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Cabinet

[358] Cabinet heißt ursprünglich ein kleineres Zimmer, das sich neben einem größern befindet und entweder zum Arbeiten, zu ungestörtem Alleinsein, zur Aufbewahrung besonders werthvoller und seltener Gegenstände oder zu ähnlichen Zwecken bestimmt ist. Daher werden auch ausgezeichnete Kunstwerke, höchst seltene Münzen, Naturgegenstände u.s.w. Cabinetsstücke und Sammlungen derselben Münz- und Naturaliencabinete, sowie zu ihrer Aufbewahrung dienende Säle und Gebäude ein Cabinet genannt. In Bezug zu fürstlichen Personen versteht man unter Cabinet sowol das von einem Regenten ausschließlich bewohnte, als auch das Gemach, in welchem er die Regierungsgeschäfte besorgt, seine in die wichtigsten Staatsgeschäfte eingeweihten Räthe hört und von dem seine Beschlüsse ausgehen. Daher pflegt man unter Cabinet auch die Regierung, vorzüglich in Bezug auf auswärtige Verhältnisse, zu verstehen und spricht z.B. vom franz. Cabinet oder dem der Tuilerien, vom londoner oder Cabinet von St.-James, vom petersburger Cabinet u.s.w. Die Personen, welche dem Regenten bei seinen Arbeiten und Entschließungen zur Seite stehen, heißen besonders in nichtconstitutionnellen Staaten Cabinetsräthe und ihr Vorstand Cabinetsminister. Oft wird indeß die letztere Bezeichnung auch sämmtlichen Räthen beigelegt, welche das häufig »geheim« genannte Cabinet bilden. Die Entschließungen, welche aus einem solchen Cabinet hervorgehen, heißen Cabinetsbefehle oder Cabinetsordres, werden vom Regenten eigenhändig unterzeichnet und mit einem besondern Siegel, dem Cabinetssiegel, versehen. In unumschränkten Monarchien sind die Befugnisse des Cabinets in der Regel sehr ausgedehnt oder vielmehr, da der Wille des Regenten statt des Gesetzes gilt, gar nicht beschränkt, wogegen es in constitutionnellen Staaten kein Cabinet in diesem Sinne geben kann, da alle Anordnungen, welche den Staat betreffen, von dem Minister, in dessen Geschäftskreis sie fallen und der dafür verantwortlich ist, mit unterzeichnet sein müssen. Hier kann der Herrscher blos reine Privatangelegenheiten allein oder mit Zuziehung unverantwortlicher Räthe ordnen. Schon früher, als das constitutionnelle System sich Eingang verschaffte, suchte man Eingriffe der fürstlichen Cabinete in die staatsbürgerlichen Rechte der Unterthanen, vor Allem die Beeinträchtigung einer unparteiischen Rechtspflege oder die sogenannte Cabinetsjustiz zu verhindern. In Deutschland enthielten in dieser Beziehung die Reichsgesetze mancherlei treffliche Bestimmungen und nicht [358] selten wurden die Regenten einzelner Länder von den höchsten Reichsgerichten angehalten, sich nicht in privatrechtliche Streitigkeiten einzumischen. Die neuern Verfassungen constitutionneller Staaten verbieten noch mehr alle willkürliche Eingriffe der Regenten in eine unparteiische Rechtspflege, und auch die Gesetze des deutschen Bundes gestatten das Anbringen von Beschwerden über unerlaubte Cabinetsjustiz deutscher Bundesfürsten bei dem Bundestage.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 358-359.
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