[go: up one dir, main page]

Sprache, die

[226] Die Sprāche, plur. die -n, von dem Zeitworte sprechen, ein in einer doppelten Hauptbedeutung übliches Wort.

1. Als ein Abstractum, und ohne Plural.

(1) Das Vermögen zu sprechen. (a) Im weitesten Verstande, das Vermögen, den innern Zustand seines Geistes durch Töne auszudrucken, und in dieser Bedeutung haben auch die Thiere eine Sprache. Die Thiersprache. Ach! und O! sind die Sprache des leidenden Menschen. (b) Im engern und gewöhnlichern Verstande ist die Sprache das Vermögen, seine Gedanken durch Worte, d.i. articulierte (eigentlich nachgeahmte Töne) auszudrucken, das Vermögen Worte als Zeichen der Gedanken zu gebrauchen. Die Sprache ist ihm vergangen. Die Sprache wieder bekommen. Ohne Sprache da liegen, S. Sprachlos. Der Schreck benahm ihm die Sprache. Die Sprache hat sich wieder gefunden. (c) Figürlich bedeutet es zuweilen die Aussage, das Bekenntniß. Er will mir der Sprache nicht heraus. Nur heraus mit der Sprache! Nimm mir es nicht übel, daß ich mit der Sprache heraus rücke, daß ich es gerade heraussage. Nach einer andern Figur kommt eine Sache zur Sprache, wenn ernstlich darüber gesprochen oder gehandelt wird.

(2) Die Art und Weise zu sprechen, wo es wieder in verschiedenen Einschränkungen üblich ist. (a) In Rücksicht auf das Vermögen zu sprechen, wo es doch seltener gebraucht wird. Eine schwere, eine leichte Sprache haben. (b) In Rücksicht auf den Schall, für Stimme. Eine grobe, eine klare Sprache haben. Dieses Frauenzimmer hat eine männliche Sprache. (c) In Rücksicht auf die Mundart. Du bist auch einer von denen, denn deine Sprache verräth dich, Matth. 26, 73. (d) In Ansehung[226] der Art und Weise sich auszudrucken, wo fast jeder Stand der bürgerlichen Gesellschaft, jede Lebensart, jede Leidenschaft ihre eigene Sprache hat. Die Sprache des gemeinen Lebens, des Hofes, der feinern Welt. Die Jägersprache, Handwerkssprache, Künstlersprache u.s.f. Weg mit der Satyre! sie ist nicht die Sprache des Liebhabers. Diese Thränen, diese Seufzer, diese Sprache der Natur, wo sich die empfindlichste Seele mit so vieler Aufrichtigkeit abschildert, Weiße. Die Sprache der Liebe ist im Neste der Nachtigall süßer Gesang und im Winkel der Katze Zetergeschrey, Herd. wo es in der weitesten Bedeutung der Töne jeder Art stehet. Dieß ist die Sprache der Pflicht, Gell. Vergiß diese gezwungene Sprache bey mir, Weiße. Menschen, welche die seine Sprache Helden nennt. Der Telemach hat eine reiche und glänzende Sprache. Er hat diese Sprache erst von den Bösewichtern angenommen. Dieß ist die Sprache der lauten Verzweiflung. Orgon flieht die ehrenrührigen Worte und wählt aus der Sprache des Tadels die gelindesten, Gell. In der Sprache der Liebhaber reden. Wo sich denn, (e) auch oft der Begriff des Inhaltes dessen, was man spricht, mit einschleicht. Verändern sie die Sprache bey Julchen etwas, Gell. Sie reden in der Sprache der Liebhaber. Sollte wohl meine Sprache ihren Ohren ungewöhnlich seyn? Führen nicht alle Mannspersonen eben dieselbe Sprache, die er führet? Sie haben zweyerley Sprachen, und ich weiß nicht, auf welche man sich verlassen soll, Gell. besser, zweyerley Sprache, weil der Plural in dieser ganzen Hauptbedeutung nicht leicht gebraucht wird, ob er gleich der Analogie zu Folge, von mehrern Arten statt finden könnte.

2. Als ein Concretum, folglich mit dem Plural, der Inbegriff von Tönen, wodurch man seinen innern Zustand ausdruckt.

(1) Im weitesten Verstande, von allen Tönen, so fern sie Zeichen der Empfindung sind. Die Thiersprache. Die Sprache der leidenden Natur.

(2) In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung, der ganze Inbegriff, von Wörtern und Redensarten, vermittelst deren die Glieder eines Volkes einander ihre Gedanken mittheilen, die von einer gewissen mit einander verbundenen Menge Menschen angenommene Weise, seine Gedanken durch Wörter und Redensarten von sich geben. Alle Welt hatte einerley Sprache, 1 Mos. 11, 1. 6. Eine reiche, eine arme, eine leichte, eine schwere Sprache. Eine rauhe, barbarische, zierliche Sprache. Die abendländischen Sprachen, zum Unterschiede von den morgenländischen. Die Deutsche, Französische, Lateinische Sprache u.s.f. Die Muttersprache, Landessprache. Eine Sprache reden, verstehen, schreiben. Vielerley Sprachen lernen. Verschiedene Sprachen reden. Figürlich wurde daher auch Sprache ehedem für Volk, Nation gebraucht. In dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter kommt es noch von unterwürfigen Nationen vor. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung veraltet, welche sich indessen noch mehrmals in der Deutschen Bibel findet. Den Sprachen weissagen, Offenb. 10, 11. Über alle Sprachen Macht geben, Kap. 13, 7. Allen Sprachen verkündigen. Kap. 14, 6.

(3) * Figürlich, eine wirkliche Unterredung. Datun eina Spracha, hielten eine Versammlung, Ottfr. Will mit ihm han ein sprach, Theuerd. Kap. 90. In dieser Bedeutung ist es im Hochdeutschen gleichfalls veraltet, außer daß sie noch zuweilen in dem zusammengesetzten Rücksprache vorkommt. S. auch Morgensprache.

Anm. Schon bey dem Kero Sprahhi, bey dem Ottfried Spracha, im Tatian Spraha, im Niedersächs. Sprake, Sprik, im Schwed. Språk. S. Sprechen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 226-228.
Lizenz:
Faksimiles:
226 | 227 | 228
Kategorien: