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Ey, Opfa, bist du on?

Das Internet beeinflusst die Jugendsprache - die Wissenschaft nimmt's gelassen. Was für Jugendliche zum alltäglichen Sprachgebrauch gehört, lässt so manchen Erwachsenen verzweifeln.
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 Foto: Dario Krobath

Bonn. Wenn Horst, 45, Abteilungsleiter aus Königswinter, morgens in seinem Büro den E-Mail-Account öffnet, dann schreibt da zum Beispiel eine Kollegin "Betreff: Tagesordnung Konferenz morgen", sie beginnt mit "Guten, Morgen Herr H." und endet mit "Gruß, Sandra P.".

Öffnet Horst danach die Morgen-Mail seines 13-jährigen Sohnes, dann wirft es ihn spätestens bei den Abschiedsworten an die Stuhllehne zurück: "Hau rein, Alda" steht da. Dass "Alda" "Alter" meint und Horst das weiß, macht die Sache nicht unbedingt besser.

Netzsprache @ on: verkürzte Version von "online" @ Lollen: eingedeutschtes Internet-Symbol - "LOL" steht im Netz für "Laugh Out Loud" (laut loslachen"; lollen meint lachen @ Dicker Daumen: Internet-Symbol für "super", "alles klar" @ Chatten: in einem Internet-Chat kommunizieren @ ASAP: Abkürzung für "As soon as possible", "so schnell wie möglich" @ DAU: Abkürzung für "dümmster anzunehmender User (= Internetnutzer)" @ Posten: Kurznachricht innerhalb einer Internet-Gemeinschaft (z.B. SchülerVZ) versenden @ * seufz *: Zeichen für "Ich bin traurig" @ * g *: Abkürzung für "Grinsen"

@ GGG: Abkürzung für "Ganz großes Grinsen"

"Wie nennt der mich?" fragt Horst. "Wie redet der mit mir?" Die Antwort ist einfach und tut nicht weh: Carsten redet mit seinem Vater wie mit einem guten Freund. Und "Hau rein" heißt nicht "Sei fleißig", sondern schlicht - "Tschüss".

Immerhin sind "hau" und "rein" richtig geschrieben. Und komplett. Im Live-Kontakt wird aus beidem gerne mal "Hade" - ausgeliehen aus dem Türkischen: "Hade" heißt "Tschüss".

Im Netz-Kontakt ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Verabschiedung überhaupt keinen Buchstaben enthält. Statt dessen J. Ein Skandal - sagen viele Erwachsene. Und das haben sie vermutlich schon gesagt, als Goethe in den Windeln lag und das World Wide Web noch weit, weit weg:

"Es gab", sagt Professor Dr. Eva Neuland von der Universität Wuppertal, "immer schon Jugendsprachen - das können wir schon allein daraus schließen, dass es immer schon Klagen über Jugendsprachen gab."

Die Sprachwissenschaftlerin hat zusammen mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft die bislang größte empirische Studie über Jugendsprache in Deutschland durchgeführt: Von 1 999 bis 2 002 wurden 1 000 Jugendliche nach ihrem Sprachgebrauch befragt.

Im Deutschland des 21. Jahrhunderts besticht sie "durch Heterogenität und subkulturelle Vielfalt". Heißt: Je nachdem, in welcher Szene sich der Jugendliche aufhält, tauchen entsprechende Worte im Wortschatz auf.

Wer Rapper cool findet, setzt statt des deutschen "er" am Ende eines Subjekts dann ein "a". "Gangster" wird zu "Gangsta", "Alter" zu "Alda". Gefärbt wird die Jugendsprache von heute auch durch den Sprachgebrauch von Migranten: "Es gibt einen sogenannten stilisierten türkischen Ethnolekt", sagt Neuland, "den Jugendliche heute öfter einsetze".

Da sagt man dann etwa: "Ich bin Bahnhof", nicht: "Ich bin am Bahnhof". Warum? Weil es, tja, "cool" ist, um mal ein Wort zu nehmen, das jeder kennt. "Cool" ist für den 13-jährigen Carsten, wenn er beim Chatten mit Freunden nicht "übertrieben geil" schreibt, sondern "übatribn gail".

Man macht mit Sprache, was man will, alles ist möglich, nichts verboten - genau das, was ein Heranwachsender braucht. Wenn Carstens Vater jetzt vor Schreck die Maus aus den Fingern rutscht, weil er der orthografischen Verrenkungen seines Sohnes ansichtig wird - ruhig Blut: "Klar weiß ich, wie es richtig geschrieben wird", sagt Carsten.

Und Eva Neuland kann das generell bestätigen: "Die Jugendlichen von heute sind durchaus in der Lage, schnell ihren Sprachstil zu wechseln. In der Schule sprechen und schreiben sie, wie man muss, in ihrer Clique sprechen sie die Szenesprache, im Internet die Internetsprache."

Am PC oder Laptop werden aus Gefühlen Emotions, tausendundeine Smiley-Variante zeigt an, ob der Schreiber lacht, weint, sauer oder verliebt ist. Das Netz kreiert dennoch auch eine echte Sprache: Man spricht von "chatten" und davon, "on" zu sein, und wer oft "LOL" tippt, der spricht schon mal von "lollen" statt "lachen".

Oder sagt, wenn alles klar und super ist, nur "Dicker Daumen!". Weil das Internet-Symbol für "super" nämlich ein dicker Daumen ist.

Es geht den Jugendlichen von heute beim Sprechen fast um dasselbe wie den früheren Jugendlichen: Abgrenzung von Erwachsenen, Identifizierung mit der eigenen Welt, soziale Differenzierung zwischen verschiedenen Szenen.

In historischen Wörterbüchern zur deutschen Studentensprache stehen Begriffe wie "Kneipe" oder "pennen" - die Eltern des 19. Jahrhunderts haben darauf reagiert, wie die Eltern heute auf dicke Daumen.

Grund zur Sorge sieht Neuland nicht: "Die Jugendlichen von heute haben ihre Ausdrucksmöglichkeiten um die Symbolsprache des Netzes erweitert." Wichtig sei aber, dass Eltern für eine Gesprächskultur zu Hause sorgen, damit Jugendliche sich nicht von der Live-Kommunikation verabschieden.

Als Erwachsener Jugendsprache zu sprechen, ist dagegen eine schlechte Idee - jedenfalls für Eltern: "Einmal", erzählt Carsten, "kam meine Mutter zu mir und sagte: 'Ey, Opfa!'" Wie fand er das? "Hm", sagt Carsten.

"Nicht cool. Ich dachte: Was will die denn mit meinem Wort?" Opfa - klingt negativ, kann aber auch Synonym für Kumpel sein. Da wird's schwierig mit der Jugendsprache: "Wenn ich heute die Studenten reden höre", sagt Sia, Betreiber des Bonner Szene-Biergartens Alter Zoll, "dann finden die einfach alles 'geil'.

Manchmal glaube ich, die haben nur noch dieses eine Wort zur Verfügung." Immerhin, auch "geil" hat seine Variante: "endgeil". Das ist sozusagen geiler als geil. Also ein richtig dicker Daumen.

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