet.

Die Schulen müssen daher bei der Beurteilung der Frage, ob die Anbringung einer Kamera im konkreten Fall tatsächlich erforderlich ist - also objektiv geeignet und im Verhältnis zu dem angestrebten Zweck auch angemessen - oder ob nicht andere, insbesondere pädagogische Maßnahmen ausreichen, gerade aufgrund ihrer pädagogischen Verantwortung ein hohes Maß an Sensibilität zeigen.

Gerade vor diesem Hintergrund freue ich mich, dass das Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst meine Haltung zur Videoüberwachung an Schulen - nicht nur in dem geschilderten Fall - vollumfänglich teilt.

10.6. Datenschutz bei der Bayerischen Landesstelle für den Schulsport

Die Bayerische Landesstelle für den Schulsport (im Folgenden: Landesstelle) ist eine bayernweit zentrale, dem Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst direkt nachgeordnete staatliche Behörde. Sie versteht sich als Serviceeinrichtung für die Schulen - für Schulleitungen und für Sportlehrkräfte ebenso wie für Schülerinnen und Schüler. Zu den Kernaufgaben der Landesstelle gehört die bayernweite Steuerung und Koordinierung der schulsportlichen Wettbewerbe. Die Landesstelle wird dabei von etwa 90 Arbeitskreisen auf Schulamtsebene sowie von Bezirksausschüssen und von einem Landesausschuss unterstützt. Mitglieder der Arbeitskreise sind jeweils mehrere Kreisschul-obleute, die als Ansprechpartner für die jeweilige Sportart fungieren und jährlich die schulsportlichen Wettbewerbe auf Kreisebene planen, organisieren und durchführen.

Im Berichtszeitraum wandte sich nun ein Sportlehrer einer bayerischen öffentlichen Schule an mich, der für seine Schule bei der Landesstelle Schulsportmannschaften zu schulsportlichen Wettbewerben anmelden wollte.

10.6.1. Ausgangssituation

  • Wie der Sportlehrer schilderte, erfolge die Anmeldung der Schulsportmannschaften zu den schulsportlichen Wettbewerben mittels eines Online-Verfahrens, das in einem internen, passwortgeschützten Bereich der Homepage der Landesstelle bereitgestellt werde.

Der Zugang zu diesem internen Bereich erfordere zwar die Eingabe eines Usernamens und eines Passwortes. Allerdings werde in den Anmeldehinweisen auf dem weltweit frei einsehbaren Bereich der Homepage der für alle Anmeldungen einheitlich vorgegebene und ausschließlich zu verwendende Username ausdrücklich genannt. Da zudem als Passwort nur die jeweilige Schulnummer einzugeben sei, die etwa über die Homepage des Kultusministeriums ebenfalls frei in Erfahrung zu bringen sei, könne sich faktisch jedermann ohne größeren Aufwand Zugang zu dem internen Bereich der Homepage verschaffen und Einsicht in die dort vorgehaltenen Dokumente nehmen.

  • Der Sportlehrer führte weiter aus, dass jede betreuende Lehrkraft für die Anmeldung einer Schulsportmannschaft zu einem schulsportlichen Wettbewerb in einem Online-Formular auf der Homepage der Landesstelle zahlreiche personenbezogene Daten angeben müsse.

Abgefragt würden unter anderem - als Pflichtfelder gekennzeichnet - Name und Privatdresse sowie private Telefonnummer(n) und private E-Mail-Adresse der betreuenden Lehrkraft.

Zudem müssten die Lehrkräfte zwingend auch in die Veröffentlichung ihrer privaten Kommunikationsdaten auf der Homepage der Landesstelle einwilligen.

  • Nach weiterer Darstellung des Sportlehrers könnten über den internen Bereich der Homepage der Landesstelle aber nicht nur Schulsportmannschaften für Schulsportwettbewerbe angemeldet werden. Vielmehr sei hier unter anderem auch der Zugriff auf einen sogenannten Personenpool möglich.

In diesem Personenpool würden - unabhängig davon, mit welcher Schulnummer man sich angemeldet habe - bayernweit die Namen aller Kreisschulobleute mit privaten Telefonnummern, Privatadressen und privaten E-Mail-Adressen aufgelistet. Insgesamt über 1.700 Datensätze seien damit ohne größeren Aufwand weltweit frei einsehbar.

Aufgrund der detaillierten Schilderungen des Sportlehrers erschien mir bereits zweifelhaft, ob die Erhebung der genannten personenbezogenen Daten der betreuenden Lehrkräfte in dem dargestellten Umfang tatsächlich für die Aufgabenerfüllung der Landesstelle erforderlich war. Vor allem hielt ich es aber für fraglich, ob tatsächlich sämtliche Betroffenen in die faktisch weltweite Veröffentlichung ihrer privaten Kommunikationsdaten wirksam eingewilligt hatten.

10.6.2. Mängelbehebung

Unter Darstellung der genannten Problempunkte habe ich mich umgehend an das Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst gewandt. Dabei habe ich das Kultusministerium gebeten, aufgrund seiner datenschutzrechtlichen Gesamtverantwortung für den Geschäftsbereich gemäß Art. 25 Abs. 1 BayDSG die Beachtung der datenschutzrechtlichen Vorschriften bei der Landesstelle sicherzustellen.

Nach mehrjährigem Abstimmungsprozess mit der Landesstelle hat mir das Kultusministerium schließlich mitgeteilt, dass als Reaktion auf mein Tätigwerden insbesondere folgende Maßnahmen umgesetzt worden seien:

  • Für die Anmeldung einer Schulsportmannschaft zu einem schulsportlichen Wettbewerb sei künftig lediglich die Angabe der dienstlichen Kommunikationsdaten der betreuenden Lehrkraft notwendig.

Hinsichtlich der Angabe privater Daten der betreuenden Lehrkraft werde nunmehr explizit auf die Freiwilligkeit hingewiesen.

Der Einblick in die Meldungen der Schulsportmannschaften sei im Übrigen nur noch mit Administratorrechten möglich.

  • Im Personenpool sei künftig lediglich die Veröffentlichung der dienstlichen Kontaktdaten der Kreisschulobleute verpflichtend.

Die Angabe privater Daten sei hingegen freiwillig. Vor der Veröffentlichung privater Daten müssten daher entsprechende Einwilligungen eingeholt werden.

  • Zunächst offen blieb indes die Frage nach dem Zugangsschutz des internen Bereichs der Homepage der Landesstelle. Dies betraf insbesondere den Personenpool, der zwischenzeitlich sogar zeitweise von dem öffentlich zugänglichen Bereich der Homepage - also ohne jegliche vorherige Anmeldung (!) - abrufbar war.

Zwar konnte mir das Kultusministerium die Erforderlichkeit der Vorhaltung des Personenpools auf der Homepage der Landesstelle zur Planung, Organisation und Durchführung der Schulsportwettbewerbe nachvollziehbar darlegen. Ich musste aber mehrfach anmahnen, den Personenpool in einen auch tatsächlich wirksam passwortgeschützten Bereich der Homepage einzustellen.

Die Landesstelle ist dem schließlich nachgekommen und hält (jedenfalls) den Personenpool nunmehr in einem (neuen) internen passwortgeschützten Bereich vor, auf den nur noch über ein Double-Opt-In-Verfahren per zertifizierter E-Mail-Adresse nach vorheriger Anmeldung zugegriffen werden kann.

10.6.3. Ausblick

Gegen Ende des Berichtszeitraums hat mir das Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst mitgeteilt, dass der Zugang zum Anmeldeverfahren - zur Erhöhung der Datensicherheit - künftig völlig neu gestaltet werden soll. Ich habe insoweit empfohlen, zumindest schulbezogene Benutzerkennungen und für Außenstehende nicht erschließbare, mindestens jährlich zu wechselnde Passwörter zu verwenden. Ferner habe ich geraten, die Kenntnis der Zugangsdaten innerhalb der jeweiligen Schule zuverlässig auf die Personen zu beschränken, welche das betreffende Angebot der Landesstelle jeweils für ihre konkrete Aufgabenstellung benötigen.

Insgesamt konnte durch kontinuierliche Begleitung und Beratung der beteiligten öffentlichen Stellen letztlich eine aus Datenschutzsicht befriedigende Situation erreicht werden. Gleichwohl zeigt der Fall beispielhaft, dass die Sensibilität für Fragen des Datenschutzes mancherorts noch ausbaubar ist.

10.7. Staatliche Schulaufsicht über private Grundschulen und Mittelschulen

Im Rahmen meiner datenschutzrechtlichen Kontrolltätigkeit bin ich darauf aufmerksam gemacht worden, dass offenbar bayernweit seit Jahren wesentliche Aufgaben der staatlichen Schulaufsicht über private Grundschulen und Mittelschulen statt von den gesetzlich dafür zuständigen Regierungen faktisch von den Staatlichen Schulämtern wahrgenommen werden. Mit der Erfüllung der vielfältigen Aufgaben der staatlichen Schulaufsicht sind insbesondere umfangreiche Erhebungen, Nutzungen und Verarbeitungen von zahlreichen Lehrer-, Eltern- und Schülerdaten verbunden. Daher ist eine solche Verfahrensweise auch unter Datenschutzaspekten problematisch.

Im Einzelnen:

10.7.1. Gesetzliche Zuständigkeit allein bei Regierungen

Nach der abschließenden gesetzlichen Zuständigkeitsregelung des Art. 114 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) obliegt die unmittelbare staatliche Schulaufsicht bei privaten Grundschulen und Mittelschulen den Regierungen. Für die unmittelbare staatliche Schulaufsicht bei öffentlichen Grundschulen und Mittelschulen sind dagegen gemäß Art. 114 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) BayEUG die Staatlichen Schulämter zuständig.

Art. 114 BayEUG Sachliche Zuständigkeit

(1) Die unmittelbare staatliche Schulaufsicht obliegt

  1. dem Staatsministerium bei Gymnasien, Fachoberschulen, Berufsoberschulen, Realschulen einschließlich der entsprechenden Schulen zur sonderpädagogischen Förderung und der Schulen, die ganz oder teilweise die Lernziele der vorgenannten Schulen verfolgen,
  2. dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bei Schulen in seinem Geschäftsbereich,
  3. dem Staatsministerium der Justiz im Einvernehmen mit dem Staatsministerium bei Unterrichtseinrichtungen in Justizvollzugsanstalten sowie in haftersetzenden Maßnahmen nach §§ 71, 72 des Jugendgerichtsgesetzes,
  4. den Regierungen
  5. bei öffentlichen Grundschulen und Mittelschulen für die schulaufsichtliche Genehmigung von Neu-, Um- und Erweiterungsbauten,
  6. bei privaten Grundschulen und Mittelschulen,
  7. bei Förderschulen (einschließlich der zugehörigen Einrichtungen der Mittagsbetreuung), soweit die Schulaufsicht nicht durch Nr. 1 oder 4 Buchst. d geregelt ist,
  8. bei Berufsschulen, Berufsfachschulen, Wirtschaftsschulen, Fachschulen und Fachakademien einschließlich der entsprechenden Schulen zur sonderpädagogischen Förderung,
  9. bei Schulen für Kranke,
  10. bei Ergänzungsschulen unbeschadet der Regelung in Nr. 1,
  11. bei Sing- und Musikschulen,
  12. bei Lehrgängen in Verbindung mit dem Bayerischen Rundfunk (Telekolleg),
  13. bei Lehrgängen, wenn diese von kommunalen Trägern oder von staatlich verwalteten Stiftungen errichtet oder betrieben werden,
  14. den Schulämtern
  15. bei öffentlichen Grundschulen und Mittelschulen,
  16. bei Einrichtungen der Mittagsbetreuung, soweit nicht in Nr. 4 Buchst. c geregelt,
  17. den Kreisverwaltungsbehörden bei Lehrgängen, soweit sie nicht in Nr. 4 Buchst. g, h und i und Abs. 2 genannt sind.

10.7.2. Tatsächliche Aufgabenwahrnehmung durch Schulämter

Nach meinen Informationen bedienen sich allerdings in der Praxis die Regierungen bei der Wahrnehmung ihrer schulaufsichtlichen Tätigkeit über private Grundschulen und Mittelschulen in weitem Umfang der Staatlichen Schulämter.

Wie mir aus dem Kreis der Regierungen ausdrücklich bestätigt wurde, würden in Anbetracht der Vielzahl der vorhandenen privaten Grundschulen und Mittelschulen, die zudem oftmals räumlich weiter entfernt von der jeweiligen Regierung gelegen seien, die örtlichen Schulämter aus Praktikabilitätsgründen "gebeten", verschiedene Aufgaben der Schulaufsicht "für die Regierung" wahrzunehmen.

Die Tätigkeit der Schulämter reiche dabei von Ortsbesichtigungen über unangekündigte Besuche, etwa aufgrund von Beschwerden, bis hin zur Bearbeitung sensibler Vorgänge, bei denen die Schulämter insbesondere auch mit personenbezogenen Daten sowohl von Lehrkräften als auch von Schülerinnen und Schülern sowie von Erziehungsberechtigten der privaten Grundschulen und Mittelschulen umgehen würden. Die Schulämter nähmen etwa Einsicht in Schülerakten; sie würden aber beispielsweise auch bei der Feststellung der persönlichen Eignung von Lehrkräften tätig.

10.7.3. Art und Umfang der Aufgabenerfüllung durch Schulämter - Erkenntnisse des Kultusministeriums

Aufgrund dieser auch datenschutzrechtlich bedeutsamen Informationen habe ich das Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst um Stellungnahme zu der Frage gebeten, inwieweit nach dortigen Erkenntnissen die Staatlichen Schulämter im Bereich der den Regierungen obliegenden Schulaufsicht über private Grundschulen und Mittelschulen tätig sind.

Das Kultusministerium hat in seiner ausführlichen Stellungnahme bestätigt, dass die Staatlichen Schulämter die Regierungen bei der Schulaufsicht über private Grundschulen und Mittelschulen in zahlreichen, wesentlichen Aufgaben unterstützen. Nach Befragung aller Regierungen nannte das Kultusministerium dabei in einer - nicht abschließenden - Aufzählung insbesondere folgende Tätigkeitsbereiche:

  • Beratung der Träger und Leitungen privater Grundschulen und Mittelschulen vor Ort und Inanspruchnahme von staatlichen Beratungsdiensten,
  • Überprüfung der fachlichen Qualifikation und pädagogischen Eignung des privat angestellten Lehrpersonals,
  • Zuständigkeit für an private Schulen zugeordnetes staatliches Lehrpersonal (einschließlich Beurteilung),
  • Versorgung der Schule mit Lehrpersonal zur fachgerechten Umsetzung des Lehrplans,
  • Umsetzung des schulaufsichtlich genehmigten pädagogischen Konzepts,
  • Mitwirkung bei Fragen zur Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen einer staatlichen Anerkennung,
  • Überprüfung von Auflagen aus den Genehmigungsbescheiden vor Ort,
  • Überprüfung von Ergänzungsschulen im Hinblick auf die Eignung zur Erfüllung der Schulpflicht,
  • Besichtigungen und Schulbesuche bei Eingaben und Beschwerden,
  • Beantwortung/Bearbeitung von Anfragen oder Beschwerden von Erziehungsberechtigten.

10.7.4. Rechtliche Bedenken gegenüber umfassender Aufgabenerledigung durch Schulämter

In Anbetracht dieser umfassenden Erfüllung einer Vielzahl wesentlicher Aufgaben der staatlichen Schulaufsicht über private Grundschulen und Mittelschulen durch die Staatlichen Schulämter habe ich dem Kultusministerium meine erheblichen Zweifel an der (datenschutzrechtlichen) Rechtmäßigkeit dieser in Bayern offenbar seit Jahren bestehenden Praxis mitgeteilt:

  • Soweit sich die Regierungen bei der Ausübung der unmittelbaren staatlichen Schulaufsicht über private Grundschulen und Mittelschulen der Schulämter bedienen, bestehen rechtliche Bedenken zunächst im Hinblick auf die eindeutige gesetzliche Zuständigkeitsregelung des Art. 114 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) BayEUG, der für die Schulämter in Bezug auf private Grundschulen und Mittelschulen keine Zuständigkeit vorsieht.

Eine andere gesetzliche Regelung, die eine - wenn auch nur auf bestimmte (Teil-)Bereiche beschränkte - (Mit-)Zuständigkeit der Schulämter bei der staatlichen Schulaufsicht über private Grundschulen und Mittelschulen begründet, ist nicht ersichtlich. Vielmehr hat der bayerische Gesetzgeber in Art. 114 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) BayEUG die schulaufsichtliche Zuständigkeit der Schulämter ausdrücklich und ausschließlich auf öffentliche Grundschulen und Mittelschulen beschränkt.

  • Fehlt eine Rechtsgrundlage für die Aufgabenerfüllung der Schulämter bei der staatlichen Schulaufsicht über private Grundschulen und Mittelschulen, liegt zugleich ein Verstoß gegen den institutionellen Gesetzesvorbehalt des Art. 77 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 Verfassung des Freistaates Bayern vor.

Danach darf die Regelung der Zuständigkeiten der staatlichen Organe nicht durch die Verwaltung selbst vorgenommen werden, sondern hat ausschließlich durch den Landtag im Wege eines formellen Gesetzes zu erfolgen. Eine faktische (Modifizierung dieser) Zuständigkeitsregelung durch die Verwaltungspraxis ist verfassungsrechtlich unzulässig.

  • Die Einhaltung der sachlichen, örtlichen und funktionalen Zuständigkeit ist Bestandteil des Gebots gesetzmäßiger Verwaltung (vgl. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland). Damit besteht eine Rechtspflicht der Behörden zur Wahrung der gesetzlichen Kompetenzordnung, welche in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten ist.

Die Beachtung der Kompetenzordnung dient der Vermeidung von Mehrfachzuständigkeiten und damit der Rechtssicherheit. Gleichzeitig hat sie eine Schutzfunktion für die vom Behördenhandeln Betroffenen, weil damit eine beliebige Zuständigkeitswahrnehmung durch andere Behörden ausgeschlossen werden soll. Auch hat der Bürger grundsätzlich einen Anspruch auf das Handeln der zuständigen Behörde (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, § 3 Rn. 5 f.).

  • In Anbetracht der verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht und der gesetzlich normierten Kompetenz-ordnung sind Zuständigkeitsvereinbarungen zwischen Behörden (oder zwischen Behörde und Bürgerinnen/Bürgern) grundsätzlich unzulässig und nur bei gesetzlicher Ermächtigung wirksam.

Auch eine einseitige Zuständigkeitsübertragung - beispielsweise durch Delegation - ist ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage unzulässig (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 3 Rn. 13).

  • Aus spezifisch datenschutzrechtlicher Sicht habe ich zudem darauf hingewiesen, dass die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten durch bayerische öffentliche Stellen nur dann zulässig sind, wenn dies zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der erhebenden, verarbeitenden oder nutzenden öffentlichen Stelle liegenden Aufgaben erforderlich ist (so ausdrücklich Art. 16 ff. BayDSG). Die Aufgabenerfüllung muss freilich rechtmäßig sein. Die Rechtmäßigkeit der Aufgabenerfüllung hängt jedoch grundlegend von der sachlichen, örtlichen und funktionellen Zuständigkeit der Daten erhebenden, verarbeitenden oder nutzenden öffentlichen Stelle ab (vgl. nur den Standardkommentar Wilde/Ehmann/Niese/Knoblauch, Bayerisches Datenschutzgesetz, Art. 16 Rn. 15 ff.).

Damit ist der Umgang mit personenbezogenen Daten von Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern sowie Erziehungsberechtigten privater Grundschulen und Mittelschulen durch ein unzuständiges Schulamt auch datenschutzrechtlich unzulässig.

10.7.5. Schulämter als bloße Erbringer von "Hilfeleistungen"?

Das Kultusministerium hat mir versichert, dass es die Zuständigkeit der Regierungen für die unmittelbare staatliche Schulaufsicht bei privaten Grundschulen und Mittelschulen nicht in Zweifel ziehe. Vielmehr würden die Staatlichen Schulämter nach Auffassung des Kultusministeriums von den Regierungen lediglich "als Hilfsorgane zur Erfüllung der jeweiligen Aufgaben der Schulaufsicht" herangezogen.

Nach Darstellung des Kultusministeriums hätten die Regierungen deutlich gemacht, dass sie die Schulaufsicht über die große Anzahl an privaten Grund-, Haupt- und Mittelschulen in Bayern (ca. 200) ohne die Mitwirkung der Staatlichen Schulämter nicht sachgerecht ausüben könnten. Schließlich hätten nur die Schulämter die notwendigen lokalen Kenntnisse und seien im engen Kontakt mit den Schulleitungen der Privatschulen. Ein Miteinander von öffentlichen und privaten Schulen vor Ort sei ohne unterstützenden Einsatz des Bindeglieds der Staatlichen Schulämter nicht realisierbar.

Als rechtliche Grundlage für diese "Hilfeleistung" nannte das Kultusministerium die Vorschrift des Art. 116 Abs. 4 BayEUG. Danach können die Schulaufsichtsbehörden zur Ausübung der Aufsicht die ihnen nachgeordneten Behörden und besondere Beauftragte heranziehen. Nach Auffassung des Kultusministeriums verbleibt demnach die Zuständigkeit für die unmittelbare staatliche Schulaufsicht über private Grundschulen und Mittelschulen zwar bei den Regierungen. Die Regierungen zögen jedoch im Rahmen der Ausübung ihrer Aufsicht auf der Grundlage des Art. 116 Abs. 4 BayEUG die Staatlichen Schulämter als Hilfsorgane heran.

Art. 116 BayEUG Beteiligung an der Schulaufsicht

(4) Die Schulaufsichtsbehörden können zur Ausübung der Aufsicht die ihnen nachgeordneten Behörden und besondere Beauftragte heranziehen.

10.7.6. Bedenken gegenüber Heranziehung der Schulämter als "Hilfsorgane"

Gerade in Anbetracht des oben skizzierten weiten Umfangs der Aufgabenerledigung bestehen gegenüber einer Einbeziehung der Staatlichen Schulämter in die staatliche Schulaufsicht über private Grundschulen und Mittelschulen auf der Grundlage des Art. 116 Abs. 4 BayEUG jedoch erhebliche rechtliche Bedenken:

  • Zunächst ist festzuhalten, dass Art. 116 Abs. 4 BayEUG die gesetzliche Regelung über die sachliche Zuständigkeit in Art. 114 BayEUG unberührt lässt. Insbesondere ermöglicht Art. 116 Abs. 4 BayEUG keine - auch nicht teilweise - Übertragung von gesetzlichen Zuständigkeiten auf nachgeordnete Behörden. Vielmehr gestattet die Vorschrift des Art. 116 Abs. 4 BayEUG den Schulaufsichtsbehörden nur, nachgeordnete Behörden und besondere Beauftragte als Hilfsorgane zur Erfüllung der jeweiligen Aufgabe der Schulaufsicht im Einzelfall heranzuziehen (so auch der Standardkommentar Lindner/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, Band 1, Art. 116 BayEUG Anm. 6, sowie Dirnaichner, Praxis der Kommunalverwaltung, Erläuterungen zu Art. 116 BayEUG).

Somit ist es auf der Basis des Art. 116 Abs. 4 BayEUG lediglich zulässig, nachgeordnete Behörden im Rahmen der Schulaufsicht zu Hilfstätigkeiten im Einzelfall heranzuziehen, ohne dass sich die gesetzlich zuständigen Schulaufsichtsbehörden dadurch ihrer schulaufsichtlichen Aufgaben und damit auch ihrer Verantwortung entledigen könnten.

  • In der Praxis werden die Staatlichen Schulämter im Rahmen der staatlichen Schulaufsicht über private Grundschulen und Mittelschulen jedoch bayernweit mit der Erledigung einer Vielzahl von - oben unter Nr. 10.7.2 und Nr. 10.7.3 nicht einmal abschließend aufgezählter - Aufgaben betraut.

Die Staatlichen Schulämter nehmen hierbei oftmals sogar bedeutsame Aufgaben wahr, deren Inhalte über bloße Hilfstätigkeiten weit hinausgehen. So führen die Schulämter zahlreiche Tätigkeiten aus, die eine eigenverantwortliche Prüfung und Bewertung fachbezogener und - auch datenschutzrechtlich - sensibler Sachverhalte erfordern und damit zu den elementaren Aufgaben der Schulaufsicht gehören.

Hierzu zählen etwa die Überprüfung der fachlichen Qualifikation und pädagogischen Eignung des privat angestellten Lehrpersonals, die Beurteilung von Lehrpersonal, die Überprüfung von Ergänzungsschulen im Hinblick auf die Eignung zur Erfüllung der Schulpflicht und die Beantwortung/Bearbeitung von Anfragen oder Beschwerden von Erziehungsberechtigten.

  • Schließlich ergibt sich sowohl aus den Stellungnahmen des Kultusministeriums als auch der Regierungen, dass die "Unterstützung" durch die Schulämter nicht auf den Einzelfall beschränkt ist, sondern dauerhaft und institutionell als Regelfall in der Praxis fest verankert ist.

Ob und welche Aufgaben der staatlichen Schulaufsicht über private Grundschulen und Mittelschulen daneben überhaupt noch bei den Regierungen verbleiben, ist aus sämtlichen Stellungnahmen der Kultusverwaltung dagegen nicht ersichtlich.

10.7.7. Fazit

Die Stellungnahmen von Kultusministerium und Regierungen haben meine bisherigen, bei meiner Kontrolltätigkeit erlangten Erkenntnisse, dass die umfassend und regelmäßig eingebundenen Staatlichen Schulämter bayernweit faktisch wesentliche Aufgaben der staatlichen Schulaufsicht über private Grundschulen und Mittelschulen dauerhaft und in eigener Verantwortung wahrnehmen, bestätigt.

Gewichtige Gründe sprechen dafür, dass die aus Praktikabilitätsgründen erfolgende - strukturell verfestigte - Einbindung der Schulämter in die staatliche Schulaufsicht über private Grundschulen und Mittelschulen in der Art und in dem Umfang, wie derzeit bayernweit praktiziert, nicht (mehr) als bloße "Hilfstätigkeit" angesehen werden kann, die über die Vorschrift des Art. 116 Abs. 4 BayEUG abgedeckt wäre. Der bayerische Gesetzgeber hat in Art. 114 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) BayEUG die Aufgabe der Schulaufsicht bei privaten Grundschulen und Mittelschulen eindeutig und ausschließlich den Regierungen zugewiesen.

Sind die Regierungen allerdings auch künftig - schon tatsächlich - nicht in der Lage, ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Wahrnehmung der Schulaufsicht über private Grundschulen und Mittelschulen nachzukommen, können die aufgezeigten Bedenken aus meiner Sicht letztlich nur durch Schaffung einer klaren gesetzlichen (Zuständigkeitsänderungs-)Regelung im Bayerischen Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen ausgeräumt werden. Meine diesbezügliche, dringende Empfehlung, eine entsprechende, im Übrigen formulierungstechnisch unaufwändige gesetzliche Klarstellung auf den Weg zu bringen, hat das Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst jedoch bislang leider nicht aufgegriffen.