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Gaumen

[391] Gaumen (Palatum), bei den höhern Wirbeltieren die Decke der Mundhöhle, wodurch diese von der Nasenhöhle und bei den Säugetieren auch von dem Rachen geschieden wird (s. Mund). Der eigentliche oder harte G. wird von den Gaumenplatten gebildet, die sich vom Oberkiefer aus in die Tiefe der Mundhöhle erstrecken und aus den wagerechten Teilen der Oberkiefer und der Gaumenbeine (s. Schädel und Tafel »Skelett des Menschen II«, Fig. 6), also aus vier durch Nähte miteinander verbundenen Knochen, bestehen. Diese sind mit Schleimhaut bedeckt, welche vorn in das Zahnfleisch übergeht (s. Tafel »Mundhöhle etc.«, Fig. 1n. 5). Bei den Fischen, Amphibien, Schlangen und Eidechsen können hier außerdem noch Zähne angebracht sein (Gaumenzähne). Bei den Säugetieren setzt sich die Schleimhaut des harten Gaumens hinten in eine Doppelfalte (weicher G. oder Gaumensegel, velum palatinum) fort, die schräg oder senkrecht gegen die Zungenwurzel herabhängt und die Mundhöhle gegen den Rachen unvollkommen abschließt. Am freien Rande des Gaumensegels springt bei Menschen und Affen in der Mitte das sogen. Zäpfchen (uvula) kegelförmig vor, während auf jeder Seite zwischen den beiden Blättern der Doppelfalte (Gaumenbogen) die Mandel (s. Mandeln) liegt (s. Tafel »Mundhöhle etc.«, Fia. 3 u. 5). Im Innern jeder Falte der Schleimhaut befindet sich eine Muskelschicht, so daß das Segel bewegt (gehoben, gespannt) werden kann (beim Sprechen, Schlucken etc.). Auch das Zäpfchen hat einen besondern unpaaren Muskel zu seiner Hebung, der bei Entzündung der Mund- und Rachenhöhle manchmal gelähmt wird; alsdann reizt das an den Kehldeckel fortwährend anstoßende Zäpfchen zum Husten.

Künstlicher G. (obturator palati, Gaumenobturator) heißt eine mechanische Vorrichtung zum Verschließen von Öffnungen am Gaumengewölbe. Solche Defekte sind zuweilen angeboren, wie bei der Gaumenspalte (s.d.), zuweilen entstehen sie durch Verletzungen, meistens aber durch geschwürige Entzündungen (Lupus, Syphilis). Früher suchte man dergleichen Öffnungen mittels Baumwolle oder Wachs zu verschließen; später schlug Petronius (1563) hierzu goldene oder silberne Platten vor, und Paré (1582) gab mehrere Gaumenobturatoren an, die später durch Obturatoren aus vulkanisiertem Kautschuk fast ganz verdrängt sind. Der Gebrauch dieser Vorrichtungen war zeitweise durch Erfindung der Gaumennaht (s. Gaumenspalte) sehr eingeschränkt und nur in den Fällen geblieben, wo sich infolge syphilitischer Geschwüre etc. Löcher im harten G. gebildet hatten, oder wo sich andersartige Defekte wegen ihres Umfanges oder aus andern Gründen operativ (durch Gaumenbildung, s. d.) nicht schließen ließen. Mit der Zeit aber beobachtete man, daß die näselnde Sprache bei den Operierten nach wie vor dieselbe blieb, weil das Gaumensegel unfähig war, sich an die hintere Rachenwand anzulegen. Man schließt deshalb gegenwärtig durch Operation nur den größten Teil der Gaumenspalte und bewerkstelligt den beim Sprechen nötigen Abschluß der Nasenrachenhöhle durch Einlegen eines kleinen Obturators (von Schiltsky oder G. Hahn).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 391.
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