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Milch

[139] Milch heißt die in den Brüsten der weiblichen Säugthiere nach der Geburt der Jungen abgesonderte und zur ersten Nahrung derselben bestimmte Flüssigkeit. Sie besteht aus mehren festen Bestandtheilen, wie Butter (s.d.), Käsestoff (s. Käse), Milchzucker, einer besondern extractartigen Materie, mehren Salzen und Milchsäure, die in dem flüssigen, dem Wasser, aufgelöst sind, deren Menge aber, je nach dem Thiergeschlecht, nach der Zeit, die seit der Geburt verflossen ist, nach der Art der Fütterung, dem Alter u.s.w. verschieden ist. Die dem Geschmacke nach angenehmste, am meisten nahrhafte und am leichtesten verdauliche Milchart ist für den Menschen die Muttermilch, obschon man dasselbe auch von der Esels- und Pferdemilch behauptet, von denen jedoch bei uns nur die erstere zu ärztlichen Zwecken benutzt wird. Als Nahrungsmittel dient am häufigsten die Kuhmilch, besonders in Gestalt von Butter und Käsen; die Ziegen- und Schafmilch ist für Kinder in Betracht ihrer nährenden, reizlosen und leicht verdaulichen Beschaffenheit ohne Widerrede das natürlichste und geeignetste Nahrungsmittel und zwar um so mehr, je jünger und schwächlicher diese sind. Erwachsene, namentlich solche, welche an eine sehr gemischte. reizende, gewürzhafte Diät gewöhnt sind, vertragen sie jedoch nicht immer gleich gut, sondern leiden nach ihrem Genusse an Verschleimung, Säure im Magen, Koliken und Durchfall. Dergleichen Personen thun freilich am besten, sie zu meiden. Oft liegt es aber nur daran, daß sie die Milch nicht für sich, sondern in Verbindung mit andern nicht mit ihr verträglichen Nahrungsstoffen zu sich nehmen. Trotz dieser Beschwerden, welche die Milch Einzelnen verursachen kann, wird sie doch sehr häufig innerlich und äußerlich als Heilmittel benutzt. So sind die sogenannten Milchcuren, bei deren Gebrauch jedoch nichts weiter genossen werden darf, als Milch, für Kinder und Erwachsene bei abzehrenden Krankheiten oft noch das einzige Erhaltungs- und Rettungsmittel. Erwachsenen leisten sie namentlich gute Dienste bei Brustleiden, die mit einer beständigen Reizung der Luftwege verbunden sind. Man benutzt dazu die Esels-, Ziegen- und Kuhmilch, die man wo möglich frisch gemolken oder, wenn man das nicht haben kann, gelind erwärmt trinken läßt. Reizt die reine Milch zu sehr, so verdünnt man sie mit Wasser oder wählt statt ihrer die Molken (s.d.). Ferner dient die Milch bei Vergiftung durch reizende Substanzen zuweilen als eine Art Gegengift oder wenigstens als ein reizminderndes und schmerzstillendes Mittel, ebenso bei mancherlei Entzündungen, äußerlich in Form von Waschungen, Umschlägen, Bädern, Einspritzungen u.s.w. Steht die Milch längere Zeit, so scheidet sie sich freiwillig in den oben schwimmenden Rahm, auch Sahne und Oberes genannt, und in die nach Entfernung des Rahms unten zurückbleibende abgerahmte oder blaue Milch. In beiden sind noch sämmtliche Bestandtheile der Milch enthalten, im Rahm jedoch überwiegend viel Butter. Wird die abgerahmte Milch mit Laab behandelt oder nachdem man sie zuvor hat säuern lassen, erhitzt, so scheidet sich der Käsestoff mit dem noch vorhandenen Butterrückstand als Käse daraus und es bleiben nur Molken zurück. Aus ihnen wird der Milchzucker durch Abdampfen der gereinigten Molken gewonnen und findet als ein gelind nährender, auflösender und eröffnender, sowie namentlich in der Homöopathie (s.d.) als einhüllender Stoff für andere Arzneien häufige Anwendung. Nicht selten wird die Milch verfälscht und dadurch in ihren Eigenschaften verändert, am gewöhnlichsten und in großen Städten ganz allgemein durch Zusatz von Wasser, ferner von Zucker und Mehl oder Stärkemehl oder Mehl und Eidotter.

Ansehen und Geschmack verrathen meist die Gegenwart solcher fremder Stoffe; zur genauern Prüfung der Güte der Milch dient aber der sogenannte Galaktometer, ein ungefähr einen Fuß hohes und einen Zoll im Durchmesser weites Glas, welches an dem obern Ende mit Graden bezeichnet ist. Man füllt es mit Milch, die in der ganzen Länge desselben eine Farbe hat, wenn sie nicht mit Wasser verdünnt worden ist, während sie in diesem Falle nach unten bläulich und durchscheinend sich zeigt. Allmälig steigt nun der Rahm nach oben und je mehr Grade er einnimmt, wenn er sich ganz angesammelt hat, desto besser ist natürlich die Milch. Als die beste Art, Milch, z.B. für weite Seereisen, aufzubewahren, wird die Abdampfung frisch gemolkener empfohlen, der vorher 1/50 oder 1/100 Zucker beigemengt wurde. Das Gefäß mit der Milch muß aber durch Dampf oder in einem andern mit heißem Wasser gefüllten Gefäße erwärmt werden. Die Abdampfung kann bis zur Dicke des Honigs, wo die Milch dann in Flaschen oder Töpfen verwahrt wird, oder auch so weit geschehen, daß ein trockener und zu Pulver zerreiblicher Rückstand bleibt. Aus beiden erhält man durch Zusatz von Wasser Milch in beliebiger Menge und Güte. – Zur Milchwirthschaft oder Molkerei werden bei der Landwirthschaft alle zur Erlangung, Aufbewahrung und Benutzung [139] der Milch, also auch zur Butter- und Käsebereitung nöthigen Geschäfte gerechnet. Nun fällt aber die Butter um so besser aus, je frischer der Rahm ist und der Käse um so vorzüglicher, in je größerer Menge er bereitet wird; daher sind die in der Schweiz und im benachbarten Frankreich eingeführten Milchwirthschaftsvereine sehr empfehlenswerth, wo die Nähe großer Städte nicht einen andern Absatz für die Milch gewährt. Es sind das nämlich Vereine von Landwirthen, welche ihren täglichen Milchertrag von mehren 100 Maß in ein gemeinschaftliches Milchhaus liefern, wo er einem dazu bestellten Sachverständigen zugemessen, von ihm in ein Buch auf die Namen der Lieferer eingetragen und täglich im Ganzen zu Butter und Käse verarbeitet wird, die jedesmal an das Mitglied abgeliefert werden, welchem die meiste Milch im Buche gutgeschrieben steht. Käme z.B. täglich 300 Maß zusammen und lieferte Jemand täglich 20 davon, so würde er ungefähr alle 14 Tage die Erzeugnisse aus sämmtlicher Milch eines Tags erhalten. Kommt zufällig weniger ein, so behält er's zu Gute, kommt mehr ein, so wird's ihm an seiner Milchlieferung des folgenden Tages abgeschrieben. Der kleinere Landwirth erhält auf diese Art ebenso gute Butter und Käse wie der größte, und Alle halten nur ein Milchhaus und einfache Milchgeräthe.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 139-140.
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