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Gehirn

[347] Gehirn. Die in dem Schädel befindliche Höhle ist mit einer weichen Substanz erfüllt, welche das Organ der geistigen Empfindungen und Seelenthätigkeiten bildet. Noch ist es den Naturforschern nicht gelungen, die Art und Weise der Thätigkeit solcher Organe zu erforschen, die ein sichtbares Produkt derselben geben, und nie wird es dem Geiste des Forschers gelingen, die unendliche Feinheit der Lebenskräfte des Gehirns und seiner Fortsetzungen zu durchschauen, wo das unkörperlich Geistige mit dem Körperlichen in so mannichfaltige Beziehungen tritt, damit verbunden, eines von dem andern abhängig ist. Die feinste Anatomie kann nur die allgemeinsten Bedingungen der Form und der Ernährung als ein Körpertheil nachweisen, die hohe Function kann nur geahnet, aus[347] krankhaftem Befinden erläutert werden. Das große Gehirn erfüllt, in zwei Hälften getheilt, die Schädelhöhle obern Theils, das kleine Gehirn liegt in dem tiefern Theile des Hinterkopfes. Beide sind von schützenden und ernährenden Häuten umgeben, die sich in Zwischenräume einsenken, und vielleicht isolirte, einzelnen Thätigkeiten gewidmete Theile umgeben. Daß dergleichen vorhanden sind, beweist der Verlust des Gedächtnisses u. s. w. nach Verwundungen oder Erschütterungen, wobei die andern Thätigkeiten ungestörten Fortgang haben. Der Ursprung der zu den Sinnesorganen, also zu den körperlichen Aeußerungen der Gehirnthätigkeit, gehenden Nerven beweist die örtliche Verschiedenheit der einzelnen Functionen ebenfalls. Die Oberfläche besteht aus vielen Windungen und kugeligen Erhabenheiten, und die äußeren Schichten aus einer graubräunlichen Rindensubstanz; die innere Masse ist weißlich. Im kleinen Gehirn macht die weißliche Masse ein baumartiges Bild in der überwiegenden bräunlichen Masse. Man entdeckt mehrere Höhlen mit Gefäßnetzen, Gänge, Vertiefungen, Erhöhungen und abweichend geformte und gebildete Stellen, deren Bestimmung meist unbekannt ist. Die zahlreichen Gefäße vertheilen sich in der Masse, was sich bei Einschnitten durch die entstehenden Bluttröpfchen verkündet, und in der Deckhaut sind große dreiseitige Blutbehälter. – Das Gehirn ist der eigentliche Sitz der Seele, des den ganzen Körper belebenden Princips; ohne Gehirn ist kein Leben desselben möglich, aber es ist dieses Grundleben von dem im Körper vertheilten Wirken desselben mit abhängig, und es geht ein, wenn jene zu sehr beeinträchtigt werden, wie die Pflanze bei unbeschädigter Wurzel eingeht, wenn die andern Theile zu sehr beschädigt wurden. Im Kinde ist das Gehirn an Masse im Verhältniß großer als bei Erwachsenen und doch leitet es bloß das thierische Leben; die geistigen Beziehungen entwickeln sich erst später. Merkwürdig äußert sich der Zusammenhang der Geistesthätigkeiten mit dem Körperleben durch die Nachtheile, welche die große Anstrengung jener auf dieses[348] äußert. In der Thierwelt verhält sich das Gehirn zur Körpermasse geringer als beim Menschen; Thiere mit viel Anlagen haben mehr Gehirn als träge Geschöpfe. Bei kleinen Geschöpfen und Gewürmen hat es die Zootomie nachgewiesen, und gewiß entbehren die so reich begabten thätigen Insekten, wo unsere Werkzeuge nicht mehr ausreichen, dieses Organ besserer Lebenskräfte nicht. Rückenmark und die Unterleibsnerven, ähnliche Träger des geistigen Lebens, sind unter Nervensystem betrachtet.

D.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 4. [o.O.] 1835, S. 347-349.
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