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Besitz

[238] Besitz (der) ist ursprünglich dasjenige thatsächliche Verhältniß, welches Jemandem gestattet, mit einer Sache völlig nach seinem Belieben zu schalten und zu walten. Die Rechtssprache bezeichnet dieses bei jeder Art des Besitzes vorausgesetzte Innehaben mit dem Ausdrucke Detention, nach dem Beispiele der röm. Rechtslehrer, auf deren Grundsätzen die Lehre vom Besitze noch beruht. Soll daraus jedoch ein rechtlicher Besitz und eben dadurch eine Quelle von Rechten hervorgehen, so muß der bloße Inhaber der Sache zugleich die Absicht haben, sie völlig als die seinige zu behandeln. Ein solcher Besitz genießt den Schutz des Staats gegen Jeden, der ihn stört, ja gegen den wahren Eigenthümer selbst, so lange dieser sein Eigenthumsrecht am Gegenstande nicht bewiesen hat, da es der wichtigste Vortheil des Besitzes ist, daß er für rechtmäßig gilt, bis das Gegentheil erwiesen worden ist. Ein lange genug fortgesetzter Besitz kann selbst zum Eigenthume führen, wenn er in dem guten Glauben begann, daß kein Anderer ein besseres Recht an eine gewisse Sache habe; wenn er sich auf einen rechtmäßigen Erwerbsgrund stützt und wenn die Eigenthumsansprüche Anderer durch Verjährung (s.d.) verloren gegangen sind. Ein Besitz der letztern Art, welcher durch rechtmäßige Gründe zum Eigenthume führt, heißt Civilbesitz und ist dem Naturbesitz entgegengesetzt, unter welchem jeder andere Besitz, wie ihn z.B. auch Derjenige hat, welcher ohne alles Recht oder als Pachter für einen Dritten besitzt, verstanden wird. Ein Besitzer, welcher weiß, daß er eine Sache zu besitzen nicht berechtigt ist, heißt ein unredlicher und ist für Alles verantwortlich, was während seines unredlichen Besitzes mit der besessenen Sache geschehen ist. Der Besitz darf ferner kein fehlerhafter, d.h. nicht heimlich, gewaltsam oder nur bittweise erlangt worden sein, um seine rechtlichen Wirkungen zu äußern. Da nun der Besitz große Vortheile mit sich bringt, so ist es höchst wichtig, durch äußere Zeichen die Gewißheit herzustellen, wer eigentlicher Besitzer eines Gegenstandes ist. Aus diesem Grunde verband man die Übertragung des Besitzes von einer Hand in die andere, und die Besitzergreifung, wie eine jede Handlung heißt, durch die Jemand sich absichtlich die ausschließliche Benutzung einer Sache möglich macht, mit verschiedenen Wahrzeichen und Feierlichkeiten, wie z.B. dem Ausstechen eines Stückes Erde oder Rasen, dem Aushauen eines Spans aus der Thür eines Hauses und andern, das Eigenthum an einer Sache bezeugenden Handlungen, und in vielen Fällen ist die Übergabe durch die Gerichte nothwendig. In einem gewaltsam gestörten Besitze sich mit Gewalt zu behaupten, gilt als erlaubte Selbsthülfe. Eigentlich können nur körperliche Sachen Gegenstände des Besitzes sein, weil sich eine Detention nur bei diesen denken läßt, doch wird der Begriff des rechtlichen Besitzes auch auf Rechte angewendet und deren Ausübung dann Quasi- oder uneigentlicher Besitz genannt. Verloren wird der Besitz, wenn der Besitzer einer Sache das Aufgeben derselben deutlich zu erkennen gibt, wenn er die Möglichkeit verliert, sie ausschließlich zu gebrauchen, oder wenn Beides zugleich geschieht. Mit dem Rechte des Besitzes darf nicht das Recht, zu besitzen, verwechselt werden, indem jenes die Rechte darstellt, welche einem Besitzenden auf den Besitz einer Sache zustehen, dieses aber Rechte, welche erst die Grundlage eines künftigen Besitzes ausmachen sollen. Der Besitz kann zwar zum Eigenthume führen, mit dem Eigenthum (s.d.) einer Sache aber ist stets das Recht auf den Besitz derselben verbunden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 238.
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