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Schein

[280] Schein (Scheinen) ist ein Gegensatz vom Sein (s. d.), es ist das bloße Bild, Aussehen, das für ein Sein genommen wird. Der Begriff »Schein« entspringt dem Urteil über die Falschheit, Trüglichkeit eines SeinsUrteiles. Schein ist alles, was dem Sein, dem Seienden, der Wahrheit ähnlich ist, ohne doch das Sein, das Seiende, die Wahrheit selbst zu sein. Der Schein ist ein durch falsches (s. d.) Urteilen real Gesetztes. er ist Product unseres Empfindens und Vorstellens (psychologischer Schein) oder unrichtigen Denkens (logischer Schein) oder unserer eigenartigen Beziehung zum Seienden (metaphysischer, objectiver Schein = Erscheinung, s. d.). Ist also auch der Schein nicht das Sein, so hat doch jeder Schein in der Beschaffenheit eines (subjectiven oder objectiven) Seienden seinen Grund, der Schein deutet auf ein Sein hin.

Die Eleaten erklären das Werden, HERAKLIT das starre Sein für Schein. Der (mystische) Pantheismus (s. d.) hält die Vielheit der Dinge für Schein, Trug der Maya.

LAMBERT unterscheidet den physischen Schein, wo die Sache wirklich da ist und die Sinne erregt, vom idealischen (psychischen, moralischen) Schein, der auf Einbildung beruht (Organ. Phänomenol. § 20, S. 217 Ü.). KANT unterscheidet Schein und Erscheinung (s. d.). Der Schein ist »ein Grund, eine falsche Erkenntnis für wahr zu halten«, »nach welchem im Urteil das bloß Subjective mit dem Objectiven verwechselt wird« (Log. S. 77. Prolegom. § 40). Der Schein ist nur im Urteil (Krit. d. rein. Vern. S. 261). Im Gegensatze zur Erscheinung kann er dem Gegenstande niemals als Prädicat (mit Recht) beigelegt werden (l. c. S. 73). »Der logische Schein, der in der bloßen Nachahmung der Vernunftform besteht (der Schein der Trugschlüsse) entspringt lediglich aus einem Mangel der Achtsamkeit auf die logische Regel. Sobald daher diese auf den vorliegenden Fall geschärft wird, so verschwindet er gänzlich.« Der »transcendentale Schein« hingegen, der der Dialektik (s. d.) der Vernunft zugrunde liegt, hört nicht auf, auch wenn seine Nichtigkeit eingesehen worden ist (l. c. S. 263). G. E. SCHULZE erklärt: »Schein und Täuschung besteht überhaupt genommen darin, daß dasjenige in einer Erkenntnis, was bloß aus der erkennenden Person und ihrer Besonderheit herrührt, für eine Eigenschaft des erkannten Gegenstandes genommen wird« (Gr. d. allg. Log. S. 199).

HEGEL erklärt diejenige Realität, welche dem Begriffe (s. d.) nicht entspricht, für bloße »Erscheinung« auch im An-sich-sein. Schein ist »wesenloses Sein« (Log. II, 7). HERBART erklärt: »Das Zurückbleibende, nach aufgehobenem Sein, ist Schein. Dieser Schein, als Schein, hat Wahrheit. das Scheinen ist wahr. Nun liegt es im Begriff des Scheins, daß er nicht in Wahrheit das sei, was er scheint. Sein Inhalt, sein Vorgespiegeltes, wird in dem Begriff Schein verneint. Damit erklärt man ihn ganz und gar für nichts, wofern man ihm nicht von neuem (ganz fremd dem, was durch ihn vorgespiegelt wird) ein Sein wiederum beifügt, aus welchem man dann noch das Scheinen abzuleiten hat. – Demnach: wie viel Schein, so viel Hindeutung aufs Sein« (Hauptp. d. Met. S. 20). »Wahrhaft objectiv kann nur ein solcher Schein heißen, der von jedem einzelnen Objecte ein getreues Bild, wenn auch kein vollständiges, so doch ohne alle Täuschung, dem Subjecte darstellt, dergestalt, daß[280] bloß die Verbindung der mehreren Gegenstände eine Form annimmt, welche das zusammenfassende Subject sich muß gefallen lassen« (Met. II, § 292 f.). Nach HARMS gibt es keinen absoluten Schein. Aller Schein ist relativ, der durch das Denken selbst eliminiert werden kann (Log. S. 87). Vgl. AVENARIUS, Krit. d. rein. Erfahr. II, 392 ff.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 280-281.
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