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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 31.01.2017

4. Verfassungsschutz

4.1. Novellierung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes (BayVSG)

Im Berichtszeitraum wurde das Bayerische Verfassungsschutzgesetz umfassend reformiert. Das neue Bayerische Verfassungsschutzgesetz wurde am 7. Juli 2016 vom Landtag verabschiedet und ist am 1. August 2016 in Kraft getreten. Grund für die Novellierung war unter anderem das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. April 2013 (BVerfGE 133, 277) zum Antiterrordateigesetz (ATDG), das der Informationsübermittlung zwischen den Verfassungsschutzbehörden und der Polizei enge Grenzen gesetzt hat (siehe zu den Folgen aus dem ATDG-Urteil bereits 26. Tätigkeitsbericht 2014 unter Nr. 4.2.1). Zudem ist am 21. November 2015 das Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes in Kraft getreten, in welchem erstmals der Einsatz von Verdeckten Mitarbeitern und Vertrauensleuten im Bereich des Verfassungsschutzes geregelt wird. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollten zudem die Ergebnisse der Bund-Länder-Kommission "Rechtsterrorismus" (Bundestags-Drucksache 17/14600) und des NSU-Untersuchungsausschusses des Bayerischen Landtags (Landtags-Drucksache 16/17740) im neuen Bayerischen Verfassungsschutzgesetz berücksichtigt werden.

Die Staatsregierung hat den Reformbedarf schließlich zum Anlass genommen, das Bayerische Verfassungsschutzgesetz grundlegend zu novellieren. Im Zuge dessen wurde auch erstmalig die Möglichkeit des Abrufs von gespeicherten Verkehrsdaten ("Vorratsdatenspeicherung") durch das Landesamt für Verfassungsschutz geschaffen.

Bereits frühzeitig wurde ich vom Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr über das Reformvorhaben informiert. Ich erhielt Gelegenheit, zum Gesetzentwurf (Landtags-Drucksache 17/10014) ausführlich Stellung zu beziehen. Mein Hauptaugenmerk lag hierbei auf den datenschutzrechtlichen Defiziten, die die Novellierung mit sich bringt. Im Vergleich zur bisherigen Fassung enthält das neue Bayerische Verfassungsschutzgesetz einige erhebliche Verschlechterungen.

Insbesondere folgende Punkte sehe ich sehr kritisch:

  • Bei den grundrechtssichernden Verfahrensvorschriften ist eine generelle Absenkung des Schutzniveaus zu verzeichnen. So regelt das novellierte Bayerische Verfassungsschutzgesetz etwa das Abhören und Aufzeichnen des außerhalb von Wohnungen gesprochenen Wortes (Art. 6d BayVSG a.F.) nicht mehr, obwohl diese Maßnahme sehr eingriffsintensiv ist. Insbesondere entfallen dadurch die besonderen Verfahrensvorschriften des Art. 6f Abs. 4 BayVSG a.F. (zum Beispiel Schutz von Berufsgeheimnisträgern). Zudem begegnet es verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die nachrichtendienstlichen Mittel lediglich in einer Dienstvorschrift und nicht im Gesetz selbst aufgeführt sind. Art. 7 Abs. 2 Satz 1 BayVSG-E (jetzt Art. 8 Satz 1 BayVSG) genügt damit nach meiner Auffassung den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Grundsätze der Normenbestimmtheit und Normenklarheit nicht.
  • Für den Abruf der nach § 113b Telekommunikationsgesetz gespeicherten Verkehrsdaten ("Vorratsdatenspeicherung") ist der Schutz der Berufsgeheimnisträger zu verbessern und die Abrufbefugnis entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus dem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung vom 2. März 2010 (BVerfGE 125, 260) verfassungskonform auszugestalten (Art. 13 Abs. 3 BayVSG-E, jetzt Art. 15 Abs. 3 BayVSG). Nach meiner Einschätzung wird die Regelung derzeit den vom Bundesverfassungsgericht festgestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen ebenfalls nicht gerecht.
  • Für den neu geregelten Einsatz von Verdeckten Mitarbeitern und Vertrauensleuten (Art. 16, 17 BayVSG-E, jetzt Art. 18, 19 BayVSG) fehlen grundrechtssichernde Verfahrensvorschriften (etwa hinsichtlich des Kernbereichsschutzes und der Benachrichtigungspflicht), obwohl es sich um eingriffsintensive verdeckte Maßnahmen handelt.
  • Die Novellierung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes darf den Schutz von Minderjährigen nicht herabsetzen (Art. 5 Abs. 1 Satz 4 BayVSG und Art. 19 Abs. 1 Satz 3 BayVSG-E, jetzt Art. 21 Abs. 1 Satz 3 BayVSG). Eine Absenkung des Schutzniveaus an dieser Stelle sehe ich äußerst kritisch, weil gerade Minderjährige in ihrer Persönlichkeit noch nicht ausgereift sind und die Tragweite ihrer Handlungen altersbedingt regelmäßig nicht überblicken können.
  • Die unverhältnismäßig lange Löschfrist des Art. 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayVSG-E (jetzt Art. 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayVSG) von 15 Jahren ist angesichts der Regelungslage auf Bundesebene nicht nachvollziehbar. Auch das Bundesverfassungsschutzgesetz geht in § 12 Abs. 3 von nur zehn Jahren aus.
  • Bei den Datenübermittlungsvorschriften sind die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus dem ATDG-Urteil vom 24. April 2013 (BVerfGE 133, 277) nicht vollständig umgesetzt (siehe Art. 22, 23 BayVSG-E, jetzt Art. 24, 25 BayVSG). Insbesondere wird dem so genannten informationellen Trennungsprinzip zwischen den Verfassungsschutz- und Polizeibehörden nicht ausreichend Rechnung getragen.
  • Die Novellierung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes darf die Kontrollmöglichkeiten durch staatliche Stellen nicht einschränken. Die bestehenden Kontrollrechte des Parlamentarischen Kontrollgremiums werden jedoch teilweise reduziert (Art. 18 BayVSG-E, jetzt Art. 20 BayVSG).

Im Rahmen der Ressortanhörung konnte ich aber auch einige datenschutzrechtliche Verbesserungen bewirken. Unter anderem konnte ich erreichen, dass der Aufgabenbereich des Landesamts für Verfassungsschutz in Art. 3 Satz 2 BayVSG ausdrücklich auf die Beobachtung von Bestrebungen und Tätigkeiten Organisierter Kriminalität "zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung" beschränkt wird. Damit wird dem informationellen Trennungsprinzip eher Rechnung getragen und der Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes zugunsten der klassischen Aufgaben eingegrenzt. Zudem konnte ich hinsichtlich des Auskunftsanspruchs nach Art. 21 BayVSG-E (jetzt Art. 23 BayVSG) durchsetzen, dass in der Gesetzesbegründung festgelegt wird, dass das Landesamt für Verfassungsschutz zumindest zur ermessensgerechten Entscheidung über die Auskunftserteilung verpflichtet ist, wenn der Auskunftsantrag unzureichend begründet ist (siehe Landtags-Drucksache 16/17740, S. 47).

Meine ausführliche Stellungnahme zur BayVSG-Novelle ist auf meiner Homepage https://www.datenschutz-bayern.de eingestellt und ist auch auf der Internetseite des Landtags (https://www.bayern.landtag.de/dokumente (externer Link)) unter "Protokolle" abrufbar.

In diesem Zusammenhang möchte ich zudem auf die Entschließung der 90. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 30. September/1. Oktober 2015 zum bereits oben erwähnten Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes verweisen. In dieser Entschließung lehnt die Konferenz die vom Bundesgesetzgeber verabschiedete Reform des Verfassungsschutzes ab, weil sie mit der föderalen Ordnung der Bundesrepublik nicht vereinbar ist und die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger bedroht:

Entschließung der 90. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder am 30.09./01.10.2015

Verfassungsschutzreform bedroht die Grundrechte

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder lehnt die mit dem "Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes" (BR-Drs. 123/15 und 382/15) beschlossene Verfassungsschutzreform ab. Die vorgesehenen Gesetzesänderungen sind in zentralen Punkten verfassungsrechtlich äußerst bedenklich. Das betrifft insbesondere die praktisch unbegrenzten Befugnisse der Verfassungsschutzbehörden, personenbezogene Daten in umfassenden und zentralen Dateien zu speichern.

Das Gesetz sieht u. a. vor, Aufgaben und Informationen beim Bundesamt für Verfassungsschutz zu zentralisieren. Es erweitert die Verpflichtungen der Verfassungsschutzbehörden, Daten untereinander auszutauschen, erheblich. Zudem ermöglicht es den Austausch mit Polizeibehörden in einem Maß, welches der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zum informationellen Trennungsprinzip (Urteil vom 24. April 2013, 1 BvR 1215/07) widerspricht. Es schafft weiter die rechtliche Grundlage, das zentrale nachrichtendienstliche Informationssystem (NADIS) von einem reinen Indexsystem zu einem vollumfänglichen Informationssystem auszubauen. Dies geschieht vor allem dadurch, dass nach dem Gesetzeswortlaut zu allen gespeicherten Personen und Objekten zukünftig auch die zugehörigen Dokumente, Bilder, Video- oder Audiomaterial in NADIS gespeichert werden können und sollen. Auf die erheblichen Risiken von Recherchen in solch umfassenden Dateien hat die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder bereits frühzeitig mit ihrer Entschließung vom 4. November 2010 "Keine Volltextsuche in Dateien der Sicherheitsbehörden" hingewiesen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz erhält schließlich in Konkurrenz zu den Ländern operative Zuständigkeiten auch für nicht länderübergreifende gewaltorientierte Bestrebungen. Die Verfassungsschutzbehörden der Länder werden faktisch auf die Rolle von Datenlieferanten für das Bundesamt für Verfassungsschutz reduziert.

Es fehlt nach wie vor an einer umfassenden und systematischen Analyse bisheriger Versäumnisse und Vollzugsdefizite. Diese hatte die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder bereits mit Beginn der Überlegungen zu einer Reform des Verfassungsschutzes gefordert (Entschließung vom 8. November 2012 "Reform der Sicherheitsbehörden: Der Datenschutz darf nicht auf der Strecke bleiben"). Offen bleibt so insbesondere die Frage, ob die Verfassungsschutzbehörden bestehende Befugnisse in der Vergangenheit richtig angewendet haben. Gleichwohl werden nunmehr die Befugnisse der Verfassungsschutzbehörden noch erweitert. Bestehende Defizite der rechtsstaatlichen Kontrolle über die Nachrichtendienste löst das Gesetz ebenfalls nicht. Dabei hat vor allem der Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages ein erhebliches Kontrolldefizit aufgezeigt. Auch hier hat die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder bereits eine verfassungskonforme Gestaltung der Kontrolle angemahnt (Entschließung vom 9. Oktober 2014 "Effektive Kontrolle von Nachrichtendiensten herstellen!").

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hält an ihrer Forderung gegenüber dem Gesetzgeber fest, das Recht der Nachrichtendienste maßvoll und verfassungskonform auszugestalten. Dies ist mit diesem Gesetz misslungen. Das Gesetz stellt einen weiteren Schritt zur Aushöhlung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung dar.

4.2. Dokumentenmanagementsystem beim Landesamt für Verfassungsschutz

Nachdem bei der Einführung einer neuen Dokumentenmanagementsoftware beim Landesamt für Verfassungsschutz keine spezifischen Regularien zur Aussonderung des elektronisch vorgehaltenen Aktenbestandes getroffen wurden, war eine meiner zentralen Forderungen an das Landesamt für Verfassungsschutz, für das neue System ein abgestuftes Löschkonzept zu erstellen. Das Landesamt für Verfassungsschutz ist meiner Argumentation gefolgt und hat inzwischen einen Entwurf für eine Errichtungsanordnung vorgelegt, der meine Forderungen weitgehend berücksichtigt. Gerade für einfach gelagerten Schriftverkehr mit Bürgerinnen und Bürgern oder mit anderen Behörden sind darin nunmehr wesentlich kürzere Aufbewahrungszeiten als bislang vorgesehen. Weiterhin wurde in dem System nun die Möglichkeit implementiert, unzulässige Datenspeicherungen durch den behördlichen Datenschutzbeauftragten unverzüglich löschen zu lassen.

4.3. Löschmoratorien zur Unterstützung von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen

Im Rahmen der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses "Rechtsterrorismus in Bayern - NSU" des Bayerischen Landtags hatte der Vorsitzende das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr gebeten, dafür Sorge zu tragen, dass weder im Landesamt für Verfassungsschutz noch in bayerischen Polizeibehörden Akten, Dateien und sonstige Unterlagen, die für den Untersuchungsauftrag relevant sein können, unwiederbringlich gelöscht werden. Eine ähnliche Bitte erreichte die bayerischen Behörden auch durch den Vorsitzenden des parallel laufenden Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags.

Um diesen Anliegen zu entsprechen, verfügte das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr gegenüber dem Landesamt für Verfassungsschutz und den Polizeiverbänden, vorerst die Aussonderung und Löschung von polizeilichen Akten, Dateien und sonstigen Unterlagen zu unterlassen - unabhängig von den bis dahin erkennbaren Bezügen zum Untersuchungsgegenstand. Die Anordnung hierfür stützte das Landesamt für Verfassungsschutz auf Art. 7 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz in Verbindung mit den jeweiligen Arbeitsanweisungen für die Speicherung und Löschung personenbezogener Daten. Im Bereich der polizeilichen Speicherungen/Akten wurde auf Art. 45 Abs. 3 Nr. 2 Polizeiaufgabengesetz zurückgegriffen.

Nachdem mich das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr über die Vorgehensweise informiert hat, habe ich darauf hingewiesen, dass die hierdurch länger aufbewahrten Daten ausschließlich dem oben genannten Zweck des Untersuchungsausschuss dienen dürften. Ebenso sollte auch der Personenkreis mit Zugriffsmöglichkeit auf diese Daten weitgehend eingeschränkt werden. Nach Abstimmung mit dem Staatsministerium für Justiz wurde zudem klargestellt, dass zwingende gesetzliche Löschungsverpflichtungen (wie zum Beispiel bei Erkenntnissen aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung) weiterhin unverzüglich zu erfüllen sind. Unter den vorgenannten Voraussetzungen habe ich den Regelungen und später auch der Verlängerung des Löschmoratoriums sowie einem weiteren Löschmoratorium beim Landesamt für Verfassungsschutz im Zusammenhang mit dem NSA-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zugestimmt. Meine datenschutzrechtlichen Bedenken gegenüber den umfassenden Speicherungs- und Aufbewahrungsverlängerungen der personenbezogenen Daten einer Vielzahl von unbeteiligten Betroffenen habe ich gerade auch im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gebotene Aufklärungsarbeit solcher Untersuchungsausschüsse vorerst zurückgestellt.

Grundsätzlich sehe ich jedoch die Zunahme von Löschmoratorien kritisch. So habe ich bei der Übertragung der oben genannten Verfahrensweise zur Unterstützung parlamentarischer Untersuchungsausschüsse auf strafrechtliche Ermittlungsverfahren (beispielsweise anlässlich der Ermittlungen des Generalbundesanwaltes zum Oktoberfestattentat) meine datenschutzrechtlichen Bedenken dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr mitgeteilt.

4.4. Prüfungen

4.4.1. Prüfung des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ)

Das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum beschäftigt sich mit der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus. Es hat seinen Sitz beim Bundeskriminalamt am Standort Berlin-Treptow und nahm Ende 2004 seine Arbeit auf. Im GTAZ sind folgende Behörden vertreten:

  • Bundeskriminalamt (BKA),
  • Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV),
  • alle Landeskriminalämter,
  • alle Landesämter für Verfassungsschutz,
  • Bundenachrichtendienst (BND),
  • Militärischer Abschirmdienst (MAD),
  • Bundespolizei,
  • Generalbundesanwalt (GBA),
  • Zollkriminalamt (ZKA),
  • Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).

Von den meiner Kontrollkompetenz unterliegenden bayerischen Behörden sind demnach das Bayerische Landeskriminalamt (LKA) sowie das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) mit jeweils einem Verbindungsbeamten vor Ort vertreten. Entsprechend meinem gesetzlichen Kontrollauftrag habe ich ausschließlich die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung durch die Verbindungsbeamten dieser beiden bayerischen Behörden geprüft.

Es handelt sich beim GTAZ wie auch bei den weiteren gemeinsamen Zentren des Bundes (etwa dem Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum GETZ) nicht um eine eigenständige Behörde, sondern um eine Plattform, die dem wechselseitigen länder- und behördenübergreifenden Informationsaustausch und der persönlichen Vernetzung dient. Demzufolge existieren keine gesonderten Rechtsgrundlagen speziell für das GTAZ. Vielmehr werden für die dortigen Datenübermittlungen die für die dort vertretenen Behörden jeweils einschlägigen Datenübermittlungsbefugnisse herangezogen. Vor allem die wechselseitige Datenübermittlung zwischen den Polizeibehörden und den Nachrichtendiensten unterliegt aufgrund des informationellen Trennungsprinzips jedoch besonderen Voraussetzungen (ATDG-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. April 2013 - 1 BvR 1215/07; siehe hierzu näher 26. Tätigkeitsbericht 2014 unter Nr. 4.2.1).

Diese besondere Konstruktion des GTAZ und die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem ATDG-Urteil habe ich zum Anlass für meine Prüfung des LKA und des LfV genommen. Dabei habe ich Protokolle der Besprechungen der Verbindungsbeamtinnen und -beamten im GTAZ gesichtet und sie dazu befragt. In diesem Zusammenhang habe ich Gespräche mit weiteren Vertretern des LKA und des LfV über die Tätigkeit im GTAZ geführt. Auch habe ich das GTAZ vor Ort besucht und an dortigen Besprechungen teilgenommen.

Jeder Beitrag einer Verbindungsbeamtin oder eines Verbindungsbeamten des LKA oder des LfV in einem Gremium des GTAZ stellt datenschutzrechtlich bereits eine Datenübermittlung an sämtliche im dortigen Gremium vertretenen Behörden dar, weshalb die Voraussetzungen der jeweiligen Datenübermittlungsbefugnis auch im Hinblick auf jede einzelne Empfangsbehörde vorliegen müssen. Insbesondere muss die Erforderlichkeit einer personenbezogenen Datenübermittlung an alle dort jeweils vertretenen Behörden und damit gegebenenfalls an alle im GTAZ vertretenen Behörden vorliegen.

Auf diese Rechtslage habe ich hingewiesen. Wie mir versichert wurde, teilen die beiden betreffenden Behörden meine Auffassung. Ich habe darum gebeten, die Voraussetzungen einer Datenübermittlung mit Personenbezug in jedem konkreten Einzelfall auch künftig sorgfältig zu prüfen. Verbesserungen konnte ich dahingehend erreichen, dass diese Prüfung der Datenübermittlungsvoraussetzungen nunmehr dokumentiert werden wird. Konkrete Beiträge der bayerischen Verbindungsbeamtinnen und -beamten im GTAZ, für welche die rechtlichen Voraussetzungen der Datenübermittlung an die übrigen Behörden des GTAZ im Einzelfall nicht vorgelegen hätten, habe ich im Rahmen meiner Prüfung nicht festgestellt.

Weiter konnte ich erreichen, dass für den Bereich der beiden bayerischen Behörden LKA und LfV nunmehr ausdrücklich und verbindlich geregelt wird, wo und wie lange sie die GTAZ-Unterlagen (Protokolle und ähnliches) aufbewahren beziehungsweise speichern. Insbesondere habe ich darauf geachtet, dass bestehende Höchstspeicherfristen in den übrigen Dateien der genannten Behörden durch die Aufbewahrung der GTAZ-Unterlagen nicht umgangen werden. Die in diesem Rahmen getroffenen Regelungen von LKA und LfV habe ich als ausreichend und verhältnismäßig beurteilt.

4.4.2. Teilnahme des Landesamts für Verfassungsschutz an einer staatsanwaltlichen Durchsuchung

Im Rahmen einer Prüfung habe ich von einem Vorgang erfahren, in welchem das Landesamt für Verfassungsschutz an einer staatsanwaltlichen Durchsuchung teilgenommen hatte. Der Beschuldigte dieses Ermittlungsverfahrens war bereits zuvor den Polizei - sowie auch den Verfassungsschutzbehörden bekannt. Die mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft erfolgte Teilnahme der Beschäftigten des Landessamts für Verfassungsschutz diente dem Zweck, beratende Unterstützung für das Ermittlungsverfahren zu leisten, insbesondere im Hinblick auf die extremistische Gruppierung, der der Beschuldigte angehören soll. Die Beschäftigten des Landesamts für Verfassungsschutz traten dabei - wie den von mir eingesehenen Akten zu entnehmen war - offen als Angehörige des Landesamts für Verfassungsschutz auf. Im Rahmen ihrer beratenden Teilnahme an der Durchsuchungsmaßnahme haben die Beschäftigten des Landesamts für Verfassungsschutz jedoch in einem Fall auch eigenständig personenbezogene Daten erhoben. Dies habe ich zum Anlass genommen, mich grundsätzlich mit dieser Thematik zu beschäftigen.

Anerkanntermaßen kann die Staatsanwaltschaft zwar zu Ermittlungshandlungen - wie etwa Durchsuchungen - grundsätzlich Sachverständige oder sachkundige Dritte zu ihrer Unterstützung hinzuziehen, soweit dies zur Förderung der Ermittlungshandlung erforderlich ist. Darunter können auch Beschäftigte des Landesamts für Verfassungsschutz fallen (siehe Nr. 205 Abs. 5 der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren - RiStBV), auch wenn ich dies datenschutzrechtlich aufgrund des Trennungsgebots (siehe Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. April 2013 - 1 BvR 1215/07) kritisch sehe. Es handelt sich auch in diesen Fällen jedoch stets um eine Ermittlungshandlung der Staatsanwaltschaft. Hinzugezogene Sachverständige oder sachkundige Dritte werden nur beratend oder unterstützend tätig; eine eigene Ermittlungshandlung von Dritten ist damit nicht verbunden.

Erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken ergeben sich, wenn die zur Durchsuchung - gegebenenfalls zudem verdeckt - hinzugezogenen Beschäftigten des Landesamts für Verfassungsschutz eigene Datenerhebungen durchführen und nicht nur die Datenerhebungen der Staatsanwaltschaft beratend unterstützen. In diesem Fall verlassen sie den Bereich der bloßen Unterstützung der Ermittlungsbehörden. Es bedarf daher für die eigene Datenerhebung des Landesamts für Verfassungsschutz bei der Teilnahme an der Durchsuchung auch einer eigenen Befugnis zur Datenerhebung.

Unabhängig davon habe ich aber darüber hinaus grundlegende Bedenken, wenn das Landesamt für Verfassungsschutz anlässlich einer unterstützenden Teilnahme an Wohnungsdurchsuchungen selbst Daten erhebt:

Das Bayerische Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) räumt dem Landesamt für Verfassungsschutz bewusst keine Befugnis zu einer zwangsweise durchsetzbaren Wohnungsdurchsuchung wie in §§ 102, 103 Strafprozessordnung oder Art. 23 Polizeiaufgabengesetz ein. Diese gesetzgeberische Entscheidung droht, in Fällen der eigenen Datenerhebungen im Rahmen einer Teilnahme an Durchsuchungsmaßnahmen hierzu befugter Behörden umgangen zu werden. Damit wird Art. 13 Grundgesetz (GG) nicht gewahrt. Hinzu kommt, dass die Wohnungsinhaberin oder der Wohnungsinhaber regelmäßig das Betreten der Wohnung nur unter dem Eindruck und dem Zwang des richterlichen Durchsuchungsbeschlusses gestattet, der das Betreten zum Zwecke der Strafverfolgung (vor allem Auffinden von Beweismitteln oder Ergreifung des Beschuldigten) erlaubt. Diese Zweckbindung wird bei anschließenden eigenen Datenerhebungen des Landesamts für Verfassungsschutz jedoch nicht gewahrt. Vielmehr wird der Zweck "Strafverfolgung" in den Zweck "Aufgabenerfüllung nach Art. 3 BayVSG" geändert, ohne dass dies den Betroffenen bei Bekanntgabe des Durchsuchungsbeschlusses bewusst war und sie ihre Entscheidungen danach ausrichten konnten.

Sofern daher das Landesamt für Verfassungsschutz an einer Wohnungsdurchsuchung bereits in der vorgefassten Absicht beziehungsweise - zumindest auch - zu dem Zweck teilnehmen würde, eigene Datenerhebungen durchführen zu wollen, wäre aus datenschutzrechtlicher Sicht von vornherein der Bereich der bloßen sachkundigen Unterstützung im Sinne von Nr. 205 Abs. 5 RiStBV überschritten. Die Teilnahme zur Unterstützung der Ermittlungsbehörde würde in diesen Fällen nur als vorgeschobene Konstruktion dienen, um das Fehlen einer Befugnis zur Wohnungsdurchsuchung im Bayerischen Verfassungsschutzgesetz und damit den Schutz des Art. 13 GG zu umgehen. Zudem bestünde auch die Gefahr, dass die Wohnungsinhaberin oder der Wohnungsinhaber durch die Teilnahme des Verfassungsschutzes an der Durchsuchung über die Reichweite und Bedeutung des richterlichen Durchsuchungsbeschlusses getäuscht wird.

Deshalb kommt auch eine lediglich beratende Teilnahme des Landesamts für Verfassungsschutz an Wohnungsdurchsuchungsmaßnahmen nur in Betracht, soweit die durchsuchende Behörde bereits selbst - unabhängig von etwaigen Wünschen des Landesamts für Verfassungsschutz - die Entscheidung zu einer Wohnungsdurchsuchung getroffen hat.

Im konkreten Fall habe ich zwar nicht festgestellt, dass sich das Landesamt für Verfassungsschutz bewusst die Gelegenheit einer eigenen Datenerhebung verschaffen wollte. Jedoch ging die Zusammenarbeit im Laufe der Durchsuchungsmaßnahme über eine bloß beratende Unterstützung hinaus. Aus datenschutzrechtlicher Sicht handelte es sich daher um eine unzulässige Datenerhebung durch das Landesamt für Verfassungsschutz anlässlich einer Wohnungsdurchsuchung.

Meine Einschätzung habe ich dem Landesamt für Verfassungsschutz mitgeteilt. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat seine Beschäftigten gebeten, die in meiner Bewertung zum Ausdruck gebrachten rechtlichen Grenzen der Teilnahme an staatsanwaltlichen Durchsuchungen künftig zu beachten.