[go: up one dir, main page]

Wilde [2]

[627] Wilde (spr. ŭaild), Oscar, engl. Dichter, geb. 16. Okt. 1856 in Dublin, gest. 30. Nov. 1900 in Paris, Sohn des berühmten Augen- und Ohrenarztes Sir William Rob. Wills W. (1815–76) und der Dichterin und nationalirischen Pamphletistin Jane Francesca Elgee (1826–96), studierte in Dublin und Oxford mit Auszeichnung, machte 1877 eine Reise nach Italien und Griechenland, deren Frucht das 1878 in Oxford preisgekrönte Gedicht »Ravenna« war, lebte dann in London, machte als »Ästhet« im Winter 1881/82 eine Vortragstournee durch Nordamerika, 1883/84 eine solche in England, heiratete 1884, war 1887–89 Herausgeber der literarischen Modezeitschrift »The Woman's World«, errang 1892 mit dem Lustspiele »Lady Winderwere's fan« (Lond. 1892) einen großen Erfolg, der sich bei den folgenden Stücken »A woman of no importance« (1895), »An ideal husband« (1895) und »Bunbury« (»The importance of being earnest«, 1895) mit dem Untertitel »A trivial comedy for serious people«, dieses das vorzüglichste, noch steigerte. W. war nun mehrere Jahre der Liebling und Abgott des Publikums und lebte in Luxus, bis ihn 1895 ein Prozeß wegen homosexueller Verfehlungen ins Zuchthaus brachte. Er verbüßte die Strafe in Reading, schrieb dort sein ergreifendes Bekenntnisbuch »De profundis« (deutsch von M. Meyerfeld, 13. Aufl., Berl. 1907) und lebte nach seiner Freilassung (1897), arm und verlassen, erst in Berneval bei Dieppe, dann in Paris, in seiner Arbeitskraft gebrochen, zuletzt dem Trunk ergeben, angeblich katholisch geworden; 1898 war auch seine Frau, von ihm getrennt, gestorben. Außer der einzigartigen »Ballad of Reading Gaol« (Lond. 1898), die Stimmungen unter den Sträflingen schildernd, während einer von ihnen gehenkt wird (deutsch von O. Hauser, Wien 1906), die unter dem Pseudonym von Wildes Zellennummer C 3. 3 erschien und ungeheures Aufsehen machte, schrieb er in dieser letzten Zeit fast nichts mehr. W. ist Lyriker, Erzähler, Dramatiker und Essayist. Neben den bereits genannten Dichtungen veröffentlichte er noch die an den Präraphaelitismus sich anschließenden »Gedichte« (»Poems«, 1881; deutsch von O. Hauser, 2. Aufl., Wien 1908), »The Sphinx« (1894) und vereinzelte Gedichte. Das shakespearisierende Versdrama »Die Herzogin von Padua« (1883 in Paris entstanden) erschien zuerst in der deutschen Übersetzung von M. Meyerfeld (Berl. 1904), ebenso »Eine florentinische Tragödie« (das. 1907). Noch früher schrieb er das historische Schauspiel »Vera oder die Nihilisten« (Privatdruck 1902), in französischer Sprache die geniale »Salome« (Par. 1893), in Deutschland von Richard Strauß in Musik gesetzt (1906). Als Erzähler veröffentlichte er »The happy prince and other stories« (1888), »The house of pomegranates« (1891), daneben noch mehrere andre Novellen und den Roman »The picture of Dorian Gray« (1890); als Essayist und Aphorist vor allem »Intentions« (1891) und »Oscariana« (1895). Wenn auch keiner der größten, so ist doch W. einer der geistreichsten und glänzendsten Dichter, ein l'art pour l'art-Künstler von höchstem Raffinement, treffendem Witz und begeistertem Schönheitsdienst. Eine deutsche Gesamtausgabe erschien in 10 Bänden (Wien 1906–08), daneben zahlreiche Einzelausgaben. Die Lustspiele hatten auch in Deutschland viele Erfolge. Vgl. R. H. Sherard, O. W.; story of an unhappy friendship (neue Ausg., Lond. 1905; deutsch, Mind. 1903) und Life of O. W. (1906; deutsch, Wien 1908, 2 Tle.); A. Gide, Oscar W. (1905); Ingleby, Oscar W. (1907); H. Langgaard, Oscar W., die Saga eines Dichters (deutsch, Stuttg. 1906); Hagemann, Oskar W. (Mind. 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 627.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: