Prinzipiell ist die Entscheidung, sich ein Stück des boomenden Tablet-Markts zu sichern, keine schlechte. Die Gerätegattung ist im Massenmarkt angekommen, wird allerdings mehr noch als das Smartphone-Hardware-Segment von Apple dominiert. Microsoft versucht nun mit einer neuen Strategie, den Anschluss bei den Tablets nicht vollends zu verlieren. Der Konzern setzt für die Zukunft wie Apple darauf, sowohl Betriebssystem als auch die Hardware selbst anzubieten - alles aus einem Guss also. Dieser Ansatz hat durchaus Vorteile, allerdings muss die Hardware hierfür nicht nur perfekt auf das OS abgestimmt sein, sondern eben auch im Vergleich zur Konkurrenz mehr bieten. Eine Zusammenfassung der Hardware-Spezifikationen der Microsoft-Surface-Tablets findet sich in dem Artikel Microsoft Surface – nächster Angriff auf den Tablet-Markt.
Apple oder Android als Vorbild für Microsoft Surface?
Wer heute im Tablet-Markt mitmischen will kann es entweder so machen wie Apple, oder sich am Android-Lager ein Vorbild nehmen. Microsoft hat sich mit den hauseigenen Tablets klar an Apple orientiert und sich dazu entschieden, nicht nur auf sein eigenes Betriebssystem zu setzen, sondern eben auch die Hardware selbst auf das OS abzustimmen. Eine gute Entscheidung, denn besonders bei Tablets funktioniert das Apple-Modell wirtschaftlich einfach viel besser als der fragmentierte Markt für Android-Produkte. Android-Tablets spielen im Gegensatz zu Android-Smartphones einfach keine relevante Rolle. Allerdings ist Microsoft allgemein gesehen zu inkonsequent mit seiner Strategie, denn neben den nun angekündigten eigenen Tablets entwickeln auch weiterhin andere Hersteller Windows-Tablets. Auf diese Weise ist die Gesamtstrategie bezüglich Tablets von Microsoft eher eine Mischform aus dem Apple- und dem Android-Ansatz.
Microsoft hat die Erfahrung machen müssen, dass die Strategie, die man seit Jahrzehnten im PC-Bereich fährt, bei Smartphones nicht funktionieren will. Der Konzern legte mit Windows Mobile eine Bauchlandung hin und auch die Kooperation mit Nokia für Windows Phone will nicht so recht fruchten. Zwar hat Microsoft mit Windows Phone strikte Hardware-Vorgaben für Hersteller formuliert, aber der Erfolg bleibt bisher dennoch aus.
Take Our PollMicrosoft Surface: Ohrfeige für Hardware-Hersteller?
So sinnvoll der Schritt von Microsoft erscheint, bei Tablets auf eigene Hardware zu setzen, so viel Frustpotenzial birgt diese Entscheidung für Partner wie Dell und HP. In jedem Fall waren die Worte von Steve Ballmer bei der Vorstellung des Surface für Microsoft-Verhältnisse fast schon revolutionär, denn der Microsoft-Chef ist zu dem Schluss gekommen, dass Dinge besser funktionieren, „wenn Hardware und Software aufeinander abgestimmt sind“. Als Vorbild für die Tablet-Strategie fungiert in den Augen von Ballmer offenbar die Xbox: „Unser erfolgreichstes Produkt ist die Xbox. Hier harmonieren Software und Hardware perfekt und die Entwickler haben sie zu dem gemacht, was sie heute noch ist.“
Wie die Hardware-Hersteller auf die Entscheidung Microsofts reagieren werden ist schwer vorher zu sagen. Es kann durchaus passieren, dass der ein oder andere seine Pläne für eigene Windows-8-Tablets begräbt und statt dessen ins Android-Lager wechselt oder Anbieter, die bereits entsprechende Tablets im Sortiment haben, komplett auf Android setzen. Bei allen vorsichtigen Bedenken kann man aber dennoch damit rechnen, dass auch andere Hersteller Tablets, die dem Surface ähneln auf den Markt werfen werden. Ein starkes Tablet, das direkt von Microsoft kommt, könnte sich auch positiv auf die Akzeptanz und Verbreitung des mobilen Betriebssystems auswirken und aus diesem Grund auch von anderen Hersteller eher als positives Signal aufgefasst werden. Ärgerlich für andere Hersteller von Windows-Tablets ist in jedem Fall der Fakt, dass sie 80 US-Dollar an Lizengebühren abführen müssen und somit benachteiligt werden.
Microsoft Surface ist nur Teil der Gesamtstrategie
Es gibt viele Anzeichen dafür, dass eines der bedeutensten mittelfristigen Ziele für große Technologiekonzerne in der Schaffung eines eigenen und allumfassenden Ökosystems liegt. Der Kampf um die Wohnzimmer ist bereits im vollen Gange, aber ein solches allumfassendes Ökosystem umfasst auch das Büro. Apple ist hier mit iPhone, iPad, Apple TV, iCloud und mobilen sowie stationären Rechnern gut aufgestellt und auch Microsoft richtet sich klar auf die Vernetzung möglichst vieler Gerätegattungen aus. Das wurde spätestens auf der Pressekonferenz der Redmonder im Rahmen der Electronic Entertainment Exposition (E3) in L.A. klar.
Eingefleischte Gamer fühlten sich sogar von Microsoft vor den Kopf gestoßen, weil es ihnen zu wenig um Games und zu viel um die Integration von Musik und Filmen ging und ein so starker Fokus auf SmartGlass gelegt wurde. Die Xbox gehört für Microsoft genau so zum eigenen Ökosystem wie Windows 8, Windows Phone und eben jetzt Microsoft Surface.
Besonders der Vergleich zwischen dem Ökosystem von Apple und jenem von Microsoft dürfte interessant werden. Apple hat die Nase im mobilen Bereich vorn, aber Microsoft hat einen ordentlichen Vorsprung im Unternehmensumfeld und auch auf heimischen Rechnern läuft mehrheitlich Windows. Mit der Integration von iPads tun sich darüber hinaus viele Firmen schwer. Microsoft muss es aus diesem Grund gelingen, mit seinen Tablets ähnliches wie Apple mit dem iPad zu bieten und das Ganze in einer unternehmensfreundlichen Art und Weise - dann könnte Microsoft Surface durchaus erfolgreich sein.
Allerdings ist Microsoft auch im Wohnzimmer nicht schlecht aufgestellt. Die Xbox 360 ist schon für schmales Geld zu haben und bietet neben Games auch Musik und Filme. Die App SmartGlass soll die zum Entertainment-Center proklamierte Konsole mit anderen Geräten (sogar iPhones und iPads) verbinden, ein Browser für die Konsole steht ebenfalls in den Startlöchern und mit der Bewegungssteuerung Kinect hat Microsoft ein besonders wohnzimmertaugliches Interface am Start.
Fazit
Microsoft will mit Surface sicherlich nicht nur dem Platzhirsch iPad und den Android-Tablets etwas entgegen setzen, sondern nimmt auch Ultrabooks aufs Korn. Kleine Interface-Eigenwilligkeiten im Vergleich zum iPad könnten sich sogar als Verkaufsargument mausern. Microsoft Surface setzt nicht ausschließlich auf Multitouch, sondern auch auf Smartcover mit integrierter Touch-Tastatur und sogar Cover mit Mini-Tastatur. Dazu kommt noch, dass man die Tablets aus Redmond mit einem Stylus bedienen kann. Da werden Erinnerungen an gute alte Palm-Pilot-Zeiten wach. Und mal ganz ehrlich: ich persönlich hätte nichts gegen eine Handschrifterkennung zur Eingabe von Texten.
„Software sells Hardware“ – in dieser Aussage liegt viel Wahres. Das ist nicht nur bei Videospielkonsolen so, sondern auch ein Bereich in dem iPhone und iPad ganz stark sind. Die Aussichten für ein Microsoft-Tablet stehen aber auch hier nicht schlecht. Neben Cross-Plattform-Entwicklerwerkzeugen ist die Größe des Windows-Entwickler-Lagers nicht zu unterschätzen.
Selbst wenn sich der Erfolg für hauseigene Tablets nicht sofort einstellen sollte, Microsoft Surface wird so schnell nicht verschwinden. Dafür hat der Konzern in der Vergangenheit einfach zu häufig einen langen Atem bewiesen – selbst bei Produkten, die dann scheiterten. Allerdings hat der Konzern in der Vergangenheit auch gelernt, dass man mit dem Eintritt in einen komplett neuen Markt durchaus erfolgreich sein kann. Bestes Beispiel hierfür ist die Xbox. Vor mehr als zehn Jahren war Microsoft alles andere als ein Gaming-Unternehmen und dennoch gelang es dem Konzern – erneut mit einem lagen Atem – den Platzhirschen Sony und Nintendo Parolie zu bieten. Die Kriegskasse von Microsoft ist in jedem Fall gut genug gefüllt, um auch beim Eintritt in den Tablet-Markt einen langen Atem an den Tag zu legen. Dazu kommt noch die riesige Zahl an bestehenden Windows-Nutzern, die sich allerdings in vielen Fällen mit der neuen Metro-Oberfläche schwer tun dürften.
Microsoft ist mit einem eigenen Tablet sehr spät dran. Ob das Windows-Tablet aus eigenem Haus zu spät kommt und ob Microsofts Strategie zu gewagt ist, bleibt abzuwarten - immerhin liegt der Marktstart noch ein paar Monate in der Zukunft. Auch wenn die Voraussetzungen für einen halbwegs erfolgreichen Marktstart von Microsoft Surface nicht schlecht sind, einen Selbstläufer sollte Microsoft ohnehin nicht erwarten. Dafür ist die Konkurrenz zu stark und viel zu sehr etabliert.
Weiterführend Links:
- Microsoft Surface - Microsoft Microsite
- 10.6-inch Microsoft Surface tablets announced, powered by Windows 8 - The Verge
- Microsoft Surface – nächster Angriff auf den Tablet-Markt - t3n News
- Computex 2012: Die spannendsten Windows-8-Geräte im Überblick - t3n-News
10 Antworten
von Sönke 19.06.2012 (16:03Uhr) 1.
Die Umfrage ist wenig sinnvoll, denn Microsoft möchte mit seinem Tablet nicht mal das erfolgreicheste Windows 8 Tablet werden, sondern den Hardware Partner zeigen, was möglich ist. Das sieht man schon daran, dass das Gerät nur in den Windows Stores verkauft werden soll, die es bisher auch nur in den USA gibt. Trotzdem ein tolles Gerät, dass ich gerne hätte
von Thomas Quensen 19.06.2012 (16:04Uhr) 2.
Windows 8 Tablets könnten sich wohl durchaus durchsetzen, aber ob Surface selbst erfolgreich sein wird bleibt abzuwarten. Die bisher bekannten Modelle z.B. von Asus sind doch technisch sehr ähnlich bzw. sogar besser aus das Microsoft Tablet...
von TabMee - Unsere Welt ist tragbar via facebook 19.06.2012 (16:27Uhr) 3.
Für ein Tablet besitzt das "Surface" viele integrierte Schnittstellen (USB, Micro-SD Slot usw.) und durch die andockbare Tastatur eine hohe Flexibilität. Ich denke es hängt in erster Linie von dem OS "Windows 8" ab ob die Hardware eine hohe Nachfrage erfahren wird. Konkurenz belebt das Geschäft - wir sind gespannt.
von Andreas Mitschke via facebook 19.06.2012 (16:38Uhr) 4.
Schnittstellen sind bedingt sinnig, da wenn dann eh nur brauchbar außerhalb eines WiFi Netzes. Mir würde spontan keine einzige Situation einfallen, wo man das einsetzen könnte -> blindes feature, vor 5 Jahren vielleicht top.Afaik, kenne Ich kaum ein (nutzbares) tablet ohne keyboard-case. Selbst dem Playbook steht eine manigfaltige Auswahl zur Verfügung.Ich hoffe darauf, dass Win8 kein modernes Vista wird und in diversen belangen funktioniert. In der Pröäsentation sah man ja bereits gut die intelligente rest Erkennung.
von Timeeeeeee 19.06.2012 (17:18Uhr) 5.
Zur Tastatur: Hat das iPad auch. Und wenn es zusammen gekauft wird, kennen sich bereits Tastatur und iPad (also noch nicht einmal koppeln per Bluetooth nötig).
Wenn ich nicht falsch gehört habe: Es gibt eine Pro Version, die schneller ist, aber langsamer als das iPad ist und einen Lüfter braucht. Das erinnert mich an das Neofonie eTab. :-D
Win-Tabletts werden durch Lizenzgebühren nicht benachteiligt! Da spinnt Sébastian! Schließlich verwenden die Tabletts Techniken von anderen erfunden (alse KEINE Entwicklungkosten!) und ziehen dadurch Vorteile für den Verkauf. Die Lizenzgeber könnten ja vielleicht auch verweigern eine Lizenz zu ihren hart erarbeiteten Techniken verweigern. Dann müsste Microsoft zwar nicht die Tabletts teurer machen, aber es gäbe mehr Leute, die sich für so ein Tablett gar nicht interessieren, weil sie gewisse Techniken nicht verwenden.
=> Von Benachteiligung zu sprechen ist in diesem Fall unverschämt!
von Kenny 19.06.2012 (18:56Uhr) 6.
Hi Timeeeee!
ich glaube der Autor spricht hier von Windowslizenzen, also den Kosten fürs Betriebssystem. Die zahlt Microsoft ja nicht an sich selbst. ;-)
und das Keyboard ist nicht vergleichbar mit anderen Lösungen. Das ist ein schutzcover mit touchkeyboard. Ich wüsste nicht, dass es sowas von einem anderen Hersteller gibt. Lass mich aber gern eines besseren belehren.... :-)
Gruß
Kenny
von huettenzauber 19.06.2012 (21:25Uhr) 7.
Das Teil wird sich im Businessbereich relativ leicht und schnell durchsetzen.
Bei den Consumern geht das nicht so einfach, hier hat Apple die Nase vorn-
MS hat das Kunststück fertig gebracht, noch vor Apple ein System für alle Plattformen zu kreieren.
Dieser Fakt kann noch enorm wichtig sein.
von Misgro 20.06.2012 (09:00Uhr) 8.
Endlich ein Tablet das für den Bussinessbereich ausgelegt ist. Die bisherigen Tablets waren ja alle schön und gut, aber nichts um damit vernünftig arbeiten zu können. Mal ganz davon abgesehen, dass die meisten Unternehmen wohl auf Windows arbeiten.
Wie schon gesagt wurde, ein Tablet das sicher in den Unternehmen gut aufgenommen wird und zu deutlichen Veränderungen im Bereich Maketing und Vertrieb führen wird, aber im Homebereich ist die Konkurrenz bereits etabliert, da muss sich zeigen was das neue System neu oder besser kann, als die bisherigen Systeme.
von severint 20.06.2012 (09:41Uhr) 9.
Das Aus für das Surface ist schon beschlossene Sache... es geht wirklich nur darum, den Markt zu pushen und die Partner zu inspirieren/anzutreiben.
http://www.severint.net/2012/06/20/aus-fuer-surface-microsoft-zieht-sich-aus-tablet-markt-zurueck/
von huettenzauber 20.06.2012 (19:58Uhr) 10.
Käse