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Bürgerstand

[352] Bürgerstand und Bürger im gewöhnlichen Sinne heißt diejenige Classe von Staatsmitgliedern, welche weder dem Adels- noch dem Bauernstande angehört, Staatsbürger aber sind alle gesetzliche Mitglieder eines Staatsverbandes mit gleichen Rechten und gleichen Pflichten. In der ursprünglichen Bedeutung bezeichnet Bürger ein Mitglied einer Stadtgemeinde, allein im rechtlichen Sinne gilt dieser Name nicht für alle Einwohner einer Stadt, sondern blos für die berechtigten und verpflichteten Mitglieder der ' Stadtgemeinde. Man setzt ihnen dann die sogenannten Schutzverwandten entgegen, welche zwar auch Abgaben für den Schutz zu zahlen haben, den ihnen die Stadt gewährt, jedoch von vielen Verpflichtungen der Bürger frei, dagegen aber auch von Berechtigungen derselben ausgeschlossen sind und mit den sogenannten Pfahlbürgern des Mittelalters, d.i. Denjenigen, welche außerhalb der die innere Stadt umgebenden Pfähle wohnten und sich daher des vollen Bürgerrechts nicht zu erfreuen hatten, viel Ähnlichkeit haben. Bürgerrecht nennt man den Inbegriff derjenigen Rechte, welche den Einwohnern der Städte als Mitglieder des gemeinen Wesens zustehen. Diese Rechte sind, außer dem Anspruche, den der Bürger schon als Landesunterthan auf obrigkeitlichen Schutz hat: 1) das Recht, bürgerliche Nahrung zu treiben, worunter man hauptsächlich Handel und Gewerbe begreift; 2) Grundstücke in der Stadt und ihrer Feldmark zu erwerben; 3) Gemeindeämter zu bekleiden und Gemeindebeamte mit zu wählen, wo solche aus der Wahl der Bürgerschaft hervorgehen, und 4) an dem Genusse solcher Güter und Gerechtsame Theil zu nehmen, welche der Stadtgemeinde zustehen, wohin z.B. die Benutzung von Gemeindeweiden und Waldungen gehört.

Die Befugniß, das Bürgerrecht zu ertheilen, steht in der Regel dem Stadtmagistrate zu, welcher es nach Erledigung der gesetzlichen Erfodernisse Niemandem verweigern darf. Ausgeschlossen sind indeß von Erwerbung des Bürgerrechts nach deutschem Rechte alle ehrlosen Leute, Geächtete, Juden und Leibeigene, wo solche noch vorkommen sollten, und endlich wird auch noch nach der Localverfassung mancher Städte verlangt, daß Jemand sich öffentlich zu einer der vom Staate anerkannten kirchlichen Gesellschaften bekenne. Für die Ertheilung des Bürgerrechts wird das sogenannte Bürgergeld bezahlt, welches bei Bürgerskindern geringer zu sein pflegt, als bei andern Personen; auch wenn ein Bürger eine fremde Frau nimmt, muß er oft für diese ebenfalls das Bürgerrecht gewinnen, was aber gewöhnlich mit weniger Kosten verbunden ist, und ebenso wird auch häufig den Fremden, welche Bürgerswitwen oder Töchter heirathen, die Gewinnung des Bürgerrechts erleichtert. Nach bezahltem Bürgergelde muß der Neuaufzunehmende den sogenannten Bürgereid leisten, wodurch er dem Magistrate Gehorsam und der Stadt alle mögliche Beförderung ihrer Wohlfahrt, sowie überhaupt treue Erfüllung aller Bürgerpflichten angelobt, soweit solche nicht höhern Verbindlichkeiten zuwiderlaufen, indem z.B. der dem Landesherrn geleistete Huldigungseid dem Bürgereide vorgeht. Außerdem gehört es zu den Bürgerpflichten, bei Feuersgefahr Hülfe zu leisten, für Reinlichkeit der Straßen u.s.w. zu sorgen, für die Sicherheit der Stadt Wachdienste zu thun und bei Unruhen und Aufruhr zur Tilgung derselben mitzuwirken. Je nach Ort- und Zeitverhältnissen werden jedoch diese Zwecke ganz oder theilweise ohne persönliche Mitwirkung der Bürger erreicht, welche dafür Geldbeiträge entrichten, zum Schutz der öffentlichen [352] Sicherheit sind jedoch in neuerer Zeit in vielen Ländern Bürgergarden (s. Volksbewaffnung) errichtet worden. Die übrigen Lasten des Bürgers bestehen für gewöhnlich in Abgaben zur Bestreitung der öffentlichen Bedürfnisse der Stadtgemeinden und werden nach den Vermögens- und Gewerbeverhältnissen des Einzelnen bestimmt. Die über Ertheilung des Bürgerrechts ausgefertigte Urkunde heißt der Bürgerbrief, und das Verzeichniß, in welches die sämmtlichen Bürger einer Stadt eingetragen werden, die Bürgerrolle. Das Bürgerrecht kann durch freiwilliges Aufgeben desselben, durch den Tod oder durch unerlaubte Handlungen verloren werden, welche den Verlust desselben als Strafe nach sich ziehen. – Die Verhältnisse der Bürger, die Organisation ihrer Behörden, die Verwaltung des städtischen Gemeindewesens und Vermögens, sowie das Verhältniß des Staates zur Bürgerschaft und ihrer Obrigkeit, ist in neuern Zeiten in vielen Ländern durch besondere Gesetze, sogenannte Städteordnungen (s.d.) festgesetzt worden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 352-353.
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