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Skeptizismus

[522] Skeptizismus (griech.), im allgemeinen die Neigung, an dem zu zweifeln, was andre für sicher oder feststehend halten. Von besonderer Bedeutung sind der religiöse, der ethische und der theoretische S. Der religiöse S. bestreitet entweder nur die historische Glaubwürdigkeit der religiösen Überlieferung, bez. das System der in einer Religionsgemeinschaft anerkannten Dogmen (Strauß) oder die Berechtigung der religiösen Weltanschauung überhaupt (Feuerbach) und führt je nachdem zum Freidenkertum oder zu völliger Religionslosigkeit. Der ethische S. greift die geltenden sittlichen Werte an, um sie entweder umzuprägen oder ganz zu verwerfen (die Sophisten, Nietzsche). Der theoretische S. wendet sich entweder nur gegen das (dogmatische) Verfahren, gewisse Voraussetzungen ohne weitere Prüfung als selbstverständlich anzusehen und zur Grundlage philosophischer Deduktionen zu machen, oder er bezweifelt (als absoluter S.) die Möglichkeit des Erkennens überhaupt. Letztere Art von S. ist in sich selbst haltlos und immer nur das Symptom einer pessimistischen Stimmung, wie sie sich zeitweilig geltend macht. Die erstere Art von S. kann dagegen geradezu als die Triebfeder aller echt philosophischen Forschung bezeichnet werden und bildete,[522] wie die Geschichte zeigt, bei den meisten schöpferischen Denkern (z. B. Descartes, Kant) den Ausgangspunkt für ihre weitere Gedankenarbeit. Überhaupt ist ein gewisses Maß von gesundem S., dem der Zweifel nicht Selbstzweck, sondern nur eine Vorstufe auf dem Wege zur Wahrheit ist, als Gegengewicht gegen die tote Überlieferung und den starren Autoritätsglauben, ein unentbehrliches Element des geistigen Fortschritts. In der griechischen Philosophie ist Pyrrhon (s. d.) der Hauptvertreter des S., weswegen dieser auch als Pyrrhonismus bezeichnet wird. Eine Sammlung »skeptischer Argumente« gegen die verschiedenen Systeme der griechischen Philosophie findet sich in den beiden Hauptschriften des Sextus Empiricus (s. d.). In der Neuzeit haben sich hauptsächlich Bayle und Hume durch ihren Zweifel an der Möglichkeit eines logisch begründeten Wissens bekannt gemacht, welch letzterm Kant die Anregung zur Entwickelung seines Kritizismus verdankt. S. auch Relativismus. Vgl. R. Richter, Der S. in der Philosophie (Leipz. 1904, Bd. 1); Goedeckemeyer, Die Geschichte des griechischen S. (das. 1905); Saitschick, Deutsche Skeptiker: Lichtenberg, Nietzsche (Berl. 1906) und Französische Septiker: Voltaire, Merimée, Renan (das. 1906).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 522-523.
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