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Gregor VII.

[133] Gregor VII., Hildebrand, aus niederm Stande, man weiß nicht wo, um 1010 geb., der größte aller Päpste, ein staatsmännisches Genie und im Feuer des Christenglaubens gestählter Charakter, von der Vorsehung auserwählt, um die Christenheit vor dem Kaiserpapstthum und geistiger Erstarrung zu bewahren. In Clugny unter Odilo gebildet, begleitete er den Papst G. VI., seinen frühern Lehrer, nach Deutschland und erwarb durch die ungewöhnliche Kraft seiner Predigten die Achtung des Kaisers Heinrich III. Mit Leo IX. (1048 bis 54) kam Hildebrand nach Rom, wurde Cardinaldiakon und leitete alle Unternehmungen dieses Papstes; die Wahlen u. Regierungen der Nachfolger Victors II. von 1054–73 waren mehr oder minder Hildebrands Werk. Den Kampf gegen Ketzereien (Berengar und dessen Abendmahlslehre) behandelte er zumeist nur als Nebensache, weil der Geist des Jahrh. für die Kirchenlehre war, desto entschiedener dagegen wirkte er mit P. Damiani (s. d.) gegen Simonie (Concil von Rheims 1055) und Concubinat (zunächst in Mailand), sowie gegen das Parteigetriebe des Adels u. die Launen des Pöbels in Rom (Lateranconcil für Regulierung der Papstwahl 1059). Als der Normannenherzog Robert Guiscard sich zum Vasallen des Papstes erklärt hatte, besaß dieser eine Schutzmauer gegen die Uebermacht der Kaiser sowie gegen die Aufruhrsucht der Römer. Die Verwirrung unter Papst Alexander II. (1061–73) beugte Hildebranden nicht, der nach einmüthiger Wahl am 2. Febr. 1074 als G. VII. zum Papste geweiht wurde. Das triftigste Zeugniß, wie sehr dieser seine Zeit kannte und beherrschte, war die Durchführung der alten in Vergessenheit gerathenen Cölibatgesetze sowie der Beginn des Investiturstreites (Synoden von Rom 1074 und 75), welch letztern er mindestens in die rechte Bahn lenkte. G. VII. Kampf mit Heinrich IV. blieb vor und nach dem merkwürdigen, doch meist nur einseitig betrachteten Auftritte zu Canossa im Jan. 1077 ein mit allen Waffen der Staats- u. Kriegskunst geführter Weltkampf zwischen Kirche und [133] Staat, dessen Entscheidung wohl zum Glücke beider Theile u. der Menschheit weder eine vollständige noch dauernde war. Am größten aber erscheint G. da, wo seine äußere Macht am kleinsten war. Während Heinrich IV. 1081 in Italien eindrang u. namentlich Mathildens Besitzungen schrecklich heimsuchte, erneuerte G. VII. seine Verordnungen hinsichtlich der Kirchendisciplin sowie den Bann des Kaisers u. als dieser vor der Engelsburg stand, wollte jener nur Frieden unter der Bedingung, daß der Kaiser durch Buße die Kirche als die über ihm stehende Macht anerkenne. Der Gegenpapst Clemens III. ward in der Peterskirche geweiht, der Kaiser gekrönt, aber die Ankunft des Normannenherzogs Robert Guiscard zwang Beide zur Flucht. G. VII. erneuerte seine Beschlüsse gegen Heinrich IV. und als Robert Guiscard sich weniger als sein Vasall denn als Herr gebärdete, verließ er Rom u. st. am 25. Mai 1085 zu Salerno mit den bedeutungsschweren Worten: »Ich habe das Recht geliebt u. das Unrecht gehaßt, deßhalb sterbe ich in der Verbannung«.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 133-134.
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