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Pfarrkirche St. Nikolaus in Siegenburg
"Dom der Hallertau" 

 

   

Zur Geschichte

Nach den Verwüstungen des Landshuter Erbfolgekrieges mit Brand der Schlosskapelle 1504 wurde eine neue Kirche gebaut, die spätgotische Vorläuferin der heutigen Pfarrkirche. Dank ihrer Hügellage über dem Siegbach konnte sie sich über insgesamt vier Ortsbrände hinweg erhalten. Ihre Ausstattung ist unbekannt, dürfte aber ab dem 17./18. Jahrhundert barock gewesen sein und durch Gewohnheits-Kontinuität beim Neubau der jetzigen Kirche einen Ausschlag für die neobarocke Version gegeben haben. 1816 hat man einen neuen Turm gebaut, der noch heute besteht. Der Markt Siegenburg wurde 1846 Zentrum eines Hopfensiegelbezirks. Dieser wirtschaftliche Aufschwung brachte ein Anwachsen der Bevölkerung, so dass man sich ab 1864 mit Plänen zu einer Vergrößerung der bestehenden oder gleich zum Neubau einer erweiterten Kirche befasste. Obwohl die offiziellen Stellen zunächst einen 9 Meter langen Anbau an den Westgiebel favorisiert hatten, beschloss am 8. Dezember 1890 die Versammlung der Pfarrgemeinde einstimmig einen Neubau – glücklicherweise, denn damit konnte die großzügige Lösung für einen „Dom der Hallertau“ verwirklicht werden. Nachdem man schon 1882 den Friedhof aus dem Umkreis der Kirche weg verlegt hatte, konnte man südlich der alten Kirche bauen und zugleich deren jungen Südturm als Nordturm der neuen Kirche beibehalten. Trotz seiner schönen Architekturformen ist er jedoch, für die neue Kirchengröße zu niedrig. Die Grundsteinlegung fand am 21. August 1892 statt. Nach einer Rekordbauzeit von wenig mehr als einem Jahr konnte an Weihnachten 1893 die erste heilige Messe im Neubau gefeiert werden, ein Hinweis auf das Engagement der Siegenburger Pfarrgemeinde und den hohen Stand des dortigen Bauhandwerks. Die Weihe erfolgte durch Bischof Ignatius vom Senestrey am 18./19. Juli 1894. Im Hinblick auf die Jahrhundertfeier wurde die Kirche 1993/94 außen und innen komplett instandgesetzt und restauriert.

 

Baustil und Raum

Siegenburg ist ein aufschlussreiches Beispiel, nach welchen Kriterien man im Historismus die Stile ausgewählt hat, hier ausführlich dokumentiert durch die Aufzeichnungen des Baumeisters Andreas Haberstroh aus Siegenburg. Zuerst musste man sich von der alten Kirche los sagen mit der Begründung, dass sie „stillos“ sei. Danach schlug man als ältestehrwürdigen Stil den romanischen vor. Die weiterhin barock empfindenden Altbayern argumentierten aber dagegen, dass der dreischiffige Pfeilerbau finanziell aufwendig und dem Blick auf den Hauptaltar teilweise hinderlich sei, die Anbindung des noch brauchbaren Turmes außerhalb eines Seitenschiffes weit abstehend und der Bauplatz wegen der Breitenerstreckung ungünstig sei, so dass die Entscheidung schließlich auf Neubarock fiel. Im gleichen Stil und zur gleichen Bauzeit kam noch die ”Lourdeskapelle“ gegenüber der Nordseite hinzu.

Die Bauform wurde somit ein längsrechteckiger Satteldachbau mit westlicher Dreiecksgiebelfassade, östlich eingezogenem, in drei Seiten schließendem Altarhaus, nordseitig mit dem in kleinem Abstand belassenen Turm von 1816 und der Nikolaus-/Taufkapelle sowie südseitig mit der Sakristei. Innen zeigt sich ein weitläufiger, hochragender Langhaus-Saalraum, über dessen fünf durch Wandpfeiler mit eitenschiffartigen Durchgängen gebildeten Jochen eine Hohlkehle zu einer flachen Putzdecke überleitet. Das Tonnengewölbe über dem Altarhaus wird baldachinartig durch die über Wandpilastern aufsteigenden Gurtbögen gestaltet. Stuck ist sparsam, aber formsicher angebracht. Erst im August und September 1925 erfolgte die Ausmalung der Langhausdecke und Raumschale durch den Münchener Kunstmaler Josef Wittmann, im großen Bild vorne die Fürsprache und der Schutz des Kirchenpatrones St. Nikolaus für Siegenburg, rückwärts predigt Bischof Nikolaus auf dem Konzil von Nizäa als einer der einflussreichsten Vertreter gegen die Lehre des Arius, der die Gottgleichheit Jesu leugnete. In der Hohlkehle zwischen Gold-Ocker-Brokatstreifen 20 deutlich ablesbare Symbole aus der Lauretanischen Litanei, in den Zwickeln Rundbilder der Kirchenlehrer.

   

   

Der Hochaltar

Der Hochaltar, die beiden Chorbogen-Seitenaltäre und die Kanzel bilden gegenüber dem Eichenholz-Naturton von Chor und Langhausgestühl, äußeren Seitenaltären und Kreuzwegrahmen eine viel farbige Steigerung, besonders durch die reichen Ornamentschnitzereien und Vergoldungen aus dem Atelier von Josef Elsner (geb. 1845 in Schlaney, Kreis Glatz/Schlesien; lernte im Münchener Atelier von Johann Marggraf und richtete danach selbst ein Atelier ein, in welchem die Arbeiten für Siegenburg ausgeführt wurden). Vorbild waren frühbarocke Altäre, z.B. in Gelting; die Stockwerk-Gliederung beim Hochaltar erinnert an den Hochaltar in der Münchener Michaelskirche. An der Mensa des mit einem reichen Darstellungsprogramm geschmückten Altares verweisen drei vergoldete Relief-Tondi an alttestamentliche Opfer, um daraus Heil zu erlangen: links das Brandopfer des Noe, in der Mitte die Eherne Schlange als Heilszeichen des Moses, rechts das Opfer Abels und Kains. Der über dem Altartisch hoch aufragende Gold-Tabernakel zeigt Christus am Kreuz, darunter an den Türchen die Zeichen von Brot und Fisch, an den Säulen die eucharistischen Symbole von Trauben und Ähren, im Halbkreisbogen darüber das Emmaus-Mahl und zu oberst den Pelikan, der sich die Brust aufpickt, um mit eigenem Blut mangels an derer Nahrung seine Jungen zu nähren – alles Symbole für den im Tabernakel gegenwärtigen Christus in Hostiengestalt. In der Predellazone über der Leuchterbank finden wir in den Bogenreliefs alttestamentliche Vorbilder für die Eucharistie: das Manna als Brot vom Himmel, die Kundschafter in das Gelobte Land, die als Beweis von dessen Fruchtbarkeit mit einer riesigen Weintraube zurückkehren, rechts vom Tabernakel Abraham, der bereit ist, seinen Sohn Isaak zu opfern – und damit Hinweis auf Gottvater, der seinen Sohn Jesus als Opfer am Kreuz dahingab, und schließlich rechts außen das Opfer des Hohenpriesters Melchisedech. Das darüber aufragende Altargeschoss ist in Art eines römischen Triumphbogens für die das Böse siegreich überwindenden Heiligen gestaltet: im mittleren Bogen die Standfigur des Kirchenpatrones St. Nikolaus, im linken Bogen St. Katharina, im rechten St. Barbara; zwischen den aufragenden Säulen sind sie Vorbilder für ein aufrechtes Stehen der Christen, für Aufrichtigkeit und Standfestigkeit. Im nächsthöheren Stockwerk flankieren zwei auf Volutengesimsen sitzende Engel das Bildwerk von der heiligen Familie Jesus, Maria und Joseph als Vorbild einer christlichen Familie. Noch einmal höher über einem ornamentierten Gesimse der oberste, gleichsam himmlische Teil des Altares mit dem in einem Kreis als Zeichen der Unendlichkeit einbeschriebenen Relief Gottvaters und einem Goldnimbus in Gestalt eines gleichseitigen Dreiecks, also Hinweis auf die Dreifaltigkeit, ganz oben ausklingend in der „Gnaden sonne“ mit dem Jesus-Monogramm. Volksaltar und Ambo wurden nach Idee von Kirchenpfleger Heinrich Hoffner 1989 nach Säulenmotiven des Hochaltars entworfen und von heimischen Handwerkern ausgeführt.

Zur Ausstattung

Im Chor erinnern Figuren an die kirchengeschichtlich wichtigen Bischöfe St. Bonifatius, Ulrich, Erhard und Albertus Magnus; den Hochaltar flankieren die hl. Benno und Petrus Canisius; über dem Sakristeieingang der Diözesanpatron St. Wolfgang, über dem Eingang zur Taufkapelle Johannes d. Täufer. Die neobarocken Glasmalereien stellen dar: die Rosenkranzübergabe an Dominikus, Erscheinung des Herzens Jesu an Margareta Maria Alacoque, Mariä Verkündigung, Mariä Heimsuchung, die Hirten im Stall von Bethlehem, hl. Joachim mit den Opfertäubchen, die mit Engeln musizierende Cäcilia; die hl. Anna unterweist die junge Maria in den heiligen Schriften, Darstellung Jesus im Tempel, der Zwölfjährige lehrt im Tempel, die Marienkrönung; die Fenster beidseits der Westempore enthalten als Kriegergedächtnis die Namen der Gefallenen aus Siegenburg mit dem hl. Georg (Nordseite) und der hl. Barbara (Südseite). Der rechte Chorbogen-Seitenaltar zeigt den hl. Sebastian und zwei heilige Ordensfrauen, Theresa von Avila und Klara; im Auszug tauft der hl. Franz Xaver Inder, im vergoldeten Kreisrelief das Lamm Gottes auf dem Buch mit den „Sieben Siegeln“, darüber wieder das Sonnensymbol für die Sonne Christus. Der kleine Seitenaltar daneben enthält in einem Eichenholzrahmen das Relief des hl. Franz von Assisi. Sein Gegenstück auf der Evangelienseite zeigt den hl. Aloysius von Gonzaga. Der linke Chorbogenaltar ist der Marienaltar mit den Seitenfiguren des hl. Antonius von Padua und Johannes von Nepomuk, im Auszug die in der Höhle büßende hl. Magdalena, darüber im Rundrelief das vergoldete Herz Mariens, ausklingend in der Strahlen - scheibe mit dem Marienmonogramm. An den Außenseiten im Arkaden bogenrechts das Herz Jesu, links der hl. Josef. An der mächtigen Kanzel erscheinen die vier Evangelisten Johannes, Lukas, Markus und Matthäus; am Schalldeckel unterseitig die Taube als Symbol des Hl. Geistes, an der Rückwand Christus als Lehrender, zuoberst ein goldenes Kreuz; in dem Auftrag „Wir predigen Christus den Gekreuzigten“ sah auch früher der Prediger auf das am gegenüberliegenden Wandpfeiler angebrachte Kreuz mit Christus und seiner Mutter Maria. Im Pfeilerdurchgang dahinter wurde ein Steinrelief „Christus am Ölberg“ übertragen. An den Langhauspfeilern stehen die Kirchenlehrer Ambrosius, Augustinus, Chrysostomus und Athanasius: sie tragen symbolisch als Pfeiler die lebendige Kirche. Im Durchschreiten der Seitengänge kann man den Kreuzweg Jesu in den steingrau gefassten Reliefs von Sebastian Osterrieder aus Abensberg nachempfinden. Von besonderer Schreiner- und Bildhauerkunstfertigkeit zeugen die Eichenholz-Vertäfelungen und die Apostelfiguren im Altarhaus, wieder nach Entwurf von Elsner. Die Eingänge zur Nikolaus kapelle und zur Sakristei werden vor hohen Holzportalen herausgehoben, die im oberen Bereich noch jeweils ein Innenfenster um schließen. Deutlich niedriger, aber umso detaillierter ausgearbeitet sind die Tableaus, die zum Hochaltar hinleiten und ihre zwölf Apostelfiguren in triumphbogenartigen Rahmen hervorheben. Diese außergewöhnlich schönen Schnitzarbeiten wurden vom Schüler und Mitarbeiter Elsners Thomas Buscher (1860- 1937) ausgeführt, der sich später zusammen mit seinem Bruder nach Rückkehr in seine fränkische Heimat zu einem sehr bedeutenden Bildhauer emporgearbeitet hatte; er gilt nach jüngeren Erkenntnissen als der Vertreter eines „bayerischen Realismus zwischen Neogotik und Neobarock“.

 

Kirchen und Kapellen | PG-STN (pfarrei-train.de)

 

Text und Fotos: Dr. Sixtus Lampl, der als Oberkonservator des Bayer. Landesamtes für Denkmalpflege die Instandsetzungsarbeiten beraten hat.