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Wand (2), die

[1375] 2. Die Wand, plur. die Wände, ein Wort, in welchem der Begriff einer senkrechten, oder meist senkrechten Fläche der herrschende zu seyn scheinet, besonders, wenn sich damit der Begriff des Unterschiedes verbindet. Man gebraucht es vornehmlich in folgenden Fällen. 1. Die abhängige Seite eines Berges oder Felsens wird häufig eine Wand genannt, besonders, wenn sie sich der senkrechten Linie merklich nähert. Indeß können meine Ziegen an der jähen Wand klettern und vom Gesträuch reißen, Geßn. 2. Im Bergbaue wird auch das dem Bergmanne entgegen stehende Gestein oder Erde eine Wand genannt, besonders wenn es einen senkrechten Abhang hat. Eine Bergwand, eine Wand Erde, zum Unterschiede von einer Erzwand, wenn sie aus Erz bestehet. Daher sagt man daselbst, die Wand hat den Bergmann gefangen, wenn die Seite eines Berggebäudes einstürzet, und den Bergmann verschüttet. Die Wand ziehet sich, wenn sie einzustürzen drohet. Vermuthlich ist es eine Figur von dieser Bedeutung, wenn 3. im Bergbaue ein jeder Stein, er sey groß oder klein, eine Wand genannt wird. Daher eine Bergwand, ein Stück taubes Gestein, zum Unterschiede von einer Erzwand, wenn der Stein erzhaltig ist. Eine Wand zersetzen, zerstufen, ein Stück Stein zerschlagen. Selbst die Steine auf den Gassen und Feldern heißen bey den Bergleuten Wände. Pochwände, Steine, welche gepochet werden sollen. 4. In dem gewöhnlichsten Verstande ist die Wand der senkrechte Unterschied, welcher sowohl die Zimmer eines Gebäudes unter sich, als auch das Gebäude von dem äußern Raume absondert. Eine hölzerne Wand, eine steinerne; welche letztere unter dem Nahmen einer Mauer am bekanntesten ist. Die Scheidewand, wenn sie ein Zimmer von dem andern scheidet. Die Seitenwand, die Wand an der Seite eines Gebäudes. Die Vorderwand, an dem vordern Theile. Eine Spanische Wand, eine bewegliche leichte Wand, welche man zusammen legen, und nach Belieben wegnehmen kann. Eine Wand täfeln. Mit dem Kopfe wider die Wand laufen. Eine Wand führen, aufführen. 5. In der Schiffahrt werden die stehenden, oder größten Theils senkrecht ausgespannten Taue, welche die Masten halten, Wände genannt. Daher, ein Schiff unter die Wand bringen, es mit dem nöthigen Tauwerk versehen. Diese Wände bekommen ihren Nahmen von den Masten, an welchen sie sich befinden; daher die große Wand, Besanwand, Fockewand, blinde Wand u.s.f. 6. In dem Jagdwesen werden die in einer Reihe senkrecht aufgestellten Klebegarne eine Wand genannt. Bey den Vogelstellern sind die Wände diejenigen Garne, womit man die Vögel auf dem Vogelherde zu fangen pflegt. 7. Wird dieses Wort noch in vielen einzelnen Fällen gebraucht, eine senkrechte oder fast senkrechte Fläche zu bezeichnen, welche größten Theils Figuren der ersten und vierten Bedeutung sind. Bey den Jägern heißen die Rippenstücke der Hirsche und Thiere, Wände. Die Schärfe, oder der Rand an den Schalen des Hirsches, und der obere, von außen erhabene, Theil eines Pferdehufes heißt gleichfalls die Wand. In einem gezogenen Rohre sind die Wände die erhabenen Theile zwischen den Zügen. An einer Lafete sind die Wände die breiten und langen Seitenhölzer;[1375] und so in andern Fällen mehr, wo oft eine jede Seitenfläche eine Wand heißt.

Anm. Schon bey dem Ottfried Uuant, in Niedersächsischen gleichfalls Wand. Auch bey diesem alten Worte läßt sich die nächste Abstammung nur errathen. Frisch leitete es von wenden ab; zeigte aber nicht wie sich beyde Begriffe dabey ohne Zwang vereinigen lassen. Wachter läßt es von winden abstammen, weil die ältesten Wände doch wohl nur aus Flechtwerk bestanden; wobey er denn voraussetzt, daß die vierte oder gangbarste Bedeutung die erste ist, welches er doch zu beweisen vergessen hat. Mir scheint der durch die Natur selbst veranlaßte Begriff der erste, und die Bedeutung der Höhe die nächste zu seyn. Andere Sprachen haben zwar etwas von der Wurzelsylbe behalten, aber Statt des Ableitungslautes d oder nd andere vorgezogen; dahin das Schwedische Väg, das Holländische Waeg, das Gothische Vaddus, das Lappländische Hwados, das Englische Wall (S. Wall,) das Lateinische Paries, welche insgesamt eine Wand bedeuten.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1375-1376.
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