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Wagen

[1060] Wagen erscheinen als vierrädrige Wagenkarren schon in der Merowingerzeit, da die Könige sich ihrer als eines uralten Vorrechtes bedienten; diese Königskarren waren mit einem Gespann von Ochsen bespannt, die nach Bauernart ein Rinderhirte leitete. So blieb es noch sehr lange, und es ist bekannt, wie Kaiser Friedrich III. vermittelst eines Ochsenwagens seine Länder bereiste. Unmittelbar auf den Achsen ruhte ein zwei- oder vierrädriger Karren mit viereckigem Wagenkasten, die Pferde bald zwei neben-, bald zwei hintereinander angespannt. Zum Antreiben bediente man sich der Geissel oder eines Stabes mit eisernem Stachel. Ein gewisser Aufwand in der äussern Ausschmückung des Wagens trat erst im 13. Jahrhundert hauptsächlich in Frankreich zu Tage, wo Ludwig der Schöne den Damen vom Hofe den Gebrauch von Wagen als Auszeichnung gestattete. Der Aufwand bestand jetzt in Verzierung der Aussenwände des Wagenkastens durch Schnitzwerk und Malerei, Überspannung des Kastens durch Tücher vermittelst Reifen, Ausstattung der Sitze durch Polster; im übrigen zogen bis über das Mittelalter hinaus auch Damen das Reiten oder die Tragsänfte dem holprigen Wagen vor. In Frankreich führte man im 16. Jahrhundert eine Verbesserung der Wagen dadurch ein, dass man den Kasten in ein Riemengehänge befestigte und Thüre und Tritt des Wagens seitwärts anbrachte, infolge davon auch die Sitze der Breite nach anordnete. Die langsame Verbesserung des Personenfuhrwerks namentlich in Deutschland hing zum Teil damit zusammen, dass die Landesherren den Gebrauch von Wagen als nur ihnen zuständig oder bloss Weibern zu gestatten erachteten; noch im 16. Jahrhundert wurden die Kutschwagen – der Name ist in dieser Zeit aus dem Ungarischen nach Deutschland gekommen – in verschiedenen Staaten verboten und allen denen, die am Hofe etwas zu schaffen hätten, eingeschärft, sie möchten zu Rosse erscheinen. In England wurden Kutschen an Stelle der ältern Karren erst um 1580 von Deutschland aus eingeführt. Doch blieb der Gebrauch der Kutschen sogar in Frankreich noch vereinzelt, und es soll zu Paris um 1540 zu täglicher Benutzung bloss zwei Kutschen gegeben haben, eine für einen adeligen Herrn, der seiner Beleibtheit wegen nicht reiten konnte, und die andere für die Herzogin von Valentinois. Heinrich IV. besass[1060] für sich und die Königin nur einen Wagen, und in Spanien gestattete Philipp II. die Benutzung der Kutschen nur denen, die mit vier eigenen Pferden fahren konnten; wer dies nicht vermochte, hatte auf Maultieren zu reiten. Dagegen gab es schon etwas früher reich ausgestattete Luxuswagen; bei der Kaiserkrönung Maximilians II., um 1562, erschien der Kurfürst von Köln mit 14, bei der Huldigung in Warschau 1594 der Markgraf von Brandenburg mit, 36 Kutschen. Um 1599 erschien der Marschall François de Bassompierre zuerst in einer Kutsche; mit Glasfenstern, die er aus Italien mitgebracht. Der Kutscher sass bis dahin regelmässig auf dem Pferde. In dieser Zeit kamen auch die geschmückten Luxus-Schlitten auf. Seit dem Regierungsantritte Ludwigs XIV. stieg in Paris die Menge der Wagen schnell und um 1651 wurde schon zur Errichtung von Mietkutschen geschritten, welche nach ihrem Standort, dem Hôtel St. Fiacre, den Namen Fiacre erhielten. In Deutschland war es der verschiedene Geschmack der Höfe, der den Gebrauch der Wagen begünstigte oder zurückhielt; als in der Schweiz 1671 der französische Gesandte seinen Einzug in Baden in einer Kutsche hielt, fiel dieses ungewöhnliche Schauspiel auf. Trag-Stühle oder Porte-chaises fanden im 17. Jahrhundert ausser wie seither zum Gebrauch für Kranke, wenig Anklang. In Dresden besteht bis heute die ums Jahr 1705 zum Besten des Armenwesens gestiftete Sänftenträgeranstalt. Weiss, Kostüm-Kunde.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 1060-1061.
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