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Versailles

[316] Versailles, bekannter Maßen das ehemahlige Residenzschloß des Königs von Frankreich, 4 Stunden von Paris, war von Ludwig XIV. mit ungeheuern Kosten – man sagt, 300 Millionen – angelegt worden, und wurde damahls als das Achte Wunderwerk der Welt gepriesen. Wirklich war auch dieser prächtige Palast einer von den vielen Belegen für die außerordentliche Prachtliebe jenes Monarchen, und für die Schnelligkeit, mit welcher seine Pläne dieser Art vollzogen wurden. Vorher ein bloßes Jagdschloß, mit einem einzigen Gebäude und in keiner besonders reitzenden Lage, fing doch Ludwig (1661) bald an, dasselbe in eine der ausgezeichnetsten Residenzen umzuschaffen. Die prächtigsten Säle, vorzüglich der Hercules-Saal, mit den Gemählden der größten Meister damahliger Zeit (eines Moine, Veronese) und den herrlichsten Tapeten, Spiegeln etc. geziert; Meisterwerke der Architektur, unter Leitung des berühmten Baumeisters Mansard aufgestellt; der außerordentlich schöne Garten, mit den vorzüglichsten ehernen und marmornen Statüen, Vasen, und überhaupt unübertrefflichen Kunstwerken in jeder Art (unter andern auch den berühmten Wasserkünsten, wo das Wasser 300 Fuß hoch getrieben wurde) versehen; die königl. Kapelle, mit den ersten Virtuosen damahliger Zeit besetzt – kurz, Alles erhob gar bald dieses Schloß zu einem wahren Feenpalast. Wie schrecklich mußte daher der Abfall dieses berühmten Schlosses, von wo aus so viel wichtige Congresse, Friedensschlüsse u. s. w. die Lage Europaʼs so oft bestimmt hatten, an die fürchterlichen Folgen der Revolution erinnern, [316] wo dieser zwar kleine, aber so interessante, Erdraum in kurzer Zeit aufs unerhörteste verwüstet und verödet wurde! Indessen hat man neuerlich Vorschläge gemacht, um wenigstens für die Künste diesen ihnen einst gewidmeten so merkwürdigen glänzenden Schauplatz wieder zu geben; und Frankreichs jetziger großer Beherrscher, obgleich er ein anderes Residenz-Schloß (Fontainebleau) sich gewählt hat, berechtiget bei seiner hohen Vorliebe für die Künste zu den schönsten Erwartungen deßhalb.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 316-317.
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