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Strecken

[431] Strêcken, verb. regul. act. heftig oder sehr in die Länge ausdehnen, wie das niedrigere recken. 1. Eigentlich. Das Leder strecken. bey den Gärbern und andern Lederarbeitern, es durch Ziehen in die Länge ausdehnen. Bey den Jägern wird der Zeug gestreckt, wenn die Letnen scharf angezogen und die Tücher und Netze dadurch ausgedehnet werden. Die Schmiede strecken ein Stück Eisen, wenn sie es länger und dünner schmieden, im Gegensatze des Stauchens. Sich strecken, sich dehnen, in der niedrigen Sprechart sich recken, in Baiern sich stranzen. Figürlich, alle Kräfte an etwas strecken, wofür man doch lieber sagt, alle Kräfte anstrengen, Ich strecke mich zu dem was da vornen ist, Phil. 3, 13; eine gleichfalls veraltete Figur. Sehr oft verlieret sich der Begriff der Heftigkeit oder der scharfen Anstrengung, und lässet nur den Begriff der Ausdehnung in die Länge übrig. Ein fleißiges Weib strecket ihre Hand nach dem Rocken, Sprichw. 31. 19. S. Ausstrecken. Sich in das Gras strecken, legen. Indeß, daß er einsam ins Gras gestreckt mit irrenden Blicken den Himmel durchlief, Geßn. Sich nach der Decke strecken, sich nach seinen Kräften, nach seinem Vermögen richten. Alle viere von sich strecken, ausgestreckt da liegen, im gem. Leben. Der Weg streckt sich sehr in die Länge. Daher wird gestreckt zuweilen für lang gebraucht. Ein Pferd ist gestreckt, wenn es eine schöne Länge hat. 2. In weiterer und figürlicher Bedeutung, so daß auch der Begriff der Ausdehnung verschwindet. Die Jäger strecken das geschossene Wildpret, wenn sie es auf den Boden der Länge nach hinlegen. Das Gewehr strecken, es der Länge nach auf den Boden legen. Im Bergbaue wird das Feld gestreckt, wenn es der Länge nach vermessen wird. Wenn Frisch behauptet, daß strecken in einigen Gegenden auch pflügen bedeute, so ist er ohne Zweifel durch das Nieders. streken dazu verleitet worden, welches den Acker stürzen, ihn zum ersten Mahle pflügen bedeutet, und im Hochdeutschen nicht strecken sondern streichen heißt. So auch das Strecken.

Anm. Bey dem Kero, Notker u.s.f. strecchan, im Nieders. gleichfalls strecken, im Schwed. sträoka, im Angels. strecan, im Engl. to stretch. Es ist vermöge des verdoppelten Gaumenlautes ein[431] Intensivum von streichen, und gehöret zu dem Geschlechte der Wörter Strich, strack (Lateinisch stricte,) und ohne Zischlaut zu dem Nieders. trecken, ziehen, und ohne t zu recken, reichen, richten u.s.f. Das vorgesetzte st scheinet hier ein Intensivum zu bezeichnen. Ehedem ging es irregulär, in welcher Form es noch in einigen Gegenden üblich ist, ich strackte, gestrackt, bey dem Strycker ich strachte.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 431-432.
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