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"Liebe kann man lernen"

Bas Kast Die Wissenschaft hat die Liebe als Thema entdeckt. Die neuen Entdeckungen können uns im eigenen Beziehungsleben helfen, sagt der Autor Bas Kast – in einem Buch hat er die Erkenntnisse der Forschung zusammengetragen.

SG: In den Regalen der Buchläden reiht sich ein Partnerschaftsbuch an das nächste, warum jetzt noch eins dazwischenstellen?

BK: Wenn man mal in diese Bücher hineinschaut, merkt man, dass die meisten von Therapeuten sind, die zwar viel Erfahrung mit einer Handvoll von Menschen haben, aber die Wissenschaft einfach ignorieren. Es gibt sogar Autoren, die behaupten, es gäbe keine Forschung zur Liebe…

SG: …man geht stillschweigend davon aus, die Liebe sei unfassbar und damit auch unerforschbar.

BK: Ja, und das ist einfach nicht wahr. Es gibt wirklich seriöse Studien. Aber diese finden sich meist nicht in den Regalen der Buchläden. Sie sind versteckt in teilweise unleserlichen Fachartikeln. Was mein Buch von den anderen unterscheidet, ist, dass ich eben nicht Ratschläge aus meiner persönlichen Erfahrung gebe, sondern Hunderte von wissenschaftlichen Studien ausgewertet habe.

SG: Aber der Anlass, dieses Buch zu schreiben, war ein persönlicher…

Aufregung entfacht die Leidenschaft…
…und hält sie langfristig lebendig. Das konnte der US-Psychologe Arthur Aron mit einer Serie von Experimenten nachweisen...
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BK: Als ich anfing, Psychologie und Biologie zu studieren, war ich unglücklich verliebt. Meine Gedanken kreisten nur noch um eine Frau. Und ich verstand nicht: Was ist es, das mir den Kopf verdreht? Warum bin ich wie besessen? Und wie kann ich ihr Herz erobern? Erst suchte ich Antworten bei den Dichtern und Denkern, aber nach einer Weile fragte ich mich, ob mir nicht auch die Wissenschaft helfen kann, meine Gefühle besser zu verstehen.

SG: Was rät denn die Wissenschaft für eine solche Situation? Wie hättest du deine Angebetete für dich interessieren können?

BK: Einige Versuche zeigen zum Beispiel, dass es viel besser ist, Interesse am anderen zu zeigen, als sich interessant machen zu wollen. Wir finden jemanden viel spannender, wenn er ehrliches Interesse an uns zeigt, als wenn er immer nur von sich redet.

SG: Aufmerksamkeit und Zuwendung ist auch eine deiner „Liebesformeln“ für Langzeitbeziehungen – das scheint wirklich sehr wichtig zu sein, oder?

BK: Dafür sprechen zumindest viele Befunde, etwa die des amerikanischen Psychologen John Gottman. Lange hat man angenommen, die alles entscheidende Liebesformel läge darin, sich gegenseitig zu öffnen. Man müsse sich verborgene Ängste, geheime Träume, kritische Lebenserfahrungen anvertrauen. Aber es geht viel einfacher: Im Alltag zählen nicht die großen Offenbarungen, sondern die vielen kleinen Zuwendungen. Das fängt schon beim Einkaufen an.

SG: … Romantik im Supermarkt…

BK: … genau! Sie fragt zum Beispiel: „Sag mal, haben wir noch Waschmittel?“ und er ignoriert sie nicht einfach sondern sagt vielleicht: „Weiß nicht, aber ich hol mal welches, schadet ja nicht.“

SG: Das Thema Langzeitbeziehungen nimmt fast die Hälfte des Buches ein: Wie man besser streitet, was für ein Liebestyp man ist und wie man eine Beziehung lebendig hält. Für dich persönlich der wichtigste Teil?

BK: Ja, aber für die Länge des Abschnittes gibt es auch eine theoretische Begründung: Das erste Kapitel geht über das Flirten, und das ist ja von Natur aus eine eher kurze Angelegenheit, jedenfalls wenn sie erfolgreich ist – oder man nicht gerade Casanova heißt. Die spätere Beziehung nimmt dagegen den längsten Teil in unserem Leben ein und verdient daher, finde ich, auch größere Aufmerksamkeit. Es ist auch ein Bereich, bei dem man etwas lernen kann. Sich verlieben kann man nicht lernen. Lieben schon.

SG: Was hast du denn für deine eigene Beziehung gelernt?

BK: Dass man sich gegenseitig immer wieder in Aufregung versetzen muss, zum Beispiel. Und das versuche ich mit meiner Freundin auch zu machen…

SG: Das richtige Streiten zu lernen ist etwas schwieriger, oder?

Schöner Streiten
Die apokalyptischen Reiter hat der Liebesforscher John Gottman in seinem „Ehelabor“ an der Universität von Washington in Seattle entdeckt...
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BK: Das kann man wohl sagen! Ich beschreibe zwar die apokalyptischen Reiter des Streits, aber die selbst immer zu vermeiden … Ist schon verdammt schwer. Was mich beruhigt ist, dass es nicht nur mir so geht, sondern vielen anderen auch. Selbst glücklichen Paaren, die schon lange zusammen sind. Aber eine neue Fremdsprache lernt man ja auch nicht sofort.

SG: Eine Fremdsprache zu lernen macht ja nicht immer Spaß – sollte man die Liebe nicht vielleicht etwas leichter nehmen und sie einfach leben anstatt sie zu analysieren?

BK: Ich sehe da kein Entweder-Oder, im Gegenteil. Okay, gut, man kann etwas kaputt machen, wenn man etwas zu sehr auseinander nimmt. Es verdirbt einem die Ausstellung, wenn man vor lauter Kunstverstand die Bilder nicht mehr sieht. Aber wenn man in einem Museum gar nichts weiß, macht es auch nicht viel Freude, oder? Ein wenig Wissen und Verständnis kann einen auch in der Liebe bereichern, ohne sie zu entmystifizieren. Und mein Buch ist ja auch nicht so dick.

Das Interview führte Cecil Braun
Bildquelle: Sven Paustian

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Zur Person

Bas Kast , geboren 1973, studierte Psychologie und Biologie in Konstanz, Bochum und am MIT in Boston. Er ist Redakteur beim Berliner Tagesspiegel.

Literaturliste

  • Bas Kast (2004): „Die Liebe und wie sich Leidenschaft erklärt“, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main.
  • John M. Gottman & Nan Silver (2002): Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe. Ullstein.

Kategorien

Themen: Liebe | Psychologie

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