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Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1761
Herzberg (Landkreis Osterode, Harz)

Schloß Herzberg (1): Wappen am Uhrturm

Das größte Fachwerkschloß Niedersachsens:
Schloß Herzberg ist ein exzellent erhaltenes und hervorragend restauriertes Fachwerkschloß, das auf einem Berg über der Stadt Herzberg thront. Die große Rechteckanlage, einer der größten Fachwerkbauten Norddeutschlands und die größte Schloßanlage Niedersachsens in Fachwerkausführung, besteht aus vier um einen Hof gruppierten Flügeln und einem separat im Südwesten stehenden, zweigeschossigen Torbau aus dem Jahre 1735. Der Innenhof ist 58 x 40 m groß. Bis auf einen im östlichen Hofeck stehenden Uhrturm und den Treppenturm am Stammhausflügel ist das Schloß nicht mit Türmen (Wehrtürmen) ausgestattet, so daß der Eindruck von den riesigen Fachwerkflächen über steinernem Sockel geprägt wird. Der äußere Umriß wird zudem vom Gelände der Bergkuppe mitbestimmt, so daß sich Abrundungen des Rechtecks ergeben. Die vier Flügel entstammen unterschiedlichen Bauzeiten. Im Südwesten liegt einer der ältesten Teile des Schlosses, der Stammhausflügel oder Katlenburger Flügel. Er besitzt den unregelmäßigsten Grundriß von allen. Im Südosten grenzt an ihn der Graue Flügel, an diesen stößt, wenn man im Gegenuhrzeigersinn der Gebäudeabfolge rings um den Hof folgt, der Sieberflügel als Nordostflügel, und an diesen wiederum stößt der Marstallflügel (nach den Stallungen im Erdgeschoß), der auch Kanzleiflügel genannt wird (nach der Kanzlei in den oberen Stockwerken. Der zweistöckige Massivbau ist schlicht gehalten. Direkt neben diesem Bau liegt die einzige Tordurchfahrt in das Hochschloß, am äußersten Ende des die Lücke zwischen Marstallflügel und Stammhausflügel schließenden Neuen Flügels.

Abb.: Links Sieberflügel, Mitte Uhrturm, rechts Grauer Flügel

Stilistisch dominiert die Renaissance, und das Schloß hat im großen Ganzen die Gestalt, die ihm nach dem Wiederaufbau nach dem zerstörerischen Brand von 1510 verliehen wurde. Einer der besten Vergleiche mit dem Aussehen im 17. Jh. bietet ein Kupferstich von Matthäus Merian aus dem Jahr 1654, der allerdings auch viele heutzutage nicht mehr vorhandene bauliche Details zeigt, wie sie für die späte deutsche Renaissance typisch sind: ein Erker und vier steinerne geschwungene Zwerchgiebel am Stammhausflügel und weitere vier Zwerchgiebel in Fachwerkausführung am Grauen Flügel.

Abb.: Durch die Jahreszahl am Schlußstein auf 1735 datiertes, separates Torhaus

Geschichte: aus der Reichsburg wird eine Welfenburg:
Auch wenn die heute anhand der Bausubstanz sichtbare Geschichte nach dem Brand von 1510 beginnt, reicht die Geschichte des Herzberger Schlosses viel weiter zurück. Erstmals greifbar wird Herzberg als ehemalige Reichsburg mit einer dort im Jahre 1154 ausgestellten Urkunde, in der Heinrich der Löwe dem Kloster Volkenroda einige Besitzungen bestätigt, und als Zeuge fungiert ein Ministeriale namens Luipoldus de Hirzesberc. In einer kurz darauf, nämlich 1156, ausgestellten Urkunde, in der Heinrich der Löwe Schenkungen an das Kloster Bursfelde bestätigt, wird gleichfalls Herzberg erwähnt, und die nächste Urkunde mit Erwähnung des Ortes datiert von 1188. Um diese Zeit ist in Herzberg eine welfische, von einem Ministerialen verwaltete Burg, die Heinrich der Löwe zusammen mit der Reichsburg Scharzfels und dem Hofgut Pöhlde bei seinem Vetter Friedrich Barbarossa 1158 gegen andere Gebiete eingetauscht hatte, eine Burg, die eine wichtige Rolle bei der Sicherung der Hänge des Südharzes, bei der Ausdehnung des Machtbereiches nach Süden und Osten und bei der Konsolidierung der Welfenherrschaft im Harz spielte, und auf der Heinrich der Löwe 1154 und 1156 weilte und Urkunden ausstellte. Als Heinrich der Löwe 1180 in Reichsacht fiel, ging er all seiner Lehen verlustig, und er verlor seine Herzogtümer Sachsen und Bayern, und auch Herzberg wurde ihm genommen. Da es aber aufgrund des genannten Tausches mittlerweile sein eigener Allodialbesitz war, wurde ihm 1181 nach seiner Unterwerfung Herzberg zurückgegeben, ebenso wie Braunschweig und Lüneburg. Seitdem dauerte die Welfenherrschaft in Herzberg bis zur Annexion Hannovers durch Preußen im Jahre 1866 fort, 685 Jahre.

 

Abb. links: Fachwerkobergeschosse des Uhrturmes. Abb. rechts: ein Portal des Uhrturmes.

Geschichte: das Schloß von Braunschweig-Grubenhagen:
1203 fiel Herzberg mit seiner Burg an Otto, Sohn von Heinrich dem Löwen. Während Otto selbst viel lieber in seiner Burg Harzburg weilte, diente Herzberg seiner Frau Maria als Witwensitz. Sein Neffe Otto I. Herzog v. Braunschweig-Lüneburg, gen. der Knabe, wurde zum Begründer des Herzogtums Braunschweig - Lüneburg aus den ehemaligen Eigengütern, die er auf das Reich übertrug und wieder zu Lehen nahm, eine Geste der Aussöhnung der Welfen mit dem Kaiser. Das Welfengebiet, noch territorial ungeteilt, wurde Reichsfürstentum. Nach seinem Tod wurde das Welfengebiet zwischen den Söhnen Albrecht und Johann aufgeteilt, ersterer bekam Braunschweig, letzterer erhielt Lüneburg. Herzberg kam an Albrechts Linie, und das Schloß wurde für Albrechts Frau ab 1279 Witwensitz. Die Aufteilung der Welfenherrschaft in drei weitere separate Fürstentümer erfolgte nach dem Tod von Ottos Sohn Albrecht dem Großen unter dessen drei Söhnen, die drei selbständige Fürstentümer gründeten:

Herzberg und seine Burg fielen an die Linie Braunschweig-Grubenhagen, der auch die Burgen Grubenhagen bei Einbeck, Salzderhelden und Osterode gehörten. Das Schloß Herzberg wurde Residenz des Fürstentums, und Herzberg, nach dem sich eine eigene Unterlinie benannte, wurde ab 1486 sogar ständige Residenz und blieb in Besitz der Grubenhagener Herzöge bis zu dem Aussterben der Linie mit Philipp II. Herzog von Braunschweig-Herzberg (2.5.1533-4.4.1596). Zeitweise wurde jedoch Herzberg unter Heinrich II. Herzog von Braunschweig-Grubenhagen (-1351) an das Erzstift Mainz veräußert, rechtlich fragwürdig und ungültig, da ohne Zustimmung seiner Brüder. 1420 wurde wiederum ein Drittel des Schlosses Herzberg an den Erzbischof von Mainz verpfändet. Immer wieder regierten mehrere Erben gemeinsam das Fürstentum Grubenhagen. Eine jähe Zäsur gab es im Jahr 1510 unter der Regierung von Philipp I. Herzog von Braunschweig-Herzberg (-4.9.1551), denn das alte Schloß Herzberg brannte am 4.11. dieses Jahres aufgrund eines Kaminbrandes bis auf die Grundmauern nieder, und vom Aussehen dieses ersten Schlosses Herzberg ist so gut wie nichts überliefert. Herzog Philipp, der sich mit seiner Familie mit knapper Not durch Sprung aus dem Fenster in den Hof hatte retten können, zog erst nach Grubenhagen, während Schloß Herzberg wieder aufgebaut wurde. Seine Söhne waren die letzten Grubenhagener Herzöge, und 1596 erlosch die Linie. Schloß Herzberg wurde als Teil der Grubenhagener Erbmasse Zankapfel zwischen den anderen Linien.

Abb.: Sieberflügel

Genealogie der Linie Braunschweig-Grubenhagen:

Abb.: Kapitelle der Holzsäulen am Stammhausflügel

Geschichte: Herzberg fällt an Braunschweig-Wolfenbüttel:
Um die Besitzübergänge des Schlosses Herzberg nach dem Aussterben der Grubenhagener Linie zu verstehen, vertiefen wir uns nun ein wenig in die Genealogie der Welfen. Schloß Herzberg gelangte nach dem Tod des letzten Grubenhagener Herzogs an die Linie Braunschweig-Wolfenbüttel. Die Schlüsselfigur ist Heinrich Julius Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel (15.10.1564-1613). Er erbte 1596 Grubenhagen, obwohl dieser Rechtsanspruch nicht eindeutig war. Jedenfalls nahm er das Fürstentum ein und setzte einen Landdrosten zur Verwaltung ein, der auf Schloß Herzberg lebte. Die Wolfenbütteler Herzöge hielten sich jedoch nicht auf Herzberg auf, somit gab es hier auch keine Hofhaltung. Schloß Herzberg war, bei Lichte besehen, in dieser Zeit nur ein Verwaltungs- und Steuereintreibeort. Entsprechend wenig wurde investiert und gebaut.

Genealogie der Linie Braunschweig-Wolfenbüttel (mittleres Haus Braunschweig):

Geschichte: Herzberg fällt an Braunschweig-Lüneburg-Celle:
Nach dem Tod des politisch starken Herzogs Heinrich Julius wurde dessen Sohn Friedrich Ulrich Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel (15.4.1591-1634) 1613 Herzog, der letzte aus der älteren Wolfenbütteler Linie. Schon kurz nach seinem Regierungsantritt wollten die Celler Welfen das Thema Grubenhagen ausdiskutiert wissen, und es entbrannte Streit um die Ländereien. Beide Häuser waren der Ansicht, rechtmäßige Erben von Grubenhagen zu sein. Herzog Friedrich Ulrich schuf Tatsachen und besetzte die Gebiete einfach. Doch 1616 mußte er einem Mächtigeren nachgeben, denn der Kaiser hatte bestimmt, daß er das Land an Herzog Christian von Braunschweig-Lüneburg-Celle (19.11.1566-8.11.1633) herausgeben sollte. Das Reichskammergericht wurde deswegen angerufen, und es entschied 1617 zugunsten der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg-Celle. Am 10.3.1617 bestätigte der Kaiser in Prag noch einmal die Erbfolge für das Fürstentum Grubenhagen unter Begünstigung der lüneburgischen Linie.1616 war der Erstgeborene unter den Brüdern, Ernst II., schon verstorben, so daß der Zweitgeborene in Celle regierte. Noch lebten aber seine fünf Brüder, und Bruder Georg bekam Schloß und Amt Herzberg als Apanage zu seiner Versorgung. Damit war Herzberg in der Celler Linie angekommen, und wurde sogar wieder mit blühendem Leben gefüllt, denn er bezog mit seiner Frau das Schloß als Residenz. Unter ihm begann die neue Glanzzeit von Herzberg. Niemand konnte damals vorhersehen, daß der zweitjüngste Bruder mangels Nachkommen der älteren Brüder einmal alles übernehmen sollte. Das kam so: Gemeinsam beschlossen die sechs überlebenden Brüder, daß man nicht schon wieder mit der Teilerei der Länder anfangen sollte, dessen hatte man nun wirklich genug, wenn man in die Geschichte der Herzöge blickt. Spalterei, teure Hofhaltungen, Zwist zwischen den Linien, Reichskammergericht - nie wieder wollte man das haben. Auch wollte und konnte (!) man nicht sechs Residenzen bauen und entsprechende Hofhaltungen unterhalten. Vielmehr sollte das Los entscheiden, wer als einziger eine standesgemäße Ehe eingehen sollte. Georg, der zweitjüngste Bruder, hatte das große Los dann gezogen, und so geht das ganze Neue Haus Hannover auf ihn und seine Frau zurück, geboren hier auf Schloß Herzberg. Georg hatte dabei auch einfach Glück gehabt, denn er hatte sich vorher schon heimlich mit seiner Zukünftigen verlobt.

Wappensteine an Schloß Herzberg:
Und erst mit Georgs Söhnen, sozusagen in der letzten Generation vor Schluß, setzen die hier gezeigten heraldischen Spuren ein, denn die drei großen Wappensteine am Schloß gehören zu zwei Brüdern, Söhnen Georgs, die hier ihre Herrschaft in einem Schlußakt dokumentieren, ehe die Geschichte in Celle und dann schlußendlich in Hannover weitergeht.

Insgesamt gibt es drei sehenswerte Wappendarstellungen an Schloß Herzberg, auf den beiden Seiten der erwähnten Tordurchfahrt und am Portal des Uhrturmes. Das Wappen am Uhrturm gehört zu Christian Ludwig Herzog von Braunschweig-Lüneburg-Celle (25.2.1622-1665) und seiner Frau Dorothea Herzogin von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg (29.9.1636-6.8.1689), und die beiden am Haupteingang in den Innenhof, innen wie außen, gehören zu Johann Friedrich Herzog von Braunschweig-Calenberg (25.4.1625-1679).

Abb.: Stammhausflügel mit auf Säulen vorkragendem Fachwerkobergeschoß, rechts der Neue Flügel.

Genealogie der Linie Braunschweig-Lüneburg-Celle (mittleres Haus Lüneburg):

Abb.: Portalbekrönung am Sieberflügel mit einer gekrönten Melusine mit wallendem Haar, eine Kette mit Kreuz um den Hals, mit beiden Händen ihre zwei aufwendig verschlungenen Fischschwänze ergreifend.

letzte Blüte als Residenz unter Braunschweig-Lüneburg-Celle:
Seinen Rang als ständige Residenz verlor Herzberg erst 1636. Herzog Georg, obwohl durch die oben beschriebenen Umstände designierter Stammvater aller weiteren Welfen, residierte hier so lange, bis seine beiden älteren Brüder, die einander auf dem Celler Thron als Herzog nachfolgten, erst Christian bis 1633, dann August bis 1636, gestorben waren. Einzig Friedrich war noch im Rennen, und so kam es doch noch zu einer Teilung, die man eigentlich hatte vermeiden wollen, nach dem Tod Augusts wurde Friedrich von 1636 bis 1648 Fürst von Lüneburg, wie seine Brüder vor ihm. Georg jedoch bekam die Fürstentümer Calenberg und Göttingen, und 1636 erhob er Hannover zur Residenz und baute das ehemalige Minoritenkloster zum Residenzschloß an der Leine um. Da, wie abgesprochen, der im Fürstentum Lüneburg regierende Bruder keine erbberechtigten Kinder hatte, wurden beide Regierungen wieder unter seinem Sohn Christian Ludwig 1648 in einer Hand vereinigt (Begründer des neuen Hauses Lüneburg). Als Georg Herzog von Braunschweig-Calenberg 1641 vermutlich durch einen Giftanschlag starb, wurde Schloß Herzberg Witwensitz für Anna Eleonore geb. Landgräfin von Hessen-Darmstadt. Sie hatten vier Söhne, die nacheinander in der Regierung folgten. Das Testament verfügte eine Mischung aus Teilung und Abfindung: Christian Ludwig sollte Calenberg, Lüneburg, Grubenhagen, Hoya und Diepholz erhalten, Georg Wilhelm den Rest mit der Hauptstadt Hannover. Johann Friedrich und Ernst August sollten mit einer Apanage abgespeist werden. Doch wie es das Schicksal wollte, wurde ausgerechnet der jüngste Bruder der erste Kurfürst von Hannover und stach alle anderen aus. Christian Ludwig hielt sich noch oft in Herzberg auf, er baute das Schloß 1648-1660 um, und aus dieser Zeit stammt der wunderschön mit geschnitzten Figuren verzierte Glockenturm des Schlosses und das hier zu diskutierende Wappen an dessen Eingangsportal. Christian Ludwig hatte eine enge Bindung an Herzberg, auch als er längst in Hannover (1641-1648) und Celle (1648-1665) residierte.

Abb.: Sieberflügel. Insgesamt führen vier Schmuckportale mit Freitreppe in den Bau (vgl. Detailaufnahmen).

Bauten unter Herzog Christian Ludwig:
Neuer als der Katlenburger Flügel (Stammhausflügel) ist der Sieberflügel. Er wurde zwischen 1648 und 1660 unter Christian Ludwig Herzog von Braunschweig-Lüneburg-Celle (25.2.1622-1665) erbaut. Der dreistöckige Bau besitzt ein Erdgeschoß aus Stein und zwei Obergeschosse aus Fachwerk. Auch dieser Flügel, der den malerischen Anblick von der Stadt Herzberg aus prägt, ist heute schlichter als im 17. Jh., denn wir dürfen ihn uns mit hofseitigen Arkadenvorbauten vorstellen. Die frühere Nutzung war wie folgt aufgeteilt: Das Erdgeschoß beherbergte die Küche und Gesindestuben, das erste Obergeschoß Wohngemächer der Herzöge, und das zweite Obergeschoß war Speicher für Korn etc., genau wie der Dachboden.

Abb.: Uhrturm mit Details der Schnitzarbeiten

Zeitlich wurde der viergeschossige Uhrturm im Eck zwischen Nordost- und Südostflügel in Zusammenhang mit dem Sieberflügel erbaut, so daß auch für dieses Kleinod der Fachwerkbaukunst Christian Ludwig Herzog von Braunschweig-Lüneburg-Celle (25.2.1622-1665) Bauherr war. Der Turm mit einem Erdgeschoß aus Stein und drei Fachwerkobergeschossen hat einen quadratischen Querschnitt. Letztere zeigen zahlreiche Schnitzereien im Knorpelstil an den Ständern, und diese figürliche Ausstattung voller Schmuckfreude macht ihn zum künstlerisch wertvollsten Teil des Schlosses. Masken, Löwenköpfe, menschliche Figuren, Zierkonsolen vereinigen sich zu einem Meisterwerk des Manierismus. Im ersten Obergeschoß setzte einst eine sich am Sieberflügel entlangziehende offene Galerie an. Die Wasserspeier am Dachgeschoß sind in Drachenform gestaltet. Die Turmbekrönung ist eine mehrfach eingeschnürte welsche Haube mit Laterne, alles von achteckigem Querschnitt, die Laterne ist zu allen Seiten offen.

Abb.: Schnitzereien am Ständerfachwerk des Uhrturmes

Die Portale am Uhrturm:
Der Uhrturm besitzt zwei Eingänge. Über dem nach Nordwesten gerichteten Portal befindet sich eine Monogrammkartusche mit den Initialen CL für Christian Ludwig Herzog von Braunschweig-Lüneburg-Celle. Zwei mit einem roten Röckchen bekleidete Meerjungfrauen, hier in ungewöhnlicher Pose mit nach innen geringeltem Fischschwanz, was eine starke Neigung der Oberkörper zur Folge hat, halten eine Krone und über die Monogrammkartusche und dazu zwei sich um letztere legende Lorbeerzweige.

Das zweite Portal, das nach Südwesten weist, ist hingegen das heraldisch interessantere. Hier sind die beiden Individualwappen der Eheleute zu einem Allianzwappen vereint, heraldisch rechts das für Christian Ludwig Herzog von Braunschweig-Lüneburg-Celle (25.2.1622-1665), heraldisch links das für seine Frau Dorothea Herzogin von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg (29.9.1636-6.8.1689). In der Mitte schwebt über den beiden Wappenschilden eine Krone, darüber ein geflügelter Engelskopf.

Nach dem Tod von Georg Herzog von Braunschweig-Calenberg wurde das Erbe gemäß Testament dergestalt aufgeteilt, daß Christian Ludwig Lüneburg, Grubenhagen mit Herzberg, Hoya und Diepholz bekam und Georg Wilhelm den Rest mit Hannover als Hauptstadt. Christian Ludwig war sehr oft auf seinem Geburtsort Schloß Herzberg, auf dem er bis zu seinem 14. Lebensjahr permanent gewohnt hatte, und ließ das alte Welfenschloß 1648-1660 grundlegend umbauen. Weiterhin ließ er den Jägerhof in Herzberg erbauen. Auch als er längst in Hannover (1641-1648) und Celle (1648-1665) residierte, blieb er Herzberg stets treu verbunden, nicht zuletzt weil er leidenschaftlicher Jäger war, und auch weil seine Mutter hier ihren Witwensitz genommen hatte, und investierte in Neubauten.

In den Wappen der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg gibt es drei prinzipielle Arten von Schildhaltern, nämlich zwei goldene Löwen, besonders bei der Lüneburger Linie und bei kleineren Staatswappen der Wolfenbütteler Linie, zwei Engel, besonders bei der Braunschweiger Linie, und zwei wilde Männer mit Keule, besonders bei großen Staatswappen der Wolfenbütteler Linie. Sie waren ursprünglich Symbole des Harzes, und statt der Keulen kommen auch Tannen oder belaubte Stämme vor.

Menschlich werden von Christian Ludwig höchst umstrittene Züge überliefert. Er gehört nicht zu den glücklichen und vom Volk geliebten Herrschern. Er war ein Despot und Radaubruder, der seine rohe Leidenschaft für Jagd, Vergnügen und Militär auf Kosten der Bevölkerung auslebte und von den Hannoveranern mehr gefürchtet als geliebt wurde. Er hatte den Thron in Hannover viel zu jung mit 19 Jahren übernommen und lebte seinen jugendlichen Ungestüm zum Schrecken der Bevölkerung aus. Im Jahre 1648 tauschte er Calenberg-Göttingen gegen Celle und regierte dort, als jenes Wappen am Uhrturm entstand. Auch dort war er schnell für Luxus, Pracht und rauhe Gelage bekannt. Erst nach seiner Heirat 1653 und insbesondere im Alter (das ist relativ, denn er wurde nur 43 Jahre alt) wurde der Herzog milder und vernünftiger. Das Portal ist damit auf eine Zeitspanne von 1653-1665 hinsichtlich der Datierung eingegrenzt.

Hier sehen wir bei den Schildhaltern eine seltene Kombination von Löwen und wilden Männern gleichzeitig, letztere mit Laubkränzen um Stirn und Hüften neben den Wappen stehend, in der inneren Hand jeweils einen belaubten Stamm haltend, und hinter ihnen kauern die Löwen.

Position des abgebildeten Wappensteines

Das Wappen von Braunschweig-Lüneburg-Celle:
Zu den Inhalten: Das zwölffeldrige Wappen, bei dem einzelne Felder noch einmal unterteilt sind, enthält insgesamt zwölf Themen: Braunschweig, Lüneburg, Everstein, Homburg, Bruchhausen, Hoya, Lauterberg, Klettenberg, Regenstein, Blankenburg, Hohnstein und Diepholz, wobei der jüngste Zugang, Diepholz, 1585 hinzukam. Die Aufteilung ist nicht logisch, weil manche Themen sich über zwei oder anderthalb Felder erstrecken, dafür sogar auseinander gerissen werden, andererseits wieder mehrere Themen in ein Feld zusammengestaucht werden. Diepholz wurde nämlich nicht in ein Feld gedrängt, sondern nahm zwei Felder für seine obere und seine untere Hälfte in Anspruch. Dennoch entstanden insgesamt nur zwölf Felder, weil Hoya und Bruchhausen zusammen in ein Feld gedrängt wurden, und weil Hohnstein die Expansion von Lauterberg kompensiert. Der Schild ist zweimal gespalten und dreimal geteilt:

Abstammung der Ehefrau:

Das Wappen von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg:
Das Wappen für Dorothea Herzogin von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg (29.9.1636-6.8.1689) ist geviert mit eingepfropfter Spitze und wiederum geviertem Herzschild:

Abb.: Links der Uhrturm mit seinen beiden Portalen, rechts der Graue Flügel

Abb.: Portalbekrönung am Sieberflügel mit einem geflügelten Engelskopf zwischen zwei Mini-Obelisken.

Abb.: Portalsturz am Sieberflügel mit mehreren grotesken Masken.

Abb.: Portalbekrönung am Sieberflügel mit einem geflügelten Engelskopf zwischen zwei Meerjungfrauen, die anstelle der Arme Flügel haben. Insgesamt gibt es vier solcher Schmuckportale am Sieberflügel.

Der Graue Flügel:
Auch wenn sich das südöstliche Verbindungsstück zwischen Stammhausflügel und Sieberflügel, der sog. Graue Flügel, harmonisch einfügt, handelt es sich bei diesem doch um einen Neubau aus dem Jahre 1861, und der Stil ist spätklassizistisch. Der zweistöckige Bau besitzt ein steinernes Erdgeschoß und ein Fachwerk-Obergeschoß. Sein Fachwerk ist von gänzlich anderem Stil, die großen Rechteckfenster sind sowohl an der Hof- als auch an der Außenseite zu Zwillingsfenstern gekoppelt, und das mittig angelegte Portal wird von einer Fläche schlichten Rustikamauerwerks eingerahmt. Auf der Außenseite liegen hier zur Betonung der Mittelachse sogar zwei Drillingsfenster in den beiden Stockwerken übereinander, rechts und links von je 2x 3 Zwillingsfenstern begleitet. Der Graue Flügel enthielt im Erdgeschoß Wohnräume für Hofangestellte und im Obergeschoß Festräume.

Literatur, Links und Quellen:
Schloß Herzberg: http://www.museum-schloss-herzberg.de/
Hans Grüneberg, Schloß Herzberg und seine Welfen, Herausgegeben von der Stadt Herzberg im April 1993,
ASIN: B002BZDRKC
A. Böttcher, Schloß Herzberg (Harz), Herzberg 1953.
G. Ulrich Grossmann, Hannover und das südliche Niedersachsen. Du Mont Kunst-Reiseführer. Geschichte, Kunst und Landschaft zwischen Harz und Weser, DuMont Reiseverlag, Ostfildern, 5. Auflage 1998, ISBN-10: 3770118642, ISBN-13: 978-3770118649
U. Mattke, H.-L. Meise W. Hetzer, Herzberg am Harz - Vergangenheit und Gegenwart, Verlag: Erwin Jungfer, 1974, ASIN: B005Y2KR3O
Hans Adolf Schultz: Burgen und Schlösser des Braunschweiger Landes, Braunschweig, Waisenhaus- Buchdruckerei 1983, ISBN-10: 3878840128, ISBN-13: 978-3878840121, bzw. ISBN-10: 3927060011, ISBN-13: 978-3927060012
W. Hetzer, Schloß Herzberg, Wiege der Könige, Herzberg 1974
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der deutschen Länder - die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart. C. H. Beck Verlag München 7. Auflage 2007, ISBN 978-3-406-54986-1
Siebmacher, Landesfürsten (Souveräne), Teil 1, Teil 2 und Teil 4
Hugo Gerard Ströhl, Deutsche Wappenrolle, Reprint von 1897, Komet Verlag Köln, ISBN 3-89836-545-X
Schloß Herzberg:
http://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Herzberg
Merian-Stich:
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Herzberg_Schloss_Merian.png&filetimestamp=20091008170249

Schloß Herzberg (2): Wappen am Hauptzugang

Wappen, Linien und Territorien der Welfen (1): Wappen-Komponenten und ihre Geschichte
Wappen, Linien und Territorien der Welfen (2): Entwicklung der herzoglichen Wappen
Wappen, Linien und Territorien der Welfen (3): Wappen des Hauses Hannover

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