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Die Jüdische Gemeinde
im Lande Bremen Mit den römischen Legionen kamen auch die
ersten Juden in die Gegenden von Rhein
und Donau. Sowohl als römische Sklaven wie auch als freie Kaufleute erreichten
sie
die Gebiete des späteren Kaiserreiches. Die älteste jüdische Gemeinde auf
deutschem
Boden dürfte die von Köln gewesen sein, weitere entstanden in Trier, Worms und
Augsburg. Die Entstehung einer jüdischen Gemeinde in Bremen ist dagegen noch
sehr jungen
Datums. Wahrscheinlich haben schon im Mittelalter einzelne Juden in Bremen
gelebt,
aber erst 1803 konstituierte sich die erste Gemeinde. In diesem Jahr waren im
Rahmen
einer Gebietsübernahme vom Königreich Hannover die am Barkhof und in Hastedt
lebenden Schutzjuden von der Stadt Bremen übernommen worden. Auch der vorher zu
Hannover gehörende jüdische Friedhof in der Deichbruchstraße in Hastedt fiel an
Bremen. Im Jahre 1813 wird der erste Vorsteher der Israelitischen Gemeinde in
Bremen amtlich vermerkt. Er hieß Bendix Gumpel Schwabe und meldete der
Steuerbehörde
28 männliche Gemeindemitglieder. Frauen und Kinder wurden nicht gezählt.
Ein
Versuch Schwabes, beim Rat der Stadt für die Juden Bürgerrechte, freie
Religionsausübung und die Genehmigung für freien Handel und freies Gewerbe zu
erlangen, schlug fehl. Der damalige Bürgermeister Johann Smidt und mit ihm der
Rat
der Stadt betrieben eine judenfeindliche Politik. So beschloß etwa die
"Judenkommission des Rates" 1819, keine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis
für
Juden über 1829 hinaus zu genehmigen. Bürgermeister Smidt betrieb seit 1821 die
"völlige Austreibung der Kinder Israels" als eine "angelegentliche Staatssorge".
1826
hatte er sein Ziel bis auf zwei von Hannover übernommene Schutzjuden erreicht.
Im Zuge der bürgerlichen Revolution hielt die Emanzipation der Juden auch in
Bremen
Einzug. In der 1849 verkündeten neuen Verfassung wurde den Juden die
Einwanderung gestattet. 1863 wurde ihnen auch der Erwerb eines eigenen
Grundstücks für den Bau einer Synagoge zugebilligt und der Israelitischen
Gemeinde
die Rechte einer juristischen Person verliehen. 1876 konnte dann die neuerbaute
Synagoge in der Gartenstraße 6 (heute Kolpingstraße) und 1893 eine
Friedhofskapelle
auf dem Hastedter Friedhof eingeweiht werden. 1896 nahm mit Dr. Leopold Rosenak
aus Ungarn der erste Rabbiner in Bremen seine Arbeit auf. Zu dieser Zeit besaß
die
Gemeinde bereits einen Lehrer, einen Frauenverein sowie einen Kranken-,
Beerdigungs- und Fürsorgeverein und eine Mikwah, eine Einrichtung für das
rituelle
Tauchbad.
Von der Jahrhundertwende bis zur Machtübernahme durch die
Nationalsozialisten gab es ein lebendiges Gemeindeleben, die jüdischen Mitbürger
waren in das gesellschaftliche Leben der Stadt Bremen integriert. Doch ab 1933
unterlagen die damals 1.314 Menschen jüdischen Glaubens einer ständig
zunehmenden antisemitischen Hetze, die in den Pogromen der "Reichskristallnacht"
ihre ersten blutigen Auswirkungen zeigte. Synagoge und Friedhofskapelle wurden
zerstört und geplündert, fünf Juden fanden den Tod. 1938 erfolgte dann die erste
Deportation Bremer Juden. 80 polnische Männer jüdischen Glaubens waren davon
betroffen. Bald darauf erging das Auswanderungsverbot für Juden, und im November
1941 wurden 440 Juden aus Bremen und 150 weitere aus dem Regierungsbezirk
Stade gemeinsam in die Ghettos von Minsk und Riga deportiert. Weitere 114 wurden
ein Jahr später nach Auschwitz und Theresienstadt gebracht und zum größten Teil
ermordet. In Bremen blieben noch etwa 165 Juden, meist Alte und in Mischehe
lebende. Diese wurden nach 1944 in Arbeitserziehungslagern (Bremen-Farge)
interniert. Im Februar 1945 verließ der letzte Transport mit 90 Menschen Bremen
Richtung Theresienstadt, wovon die meisten aber überlebten. Ein für den 15. März
geplanter Transport kam nicht mehr zustande.
Aus Theresienstadt kehrte auch Carl Katz, der ehemalige Leiter der
Bremer
Zweigstelle der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, gemeinsam mit seiner
Familie zurück. Am 16. August 1945 gründete er die neue „Israelitische
Gemeinde", die
1948 als Verein und damit als juristische Person wieder zugelassen wurde. Katz
stand
der Gemeinde bis zu seinem Tod im Jahre 1972 vor. 1952 erfolgte die Anerkennung
als Körperschaft des öffentlichen Rechts und eine „Wiedergutmachung“ des Bremer
Senats in Höhe von 500.000 DM. Der letzte Rabbiner, Felix Aber, dem die
Auswanderung nach Amerika geglückt war, kehrte nur noch einmal, 1952, zur
Enthüllung des Gedenksteins für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus auf
dem
jüdischen Friedhof und zur Einweihung der neuen Friedhofskapelle nach Bremen
zurück.
Nach dem Krieg mußten die Gemeindeversammlungen in einem Privathaus am
Osterdeich abgehalten werden, erst 1960 wurde eine neue Synagoge geplant. Die
Kosten
von 1,3 Millionen Mark stellte der Senat aus dem Fond für Wiedergutmachung
bereit, das benötigte Grundstück wurde der Gemeinde übereignet - zum Teil im
Austausch gegen früher der Gemeinde gehörende Grundstücke. Am 3. August 1961
wurde die Synagoge an der Schwachhauser Heerstraße eingeweiht. Sie besitzt einen
Gemeindesaal, einen Klubraum, Bibliothek, Lehr- und Büroräume und ein Ritualbad.
Nachfolger von Carl Katz als Gemeindevorsitzender war bis 1976 Siegfried
Stoppelmann, ihm folgte bis 1982 Dr. Hermann Cornea. Bis 1995 stand der Gemeinde
ein 4köpfiges Kollegialgremium vor. Erst 1974 kam wieder ein neuer Rabbiner nach
Bremen, Joel Berger, der die Rabbinerschule in Budapest absolviert hatte und
1985 als
Landesrabbiner nach Stuttgart ging. Seitdem ist Dr. Benyamin Z. Barslai
Landesrabbiner in Bremen. Im September 1996 wurde die „Israelitische Gemeinde“
in
„Jüdische Gemeinde im Lande Bremen“ umbenannt. Die Namensänderung war
Wunsch der Gemeindeversammlung die damit einerseits ihr deutliches Bekenntnis
zum
Judentum ausdrücken wollte und andererseits eventuelle politische (und nicht
gewollte)
Interpretationen des Begriffs „Israelitisch“ vermeiden wollte. Mit der
Namensänderung
wurde gleichzeitig die Gemeindeverfassung geändert. Der Gemeinde steht jetzt ein
Gemeinderat vor, der aus der Vollversammlung der Mitglieder, der
Gemeindeversammlung gewählt wird. Der Gemeinderat wiederum wählt aus seinen
Reihen ein Präsidium, das die Gemeinde nach außen hin repräsentiert. Der Rabbi
ist
Angestellter der Gemeinde und deshalb per definitionem nicht Mitglied des
Präsidiums.
Durch viele Zuzüge nach dem Zweiten Weltkrieg sind heute zahlreiche
Nationalitäten
in der Gemeinde vertreten. Sie vereinigt Juden aus Ungarn, Polen,
Rumänien, der Tschechoslowakei, der ehemaligen Sowjetunion, Israel, Chile,
Frankreich und dem Iran. Im Januar 1991 beschlossen die Bundesregierung und die
Ministerpräsidenten der Länder für Juden aus den Staaten der ehemaligen
Sowjetunion den Kontingentflüchtlingsstatus, d.h., diese Juden erhielten in der
Bundesrepublik ein Niederlassungsrecht, das es ihnen erlaubte, ihre soziale
Existenz
dauerhaft zu sichern. Weiterhin beinhaltet dieser Status eine unbefristete
Aufenthaltserlaubnis, Anspruch auf Sozialhilfe, Qualifizierung und Förderung
nach dem
Arbeitsförderungsgesetz, um eine Integration auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu
erleichtern. Seit 1991 sind 60.000 Juden nach Deutschland eingewandert, in den
kommenden
Jahren wird mit weiteren Zuzügen gerechnet, da das Kontingent zur Zeit nicht
begrenzt
ist. Die jüdischen Gemeinden in Deutschland haben einen wesentlichen Anteil an
der
Integration ihrer neuen Mitglieder. Die meisten Einwanderer stammen aus
jüdischen
Familien, die zu Zeiten des Sowjetregimes mehr als 70 Jahre von ihren Wurzeln
abgeschnitten waren. Sie wissen um ihre jüdische Identität oft nur deshalb, weil
sie als
solche diskriminiert wurden.
So hat die Jüdische Gemeinde im Lande Bremen inzwischen mehr als 1000
Mitglieder, während es vor dem Zuzug der russischen Juden nur etwa 150 waren.
Durch diesen Zuwanderung hat die Gemeinde erstmals seit dem 2.Weltkrieg wieder
eine stabile Demographie. Es gibt sowohl alte Gemeindemitglieder wie auch junge
Familien mit Kindern. Aus der ehemaligen Sowjetunion sind zum Teil ganze Sippen
mit
vier Generationen eingewandert. Dennoch zählt Bremen weiterhin zu den kleinen
Gemeinden in Deutschland. Es gibt hier keine Schule und kein Altersheim, wie sie
etwa
von den jüdischen Gemeinden in Frankfurt, Berlin, München und Düsseldorf
betrieben
werden. In Bremen existiert eine jüdische Frauenvereinigung, die Kinder werden
von
Rabbiner Barslai und anderen Gemeindemitgliedern in hebräischer Sprache und
jüdischer Religion unterrichtet. Für alle Gemeindemitglieder gibt es eine Fülle
von
Freizeitangeboten im Gemeindehaus. Alle Feste werden in der Synagoge gefeiert.
Das
höchste Fest, der Schabbath, findet wöchentlich statt. Daneben gibt es im
Frühjahr das
Pessach, was zur Erinnerung an den Auszug aus Ägypten begangen wird, sieben
Wochen später Schawuoth, d.i. der Tag der Offenbarung der Zehn Gebote, im Herbst
das Laubhüttenfest zur Erinnerung an die Wüstenwanderung und schließlich das
Versöhnungsfest
Jom Hakipurim und Rosch Haschanah, das Neujahrsfest. Innerhalb
dieses Jahresfestkalenders wird an den Schabbath-Tagen einmal die gesamte Thora,
also die fünf Bücher Moses, im Gottesdienst vorgetragen.
Im November 2000 wurde in Bremerhaven wieder eine eigenständige jüdische
Gemeinde gegründet. Sie hat etwa 30 Mitglieder und hat ihre Synagoge in der
Kirche
des früheren amerikanischen Kaserne eingerichtet. Die frühere Synagoge im
Stadtteil
Geestemünde war 1938 von den Nazis zerstört worden. Die jüdische Religion
kennt keine Kirchenhierarchie, jede Gemeinde ist autonom,
der Rabbiner besitzt keine geistlichen Vorgesetzten. Die Gemeinden in
Deutschland
sind regional in Landesverbänden organisiert, wobei in Bremen der Landesverband
die
Gemeinden in Bremen und Bremerhaven vertritt. Diese Landesverbände entsenden
Delegierte in den Zentralrat der Juden in Deutschland, dem ein regelmäßig
tagendes
Präsidium vorsteht. Diese Einrichtung hat keinen synodalen Charakter, sondern
ist in
erster Linie politischer Natur. Über den Zentralrat der Juden in Deutschland
sind die
Gemeinden auch an der Europäischen Jüdischen Konferenz und am Jüdischen
Weltkongreß beteiligt. Von den weltweit auf 17 Millionen geschätzten Juden
leben gegenwärtig etwa 90.000
in 58 deutschen Gemeinden. Literatur:
- Aus dem Werk von Meier-Hüsing, P., Otten, D., 2003,
Religiöse Gemeinschaften in
Bremen,
Ein Handbuch. Marburg: Diagonal-Verlag
- MÜLLER-TUPATH, KARLA: "Die Israelitische Gemeinde in Bremen". In: LÜHRS, WILHELM
(HG.). Reichskristallnacht in Bremen. Bremen 1988, S. 8-13
- MARSSOLEK, INGE:
"Vom Leben der Juden in Bremen unter dem NS-Regime bis 1938".
In: LÜHRS. Reichskristallnacht, a. a. O., S. 27-38
DIES: "Vom Leben der Juden nach 1938 und im Krieg". In: LÜHRS.
Reichskristallnacht,
a. a. O., S. 60-68
- BRUSS, REGINA: Die Bremer Juden unter dem
Nationalsozialismus. Veröffentlichungen
aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen. Bd. 49
- WIPPERMANN,
WOLFGANG: Jüdisches Leben im Raum Bremerhaven. Veröffentlichungen
des Stadtarchives Bremerhaven. Bd.5
Dünzelmann, Anne E.: Juden in Hastedt, Bremen 1995
- Albertz,H./Wedemeier,K.:
Deportation Bremer Juden nach Minsk, Bremen 1991
- Allgemein:
- BEN SASSON, H.
A. (HG.). Geschichte des jüdischen Volkes. München 1978-1980
MAIER, J.. Geschichte der jüdischen Religion. Berlin 1972
- SCHOLEM, G.. Die
jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen. Frankfurt 1980
1. Name und Anschrift
Jüdische Gemeinde im Lande Bremen, Schwachhauser Heerstr. 117,
28209 Bremen, Tel.4985104
Vorsitzende der Gemeinde/des Präsidiums: Elvira Noa,
2.Vorsitzender und
Stellvertreter: Liviu Cornea
Jüdische Gemeinde Bremerhaven, Kleiner Blink 6, 27580 Bremerhaven
Tel: 0471/80 40 72, Vorsitzender: Günter Schmitt
2. Zentrale
Zentralrat der Juden in Deutschland, Tucholkystraße 40, 10117 Berlin, Der
Jüdische Weltkongreß hat seinen Sitz in New York.
Aus: Meier-Hüsing, P. ; Otten 2002 : Religiöse Gemeinschaften in Bremen. Ein
Handbuch.
Marburg: Diagonal-Verlag
3. Bremer Gründung
1803
4. Mitgliederzahlen
Bremen: etwa 1000 Gemeindemitglieder(1988 waren es 130)); Tendenz:
zunehmend.
5. Beitritt
Als Kind einer jüdischen Mutter ist man Jude, als Kind eines jüdischen Vaters
nicht. Grundsätzlich ist eine Konversion für jeden möglich, nur unterliegt
dieser
Wunsch einer langen Prüfung. Man muß dem Rabbiner seinen Wunsch zur
Konversion glaubhaft auseinandersetzen - er ist gehalten, jeden Interessenten
dreimal streng abzuweisen. Danach ist ein mehrjähriges Studium der
hebräischen Sprache und der jüdischen Religion erforderlich, bis ein Gericht
aus drei orthodoxen Rabbinern endgültig über die Aufnahme entscheidet. Wenn
man dann Jude geworden ist, bleibt man es für immer, auch wenn man sich vom
Glauben innerlich abwenden mag. Männer müssen sich beschneiden lassen.
6.
Rituelle Praxis und sonstige Aktivitäten
Feier des Schabbath und aller anderen jüdischen Jahresfeste, Brith Mila
(Beschneidung der Jungen am 8.Lebenstag), Bar Mizwah (Aufnahme aller
Jungne in die Gemeinde) bzw. Bat Mizwah (Aufnahme der Mädchen in die
Gemeinde), Hochzeit und Beerdigung.
Kindergarten, Frauenkreis, Hebräisch-Unterricht, Mitarbeit in der Gesellschaft
für christlich-jüdische Zusammenarbeit.
7. Periodika
"Allgemeine jüdische Wochenzeitung", hg. vom Zentralrat.
8. Religiöse Tradition und Selbstverständnis
Jüdische Glaubenstradition. Die Bremer Gemeinde tendiert eher zu einer
orthodoxen Haltung. Aus: Meier-Hüsing, P.; Otten, D. 2003
Religiöse Gemeinschaften in
Bremen
Ein Handbuch. Marburg: Diagonal-Verlag
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