[go: up one dir, main page]

Bukolisch

[440] Bukolisch (v. gr. Bukŏlos, Hirt, bes. Rinderhirt), hirtlich, ländlich; daher Bukolische Poesie, Hirtenpoesie, eine Art der Idylle, welche im Gegensatze zu dem verfeinerten Culturleben den Menschen in seiner natürlichen Sitteneinfalt, bes. als Hirten, darstellt. Der Dichter eines Bukolischen Gedichts (Bukolĭkon) heißt Bukolĭker (Bukolischer Dichter). Die Dichtungsart ist eine Erfindung der Alexandrinischen Dichter u. gehört einer Zeit an, wo man sich aus den Schranken eines überfeinerten Lebens in das freie Naturleben zurücksehnte. Man verlegte den Ort seiner Schäfer nach dem, erst damals so hoch erhobenen Arkadien; Theokritos aus Syrakus, um 275 v. Chr., u. seine Zeitgenossen Moschos, ebenfalls aus Syrakus, u. Bion aus Smyrna bildeten diese Dichtungsart weiter aus. Die ursprüngliche Naivetät, welche den griechischen Bukolikern eigen ist, ging später verloren, u. Reflexionen u. allegorische Beziehungen auf das Leben u. Treiben der Zeit, welcher die Dichter angehören, bilden einen störenden Gegensatz zu den Schilderungen der von der Cultur noch unberührten Lebensverhältnisse; so die Bukolika Virgils. Noch mehr entfernten sich von naturwahrer Auffassung die italienischen Schäfergedichte des 16. Jahrh. Die bukolischen Dichter jener u. späterer Zeit wandten statt der epischen auch die dramatische (dramatische Idylle, Schäferspiel) u. die lyrische (Schäferode), sowie die prosaische (Schäferroman) Form an. Jak. Sannazar schrieb einen dramatisirten Schäferroman Arcadia, Tasso ein Schäferdrama Aminta u. Guarini ebenfalls ein Schäferspiel Il pastor fido, dessen ungeheuerer Erfolg eine Menge Nachahmer bei verschiedenen Nationen hervorrief. In Deutschland wurde die Schäferpoesie von Opitz eingeführt, dann bildete sich eine förmliche Dichtergesellschaft zur Cultivirung dieser poetischen Gattung, die sogenannten Pegnitzschäfer (s.d.), deren manierirte Productionen, innerlich hohl u. unwahr, als eine Verschrobenheit des poetischen Geschmacks ihrer Zeit erscheinen. Zu noch größeren Geschmacklosigkeiten führte die Begeisterung für idyllische Zustände in Frankreich, wo Honoré d'Urfé 1612 mit dem Schäferroman Asträa auftrat u. die Veranlassung zu den Schäfermaskeraden war, welche, bei Hofe sowohl wie auch in anderen Gesellschaftskreisen aufgeführt, oft einen starken Beigeschmack von Sittenlosigkeit statt der erstrebt Sitteneinfalt hatten. Einen neuen Versuch in der bukolischen Dichtung machte Sal. Geßner um die Mitte des 18. Jahrh. mit seinen Idyllen. Der Geschmack an dieser süßlichen, der modernen Lebensanschauung fremdartigen Dichtungsart verlor sich mit der gegen Ende des 18. Jahrh. eintretenden Regeneration der Dichtung, u. das Idyll späterer Zeit nimmt seine Stoffe aus dem poetisch verklärten realen Leben, statt aus einer idealen Traumwelt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 440.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika