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Milchwirthschaft

[216] Milchwirthschaft. Dieser Hauptzweig der Landwirthschaft, dessen Verwaltung vorzugsweise dem weiblichen Geschlechte obliegt, und der bei gehöriger Kenntniß aller in dieses Fach schlagender Dinge einen hohen Grad von Vollkommenheit erreichen kann, ist von so ungemeiner Wichtigkeit, daß eigentlich alle junge Mädchen frühzeitig mit der zweckmäßigsten Art und Weise ihm vorzustehen bekannt gemacht werden sollten, um theils selbst, wo es nöthig ist, Hand anzulegen, theils mit Einsicht die Oberaufsicht führen zu können. Hierzu wird erfordert, daß sie den vollen Werth der Milch in der Haushaltung und größern Landwirthschaft kennen; dann die verschiedenen Arten ihrer Benutzung anzugeben wissen, und endlich dafür sorgen, daß die höchste Reinlichkeit bei Gewinnung und Verarbeitung derselben Statt findet. Wo diese Haupterfordernisse bei der Verwaltung anzutreffen sind, kann man auch gewiß darauf rechnen, einen großen Vortheil daraus zu ziehen. Die besten und berühmtesten Milchwirthschaften findet man in der Schweiz, Holland und Holstein, wo allerdings auch das schönste Vieh und die fettesten Weiden anzutreffen sind. Schweizerkühe hat man zwar in der letztern Zeit auch bei uns in größeren Landwirthschaften einzuführen gesucht; doch sind diese allein zur Veredlung der Milchwirthschaft nicht hinreichend, und wo schöne Weiden, Klee und Körnerfutter im Sommer, gutes frisches Heu im Winter fehlen, so wie die rechte Art, die Milch zu behandeln, liefert auch das Schweizervieh nichts Vorzügliches. Ueber die Verarbeitung der Milch mag hier Einiges stehen: Kuhmilch, bei uns am bekanntesten[216] und am häufigsten benutzt, dient außer dem Gebrauche in ihrem Naturzustande, zur Bereitung von Butter und Käse. Nachdem die Kühe gemolken, wird die frische Milch durch ein reines leinenes Tuch, Milch- oder Seihetuch genannt, in ein größeres Behältniß, in irdene oder hölzerne sogenannte Milchäsche oder Milchnäpfe gegossen, die oben bedeutend weiter sind, um dem Rahme oder der Sahne Raum zu lassen, sich auf der Oberfläche abzusondern. Sie werden an einem kühlen Ort, am besten in einem gegen Norden liegenden Keller, aufbewahrt, der im Sommer frisch, im Winter gegen den Frost geschützt sein muß. Um demselben eine noch größere Kühlung zu geben, pflegt man eine Grube in den Boden zu graben, worin sich Wasser sammelt, über welchem die Milchäsche auf hölzernen Gerüsten stehen; oder man leitet fließendes Wasser in denselben und stellt die Gefäße hinein. Der beste, dickeste und fetteste Theil der Milch, der sich, nachdem sie einige Zeit gestanden, oben aufsetzt, der sogenannte Rahm, wird zum Buttern benutzt; die abgelassene Milch aber durch Zusatz von Säuren in Käsestoff verwandelt. Die hiervon zurückbleibende wässerige Flüssigkeit heißt Molken. Jene Flüssigkeit, die sich im Butterfaß aus dem fetten Rahme scheidet, ist die Buttermilch, und gewährt ein kühlendes, nährendes und sehr gesundes Getränk. – Wer einen angenehmen Eindruck von der Milchwirthschaft zu erhalten wünscht, besuche eine holländische. Schon der Kuhstall mit seinem marmornen, mit den feinsten Matten bedeckten Fußboden, seinen mit Fliesen eingelegten Wänden, dem für die Stände der Kühe etwas erhöhten Fußboden von bemaltem Holz und den zierlichen, mit vergoldetem Schnitzwerk versehenen Eimern und Milchgefäßen, die auswendig bunt bemalt, inwendig mit weißer Oelfarbe überstrichen sind, gewährt einen sehr erfreulichen Anblick. Daneben die geräumige, einer Visitenstube ähnliche Molkenkammer, worin hübsche, reinliche, rothbäckige Mädchen beschäftigt sind, Butter zu machen und alles so appetitlich aussieht, daß man gleich zulangen möchte. Hier kann man lernen, [217] was zu einer vollständigen Milchwirthschaft gehört. Die holländische Butter verdankt ihren größern Werth außer den oben genannten Umständen auch noch der sehr zweckmäßigen Einrichtung, daß man den von der Milch abgenommenen Rahm sogleich verarbeitet, und er nicht, wie's bei uns so häufig geschieht, eine längere Zeit gesammelt wird, woher das Unzusammenhängende der Bestandtheile und die verschiedenen Farben in den Butterstücken entstehen. Deßhalb kann die holländische Butter auch ohne Nachtheil alt werden, und dient, wie auch die holsteinsche, in Fässer gepackt, zum Verschicken. Auf den großen Gütern in Mecklenburg und einigen andern norddeutschen Gegenden findet man auch solche sogenannte Holländereien, deren Einrichtung im Ganzen den holländischen Milchwirthschaften gleicht, obschon sie jenen an Zierde und Eleganz nachstehen.

L. M.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 7. [o.O.] 1836, S. 216-218.
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