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Bolzano, Bernard

[69] Bolzano, Bernard, geb. 1781 in Prag, seit 1805 Priester und Professor der Religionswissenschaft, 1820 suspendiert, gest. 1848.

B. (der jetzt durch Husserl, Palágyi u. a. zur Geltung kommt) ist in seiner (heute erst beachteten) Logik (Wissenschaftslehre) wesentlich von Leibniz beeinflußt. Er ist ein Gegner das Subjektivismus und stellt die Lehre von den »Wahrheiten an sich« auf. Vom Urteilsakt unterscheidet er den objektiven Inhalt des Urteils, den Sinn des Satzes, den »Satz an sich«, der unabhängig vom Denken gilt. Er ist »eine Aussage, daß etwas ist oder nicht ist; gleichviel ob diese Aussage wahr oder falsch ist, ob sie von irgend jemand in Worte gefaßt oder nicht gefaßt, ja auch im Geiste nur gedacht oder nicht gedacht worden ist«. Eine raum-zeitliche Existenz hat der »Satz an sich« aber nicht, nur ein ideales Sein (Wissensch. I, S. 76 ff.; II, § 122 ff.). »Wahrheiten an sich« sind »Wahrheiten, abgesehen davon, ob sie von jemand erkannt oder nicht erkannt werden« (l. c. I, § 20). Die objektive Wahrheit ist nicht durch das Denken gesetzt, auch Gott erkennt sie nur, weil sie ist (vgl. Leibniz). Die gedachte, erkannte Wahrheit ist die »logische« Wahrheit (vgl. Husserl).

Das Schöne bezieht B. auf die angemessene Anregung unserer Erkenntniskräfte. Es gibt ein unbedingt verpflichtendes Sittengesetz, welches die Förderung des Gesamtwohles fordert. Die Staatslehre B.s liegt nur im Manuskript vor (vgl. Bergmann, l. c. S. 130 ff.). Der Staat hat dem Wohle und der Sittlichkeit der Menschen zu dienen. Eigentum ist nur soweit anzuerkennen, als es für das allgemeine Wohl dienlich ist und soweit es die nützlichste Verwendung findet. Auch in der Metaphysik ist B. von Leibniz abhängig. Die Dinge bestehen aus »Monaden«, welche alle empfinden, wobei es aber auch »herrschende« Monaden, Seelen gibt. Die Schöpfung ist eine[69] zeitlose, die Welt ist unendlich. Zwischen den Monaden besteht wahre Wechselwirkung.

SCHRIFTEN: Lebensbeschreibung, 1836, 2. A. 1875. – Für die Mathematik bedeutend: Beitrage zu einer begründeteren Darstellung d. Mathematik, 1810. – Paradoxien des Unendlichen, hrsg. von Prihonsky, 1851, 2. A. 1889, u. a. – Für die Theologie: Lehrb. d. Religionswissenschaft, 1839, u. a. – Philosophisch: Athanasia, 1827; 2. A. 1838. – (Über Unsterblichkeit): Wissenschaftslehre, 1837. – Über d. Begriff d. Schönen, 1843. – Über d. Einteil, d. schönen Künste, 1843. – Drei philos. Abhandl., 1861. – Was ist Philos.? 1849. – Vgl. PRIHONSKY, Neuer Anti-Kant, 1850. – PÁLAGYI, Kant u. Bolzano, 1905. – G. GOTTHARD, Bolzanos Lehre vom »Satz an sich«, 1909. – H. BERGMANN, Das philos. Werk B. Bolzanos, 1909 (die Literatur enthaltend). – KREIBIG, Über e. Paradoxon in d. Logik B.'s, 1900.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 69-70.
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