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Bibelgesellschaften

[245] Bibelgesellschaften heißen in neuerer Zeit die zahlreichen Vereine, welche sich die gemeinnützige Verbreitung der Bibel zur Aufgabe gemacht haben. So lange die Bibel nur in gelehrten Sprachen und in Abschriften vorhanden war, konnte von einer allgemeinen Verbreitung derselben nicht die Rede sein; eine solche wurde erst durch die Buchdruckerkunst möglich und nachdem Übersetzungen in die Landessprachen verfertigt worden waren. Wie wenig aber z.B. in Deutschland das vorhandene Bedürfniß der ärmern Classen Befriedigung gefunden hatte, beweist die von Hildebrand von Canstein (s.d.) in Halle 1712 gegründete Bibelanstalt, welche die Bibel zuerst für einen so geringen Preis lieferte, daß auch die Armen sie anschaffen konnten und ihre Benutzung beim Unterrichte in den Volksschulen erleichtert wurde. Binnen 100 Jahren kamen über 3 Mill. Bibeln und N. T. durch diese Anstalt in die Hände des Volkes, welche das Beispiel zu Bibelausgaben von ähnlicher Wohlfeilheit an andern Orten wurde. Keine dieser Unternehmungen kann sich jedoch in Rücksicht auf Umfang und großartige Anlage mit der »Britischen und ausländischen Bibelgesellschaft« messen, welche 1804 in London ihren Anfang nahm. Ein Prediger aus Wales war in diese Hauptstadt gekommen, um Beiträge zur Veranstaltung einer Bibelausgabe in der Volkssprache jener Provinz zu sammeln, und dies wurde Veranlassung zur Stiftung eines Vereins, der sich die Verbreitung der Bibel unter allen Völkern der Erde und in allen Sprachen zur Aufgabe machte. Die Mitglieder verpflichten sich zu bestimmten Geldbeiträgen und die Leitung der Geschäfte wird von einem Präsidenten, zwei Vicepräsidenten und mehren Secretairen besorgt. Sehr bald entstanden in England und Schottland Hülfsgesellschaften, die sich der großen Muttergesellschaft anschlossen. Diese hatten wieder Bibelvereine unter sich, welche sich unter allen Ständen und Gewerken, auch unter Frauen bildeten und deren Zahl in Großbritannien und dessen auswärtigen Besitzungen auf mehr als 650 sich beläuft. Als wöchentlicher kleinster Beitrag des Mitgliedes eines Bibelvereins ward 1 Penny oder 9 Pf. festgesetzt; Mitglieder der Muttergesellschaft zahlen jährlich wenigstens 1 Guinee oder 7 Thlr. Im ersten Jahre betrug die Einnahme der letztern nur 4500 Thlr., im 16. aber schon über eine halbe Million. Bereits in den ersten 20 Jahren ihrer Wirksamkeit sind an 4 Mill. Bibeln oder N. T. durch sie verbreitet und Bibelübersetzungen in anderthalbhundert Sprachen geliefert worden, darunter dem dritten Theile nach in solche, in die früher die Bibel noch gar nicht übersetzt worden war. Das von England gegebene Beispiel fand in den meisten christlichen Ländern die lebhafteste Theilnahme und hatte namentlich in den nichtkatholischen die Errichtung vieler Vereine zu gleichem Zwecke zur Folge, welche mit dem brit. in Verbindung traten und zum Theil namhaft von ihm unterstützt werden. In Deutschland bestehen seit 1805 die wichtigsten Bibelgesellschaften in Regensburg, Berlin, Dresden, Hanover, Frankfurt am Main, Lübeck, Bremen u.s.w., die ebenfalls ihre Hülfsgesellschaften haben. Als 1825 von der großen engl. Bibelgesellschaft beschlossen wurde, künftighin nur Bibeln ohne apokryphische Bücher zu vertheilen und auswärtigen Gesellschaften nur Unterstützungen zu gewähren, wenn sie denselben Grundsatz befolgten, verweigerten dies mehre, unter andern die berliner Bibelgesellschaft, und entsagten lieber der Unterstützung, als der Vertheilung vollständiger Bibeln. Unter die wichtigsten europ. Bibelgesellschaften gehört die zu Petersburg, welche allein für die Völkerschaften des russ. Reichs Bibeln in 31 Sprachen und Mundarten [245] drucken ließ. Von den außereurop. bereits in allen Welttheilen bestehenden Bibelgesellschaften ist die seit 1816 bestehende große amerikan. mit ihren Zweiggesellschaften die ansehnlichste und hat schon über 700,000 Bibeln vertheilt, wobei sie im Ganzen jedoch von dem Gesichtspunkte ausgeht, erst in Amerika jede Familie zu versorgen, bevor sie ihre Wirksamkeit aufs Ausland erstreckt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 245-246.
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