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Kartäuser-Orden

[483] Kartäuser-Orden, zählt unter die aus dem Benediktiner-Orden im 10. und 11. Jahrhundert hervorgegangenen, strengerem kirchlichem Leben gewidmeten Ordensgesellschaften. Sein Stifter heisst Bruno. Er war vor der Mitte des 11. Jahrhunderts in Köln von adeligen Eltern geboren, hatte auf mehreren hohen Schulen Frankreichs den Studien obgelegen, war dann Kanoniker von St. Kunibert in Köln und später Domherr und Kanzler des Domkapitels in Rheims geworden. Als Lehrer der Theologie wirkte er zur Verbreitung der Grundsätze Gregors VII. und stand u.a. an der Spitze der Gegner und Ankläger des eigenen, eines schändlichen Lebenswandels bezichtigten Erzbischofes Manasses I., der schliesslich von Gregor exkommuniziert wurde. Da sich Bruno jedoch von seinen theologischen Studien religiös nicht befriedigt fand, beschloss er die Welt zu verlassen und ein asketisches Leben zu führen. Er begab sich nach Südfrankreich, wo von Italien her ein neues Einsiedlerleben soeben Eingang fand, und Bischof Hugo von Grenoble wies Bruno mit seinen sechs Gefährten den wilden Ort la Chartreuse in der Gegend von Grenoble an. Erst spätere Jahrhunderte wussten von einer Wiederbekehrung Brunos zu berichten, die hier nach Sebastian Franks Chronika mitgeteilt werden mag: »Der orden hat auss solchem erschrecklichem fall seinen anfang entpfangen: dieweil die hoch schuol zuo Pareiss in hoher blüeung stuond, da was under in einer an klarheit der kunst, frumbkeit des lebens und hohem geruch die andern alle übertreffende, der starb. Dieweil nun die Vigili in beiweisen grosser anzal der hochgelerten Doktorn, Meistern, gesungen ward, da richtet sich der todt leichnam in der par auf, mit grosser stimm schreiende: Ich bin auss gerechtem gericht Gottes verklagt, justo Dei judicio accusatus sum! Des entsetzten sich alle in gegenwertigkeit, entschlossen sich den leichnam nit zuo ergraben. Des Morgens schrei der todt leichnam wie vor. Andern dritten tag kam schier die ganz statt, das wunder zuo hören. Da stuond der gestorben abermals auf und schrie: Ich bin auss gerechtem gericht Gottes verdampt, justo Dei judicio condemnatus sum! Dise stimm durchdrang viler herz, allermeist Brunonem,[483] von Cölen bürtig, ein Regent und schuolmeister daselbs; der sprach zuo seinen jüngern: sehen, wie jämerlich und erbermblich ist der vergangen, der von aller menigklich in seinem leben als heilig geacht ward! Demnach verliess er die welt und ir gebreng, gieng mit siben mennern in ein wüestine und einöde etc.« In der Chartreuse bauten sie sich einige Zellen, in denen sie anfangs paarweise wohnten, und ein Bethaus. Sie kleideten sich weiss, verpflichteten sich zu stetigem Stillschweigen, zu dem Abhalten der mönchischen Betstunden, zu den strengsten Entsagungen und Abtötungen und zum Abschreiben andächtiger Bücher. Zwar Bruno selber wurde später von Urban II., dessen Lehrer er gewesen war, nach Rom berufen und starb in der wüsten Gegend La Torre in Calabrien, wohin er sich zuletzt als Einsiedler zurückgezogen hatte, im Jahre 1101. Doch blieb die Chartreuse bestehen, und der Orden wurde, nachdem schon manche neue Niederlassungen gegründet waren, 1170 vom Papst Alexander III. als selbständiger Mönchsorden bestätigt. Im Jahre 1258 zählte man 56 Kartäuser-Klöster. Die ersten schriftlichen Statuten des Ordens, die Consuetudines Cartusiae, stammen aus dem Jahre 1130. Das Hauptziel der Ordensgesetze ist Abschliessung, nicht bloss von der Welt, von der Nachbarschaft, sondern sogar vom Verkehr mit den Ordens- und Hausgenossen, ja von allen übrigen Orden und von allem Einflusse auf Kirche und Welt. Wirklich hat auch kein anderer Orden so wenig schlimme innere Bewegungen und Spaltungen erfahren, wie der der Kartäuser. Jeder Mönch bewohnt sein eigenes kleines Gebäude, dem ein kleines abgeschlossenes Gärtchen beigegeben ist; in diesen Zellen, die in der Regel den grösseren der beiden Kreuzgänge, welche sich an die Kirche anschliessen, umgeben, verbringen sie den grössten Teil ihrer Zeit einsam, in Gebet, Beschaulichkeit und Arbeit; doch sehen sie sich mehrmals täglich beim gemeinschaftlichen Gottesdienst in der Kirche, im Kapitelsaal und an Sonn und Festtagen bei gemeinsame Mahlzeiten im Refektorium, bei denen aber nicht gesprochen werden darf. Der Fleischspeisen enthalten sie sich völlig, sonst ist ihre Nahrung mässig, auch Weingenuss gestattet. Vorsteher des Ordens ist der Prior des Mutterklosters, der grossen Kartuse bei Grenoble; hier versammelt sich alljährlich das Generalkapitel, bei welchem die Prioren sämtlicher Klöster erscheinen oder sich durch Boten und Briefe vertreten lassen.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 483-484.
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