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Haube

[185] Haube, die bekannte Kopfbedeckung der Frauen, war schon[185] in den frühesten Zeiten bekannt; aber freilich möchte die Mitra der Alten einen wunderlichen Effekt in einer heutigen Modehandlung machen. Bei der ägyptischen Kappe oder Haube umschließt der Stoff die Stirne und hängt zu beiden Seiten in geraden, parallelen Falten auf die Brust herab. Männern und Frauen war dieser Kopfputz gemein und auch griechische Statuen zeigen uns nicht bloß alte Weiber, sondern selbst Helden mit einem Stück Zeug, das wie ein rundes Tuch, die längere Seite nach dem Nacken zu, über das Haupt geworfen und mit einem Bande über der Stirn festgebunden, einer Haube ziemlich ähnlich sieht. Im kleinen farnesischen Palaste steht ein Herkules, dessen Kopf mit einer solchen, im Nacken leicht gefalteten Haube bedeckt ist. Nicht nur bejahrte Griechinnen, sondern auch die dorischen Frauen trugen diese einfache Kleidung, bei andern Nationen findet sich keine Spur davon, da die phrygische Mütze oder Haube wohl nicht hierher gehört. Ihr der Façon nach verwandt ist die gesteifte Haube der heutigen Sciotinnen; denn auch diese biegt sich wie ein Horn oben um, und hat als Verzierungen kleine Bandrosen an der Seite. Ziemlich dasselbe stellte nach hinten geneigt die gemeine Tiara der alten Perser vor. Die Königinnen dieses Volks trugen eine Art Haube, Kidaris, die mit dem Diadem oder der blau und weißen Königsbinde umwunden, im Profil betrachtet drei zugerundete Spitzen darstellt, über welche noch andere abgetheilte Erhöhungen hervorragten. Auch die Hebräerinnen, bei denen außerdem der Schleier vorherrschte, sollen sich mitunter zum Putze einer Haube bedient haben, doch wissen wir absolut Nichts von ihrer Form. Die römischen Damen gingen nie aus, ohne ihr Haupt mit einer Decke zu verhüllen, doch war dieß keine Haube, sondern das Pallium oder die Cyklas, mantelgleiche Gewänder. Gemeiniglich befestigten sie jedoch ihre Haare vermittelst langer Restnadeln, deren Gebrauch sich noch in Italien erhalten hat, oder wanden sie mit einem Bande, welches dadurch die Gestalt einer Haube, Mitra, bekam, fest zusammen; allein diese[186] Mützen glichen in nichts den Mitren unserer Bischöfe, wie einst ein sehr gelehrter Schriftsteller glaubte. Im Mittelalter erscheinen die Hauben oder Kappen zuweilen grotesk genug geformt neben den Pirets und Schleiern. Schwere Stoffe, Sammt- und Seidenzeuge, waren ihre Bestandtheile und nach dem Gesicht zu bogen sie sich meist in eine auf die Stirn fallende Spitze, während sich über den Stellen, welche später die Locken einnahmen, hohe Bögen emporwölbten. Nebst Einfassungen von hängenden Blonden rahmten Perlenschnüre nicht selten diese Aufsätze ein, Agraffen oder andere Kleinode von Edelsteinen prangten darauf, und manche verschloß im Winter der loup (Maske von schwarzem Sammt) so genau, daß nur Nasenspitze und Mund sichtbar blieben. Die deutschen Ritterfrauen trugen sehr einfache Schneppenhauben, die mit der Zeit auch auf die Bürgerinnen wenigstens der Gestalt nach übergingen, obschon sich in den freien Reichsstädten die kostbaren Goldhauben (mit einer solchen geschmückt erschien schon Petrarca's Laura,) ihrer Dauer wegen sehr lange erhielten. Mit letztern zugleich wärmten weiche Pelzhauben, womit noch, vor 12 Jahren ungefähr, manch steinaltes Mütterchen im Winter zur Kirche ging, die Häupter der Bejahrtern. In England wurden die eigentlichen Hauben aus weißen Zeugen erst gegen das Ende der Regierung Karl's II. Mode. Welch sonderbare Haupthüllen man unter andern vormals in diesem Lande trug, beweist der Kopfputz der Königin Anna, Gemahlin Richard's II. (sie erfand auch den Quersattel für Damen). Er bestand aus zwei, bisweilen auch nur einer Spitze, wie ein Zuckerhut, von dessen oberm Ende Wimpel von Seide flatterten, die so lang waren, daß sie die Erde berührt hätten, wenn sie nicht in den Gürtel gesteckt worden wären. In Frankreich bestand das Reich der Flor- und Spitzenhauben unter Ludwig XIV. bis XV., doch ist es unmöglich, ihrer Formen Unzahl auch nur einigermaßen anzugeben oder zu beschreiben. Alle Gemälde bieten Modelle davon, die wir jetzt kaum ohne Lachen[187] oder Verdruß über so arge Unnatur ansehen können, und die Modejournale vom Ende des 18. Jahrhunderts wimmeln von ähnlichen Caricaturen. Als man sich einfacher und namentlich griechisch kleiden wollte, wurden auch die großen Haubengebäude verworfen; aber leider ersetzten sie andere gleich geschmacklose, mit Blumen und Federn à qui mieux aufgeputzte Kopfzeuge, deren Façon immer trotz allem dem von einer recht chiffonirten Schlafhaube entlehnt schien. Unsere modernen Hauben, denen es hier und da an Schleifen von der Größe eines Elephantenohrs auch nicht gebricht, haben jedoch durchgängig das vor ihren Vorgängerinnen voraus, daß sie weder so schlaff und negligéartig, wie die eben genannnten, noch so unsäglich aufgethürmt, wie die altfranzösischen sind, und es bleiben uns demnach nur noch einige eigenthümliche, der Tracht eines Volks gehörende Hauben zu erwähnen übrig. Ausgezeichnet vor allen durch Einfachheit und Nettigkeit erschienen gewiß Jedem, der sie sah, die winzigen Battisthäubchen der Herrnhuterinnen, die mit ihren zartgefalteten Muschelchen über den Ohren wie seine Eierschalen den Kopf decken, und mit Bändern, deren Farbe anzeigt, ob die Eignerin vermählt, Jungfrau oder Witwe ist, zugebunden werden; am reichsten hingegen sind unbedingt die Wiener und Linzer Goldhauben, die Lieblinge der altdeutschen Bürgerinnen, ehe französische Moden auch ihren vergänglichen Flor dafür aufdrangen. Das hessische Bauermädchen ziert sich noch immer mit der schwarzen Schneppenhaube, welche die vornehmern Stande nur noch zur Trauer beibehalten haben, und überhaupt scheinen die malerischesten Haubenformen Eigenthum der niedern Klassen der Gesellschaft geworden zu sein. Keineswegs zählen wir jedoch zu diesen die abscheuliche, einem schwarzen, in den Nacken herabhängenden Kegel gleichende Kopfbedeckung der Altenburgerinnen. Sie und die sogenannten Luckschen (vom Städtchen Lucca) Mützen, übertreffen an Häßlichkeit sogar die in der Oberlausitz zu suchenden Räderhauben, welchen es gelang, das ursprünglich nette Tellerhäubchen[188] der Wendin, als Sonntagsstaat, zu verdrängen. Die Bewohnerin des Prettigaus in der Schweiz zeichnet sich nicht minder durch eine sonderbare Haube aus, die trotz ihrer terrassenweise, kammartig emporgerichteter Spitzenreihen einer gewissen Anmuth nicht entbehrt; aber eine höchst ideale Haubenform zeigt sich um Mailand. Sie umgibt aus farbigem Zeuge gefertigt, das Gesicht wie ein Heiligenschein und oben darüber sehen die wie ein Kranz geordneten Nestnadeln mit vergoldeten Knöpfchen hervor. Je weiter man nach dem Süden kommt, desto mehr verschwinden endlich außer der Decke, sie heiße Schleier, Mantel oder das romantische Tuch der römischen Bäuerin, die vor dem Sonnenbrande schützt, alle Hauben, und wenn die Neger in Afrika auch ein wunderliches Ding, das aus Messingstreifen in vielen Schnörkeln zusammengewunden ist, eine Höhe von anderthalb Fuß mißt und nach hinten zu schräg auf dem Kopfe balancirt wird, tragen, so kann man dieß gewiß keine Haube nennen. Nach dem Norden schließt sich diese immer enger an das Haupt, und wird, mit Ausnahme des russischen Kokoschnik, einer Haube von Pappe, die willkürlich mit weißen oder bunten Stoffen überzogen ist, zuletzt zur eigentlichen Pelzmütze.

F.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 5. [o.O.] 1835, S. 185-189.
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