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Wissen

[743] Wissen (das) besteht in der Übereinstimmung der Vorstellung mit dem vorgestellten Gegenstande selbst und der Überzeugung von dieser Übereinstimmung oder dem Fürwahrhalten der Vorstellung und des Gedachten aus allgemeingültigen Gründen. Beruhen diese auf Sinnesanschauung und Erfahrung, so bedingen sich das historische und empirische Wissen; geht dagegen jene Überzeugung aus bloßen Begriffen des Verstandes, aus dem reinen Denken hervor, so ist sie verständige oder philosophische Erkenntniß; liegt ihr mathematische Verbindung von Größe, Form und Zahl zum Grunde, so ist sie mathematisches Wissen; am häufigsten ergibt sie sich aber aus Verschmelzung dieser Erkenntnißarten. – Wissenschaft ist bald mit Wissen einerlei, bald bedeutet es den Inhalt des Wissens, im engern und formalen Sinne aber bedeutet Wissenschaft ein System oder einen nach durchgreifenden Hauptgedanken und logischen Regeln geordneten Inbegriff von Lehrsätzen, welche einen bestimmten Gegenstand (Stoff oder Materie) mehr und weniger als allgemeingültige Erkenntniß (Wissen) auszudrücken suchen. Daher beißt Etwas wissenschaftlich behandeln so viel, wie wohlgeordnet, gründlich und überhaupt so dabei verfahren, daß man dadurch eine möglichst deutliche und bestimmte Erkenntniß davon erlangen kann. Den Inbegriff der Bestimmungen über die mögliche Form der Wissenschaft hat man Wissenschaftslehre oder Kunde, auch logische Methodenlehre genannt; Fichte (s.d.) gab jedoch in tieferer Bedeutung der Philosophie den Namen der Wissenschaftslehre, indem er sie als eine wissenschaftliche Lehre vom Wissen selbst betrachtete. Faßt man zur leichtern Übersicht das ganze Gebiet menschlicher Vorstellungen und Erkenntnisse als einzelne Wissenschaften auf, so kann man diese nach verschiedenen Gesichtspunkten eintheilen, wie z.B. in Nominalwissenschaften, welche sich blos mit dem sprachlichen Ausdrucke unserer Vorstellungen und Erkenntnisse beschäftigen, und in Real- oder Sachwissenschaften, welche Vorstellungen und Erkenntnisse des menschlichen Geistes in ihren Beziehungen auf gewisse Gegenstände behandeln; diese können wieder als empirische, wenn ihr Grundstoff blos von der Erfahrung, und als rationale, wenn er durch höhere geistige Thätigkeit bestimmt wird, unterschieden werden. Die einzelnen Wissenschaften stehen jedoch nicht so abgegrenzt nebeneinander, daß nicht ein Uebergreifen der einen Art in die andere möglich, ihre Verbindung nicht nothwendig wäre, und einzelne Wissenschaften sogar nur vermischte sind.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 743.
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