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Beweis

[243] Beweis oder Argumentation heißt im Allgemeinen die Herstellung der Gewißheit über Wahrheit oder Unwahrheit einer Sache aus Gründen. Sind dieselben aus der Erfahrung entlehnt, so entsteht ein empirischer oder Beweis a posteriori, von welchem ein Beweis a priori (s.d.) das Gegentheil ist; auch unterscheidet man zwischen directen Beweisen, welche die Wahrheit einer Sache gradezu darthun, und zwischen indirecten, welche die Falschheit des Gegentheils einer aufgestellten Behauptung und daraus deren Wahrheit darlegen. Beweisgrund oder Argumentum ist Das, worauf sich der Beweis stützt. Im juridischen oder rechtlichen Sinne versteht man unter Beweis sowol das Darthun der Wahrheit einer vor Gericht behaupteten Thatsache, als auch das Ergebniß der Beweisführung, d.h. die dadurch erlangte rechtliche Überzeugung. Alles, was zu deren Hervorbringung beiträgt: Zeugen, Urkunden, richterlicher Augenschein, das Urtheil Sachverständiger, Eide und Schlußfolgerungen nennt man Beweismittel. Haben im bürgerlichen Rechtsverfahren die Parteien dem Richter angegeben, auf welche Thatsachen sie ihre einander widerstreitenden Rechtsansprüche stützen und ist daraus ermittelt worden, welche dieser Thatsachen sie gegenseitig einräumen und ableugnen, so müssen sie die letztern, wenn daraus ein Recht abgeleitet werden kann, dem Richter beweisen, wovon dieser Theil eines Processes das Beweisverfahren heißt. In der Regel wird ihnen der Beweis vom Richter aufgelegt und in dem Beweisinterlocut oder Urtheile, wodurch dies geschieht, sind zugleich die Beweislast oder die Verbindlichkeit zur Führung des Beweises, das Beweisthema oder der Beweissatz, d.h. die möglichst genaue Bestimmung Dessen, was zu erweisen ist, und die Beweisfrist ausgesprochen, die entweder vom Gesetz vorgeschrieben oder vom Richter bestimmt wird und binnen welcher der Beweis beigebracht werden muß, weil außerdem auf die des Beweises ermangelnden Thatsachen bei der Entscheidung keine Rücksicht genommen wird. Die Haupteintheilung des juridischen Beweises ist die in Beweis und Gegenbeweis, je nachdem er von Jemand, der eine thatsächliche Behauptung vor Gericht aufgestellt hat, zur Bewahrheitung derselben, oder von dem die geschehene Behauptung verneinenden Gegner zur Rechtfertigung seines Verneinens durch Darlegung der Unwahrheit jener Behauptung geführt wird. Außerdem unterscheidet man zwischen Haupt- und Nebenbeweisen, insofern davon die Entscheidung der Hauptsache oder nur die eines Nebenpunktes abhängt; ferner zwischen feierlichen und nichtfeierlichen Beweisen oder bloßen Bescheinigungen, je nachdem sie unter Beobachtung aller [243] vorgeschriebenen Förmlichkeiten oder ohne dieselben geführt werden, und zwischen ordentlichen und außerordentlichen, je nachdem dieselben an der gewöhnlichen, zur Beweisführung bestimmten Stelle des rechtlichen Verfahrens oder ausnahmsweise schon vorher geführt werden, wie z.B. der Beweis zum ewigen Gedächtniß. Letzterer kann bei vorhandener Gefahr, Beweismittel für einen rechtlichen Anspruch zu verlieren, zu jeder Zeit bewerkstelligt werden, selbst wenn noch kein Rechtsstreit entstanden ist. Nicht immer können Beweise völlig ausreichend geliefert werden und je nachdem dies mehr oder weniger geschieht, spricht man von vollen, mehr als halben, halben und weniger als halben Beweisen; endlich nennt man Beweise, welche unmittelbar aus den dargelegten Thatsachen hervorgehen, einfache oder natürliche; andere aber, welche erst durch Schlußfolgerungen aus denselben gezogen werden, künstliche Beweise. Im deutschen Criminalprocesse werden keine Beweise geführt, sondern der Richter muß von Amtswegen die Wahrheit zu erforschen suchen, auch ist das Geständniß des Angeschuldigten erfoderlich, wenn ihn die volle Strafe treffen soll; in England und Frankreich aber muß beim Anklageprocesse der Beweis durch den die Stelle des Anklägers im Namen des Staats übernehmenden Staats- oder Kronanwalt hergestellt werden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 243-244.
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