Projektmanagement wird oft mit viel Planung und Zeitaufwand in Verbindung gebracht. In vielen Unternehmen wird dafür – berechtigterweise – eine eigene Person beschäftigt. Kleine Agenturen können sich dies aus zeitlichen oder finanziellen Gründen nicht erlauben. In der Softwareentwicklung ist auch selten eine genaue Planung über das gesamt Projekt möglich – ständige Änderungen der Anforderungen von Seiten des Kunden oder aus dem Unternehmen selbst führen zu neuen Bedingungen.
Darüber hinaus stagnieren etwa Fixpreis-Projekte oft dadurch, dass ein wiederholter Wunsch des Kunden nicht erfüllt werden kann. Man verschwendet viel Zeit mit Vertragsvereinbarungen für diese Fälle, die nur mit großem Aufwand gestaltbar sind. Diese Zeit investiert man jedoch besser in die Arbeit selbst, die eigentlichen und essenziellen Aufgaben des Projekts, um die Ziele zu erreichen.
Man verteilt Planungsaufgaben, um nicht alles zentral koordinieren zu müssen. Das Ergebnis: Funktionierende Software, zufriedene Kunden und das Wohlbefinden im Team sind die wichtigsten Ziele eines Projekts. Agile Werte und Vorgehensweisen sollen und können hierbei helfen.
Agilität in Projekten
Projektmanagement ist „die Gesamtheit aller Koordinierungs- und Führungsaufgaben, die sich auf ein Projekt beziehen“ schreibt Christiane Gernert in Ihrem Buch „AgilesProjektmanagement–RisikogesteuerteSoftwareentwicklung.“ (Hanser, 2003). Alternativ kann man von dynamischer, leichter oder flexibler Planung, Koordination und verteilter Führung eines Projekts sprechen. Agile Softwareentwicklung sowie Projektmanagement gehen dabei Hand in Hand und stützen sich auf agile Werte und Methoden.
Man sollte stetig die eigene Tätigkeit im Hinblick auf die Entwicklung und das Projektmanagement hinterfragen und flexibel und bereitwillig auf Veränderungen im Projekt oder Projektumfeld reagieren – unabhängig davon, welche Methode des agilen Prozesses zum Einsatz kommt. Empfehlenswert ist es auch, sich die Werte des agilen Manifests [2] zu vergegenwärtigen. Sie definieren die zentralen Vorstellungen in Bezug auf die agile Softwareentwicklung:
- Individuen/Interaktionen mehr als Prozesse/Werkzeuge
- Funktionierende Software mehr als umfassende Doku
- Zusammenarbeit mit Kunden mehr als Vertragsverhandlung
- Reagieren auf Veränderung mehr als das Befolgen eines Plans
Die Werte stellen keine Statt-Beziehungen dar, eine umfassende Dokumentation soll also nicht ausgeblendet werden. Im Zweifelsfall erhalten lediglich die Konzepte auf der linken Seite der Vergleiche den Vorzug. Im Einzelnen heißt das, dass eher auf Kommunikation und Kooperation anstatt starre Prozesse und Werkzeuge gesetzt wird.
Dies birgt diverse Risiken: So möchte der Kunde etwa ausdrücklich eine Dokumentation der Software erhalten – das Projektteam darf daher nicht auf diese verzichten. Zugleich geht dadurch wichtige Programmier-Zeit verloren.
Das verdeutlicht den Aspekt der beidseitigen Akzeptanz zwischen Auftraggeber und Projektteam: Akzeptiert beispielsweise der Kunde diese Werte nicht und fordert stattdessen eine umfangreiche Dokumentation, so ist das Projektteam gezwungen, diese zu liefern. Auch wenn darunter die Softwareentwicklung leidet.
Die konkreten Prioritäten mögen sich von Projekt zu Projekt und insbesondere von Kunde zu Kunde ändern. So oder so gilt aber: Im Vordergrund steht, das Projekt erfolgreich und effizient durchzuführen.
Aufträge zeitbasiert abrechnen
Eine wichtige Empfehlung für kleine Agenturen, obschon nicht immer leicht umzusetzen: Fixpreisaufträge werden oft von detailliert ausgearbeiteten Verträgen begleitet, die den Eindruck machen, dass sie jegliche Abweichung vom Plan abdecken. Solche Verträge sind zeitaufwendig, ihre Ausarbeitung teuer.
Besser ist es, diese Zeit in die eigentliche Arbeit einzubringen. Lange Verträge und damit verbundenes Misstrauen passen nicht in das Konzept agilen Projektmanagements. Unter dieser Prämisse ist es dann auch sinnvoll, zeitbasiert abzurechnen. Unabhängig davon, ob es sich um ein Feature oder einen Bug handelt.
Überschätzte Verträge?
Verträge sind wichtig und schützen – so ein vorherrschendes Credo, insbesondere in kleineren Agenturen. Tatsächlich sind Verträge aber vor allem eines: Zeitfresser. Verträge vor der Entwicklung auszuhandeln heißt nämlich auch, weniger Zeit für die eigentliche Arbeit aufzubringen. Zudem kann auch ein Handschlag ein gültiger Vertrag sein.
Eine Vertragsvorlage, die eine zeitbasierte Projektarbeit definiert und in der Verantwortliche, der Vertragsgegenstand, Rechteabtretung, Mitwirkungspflichten und natürlich der Tagessatz beschrieben sind, spart hier kostbare Zeit. Diese kann man mit einem Anwalt ausarbeiten, jedoch müssen und können sie nicht bis ins letzte Detail wasserdicht sein. Denn wenn tatsächlich Anlass zur Sorge besteht, dass der Kunde nicht vertrauenswürdig ist, hilft der beste Vertrag nichts.
Es ist für den Verlauf des Projekts sinnvoll, neben den Anforderungen vor allem den Vertragspartner gut kennenzulernen und gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Denn nur auf Basis von Kommunikation sowie ehrlicher Einschätzung ist eine reibungslose Zusammenarbeit möglich. Dies schützt wohl am effektivsten vor späteren Missverständnissen. Schließlich hat man es auch als Auftragnehmer nicht verdient, gestresst ein Projekt durchzuführen.
5 Antworten
von Andreas Einzmann 27.02.2012 (08:54Uhr) 1.
Hallo Jan,
Danke für diesen "Grundsatz"artikel zum Thema Projektmanagement.
Das kann ich alles aus eigener Erfahrung unterschreiben.
So funktioniert modernes Projektmanagement.
Grüsse,
Andreas
von Tobias Hartmann 07.05.2012 (12:48Uhr) 2.
Ein absolut aufrichtiger Artikel zum Thema! Mas mir sehr gut gefallen hat ist der Umgang mit Verträgen und der Darstellung der persönlichen Beziehung zu den Kunden. Wir kleine Agenturen haben keine Zeit Wochenlang erst die Verträge auszuklamüsern, von de Kosten ganz zu schweigen. Das gegenseitige Vertrauen ist doch das beste was uns in dieser digitalen Branche passieren kann!
Danke JAN!
von Stephan Strittmatter 29.05.2012 (23:16Uhr) 3.
Hallo Jan,
sehr schöner Artikel!
Wir arbeiten schon seit einigen Jahren erfolgreich agil und veröffentlichen dazu unsere Erfahrungen als online Magazin : http://www.sybit.de/sybit-agile.
So haben wir z.B. http://www.br.de und http://www.mdr.de agil mit Scrum umgesetzt.
Wer als Autor Interesse hat: tweet an @sybit_agile
von Projektmanagement = Stiefkind der Softwa… 30.05.2012 (06:50Uhr) 4.
[...] Kus hat gestern in der Online-Ausgabe des Technologie-Magazins t3n mit einer markanten These aufhorchen lassen. Da heißt es gleich am Beginn der Einleitung: [...]
von Olaf Stichtenoth 31.05.2012 (13:52Uhr) 5.
Prinzipiell ist der agile Ansatz interessant. Das Problem ist dabei allerdings die Planungssicherheit auf Seiten des Kunden. Als Alternative finde ich eine am Budget des Kunden orientierte Arbeitsweise interessant. Durch Analyse der Kernanforderungen an ein Softwaresystem lässt sich dabei die für den Kunden Beste realisierbare Lösung finden. Auch diese Herangehensweise erfordert natürlich ein entsprechendes Maß an Vertrauen. Viele Entscheider gehen ja nach wie vor davon aus, dass sie mit einem Anforderungsprofil einfach nur das günstigste Angebot auswählen können und geraten dann nach Beauftragung in die Problematik, dass aus Anforderung und Preis nicht unbedingt Qualität und Projektmanagement abgeleitet werden können.