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Paläogrăphie

[565] Paläogrăphie (v. gr.), eine weder in sich noch in ihrem Verhältniß zu anderen Wissenschaften bestimmt abgeschlossene u. abgegrenzte Disciplin, welche sich im Allgemeinen mit der Entstehung, Beschaffenheit u. Geschichte aller in früherer Zeit gebräuchlichen Schriftarten sowohl des Orients wie des Occidents beschäftigt u. das Mittel u. die Wege zum Verständniß der geschriebenen Denkmäler, wie der Handschriften aus jener Zeit überhaupt eröffnet. Die P. läßt sich im Allgemeinen behandeln, wo sie mit der ebenfalls noch nicht entwickelten u. zur Selbständigkeit gelangten Schriftgeschichte (s. Schrift) vielfach sich berühren u. somit gewissermaßen einen Theil der allgemeinen Culturgeschichte bilden würde; od. man beschränkt sich, wie bisher meist nur geschehen ist, auf die früheren Zustände der Schriften einzelner Culturvölker od. Culturkreise, wo dann die P. eine unentbehrliche Hülfsdisciplin einerseits für die Alterthumskunde, insbesondere die Epigraphik, andererseits für die philologische Kritik u. historische Quellenkunde abgibt. Während für die allgemeine P. außer den Arbeiten von Kopp (Bilder u. Schriften der Vorzeit) u. Gesenius (Artikel Paläographie in der All gemeinen Encyklopädie von Ersch u. Grubet) nur weniges von Bedeutung veröffentlicht worden ist, hat sich die P. mehrer orientalischer Völker, wie der Chinesen (welche selbst sehr gründliche Arbeiten über ihre eigene ältere Schrift besitzen), der Inder (Prinsep, Lassen, Thomas, Friedrich), der Assyrer, Babylonier u. Perser, welche sich der Keilschrift (s.d.) bedienten, der Phönicier, der Ägyptier (s. Hieroglyphen) bereits gründlicher Bearbeitungen zu erfreuen gehabt. In noch höherem Grade gilt dies von der griechischen u. römischen P. des Alterthums wie des Mittelalters. Während die Kunde der älteren griechischen u. römischen Schrift u. Schriftarten meist gleichzeitig mit der römischen u. griechischen Epigraphik in Verbindung behandelt zu werden pflegt, so wurde lange Zeit hindurch die Lehre von den Schriftarten des Mittelalters, wie sie in den Handschriften u. Urkunden erscheint, als ein Zweig der Diplomatik (s.d.) betrachtet, bis man in neuerer Zeit der Diplomatik nur das Verständniß der sogenannten Urkunden (s.d.) in Lateinischer, Deutscher u. anderen neueren Sprachen zugewiesen hat. Um die Kenntniß der griechischen Handschriften haben sich bes. Montfaucon (Palaeographia graeca, Par. 1708) u. Bast (Commentatio palaeographica, bei Schäfers Ausgabe des Gregorius Corinthius, Lpz. 1811), in neuester Zeit vor allen Tischendorf verdient gemacht. Sonst sind zu nennen die Arbeiten von Kopp (s.d.), Champollion-Figeac (Chartes et manuscrits sur papyrus de la biblioth. roy., Par. 1842) u. J. B. Silvester (Paléographie universelle, ebd. 1839–41, 2 Bde.).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 565.
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