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Torfstreu

[622] Torfstreu, aus den obern faserigen Schichten der Hoch- und Tieflandsmoore hergestelltes Fabrikat. Man sticht den Torf im Spätsommer, läßt ihn oberflächlich trocknen, recht (harkt) ihn durch und trocknet ihn, nachdem er durch den Winterfrost gelockert ist, zuerst an freier Luft, dann in Schuppen, um ihn endlich auf Maschinen in fingerlange Fasern zu zerreißen und nach Absieben des sich bildenden Pulvers (Torfmull) in versandfähige Ballen zusammenzupressen. Man benutzt T., die nicht mehr als 30–35 Proz. Wasser enthalten soll, als Ersatz des Strohes in Ställen. Sie besitzt ein großes Aufsaugungsvermögen für Jauche und bindet die Ammoniakdämpfe. Rindvieh braucht auf den Tag und Kopf 2,8–3 kg. Schweine erhalten auf jedes Stück zunächst 2,5 kg T. eingestreut und hierauf täglich 0,25 kg zur Nachbesserung. Die vollständige Erneuerung des Lagers erfolgt alle 4 Wochen. Im Schafstall bewirkt T. eine gute Konservierung des Düngers. Auch in Viehwagen wird T. als Streu benutzt. Da T. bei 30 Proz. Wassergehalt das Neunfache ihres Gewichts an Flüssigkeit aufnimmt (Stroh nur das Drei- bis Vierfache), so liefert sie einen viel wirksamern Dünger als Strohstreu, zumal der Torf selbst das Stroh an düngender Wirkung übertrifft; sie eignet sich aber nur für Sand- und Lehmboden, nicht für schweren Lehmboden. Die aus dem Stall entfernte T. muß möglichst bald als Dünger benutzt oder durch Bestreuen mit Kainit konserviert werden. Man benutzt T. auch für die Verarbeitung menschlicher Exkremente (Torfmull für Streuklosette), und in einzelnen Städten werden die gesamten Fäkalien in dieser Weise behandelt (150–200 g T. auf den Kopf und den Tag). Mischt man Torfmull mit 2proz. Schwefelsäure, so wirkt er stark desinfizierend und tötet pathogene Bakterien. Ferner dient T. zur Kompostierung von Elutionslaugen von Zuckerfabriken, zur Bindung der flüssigen Abgangsstoffe aus Schlachthäusern und Gerbereien, als schlechter Wärmeleiter bei Eishäusern, zu Zwischendecken, zur Umhüllung von Dampfleitungen, zu verschiedenen Zwecken in der Gärtnerei, zur Verpackung von Obst, Eiern, Fleisch etc. Torfmehl wird mit Melasse zur Herstellung eines Futtermittels gemischt (vgl. Futter und Fütterung, S. 238). Mit Karbolsäure, Jodoform, Sublimat imprägnierte T. dient als Verbandmaterial. Vgl. Blasius, Die Verwendung der T. (Braunschw. 1884); Jünger, Die T. (Berl. 1890); Fleischer, Die T. (Brem. 1890); Fürst, Die T. (2. Aufl., Berl. 1892); Danger, T. und Torfmull (3. Aufl., Lübeck 1901); »Die keimtötende Wirkung des Torfmulls« (vier Gutachten, Heft 1 der »Arbeiten der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft«, Berl. 1894); Gärtner, Torfmull als Desinfektionsmittel von Fäkalien etc. (»Zeitschrift für Hygiene«, Bd. 18); Fränkel, Mustergültige Einführung des Torfstuhlverfahrens (Berl. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 622.
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