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Brasilien

262. Brasilien.
262. Brasilien.
Südamerika. I. (Karten)
Südamerika. I. (Karten)
Flaggen.
Flaggen.

[257] Brasilien, Vereinigte Staaten von, Föderativrepublik Südamerikas [Karte: Südamerika I], dessen größere östl. Hälfte umfassend, 8.468.950 qkm. Seiner Oberflächengestaltung nach zerfällt B. in zwei Hauptteile, das Amazonastiefland in N. und W. und das brasil. Bergland im SO. Bei letzterm zu unterscheiden das Küstengebirge, Serra do Mar, in der Mitte ein System von Höhenzügen, als Serra da Mantiqueira mit dem höchsten Gipfel B.s (Itatiaya 2712 m) beginnend, weiter nördl. als Serra do Espinhaço (Itacolumi 1750 m) zusammengefaßt, ganz im N. außerordentlich reich verzweigt, endlich der Westteil von Hochebenecharakter. Das Bergland fällt gegen N. und NW. zum Amazonenstrom, dessen Gebiet 6/10 B.s umfaßt, gegen SW. zum Paraguay und Paraná ab; andere Flüsse: Parnahyba, São Francisco, Jacuhy. Drei Vegetationsgebiete: Amazonastal mit riesigen Urwäldern, die Campos (Grasfluren) des Innern und der gemäßigt trop. Süden mit Nadelhölzern. Im Tierreich zwei Gebiete: das Amazonasgebiet und das Innere der südl. Hochflächen, ersteres die artenreichste Gegend der Erde (bes. Insekten, Fische und von Landtieren Baumtiere). Hauptprodukte: Kaffee, Baumwolle, Zucker, Tabak, Kakao, Tee, Mandioka, Mais, Bohnen, Früchte, Kautschuk, Sassaparille, Farb- und Nutzhölzer; im Mineralreich Gold, Eisen, Diamanten. Über den Handel s. Beilage: Südamerika; Handelsmarine (1904/5) 232 Dampfer von 140.044 Bruttoregistertons. Über die Eisenbahnen s. Beilage: Eisenbahnen; Telegraphenlinien (1902) 22.568 km.

Die Bevölkerung, (1903) etwa 16 Mill. E., besteht aus Indianern, Negern, Weißen, bes. Italienern und Portugiesen und vielen Mischlingen; sie wächst bes. durch Einwanderung [s. auch Beilage: Auswanderung]. Zahlreiche deutsche Kolonien (Blumenau, São Leopoldo, Petropolis, Dona Francisca). Landessprache portugiesisch; herrschende Religion die katholische (Erzbischof in Bahia mit 15 Suffraganbischöfen); jetzt Religionsfreiheit.

Verfassung seit 1891 republikanisch: Staatenbund von 20 Staaten, einem Territorium (Acre) und einem Bundesdistrikt; Hauptstadt Rio de Janeiro. Gesetzgebende Gewalt hat der Nationalkongreß, bestehend aus Abgeordnetenkammer (212 Mitglieder) und Senat (63 Mitglieder), beide direkt gewählt. Für die Exekutive ein auf sechs Jahre gewählter Präsident, dem sechs Minister zur Seite stehen. Wappen (Emblem) ein fünfstrahliger goldener Stern, mit dem Sternbild des südl. Kreuzes in der Mitte [Abb. 262]. Flagge grün und gelb [Tafel: Flaggen]. Budget jährlich ca. 300 Mill. Milreis. Anstatt der gesetzlichen Goldwährung herrscht Papiervaluta. Maße und Gewichte metrisch. Das stehende Heer ergänzt sich durch Werbung, [257] die Nationalgarde seit 1875 durch allgemeine Wehrpflicht. Friedensstärke 1904: 27.860 Mann und 1516 Offiziere mit 9390 Pferden und 288 Geschützen; ferner 20.000 Gendarmen. Kriegsflotte ca. 20 Fahrzeuge mit 200 Geschützen.

Geschichte. B., 1500 durch Pedro Alvarez Cabral entdeckt, wurde seit 1549 von den Portugiesen kolonisiert. [Weiteres über Entdeckungs- und Kolonialgeschichte s. Beilagen: Entdeckungsreisen und Kolonien.] 1808 flüchtete der portug. Hof vor Napoleon nach B. Dem Beispiel der aufständischen span. Kolonien in Südamerika folgend, ertrotzten die Brasilianer 1821 den Erlaß einer Verfassung, worauf König Johann VI. nach Portugal zurückkehrte und seinen ältesten Sohn Dom Pedro als Regent von B. zurückließ. Dieser berief eine Nationalversammlung, welche 1. Aug. 1822 die Trennung vom Mutterlande aussprach, und nahm 12. Okt. die Kaiserwürde an. 15. Nov. 1825 erkannte Portugal die Unabhängigkeit B.s an. 7. April 1831 dankte Dom Pedro zugunsten seines sechsjährigen Sohnes Dom Pedro II. ab, den die Kammern 1840 für volljährig erklärten. Der Krieg, welchen B. mit Urquiza, dem Gouverneur der argent. Prov. Entre Rios, gegen den Diktator der La-Plata-Staaten, Rosas, im Juli 1851 begann, wurde durch den Sieg bei Monte Caseros (3. Febr. 1852) zugunsten B.s entschieden. 1865 brach ein Krieg mit Paraguay aus, der erst 1870 sein Ende erreichte. 1871 wurde eine allgemeine Sklavenemanzipation angebahnt, durch Gesetz vom 13. Mai 1888 die Sklaverei ganz abgeschafft. Dies rief namentlich bei den Pflanzern große Unzufriedenheit hervor und führte endlich zu einer Revolution, durch die 15. Nov. 1889 der Kaiser gestürzt wurde. Die neue republikanische Regierung der Vereinigten Staaten von B., an deren Spitze der Marschall Fonseca trat, berief sofort eine konstituierende Versammlung, die den vorgelegten Verfassungsentwurf 24. Febr. 1891 annahm und Fonseca zum Präsidenten der Republik wählte. Die finanzielle Mißwirtschaft der leitenden Kreise rief jedoch einen Aufstand hervor, infolgedessen Fonseca Nov. 1891 zugunsten des Vizepräsidenten Peixoto abdankte. Auch dieser hatte 1893-94 mit einem Aufstande zu kämpfen, an dessen Spitze die Admirale de Mello und da Gama getreten waren. 1894 übernahm Moraes Barros die Präsidentschaft, ihm folgte 1898 Campos Salles, 1902 Rodriguez Alves. Verschiedene Grenzstreitigkeiten mit den Nachbarstaaten wurden in den letzten Jahren durch Schiedsspruch geschlichtet.

Vgl. die Reisewerke von Prinz M. von Neuwied, Spix und von Martius, J. J. von Tschudi, Avé-Lallemant, von den Steinen, Ehrenreich, Prinzessin Therese von Bayern; Lamberg, »B. Land und Leute« (1899); Jannasch, »Ratschläge für Auswanderer nach Süd-B.« (1898).

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 257-258.
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