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Anpassung

[49] Anpassung – ist, wenn man Haeckel fragt, eine allgemeine physiologische Funktion der Organismen. Haeckel weiß das[49] ganz genau und weiß wahrscheinlich auch zu sagen, was eine Funktion sei. Mach aber hat uns gelehrt, daß die logische oder vielmehr die psychologische Anpassung der Gedanken an die Tatsachen eine Beobachtung sei, die Anpassung der Gedanken aneinander eine Theorie. Theorie ist aber nicht nur der gequälte Satz Haeckels, sondern auch die zugrunde liegende Lehre Darwins, die Haeckel nur in seiner Art wiedergibt, allgemeiner und unvorsichtiger. Darwin hat die Anpassungstheorie von Lamarck übernommen und sie nur seinem größeren Systeme der natürlichen Zuchtwahl eingefügt. Was aber da geschieht, wenn ein Organismus sich seinem Milieu anpaßt, seine Organe oder ihre Funktionen verändert, darüber weiß bis zur Stunde niemand etwas; und über die entscheidende Frage, was an den erworbenen Eigenschaften erblich sei, währt bis heute der Streit unter den Darwinisten selbst. Schärfen wir aber unser Ohr für den Ausdruck anpassen, der eine schlecht angepaßte Übersetzung von adaptare ist, so hören wir einen Nebenton heraus, der erklärt, warum das Wort solches Glück gehabt hat. Das Grundwort von adaptare ist (um die Etymologie nicht weiter zu bemühen) aptus, eigentlich soviel wie gefügt, nach dem lat. Sprachgebrauch: gehörig, in guter Ordnung gefügt, geschickt, wohl angebracht, zweckdienlich. Der zudringliche Zweckbegriff steckt also heimlich in dem Begriffe verborgen, der nach dem Willen der Lamarckisten und der Darwinisten erst die auf die Anpassung folgende Zweckmäßigkeit erklären sollte. Und so steht es um alle Begriffe, welche mit der Entwicklungslehre zusammenhängen. Unter Entwicklung selbst stellen wir uns die Tendenz nach einem Ziel vor, eine Zielstrebigkeit. Es ist eben die Entwicklungslehre bislang eine Sehnsucht, wohl sicher richtig in ihrer Negation gegen den biblischen Schöpfungsgedanken, in ihrem positiven Gehalte eine versteckte Tautologie. »Der Mensch begreift niemals, wie anthropomorphisch er ist.«

Quelle:
Mauthner, Fritz: Wörterbuch der Philosophie. Leipzig 21923, Band 1, S. 49-50.
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